Einführungsseminar Sprachgeschichte 5 WS 2007/08

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Einführungsseminar Sprachgeschichte 5
Dr. R. Froschauer
Mo. 12:00-14:00, U5/118
Beginn: 21. 4. 2008
SS 2008
Seminarplan
Termin
Thema
Literatur
21. 4. 2008
Sprachgeschichtliche Grundlagen:
Sprachverwandtschaft, Sprachstufen des
Deutschen, Erbwort und Lehnwort
28. 4. 2008
Historische Morphologie I: Ablautreihen
und Flexion der starken Verben des
Althochdeutschen, (mit Kurzüberblick zur
Entwicklung des Vokalismus, Ablaut)
Historische Morphologie II: Ablautreihen
und Flexion der starken Verben des
Mittelhochdeutschen, (mit Ausblick auf das
Neuhochdeutsche)
 Ahd.+Mhd: Kap. IV.1., IV.2. (S. 125-134)
Kap. V.1., V.2. (S. 139-154)
Übersicht Nr. 39 (S. 223)
 Einf.: Kap. XIV, XV, XVI (S. 149-185)
 Ahd.+Mhd: Kap. I.1. a) (S. 17-26)
Kap. III.2. a) – d)
(S. 115-124)
5. 5. 2008
12. 5. 2008
19. 5. 2008
26. 5. 2008
2. 6. 2008
9. 6. 2008
16. 6. 2008
23. 6. 2008
30. 6. 2008
7. 7. 2008
14. 7. 2008
entfällt wegen Pfingsten
Historische Morphologie III: Schwache
Verben des Althochdeutschen
(Klasseneinteilung und Flexion)
Historische Morphologie IV: Schwache
Verben des Mittelhochdeutschen
(Klasseneinteilung und Flexion)
Historische Morphologie V: PräteritoPräsentien des Alt- und Mittelhochdeutschen
 Abgabe HA 1 (Verben)
Historische Morphologie VI: Substantive
des Alhochdeutschen (Klasseneinteilung und
Flexion)
Historische Morphologie VII: Substantive
des Mittelhochdeutschen
(Klassenneueinteilung und Flexion)
Historische Morphologie VIII: Flexion der
Adjektive des Alt- und Mittelhochdeutschen
 Abgabe HA 2 (Substantive)
Historische Phonologie I: Erste
Lautverschiebung und Grammatischer
Wechsel, Nasalausfall vor germ. -h, Primärer
Berührungseffekt, Westgermanische
Konsonantengemination
Historische Phonologie II: Zweite
Lautverschiebung (dialektale Vielfalt des
Althochdeutschen und
Gegenwartsdeutschen)
Besprechung der Übungsklausur WS
2007/08 (einschließlich Aufgabe C.3.)
Abschlussklausur
 Ahd.+Mhd: Kap. II.1. a) (S. 59-68)
Kap. III.1.d) (S. 114)
Kap. V.3., V.4. (S. 155-163)
 Einf.: Kap. XV 4. (S.169-172)
 Ahd.+Mhd: Kap. I.1.b) (S. 27-32)
 Ahd.+Mhd: Kap. II.1.b) (S. 69-74)
 Ahd.+Mhd: Kap. I.1.c) (S. 33-37)
Kap. II.1.c) (S. 75-80)
Kap. III.1.b) (S. 104-106)
 Ahd.+Mhd: Kap. I.2.a) (S. 39-50)
 Ahd.+Mhd: Kap. II.2.a) (S. 82-88)
 Ahd.+Mhd: Kap. I.2.c) (S. 54-58)
Kap. II.2.c) (S. 91-96)
 Ahd.+Mhd: Kap. III. 1. a) – b) (S. 97-107)
 Bearbeitung der Übungsklausur WS
2007/08 (einschließlich Aufgabe C.2.)
 Ahd.+Mhd: Kap. III. 1. c) (S. 108-113)
Kap. IV.3. (S. 135-138)
Übersicht Nr. 40 (S. 224)
Literatur:
R. Bergmann/P. Pauly/C. Moulin, Alt- und Mittelhochdeutsch, 7. A., Göttingen 2007
(= Ahd.+Mhd.)
R. Bergmann/P. Pauly/St. Stricker, Einführung in die Sprachwissenschaft, 4. A., Heidelberg 2005
(= Einf.)
Rudolf Schützeichel, Althochdeutsches Wörterbuch, 5. A., Tübingen 1995 / 6. A., Tübingen 2006
Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 38 A., Tübingen 1992 (oder andere
Auflage)
Der Besuch eines Tutoriums wird dringend empfohlen!
Sprechstunden
nach Vereinbarung
mail: [email protected]
Einführungsseminar Sprachgeschichte 5
Dr. R. Froschauer
Mo. 12:00-14:00, U5/118
Beginn: 21. 4. 2008
SS 2008
Skript zum ES Sprachgeschichte 5
 das Skript ist kein Ersatz für die Lehrbücher, sondern Einstiegs- und Lektürehilfe mit
Schwerpunktsetzungen des Seminars!
1. Sitzung
Termin
Thema
Literatur
21. 4. 2008
Sprachgeschichtliche Grundlagen:
Sprachverwandtschaft, Sprachstufen des
Deutschen, Erbwort und Lehnwort
 Ahd.+Mhd: Kap. IV.1., IV.2. (S. 125-134)
Kap. V.1., V.2. (S. 139-154)
Übersicht Nr. 39 (S. 223)
 Einf.: Kap. XIV, XV, XVI (S. 149-185)
Periodisierung der deutschen Sprache und Literatur
1) Althochdeutsch: ca. 700 – ca. 1050
2) Mittelhochdeutsch: ca. 1050 – ca. 1350
3) Frühneuhochdeutsch: ca. 1350 – 1650
4) Neuhochdeutsch: ca. 1650 – heute
Synchronie und Diachronie (nach Ferdinand de Saussure):
Synchronie: Zustand einer Sprache zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Die synchrone Sprachbetrachtung erforscht die Sprache zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Diachronie: Entwicklungsphasen einer Sprache in der Aufeinanderfolge verschiedener
Zeitabschnitte. Die diachrone Sprachbetrachtung erforscht die Sprache in der
Aufeinanderfolge verschiedener Zeitabschnitte.
Diatopie: Untersuchung einer Sprache bzw. Sprachstufe im Hinblick auf dialektale
Varianten sowie dialektspezifischer Präferenzen, z.B. bestimmter Lexeme,
Wortbildungsmuster etc.
Kriterien für die Periodisierung in die genannten Sprachstufen:
a) 6 Kriterien der inneren Sprachgeschichte: sieh dazu Ahd.+Mhd. S. 125
(intralinguale Faktoren des ‚Seins und Werdens’ einer Sprache/Sprachwandelfaktoren)

phonologisch: z.B. Ahd. > Mhd.: Abschwächung unbetonter Nebensilbenvokale;
Mhd. > Nhd.: Diphthongierung mhd. Langmonophthonge mîn niuwez hûs > nhd. mein
neues Haus





morphologisch: z.B. Analogieausgleich im Präteritum starker Verben vom Mhd. >
Frnhd.; Suffixentstehung durch Grammatikalisierung aus ehemals selbständigen
Substantiven so ahd. heit st. M. F. ‚Person, Gestalt’ nhd. > -heit-Suffix zur Bildung
deadjektivischer Nomina Qualitatis
orthographisch: z.B. Entwicklung der Großschreibung im frühen Nhd. > Nhd.
syntaktisch: Entwicklung der dass-Sätze vom Ahd. > Nhd.; Zunahme an analytischen
Verbalformen (mit Auxiliaren) gegenüber synthetischen Verbalformen zur
Bezeichnung der Tempora Perfekt, Futur u.a.
semantisch: Bedeutungswandel, z.B. Verengung der Bedeutung des ahd./mhd. Subst.
muot zum nhd. Mut
lexikalisch: Untergehen von Wörtern, z.B. ahd. hugu ‚Sinn, Geist, Verstand’;
Erweiterung des Wortschatzes durch Wortbildung (Komposition und Derivation);
Verschiebungen in Wortfeldern, z.B. das Wortfeld ‚Frau’ vom Ahd. > Mhd. > Nhd.
(sieh Ahd.+Mhd. S. 154)
 vgl. hierzu insgesamt die schöne und ausführliche Darstellung in Einf. Kap. XIV, S. 149159!
b) Kriterien der äußeren Sprachgeschichte: sieh dazu Ahd.+Mhd. S. 125f.
(extralinguale Faktoren des ‚Seins und Werdens’ einer Sprache/Sprachwandelfaktoren)
 weiter ist jeweils zu den folgenden Stichworten nachzulesen:



Sprachverwandtschaft: Einf. Kap. XVI, S. 177-185; Ahd.+Mhd. S. 126-132
Etymologie speziell: Einf. S. 179f. (germanische Sprachen), S. 180 (indogermanische
Sprachen); Ahd.+Mhd. S. 128f. (german. Sprachverwandtschaft), S. 129f. (indogerm.
Sprachverwandtschaft), S. 130f. (indogerm. und europ. Sprachen)
Erbwort – Fremdwort – Lehnwort: Einf. S. 181f.; Ahd.+Mhd. S. 132-134.
 schlagen Sie folgende (hier bereits klassifizierte) Lexeme in etymologischen
Wörterbüchern Ihrer Wahl nach:
Erbwörter
fahren
ziehen
gebären
Lehnwörter Fremd-/Lehnwörter
Bruder
Vater
Mutter
Keks
Tanz
Konto
Friseur
Majonaise
Fremdwörter
(Fachtermini)
Etymologie
lexikalisch
Linguistik
Literaturempfehlungen: vgl. a. die Litverzeichnisse in Einf. und Ahd.+Mhd.
a) Etymologische Wörterbücher:
z.B. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. A. Berlin, New York
2002
oder:
Duden-Etymologie, Das Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache
Wolfgang Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch
(aktuelle Auflage)
b) Zur Sprachverwandtschaft (und zwar Überblicksdarstellungen: Indogermanische Sprachen,
Germanische Sprachen – ‚Verwandtschaftsbeziehungen’, althochdeutsche Dialektgebiete):
Hadumod Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. A., Stuttgart 2003
Stefan Sonderegger, Althochdeutsche Sprache und Literatur, 3. A. Berlin, New York 2003
Eckhard Meineke/Judith Schwerdt, Einführung in das Althochdeutsche, Paderborn 2001
c) ‚Ein bisschen’ Indogermanistik für Einsteiger:
Eva Tichy, Indogermanistisches Grundwissen für Germanisten, Bremen 2000
d) Wer es ‚ausprobieren’ mag:
Peter Ernst, Deutsche Sprachgeschichte, Wien 2005 (UTB)
2. Sitzung
Termin
Thema
Literatur
28. 4. 2008
Historische Morphologie I: Ablautreihen
und Flexion der starken Verben des
Althochdeutschen, (mit Kurzüberblick zur
Entwicklung des Vokalismus, Ablaut)
 Ahd.+Mhd: Kap. I. 1. a) (S. 17-26)
Kap. III. 2. a) – d) (S. 115-124)
Hinweise zur Benutzung des Schützeichel–Wörterbuchs:
 sieh dazu Ahd.+Mhd. S. 150-152)
Eine gründliche Lektüre der Einleitung sei empfohlen!
Es gilt abgesehen von der üblichen alphabetischen Reihenfolge der Wörterbucheinträge:
 bei Präfixbildungen alphabetische Einordnung nach dem Grundwort z.B. bi-/gi-zellen
sieh unter z, gi-nāda sieh unter n, davon ausgenommen sind alte Nominalkomposita,
die auf dem Präfix betont werden, und davon abgeleitete Verben z.B. ant-wurti sieh
unter a, (gi-)ant-wurten s. ebenfalls unter a
 bei Bildungen mit Adverbien u. ähnl. (z.B. umbi-, gagan-, eban-, usw.) werden
Nomina unter dem Bestimmungswort (= Adverb oder ähnl.) eingeordnet z.B. missinomeni unter m, ebenso von derartigen Nomina abgeleitete Verben, z.B. ke-misselīhhōn unter m; sonst werden mit Adverbien u. dergl. gebildete Verben unter dem
Grundwort eingeordnet z.B. misse-neman unter n
 Wörter beginnend mit hl, hr, hw u. hn sieh unter l, r, w u. n z.B. hnīgan sieh unter n
 Wörter beginnend mit c sieh (je nach Lautwert) unter k oder z z.B. ci unter z, cūmida
unter k
 Wörter beginnend mit ch, k sieh unter k z.B. be-chlagōn unter k (klagōn)
 Wörter beginnend mit qu (= k + w) sieh unter k z.B. queman unter k
 Wörter beginnend mit v, f sieh unter f
 Wörter beginnend mit th sieh unter d z.B. ther unter d (der)
 Wörter beginnend mit d sieh unter t, wenn es sich um ein erhaltenes germ. d handelt,
z.B. druhtīn unter t (truhtīn)
 uu, uv = w, sieh entspr. unter w z.B. uuort unter w (wort)
 Die Erstbelegwiedergabe (fettgedrucktes) erfolgt nach dem ostfränkischen Lautstand
(Tatian).
 Die Schreibung der ahd. Wörter richtet sich nach der handschriftlichen Überlieferung
(sog. beleggestützte Ansatzformen).
 Die Großbuchstaben am Ende jedes Wörterbuchartikels (Siglen) verweisen auf die
ahd. Sprachdenkmäler, in denen das Wort belegt ist z.B. T. (Tatian), L. (Ludwigslied),
O. (Otfrid), Ch. (Christus und die Samariterin) etc.

Mehrfachgenusangaben z.B. st. M. F. bedeuten, daß das Wort als Femininum und als
Maskulinum belegt ist oder dass das Wort Femininum oder Maskulinum sein kann,
eine sichere Bestimmung des Genus jedoch nicht möglich ist.
Alles Weitere ist der Einleitung bei R. Schützeichel zu entnehmen!
Die lateinisch - althochdeutsche Tatianbilingue (ahd. Textgrundlage des Seminars):
Bilingue: bi lingua (zweisprachig), links lat. - rechts ahd. (s. Abb. Ahd+Mhd., S. 236)
Literar. Typ: „Evangelienharmonie“ (harmonisierende Zusammenfügung der Lebensgeschichte Jesu nach den Evangelien (Mt., Joh., Luk., Mk., Th.)
vgl. Evangelienharmonie Otfrids von Weißenburgs (um 800-871) in
dichterischer Form (Endreim), entst. zw. 863 u. 871 (südrheinfränkisch)
Verfasser: Tatian(us/os), syrischer Christ 170 n. Chr. (2. Jhd.)
in griechischer Sprache
sog. „Diatessaron“ des Tatian (  = über die
Evangelien)
Lateinische Übersetzung: ca. Mitte des 6. Jhds. von Bischof Victor von Capua, vermutl. von
angelsächs. Missionar Bonifatius (?-754) auf einer seiner Romreisen erworben und dadurch in den Besitz der Fuldaer Klosterbibl.
gelangt
Althochdeutsche Übersetzung: ca. 825 - 850 evtl. im Kloster Fulda unter der Leitung von
Hrabanus Maurus (nach St. Sonderegger), Klosterlehrer und
Abt von Fulda, später Erzbischof von Mainz (784-856)
Dialekt: ostfränkisch
Abschrift des lat. Textes und ahd. Übersetzung in eine Handschrift zusammengebracht
Anzahl der Schreiber: 6 Schreiber
Sprache des Textes also griech. - lat. - ahd.
Editionsgeschichte: ● A. Schmeller 1841
● E. Sievers 1892 (eigtl. 1872)
● A. Masser 1994 (Zeilengenauigkeit lat. - ahd. entdeckt)
Erstinformation: Literatur des MA., Verfasserlexikon, Bd. 9., Sp- 620-626 (Art. von
A. Masser 1994)
* Weihnachtsevangelium*
(Tatian, 5, 12 - 13; 6, 1 - 2; nach A. Masser, Die lateinisch - althochdeutsche Tatianbilingue
Stiftsbibliothek St. Gallen Cod. 56, Göttingen 1994, S. 85f.)
1. Fuor thō Ioseph fon Galileu
2. fon thero burgi, thiu hiez Nazareth,
3. In iudeno lant inti in Dauides burg,
4. thiu uuas ginemnit Bethleem,
5. bithiu uuanta her uuas fon hūse
6. inti fon hiuuiske Dauides, thaz her giiāhi
7. saman mit Mariūn imo gimahaltero
8. gimahhūn so scaffaneru.
9. Thō sie thār uuārun
10. uuvrðun taga gifulte, thaz siu bāri,
11. inti gibar ira sun eristboranon
12. inti biuuant inan mit tuochon
13. inti gilegita inan in crippea,
14. bithiu uuanta in niuuas ander stat
15. in themo gasthūse.
16. Uuārun thō hirta in thero lantskeffi
17. uuahhante inti bihaltante nahtuuahta
18. ubar ero euuit.
19. Quam thara gotes engil inti gistuont nāh in,
20. inti gotes berahtnessi/ī bischein sie;
21. giforhtun sie in thō in mihhilero forhtu.
22. Inti quad in ther engil: „ Ni curet iu forhten,
23. ih sagēn iu mihhilan gifehon,
24. ther ist in allemo folke,
25. bithiu uuanta giboran ist iu hiutu Heilant.“
Übersetzungshilfen: (7) gimahaltero = flektiertes Part. Prät., Dat. Sg. F., sw. V. gimahalen =
sich verloben mit - (8) so scaffan = schwanger - (10) gifulte = flekt. Part. Prät., Nom. Pl. M.,
übers. prädikativ: wurdun gifulit - (14) in (im)= Dat. Pl. des Personalpronomens er / siu / iz,
(Dativus possessoris), übers. ni was in mit: sie hatten nicht - (18) ero = iro = Gen. Pl. des
Personalpron. er / siu / iz, ersetzt im Ahd. den Pl. des Possessivpronomens, da es hierfür keine
Form gab, übers.: ihre - (19) in (im)= Dat. Pl. des Personalpron. er / siu / iz - (21) in (im)= der
Dat. Pl. des Personalpron. wird im Ahd. für das reflexive „sich“ gebraucht, übers. giforhtun
sie in mit: sie fürchteten sich - (22) ni curet iu forhten (für lat. nolite timere, Prohibitiv) =
fürchtet euch nicht; curet = curit, mit -e- statt -i- für den Konj. Prät. 2. Pers. Pl., st. V. kiosan
(m. Gramm. Wechsel!).
Fortsetzung Tatian – Weihnachtsevangelium:
(vgl. A. Masser, a.o.O., S. 87f)
26. „Ther ist christ truhtīn in Dauides burgi.
27. Thaz sī iu zi zeichane, thaz ir findet
28. kind mit tuochon biuuvntanaz
29. inti gilegitaz in crippa.“
30. Thō sliumo uuard thār mit themo engile
31. menigi himilisches heres,
32. got lobōntiu inti quedentiu:
33. „ tiurida sī in then hōhiston gote,
34. inti in erdu sī sibba mannon
35. guotes uuillen.“
36. Uuard thō, thaz arfuoron fon īn
37. thie engila in himil;
38. thō sprāchun thie hirta untar īn zuisgēn:
39. „faramēs zi Bethleem inti gisehemēs
40. thaz uuort, thaz thār gitān ist,
41. thaz truhtīn uns araugta.“
42. Inti quāmun thō īlente,
43. inti fundun Mariūn inti Ioseben
44. inti thaz kind gilegitaz in crippea.
45. Sie thō gisehente forstuontun
46. fon demo uuorte, thaz īn giquetan uuas
47. fon demo kinde; inti alle thi thaz
48. gihōrtun, uuārun thaz uuvontorōnte.
49. Inti fon dēm, thiu giquetaniu uuvrdun
50. zi īn fon dēm hirtin, Maria
51. uuārlīhho gihielt allu thisu uuort
52. ahtōnti in ira herzen.
53. Uuvrbun thō thie hirta heimuuartes
54. diurente inti got lobōnte
55. in allen thēn, thiu sie gihōrtun
56. inti gisāhun sōsō zi īn gisprochan uuas.
57. After thiu, thō argangana uuārun
58. ahto taga thaz thaz kind bisnitan uuvrdi,
59. uuard imo ginennit namo Heilant.
(Gegenüber dem von A. Masser gemäß der handschriftlichen Überlieferung wiedergegebenen
Text wurden - wie auch im vorangegangenen – einige Änderungen vorgenommen:
Eigennamen wurden durchweg großgeschrieben, ebenso Wörter am Satzanfang, die moderne
Satzzeichensetzung angewandt, Abkürzungen aufgelöst und alle Langvokale gekennzeichnet.)
Einige phonologische Begriffe zur Wiederholung:













Vordergaumen (harter Gaumen): Palatum  prä-palatal
Hintergaumen (weicher Gaumen, Gaumensegel): Velum  velar/Velare
(= post-palatal)
Nasenraum: Cavum nasi  nasal/Nasale
Zahndamm: Alveolen  alveolar
Zähne: Dentes  dental/Dentale
Mundraum: Cavum oris
Zäpfchen (Halszäpfchen, Gaumenzäpfchen): Uvula  uvular
Lippen: Labia  labial/Labiale
Zungenrücken: Dorsum  post-dorsal
Zungenkranz (Zungenrand): Corona  coronal
Zungenspitze: Apex  apical
Rachen: Pharynx  pharyngal
Stimmlippen im Kehlkopf: Larynx  laryngal
Ausblick: Die Entwicklung des Wurzelvokalismus vom Idg. zum Ahd.:
(vgl. Ahd.+Mhd. S. 115-119 und Übersicht Nr. 37, S. 220)
Kurzvokale:
Idg.
i
e a
o u
rlmn
│
│
│
│
│
Germ.
Ahd.
i
│
│
i/e
a
o/u (+u (vor r,
ë a
ẹ o
 Primär-
l, m, n)
u
umlaut a > ẹ
vor i, j
Langvokale:
Idg.
Germ.
Ahd.
ī
ē¹
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
ā
ō ū
ī
ē¹
+ ē²
ō
ū
+ ā (vor h < anh)
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
ī
ā
ia/ie uo (älter noch ō) ū
 ahd.
Diphthongierung:
ē² > ia/ie und
ō > uo
ā
ei
ai
│
│
│
│
│
Diphthonge:
Idg.
oi
│
│
│
│
│
Germ.
ī
eu
ou
au
│
│
│
│
│
ai
iu/eo
au
│
│
│
│
│
Ahd.
ī
ei
ē iu
 ahd.
Monophthongierung
ai > ē vor
germ. h, w, r
eo/io ou
ō
 ahd.
Monophthongierung
au > ō vor
germ. h,
Dental
Althochdeutsch : starke Verben / Ablautreihen:
(vgl. dazu Ahd.+Mhd. Übersicht Nr. 38, S. 221f.)
Ablaut: Regelmäßiger Wechsel des Wurzelvokals im Grundmorphem etymologisch
zusammengehöriger Wörter oder Wortformen. Der Ablaut wurde dann sekundär zur
Markierung der Tempora bei der Flexion der starken Verben genutzt. Starke Verben sind also
ablautende Verben (im Unterschied zu den schwachen Verben, s.u.).
Man unterscheidet zwischen a) qualitativem Ablaut, bei dem Vokale unterschiedlicher
Klangfarbe miteinander wechseln, z.B. neman – nam und b) quantitativem Ablaut, bei dem
kurze und lange Vokale miteinander wechseln, z.B. nam – nāmun. Die Ursache für den
Ablaut war ursprünglich der wechselnde Wortakzent des Indogermanischen.
Der Wechsel des Wurzelvokals über die Tempusreihe hinweg führt zu fünf Stammformen,
das sind: 1) Infinitiv, 2) 1. Sg. Ind. Präs., 3) 1./3. Sg. Ind. Prät., 4) 1./3. Pl. Ind. Prät, 5) Part.
Prät.
Aus der Verschiedenheit des Wurzelvokalwechsels ergeben sich die Ablautreihen (mit
jeweils fünf Stammformen), denen die starken Verben nach phonologischen Kriterien im
Hinblick auf ihre Wurzelsilbe zugeordnet werden.
Jede Verbalform innerhalb einer Stammformenreihe = Ablautreihe bezeichnet eine
Ablautstufe in bezug auf den Wurzel- /Stammvokal.
Ablautreihen (Stammformenreihen) der starken Verben im Althochdeutschen:
Tip: So schnell wie möglich auswendig lernen; am besten durch lautes Aufsagen!
a) Die Ablautreihen im Überblick:
 sieh dazu Ahd.+Mhd. Übersicht Nr. 1, S. 194, Erläuterungen S. 194-196, Übersicht Nr. 2,
S. 197
AR.
Infinitiv
I a)
I b)
II a)
II b)
III a)
III b)
IV)
V)
VI)
VII)
rītan
zīhan
biogan
biotan
bintan
werfan
neman
geban
faran
rātan
1. Sg.
Ind. Präs.
rītu
zīhu
biugu
biutu
bintu
wirfu
nimu
gibu
faru
rātu
1.+3. Sg.
Ind. Prät.
reit
zēh
boug
bōt
bant
warf
nam
gab
fuor
riet
1.+3. Pl. Ind.
Prät.
ritum /-un
zigum /-un
bugum /-un
butum /-un
buntum /-un
wurfum /-un
nāmum /-un
gābum /-un
fuorum /-un
rietum /-un
Partizip
Präteritum
giritan
gizigan
gibogan
gibotan
gibuntan
giworfan
ginoman
gigeban
gifaran
girātan
b) Zu den Ablautreihen im Einzelnen (vgl. Ahd.+Mhd. S. 18-20)
I a)
rītan
rītu
reit
ritum /-un
giritan
Wurzelsilbe: Wurzelvokal - ī - + wurzelschließender Kons., der nicht germ. h (w, r) ist
Vokalismus:ī – ī – ei – i – i
I b)
zīhan
zīhu
zēh
zigum /-un
gizigan
Wurzelsilbe: Wurzelvokal - ī - + wurzelschließender Kons. = germ. h (w, r)
Vokalismus: i – i – ē – i – i
 ahd. Monophthongierung von germ. -ai- zu -ēKonsonantische Besonderheit: ´grammatischer Wechsel` h – g (Sg. – Pl. Prät.)
II a)
biogan
biugu
boug
bugum /-un
gibogan
Wurzelsilbe: Wurzelvokal (Diphthong) -io- + wurzelschließender Kons., nicht germ. h oder
Dental
Vokalismus: io – iu (vor u, i, j ) / io (a, e, o) – ou – u – o
 Senkung von germ. -u- zu -o- vor -a- (gibogan)
II b)
biotan
biutu
bōt
butum /-un
gibotan
Wurzelsilbe: Wurzelvokal (Diphthong) -io- + wurzelschließender Kons. = germ. h oder
Dental
Vokalismus: io – iu /io – o – u – o
 ahd. Monophthongierung von germ. -au- zu -o Senkung von germ. -u- zu -o- vor -a- (gibotan, vgl. got. budans) s. Ablr. IIa)
III a) bintan
bintu
bant
buntum /-un
gibuntan
Wurzelsilbe: Wurzelvokal -i- + wurzelschließender Nasal + Kons.
Vokalismus: i – i – a – u – u
 Senkung von germ. -u- wird durch Nasalverbindung -nt-verhindert
III b) werfan
wirfu
warf
wurfum /-un
giworfan
Wurzelsilbe: Wurzelvokal -e- + wurzelschließender Liquid + Kons.
Vokalismus: e – i – a – u – o
 Senkung von germ. -i- zu -e- vor -a- (werfan, im Unterschied zu -i- in
bintan)
 Senkung von germ. -u- zu -o- vor -a- (giworfan, im Unterschied zu –u- in
gibuntan)
IV)
neman
nimu
nam
nāmum /-un
ginoman
Wurzelsilbe: Wurzelvokal -e- + wurzelschließender Kons. = einfacher Nasal (m, n) oder
Liquid (l, r)
Vokalismus: e – i – a – ā – o
 Senkung von -u- zu -o- vor a (s.o.)
 Dehnstufe: Langvokal -ā- in nāmun
V)
geban
gibu
gab
gābum /-un
gigeban
Wurzelsilbe: Wurzelvokal -e- + wurzelschließender einfacher Kons., der kein Liquid oder
Nasal ist
Vokalismus: e – i – a – ā – e
 Dehnstufe: Langvokal -ā- in gābun (s. Ablr. IV)
 Wurzelvokal –e- statt –o- im Part. Prät. (Unterschied zu AR. IV)
VI)
faran
faru
fuor
fuorum /-un
gifaran
Wurzelsilbe: Wurzelvokal -a- + wurzelschließender einfacher Kons. oder auch -hs,
Diphthong –uo- im finiten Prät.
Vokalismus: a – a – uo – uo – a
 ahd. Diphthongierung von germ. -o- zu -uoVII)
rātan
rātu
riet
rietum /-un
Wurzelsilbe: Diphthong -ie- im finiten Präteritum
Vokalismus: ā – ie – ie – ā
girātan
 ahd. Diphthongierung von germ. -ē²- zu ahd. -ia-/-ie Wuzelvokal -ā- in rātan entstand aus germ. - ē¹Weitere Besonderheiten der VII Ablautreihe:
 in dieser Ablr. ehemals im Prät. reduplizierende Verben, Reduplikation nur im Got. noch
erhalten z.B. got. haitan - Prät.: haihait – ahd. heizan - hiez
got. lētan - Prät.: lailot – ahd. lāzan - liez
 im Ahd. gehören in diese Ablr. Verben mit sechs versch. Stammsilbenvokalen = ā, a
(vor ll, nn, l /n + einfacher Kons.), ei, ou, uo, o + einfacher wurzelschließender Kons.
z.B.
rātan
haltan
heizan
loufan
ruofan
stōzan
rātu
haltu
heizu
loufu
ruofu
stōzu
riet
hielt
hiez
lief/liof
rief/riof
stiez/stioz
rietum/-un
hieltum/-un
hiezum/-un
liefum/liofum /-un
riefum/riofum /-un
stiezum/stiozum /-un
girātan
gihaltan
giheizan
giloufan
giruofan
gistōzan
Sondergruppen der verschiedenen Ablautreihen:
 in Ablr. IV Sondergruppe von Verben mit wurzelschließendem Kons. = hh, ff:
brehhan, stehhan, sprehhan, treffan
 in Ablr. V sog. j-Präsentien : bitten, sizzen, liggen
ebenso in Ablr. VI: heffen, skepfen, swerren
Merkmale: Infinitivendung -en sowie Wurzelvokal -i- statt -e-, bzw. -e- statt -a- im gesamten Präsens wegen ursprünglich im German. folgendem -j, das Umlaut bewirkte (sieh
dazu unten), vgl. germ. * bid-jan – ahd. bitt-en, wobei die -jan-Endung im Ahd. zu -en
abgechwächt wurde; dieses -j- bewirkte auch eine Gemination (= Konsonantendehnung
durch Doppelschreibung ausgedrückt) des wurzelschließenden Konsonanten. Vgl. a.
germ. * haf-jan – ahd. heff-en,germ. * skap-jan – ahd. skepf-en
 Zur sog. Westgermanischen Konsonantengemination sieh Ahd.+Mhd., S. 106f.
 in Ablr. II drei Verben mit Wurzelvokal -ū- statt io-: sūfan, sūgan, lūhhan
 in Ablr. IIIb gehören noch einige Verben mit auf zweifacher Konsonanz endender
Wurzelsilbe und einem Liquid (l, r)vor dem Wurzelvokal, z.B. ar-lescan, brestan
Konsonantische Besonderheit:
 sog. Grammatischer Wechsel der wurzelschließenden Konsonanten vom Präsens zum
Sg. od. Pl. Präteritum bei einigen Verben versch. Ablr.; grundsätzlich können wechseln:
ahd. f – b, d – t, h – g und s – r (näheres dazu folgt noch in der Historischen Phonologie I.)
Der Wechsel erfolgt bei Verben der AR. I-V zwischen Sg. und Pl. Prät., bei den übrigen AR
zwischen dem Pl. Präs. und dem Sg. Prät.
Vgl. zīhan (Ablr. I b): zēh – zigun
findan (Ablr. IIIa): fand – funtun
quedan (Ablr. V): quad – quātun
wesan (Ablr. V): was – wārun
heffen (Ablr. VI, j-Präs.): heffu – huob – *gihaban (nicht bezeugt)/irhaban
slahan (Ablr. VI): slahu – sluog – gislagan
(In den ahd. Texten ist der grammatische Wechsel teilweise schon ausgeglichen, z.B. statt
quad – quātun : quad – quādun)
Vokalische Besonderheit:
 Umlaut in AR. VI und AR VII: Der Umlaut bezeichnet die Hebung eines umlautfähigen
Vokals vor folgendem i/j, so z.B. ahd. faran – fer-is (nhd. fahren – du fährst), wo das a vor
dem i der Folgesilbe gehoben (palatalisiert) bzw. teilweise (partiell) an dieses angeglichen
(assimiliert) wird. Es gilt also bereits ahd. a > e vor i, j der Folgesilbe. Man spricht von
partieller Assimilation des Vokals a an den Vokal i. Anhand des Vokaldreiecks lässt sich
dieser Vorgang leicht verdeutlichen. Dieser sog. ahd. Primärumlaut, der auch als i-Umlaut
bezeichnet wird, unterbleibt jedoch bei einigen umlautverhindernden wurzelschließenden
Konsonantenverbindungen: das ist im gesamten ahd. Dialektgebiet (= mittel- und
oberdeutsch) -ht-und –hs-, z.B. in der AR. VI wahsan – wahsis gegenüber faran – feris,
tragan – tregis. Darüber hinaus verhindern im Oberdeutschen (= alemannisch und bairisch)
noch die Konsonantenverbindungen l+Kons. und r+Kons. den Primärumlaut, z.B. in der AR.
VII haltan – mitteldt. heltis gegenüber oberdt. haltis. Im Unterschied zu Ablaut handelt es
sich beim Umlaut um einen kombinatorischen Lautwandel, da er ja immer an eine
bestimmte Bedingung (i,j der Folgesilbe) gebunden ist.
Der Umlaut ist im Ahd. auch für die j-Präsentien (s.o.), die schwachen -jan-Verben, einige
Substantive und Adjektive von Bedeutung.
Die Flexion der starken Verben im Althochdeutschen
 sieh dazu Ahd.+Mhd. Übersicht Nr. 3, S. 198
● Flexionsparadigma stV. neman: (Lösung der Aufgabe):
IV)
neman
nimu
Infinite Formen
Finite Formen
Indikativ
Singular
Plural
Konjunktiv
Singular
Plural
Imperativ
nam
nāmum/-un
ginoman
Infinitiv
Partizip Präsens
Partizip
Präsens
ih nimu
thū nimis
er/siu/iz nimit
wir nememēs/-ēn
ir nemet
sie/sio/siu nement
ih neme
thū nemēs
er/siu/iz neme
wir nememēs/-ēn
ir nemēt
sie/sio/siu nemēn
2. Sg. nim!
2. Pl. nemet!
neman
nemanti/nementi
ginoman
Präteritum
ih nam
thū nāmi
er/siu/iz nam
wir nāmum/-un
ir nāmut
sie/sio/siu nāmun
ih nāmi
thū nāmīs
er/siu/iz nāmi
wir nāmīmēs/-īn
ir nāmīt
sie/sio/siu nāmīn
 Besonderheit: Bildung der 2. Sg. Ind. Prät. von der Ablautstufe des 1.-3. Pl. Prät.
+ Flexiv -i: diese flexivische Besonderheit teil das Althochdeutsche mit anderen
westgermanischen Sprachen, während im Ostgermanischen (Gotisch) und Nordgermanischen
(Altnordisch) zur Bildung der 2. Sg. Ind. Prät. die (ältere) -t- Endung diente: vgl. ahd. ih nam
– thū nām-i – er nam – wir nāmun gegenüber altnord. 2. Sg. Ind. Prät. Þú nam-t. Im
Mittelhochdeutschen ist der lange Wurzelvokal aufgrund des ahd. -i-Flexivs umgelautet, das i-Flexiv ist zu -e abgeschwächt: ich nam – dû naeme – er nam – wir nâmen etc.
 Weitere flexivische bzw. morphosemantische Besonderheiten:

Verben ohne gi - Präfix (Vorsilbe) im Partizip Präteritum = perfektive Verben mit gilosen Partizipien:
Ablautreihe
IV
IIIb
IV, Sondergruppe
IIIa
IIIa
Infinitiv
queman
werdan
treffan
findan
bringan
Partizip Präteritum
quoman (auch nach AR. V: queman)
wortan (m. gramm. Wechsel d - t)
troffan
funtan (m. gramm. Wechsel d - t)
brāht / brungan
 Bisweilen haben Verben im Ahd. bereits im Präsens Präfix gi- , dann, wenn perfektive
Bedeutung ausgedrückt wird z.B.: sehan = ‚(unbestimmtes) Schauen, Sehen (allgemein)’
gisehan = ‚erblicken, erkennen’

Bereits mit gi-, fir-, bi-, zi-, int- im Präsens präfigierte Verben erhalten im Partizip
Präteritum kein zweites Präfix gi- z.B. fir-stantan – fir-stantan; werden aber Verben
mit Adverbien u. dergl. als Präfixe versehen (sog. Partikelverbgefüge), dann tritt giim Part. Prät. zwischen Präfix und Verb: z.B. nidar-stīgan – nidar-gi-stigan, ababrehhan – aba-gi-brohhan
Flexionsmorphologische Analyse starker Verben (Formenbestimmungen):
Instruktion: Bestimmen Sie die folgenden Verbformen aus dem ahd. Text (Tat. 12, 1-9)
grammatisch, ordnen Sie sie den entsprechenden Ablautreihen zu, nennen Sie die fünf
Stammformen und begründen Sie jeweils die Ablautreihenzuordnung:
vvuohs (1, 1), uuas (1, 3; 8, 3), fuorun (1, 3; 3, 4/5), uuard (giuuortan) (2, 1; 4, 1), ūfstīgantēn
(2, 2), vvurbun (2, 5), forstuontun (2, 6; 8, 1), uuesan (3, 1; 7, 4), quāmun (3, 2), findanti (3,
4), fundun (4, 1), sizzantan (4, 2), arquāmun (5, 1), sehente (5, 3), quad (6, 1; 7, 1), gilimphit
(7, 3), sprah (8, 2), nidarstīgenti (8, 2), quam (8, 3), bihielt (9, 1), thēh (9, 3).
Musterbeispiel: vvuohs: 3. Sg. Ind. Prät., st. V., AR. VI, Diphthong -uo- im finiten Prät.,
wahsan – wahsu – wuohs – wuohsun – giwahsan.
3. Sitzung
Termin
Thema
Literatur
5. 5. 2008
Historische Morphologie II: Ablautreihen
und Flexion der starken Verben des
Mittelhochdeutschen, (mit Ausblick auf das
Neuhochdeutsche)
 Ahd.+Mhd: Kap. II.1. a) (S. 59-68)
Kap. III.1.d) (S. 114)
Kap. V.3., V.4. (S. 155-163)
 Einf.: Kap. XV 4. (S.169-172)
Veränderungen vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen
1) Auslautverhärtung:

stimmhafte Plosive b, d, g werden im Auslaut bzw. Silbenauslaut (wenn kein Vokal
folgt) eines Wortes zu stimmlosen Plosiven p, t, k verhärtet:
z.B. ahd. kind – mhd. kint
ahd. tag –mhd. tac
ahd. gab – mhd. gap
Beachte die unterschiedlichen orthographischen Prinzipien: Mhd.: phonologisches Prinzip der
Orthographie z.B. tac = Schreibung gemäß Aussprache gegenüber Nhd.: morphologisches
Prinzip der Orthographie z.B. tag = Auslautverhärtung graphisch nicht realisiert Schreibung
dient der Kennzeichnung der Zugehörigkeit verschiedener flektierter Wortformen zum selben
Grundmorphem: tag –tag-es  sieh dazu Ahd.+Mhd., S. 114
2) Abschwächung unbetonter Nebensilbenvokale (Einebnung):

ahd. volle Nebensilbenvokale (a, o, i, u) werden zu -e- abgeschwächt z.B.:
ahd. gi-geb-an –mhd. ge-geb-en
ahd. nim-u – mhd. nim-e
ahd. salb-ōn – mhd. salb-en
ahd. hab-ēn – mhd. hab-en
ahd. nām-um/n – mhd. nâm-en
ahd. klag-ō-ta – mhd. klag-e-te
3) Ausweitung des Umlautes:



ahd.: Primärumlaut a  e vor i, j der Folgesilbe, aber nicht, wenn ht, hs, rh und rw,
z.B.: faru – feris aber: wahsu – wahsis (sieh oben)
mhd.: Umlaut a  e/ä auch in diesen Fällen z.B.: wachse – wechsest = sog.
Sekundärumlaut
Desweiteren Umlaut aller umlautfähigen Kurzvokale, Langvokale und Diphthonge,
wenn ahd. i, j folgten: o, u, a, o, u, ou, uo werden zu ö, ü, ae, oe, iu, öu, üe
umgelautet: z.B. ahd. tohti – mhd. töhte, ahd. kunni – mhd. künne, ahd. rōti - mhd.
roete, ahd. hūsir – mhd. hiuser, ahd. troumen – mhd. tröumen, ahd. kuoni – mhd.
küene
4) Apokope und Synkope:

Schwund von Vokalen (Vokalausfall) v.a. nach kurzer auf r oder l (Liquid) endender
Wurzelsilbe:
Apokope: Vokalausfall im Auslaut z.B.: ahd. ih faru – mhd. ich var- Ø
Synkope: Vokalausfall im Wortinneren z.B.: ahd. faran – mhd. var-Ø-n, ahd. spilōn –
mhd. spil-Ø-n
(wobei von einer Zwischenstufe mit -e-, z.B. varen, spilen ausgegangen werden muss)
5) Desweiteren:



ahd. Diphthong -io- mhd. zu -ie- abgeschwächt, z.B. ahd. biogan – mhd. biegen
Monophthongierung von ahd. -iu- zu mhd. y: bei Beibehaltung der alten Graphie, z.B.
ahd. biutu - mhd. biu (= y:) te
Lenisierung (Erweichung) von t nach n und l, z.B. ahd. nemanti – mhd. nemende, ahd.
wolta – mhd. wolde



ahd. sk/sc mhd. sch, z.B. ahd. scōni – mhd. schoene
Graphie <v> für ahd. <f> am Wortanfang, z.B. ahd. fater – mhd. vater
Graphie <ch> für ahd. <hh> (germ. k), h (germ. h) im Auslaut z.B. ahd. sprehhan, sah
– mhd. sprechen, sach
Kennzeichnung der mhd. Vokallängen durch Zirkumflex z.B. ahd. nāmun – mhd.
nâmen

 sieh dazu Ahd.+Mhd., S. 120f.
Ablautreihen: Althochdeutsch – Mittelhochdeutsch
a) Die Ablautreihen im Überblick:
 sieh dazu Ahd.+Mhd. Übersicht Nr. 19, S. 208
 hier sind nicht alle Wurzelvokale, sondern die Unterschiede zwischen Ahd. und Mhd.
fett gedruckt, teilweise sind die Unterschiede rein graphischer Natur
AR.
I a) ahd.
mhd.
I b) ahd.
mhd.
II a) ahd.
mhd.
II b) ahd.
mhd.
III a) ahd.
mhd.
III b) ahd.
mhd.
IV) ahd.
mhd.
V) ahd.
mhd.
VI) ahd.
mhd.
VII) ahd.
mhd.
Infinitiv
rītan
rîten
zīhan
zîhen
biogan
biegen
biotan
bieten
bintan
binden
werfan
werfen
neman
nemen
geban
geben
faran
var-Ø-n
rātan
râten
1. Sg.
Ind. Präs.
rītu
rîte
zīhu
zîhe
biugu
biu[y:]ge
biutu
biu[y:]te
bintu
binde
wirfu
wirfe
nimu
nime
gibu
gibe
faru
var-Ø
rātu
râte
1.+3. Sg.
Ind. Prät.
reit
reit
zēh
zêch
boug
bouc
bōt
bôt
bant
bant
warf
warf
nam
nam
gab
gap
fuor
vuor
riet
riet
1.+3. Pl. Ind.
Prät.
ritum /-un
riten
zigum /-un
zigen
bugum /-un
bugen
butum /-un
buten
buntum /-un
bunden
wurfum /-un
wurfen
nāmum /-un
nâmen
gābum /-un
gâben
fuorum /-un
vuoren
rietum /-un
rieten
Partizip
Präteritum
giritan
geriten
gizigan
gezigen
gibogan
gebogen
gibotan
geboten
gibuntan
gebunden
giworfan
geworfen
ginoman
genomen
gigeban
gegeben
gifaran
gevar-Ø-n
girātan
gerâten
b) Zu den Ablautreihen im Einzelnen: sieh oben das zum Althochdeutschen Gesagte! Die
Kriterien für die Zuordnung eines starken mhd. Verbs zu einer Ablautreihe sind dieselben wie
im Althochdeutschen (vgl. Ahd.+Mhd. S. 60-62 und S. 194-196)
c) Die Flexion der starken Verben im Mittelhochdeutschen
 sieh dazu Ahd.+Mhd. Übersicht Nr. 20, S. 209
● Flexionsparadigma stV. nemen: (Lösung der Aufgabe):
IV)
nemen
Infinite Formen
nime
nam
nâmen
Infinitiv
genomen
nemen
Finite Formen
Indikativ
Singular
Plural
Konjunktiv
Singular
Plural
Imperativ
Partizip Präsens
Partizip
Präsens
ich nime
dû nimest
er/sie/ez nimet
wir nemen
ir nemet
sie nement
ich neme
dû nemest
er/sie/ez neme
wir nemen
ir nemet
sie nemen
2. Sg. nim!
2. Pl. nemet!
nemende
genomen
Präteritum
ich nam
dû naeme
er/sie/ez nam
wir nâmen
ir nâmet
sie nâmen
ich naeme
dû naemest
er/sie/ez naeme
wir naemen
ir naemet
sie naemen
d) Ausblick auf das Neuhochdeutsche:
● Lautliche Veränderungen
vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen
1) Nhd. Diphthongierung mhd. Langmonophthonge:

î > ei, iu [y:] > eu , û > au
z.B. mhd. mîn niuwez hûs – nhd. mein neues Haus
2) Nhd. Monophthongierung mhd. Diphthonge:

ie > [i:], uo > [u:], üe > ü [y:]
z.B. mhd. liebe guote brüeder – nhd. liebe gute Brüder
3) Senkung mhd. Diphthonge durch Öffnung des ersten Vokals:

ei > ai, ou > au, öu > eu / äu
z.B. mhd.: ein, boum, tröume – nhd. ein (= ain), Baum, Träume
4) Nhd. Dehnung mhd. Kurzvokale in offener Silbe (Silbe endet mit dem Vokal):

z.B. mhd. gĕ-ben – nhd. g[e:]-ben
5) Nhd. Kürzung mhd. Langvokale in geschlossener Silbe (Silbe endet mit einem
Konsonanten):

z.B. mhd. hêr-lich – nhd. herr-lich
6) Desweiteren:

Senkung von hohen zu mittleren Vokalen, z.B. mhd. günnen, sunne – nhd. gönnen,
Sonne



Hebung von tiefen zu mittleren Vokalen, z.B. mhd. mâne – nhd. Mond
Rundung (Labialisierung) z.B. mhd. zwelf, finf, mâne – nhd. zwölf, fünf, Mond
Entrundung (Delabialisierung) z.B. mhd. küssen, nörz – nhd. Kissen, Nerz
● Veränderungen,
welche die starken Verben betreffen:
1. Verringerung des Bestandes der starken Verben zum Neuhochdeutschen
Viele ehemals starke Verben verschwinden entweder ganz, oder werden schwach flektiert,
z.B. nhd. walten – waltete – gewaltet < ahd waltan – wielt – giwaltan (AR. VII). Der
umgekehrte Vorgang, nämlich, dass ein ehemals schwaches Verb stark flektiert, findet sich
weniger oft, z.B. nhd. winken – winkte – aber: gewunken. Bisweilen stehen starke (ältere)
Flexion und schwache Flexion als konkurrierende Formen nebeneinander, z.B. nhd. melken –
molk / melkte.
2. Höhere Anzahl der Ablautreihen im Neuhochdeutschen
Aufgrund der lautlichen Veränderungen vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen
(s.o.) können die starken Verben im Neuhochdeutschen nicht mehr nur in sieben Ablautreihen
eingeteilt werden, die Duden-Grammatik zählt 39 Ablautreihen.
3. Die Wirkung der Analogie auf die Flexion: Der Analogieausgleich in der Flexion der
starken Verben vom Mittel- zum Frühneuhochdeutschen (vgl. Einf. S. 169-172)
e) Ablautreihen: Mittelhochdeutsch – Neuhochdeutsch
 fett gedruckt sind hier die Unterschiede zwischen Mhd. und Nhd., von denen einige
wiederum rein graphischer Natur sind. Der nhd. Analogieausgleich im Präteritum und
teilweise auch im Präsens ist durch Unterstreichung gekennzeichnet
AR.
Infinitiv
1. Sg.
Ind. Präs.
rîte
I a) mhd rîten
nhd. reiten
reite
zîhe
I b) mhd. zîhen
zeihe
nhd. zeihen
biu[y:]ge
II a) mhd. biegen
nhd. bie[i:]gen bie[i:]ge
biu[y:]te
II b) mhd. bieten
nhd. bie[i:]ten bie[i:]te
binde
III a) mhd. binden
binden
binde
nhd.
wirfe
III b) mhd. werfen
werfen
werfe
nhd.
nime
IV) mhd. nemen
nehmen
nehme
nhd.
gibe
V) mhd. geben
nhd. g[e:]ben g[e:]be
VI) mhd. var-Ø-n var-Ø
nhd. fahr-e-n fahr-e
1.+3. Sg.
Ind. Prät.
reit
ritt
zêch
zieh
bouc
b[o:]g
bôt
bo/[o:]t
bant
band
warf
warf
nam
nahm
gap
g[a:]b
vuor
fuhr
1.+3. Pl. Ind.
Prät.
riten
ritten
zigen
ziehen
bugen
b[o:]gen
buten
b[o:]ten
bunden
banden
wurfen
warfen
nâmen
nahmen
gâben
ga/[a:]ben
vuoren
fuhren
Partizip
Präteritum
geriten
geritten
gezigen
geziehen
gebogen
geb[o:]gen
geboten
geb[o:]ten
gebunden
gebunden
geworfen
geworfen
genomen
genommen
gegeben
geg[e:]ben
gevar-Ø-n
gefahr-e-n
râte
VII) mhd. râten
nhd. ra/[a:]ten ra/[a:]te
riet
rie[i:]t
rieten
rie[i:]ten
gerâten
gera/[a:]ten
 bitte legen Sie sich diese mhd. und nhd. Ablautreihen ergänzend neben die folgenden
Erläuterungen!)
a) Intraparadigmatischer (meint innerhalb eines selben Paradigmas = hier: Ablautreihe eines
starken Verbs) Numerusausgleich im Präteritum (Präteritalausgleich). Vermutlich ausgelöst
durch bereits bestehende Stammsilbengleichheit im Präteritum (bzw. Präsens) in einigen AR.
sowie phonologische Prozesse, die zu einer solchen Gleichheit geführt haben. Die hier
skizzierten Ausgleichsbewegungen im Rahmen der starken Verbalflexion verweisen auf die
notwendige Unterscheidung zwischen lautgesetzlichem und nicht-lautgesetzlichem
phonologisch-morphologischem Sprachwandel.
 Mittelhochdeutsch: der Ablaut dient der Tempus- und Numerusdifferenzierung (d.h.
unterschiedliche Wurzelvokale im Sg. und Pl. Prät.) in den AR Ia+b - V (in den AR
VI und VII sind die Wurzelvokale im Sg. und Pl. gleich), z.B. mhd. reit -riten / zôch zugen / bant - bunden / warf - wurfen etc.
 Neuhochdeutsch: der Ablaut dient nur noch der Tempusdifferenzierung (wobei ab AR
IIIa das Part.II sich nach wie vor von den finiten Formen des Prät. unterscheidet), z.B.
ritt - ritten / zog - zogen / band - banden / warf - warfen etc. Der Ausgleich kann in
Richtung des Prät. Sg. (so in AR II a+b und III a+b) oder Pl. (so in AR I a+b, IV und
V) und teils wohl auch unter Einfluß des Part.II erfolgen. (Im Frühneuhochdeutschen
lassen sich häufig noch Unsicherheiten hinsichtlich der Ausgleichsrichtung
feststellen.)
 Der Ausgleich führte im Nhd. zu einer Reduktion der ablautenden Vokale in den
betroffenen Reihen. Über die möglichen Ursachen des Ausgleichs besteht keine letzte
Sicherheit. Die AR VI und VII (in denen mhd. keine Numerusdifferenzierung vorliegt) mögen
(neben phonologischen Entwicklungen wie der nhd. Diphthongierung bzw.
Monophthongierung) dazu den Anstoß gegeben haben, ebenso wie die Tatsache, daß bereits
im Ahd. die 2. Sg. Ind. Prät. von der Ablautstufe der Pluralformen gebildet wurde (im
Unterschied zu den Prät.-Präsentien, wo die alte Endung hierfür erhalten blieb), z.B. ahd.
ziohan: ih/er zôh - dû zugi - wir zugun etc. > mhd. ziehen: ich/er zôch - dû züge - wir zugen
etc.
b) Intraparadigmatischer Ausgleich im Präsens starker Verben: in den AR , IIIb, IV und V
wird im Nhd. die 1. Sg. an den Infinitiv angeglichen, in der AR IIa+b erfolgte im Nhd.
Ausgleich des ganzen Sing. an den Inf. und Pl. Präs., während im Mhd. in diesen
Ablautreihen der ganze Sg. Ind. Präs. einen anderen Wurzelvokal als der Infinitiv + der ganze
Pl. Ind. Präs. aufwies. Die unterschiedlichen Wurzelvokale sind auf die komplementäre
Distribution der Wurzelvokale io und iu bzw. e und i im Ahd. zurückzuführen, d.h. iu und i
vor hellem i, u in den Flexiven (Sg.), io und e vor dunklem e und a in den Flexiven (Inf. + Pl.)
z.B. ahd. biogan - biugu - biugis - biugit - biogemês etc. > mhd. biegen - biuge - biugest biuget - biegen etc. > nhd. biegen - biege - biegst - biegt - biegen etc.; ahd. werfan - wirfu wirfis - wirfit - werfemês etc. > mhd. werfen - wirfe - wirfest - wirfet - werfen etc. > nhd.
werfen - werfe - wirfst - wirft - werfen etc. In AR. VI und VI unterscheiden sich die 2. und 3.
Sg. Ind. Präs. vom Infinitiv, der 1. Sg. und dem Pl. Präs. infolge des Primär- und
Sekundärumlautes (ab Mhd.) z.B. mhd. varn - var - verst - vert - varn etc. und mhd. râten râte - raetest - raetet - râten etc.
Auch hier mögen die AR Ia+b und IIIa (mit einheitlichem Wurzelvokal im Inf. und gesamten
Präs.) Einfluß auf die AR IIa+b ausgeübt bzw. mögen die AR. VI und VII (mit einheitlichem
Wurzelvokal im Inf., der 1. Sg. Ind. Präs. und im Pl. Präs.) Einfluß auf die AR. IIIb, IV und V
gehabt haben.
c) Interparadigmatischer Ausgleich: z.B. ein Paradigma eines starken Verbs wirkt auf das
Paradigma eines anderen starken Verbs (sieh hier jeweils die obigen Erläuterungen zu den
möglichen Ursachen des Ausgleichs im Prät. und Präs.). So haben möglicherweise zum Nhd.
hin die Ablautreihen ohne Numerusdifferenzierung Ausgleich in denjenigen Ablautreihen
veranlaßt, die im Mhd. Numerusdifferenzierung aufwiesen. Um dasselbe Phänomen handelt
es sich, wenn Paradigmen der verschiedenen Verbalklassen (= starke und schwache Verben,
Präterito-Präsentien) ausgleichenden Einfluß aufeinander ausüben, so bei der Kennzeichnung
der 2. Sg., die nun im Nhd. bei allen Verbarten einheitlich ist, z.B. ahd. dû will-i (bes. Verb
wellen) - dû nim-is (st. V. neman)- dû scal-t (Prät.-Präs. sculan) > mhd. dû wil-t (bes. Verb
wellen) - dû nim-est (st. V. nemen) - dû sol-t (Prät.-Präs. soln) > nhd. du will-st - du nimm-st du soll-st.
Flexionsmorphologische Analyse starker Verben (Formenbestimmungen):
Instruktion: Bestimmen Sie die folgenden Verbformen aus dem mhd. Text (NL. 1. âventiure)
grammatisch, ordnen Sie sie den entsprechenden Ablautreihen zu, nennen Sie die fünf
Stammformen und begründen Sie jeweils die Ablautreihenzuordnung:
wuohs (2,1), geheizen (2,3), verlíesén (2,4), gezam (3,1), was (3,2), pflâgen (4,1), wâren (5,1),
erborn (5,1), ûz erkorn (5,2), stúrben (6,4), hiez (7,1), liez (7,2), gewan (7,4) etc.
Musterbeispiel: wart (2,3): 3. Sg. Ind. Prät., st. V., AR. IIIb), a+Liquid + Kons., werden –
wirde – wart – wurden – worden
4. Sitzung
Termin
Thema
Literatur
19. 5. 2008
Historische Morphologie III: Schwache
Verben des Althochdeutschen
(Klasseneinteilung und Flexion)
 Ahd.+Mhd: Kap. I. 1. b) (S. 27-32)
Schwache Verben im Althochdeutschen
a) Unterschiede zwischen starken und schwachen Verben:
st. V.
sw. V.

‚primäre’ Verben


Bildung der Tempora durch
Ablaut, z.B. nimu - nam




AR. Ia)-VII)
Inf.-Flexiv -an
Part.Prät. gi-Stamm-an, z.B. ginom-an
1. Sg. Präs. Flexiv -u





abgeleitete, daher
‚sekundäre’ Verben
Bildung der Tempora ohne
Ablaut: -t-Suffix zwischen
Stamm und Flexionsendung
im Prät., z.B. suochu –
suohta
Klassen I)-III)
Inf.-Flexive -en, -ōn, -ēn
Part.Prät. gi-Stamm-BV-t,
z.B. gi-suoch-i-t
1. Sg. Präs. Flexive -u, -ōn, ēn (letztere wie Inf.-Flexive)

Flexive 1.-3. Sg. Prät.: -ø, -i, -ø

Flexive 1.-3. Sg. Prät.: -ta,
-tōs, -ta
b) Klasseneinteilung:
I) -jan* sieh zur Subklassifikation weiter unten!
II) -ōn: BV -ōIII) -ēn: BV -ēc) Wortbildung und Semantik:
 Einstiegshilfe:
Stamm
trenksalbfūl-
Suffix/Suffixvokal
-en < -ja-ō-ē-
Flexionsendung
-n
-n
-n
Semantik
Faktitiva/Kausativa
Ornativa
Inchoativa
 sieh Ahd.+Mhd. S. 29f.!
*d) Einteilung der -jan-Verben (=Kl. I):
 sieh Ahd.+Mhd. S. 30f.: Phonologische Merkmale der jan-Verben: Gemination (des
wurzelschließenden Konsonanten), Umlaut (im Präsens) und Rückumlaut (im finiten
Präteritum) des Wurzelvokals!
Die Kriterien für die Subklassifikation der ahd. -jan-Verben sind a) mit oder ohne
Bindevokal -i- im finiten Präteritum, b) mit oder ohne Rückumlaut des Wurzelvokals im
finiten Präteritum. Generell gilt, dass dort der Bindevokal -i- nach kurzer Wurzelsilbe erhalten
blieb, nach langer Wurzelsilbe jedoch ausfiel.
 sieh Ahd.+Mhd. S. 32!
Es ergeben sich drei mögliche Konstellationen für die Subklassifikation der ahd. -jan-Verben:
a) m. BV u. o. RU:
 kurze Wurzelsilbe:
 kurzer Wurzelvokal
 (ursprüngl.) einfacher wurzelschließender Konsonant, der jedoch in Folge der sog.
‚Westgermanischen Konsonantengemination’ gedehnt wurde, was durch
Doppelschreibung gekennzeichnet wird. Vornehmlich das -j bewirkte die Gemination,
z.B. *zal-jan > zell-en, *frum-jan > frumm-en,*ful-jan > full-en. In den
Präteritalformen, in denen j > i reduziert wurde, fand keine Gemination statt, so zelita
– gizelit, frumita – gifrumit, fulita > gifulit. (In Analogie zu den Präsensformen finden
sich ahd. aber auch Doppelschreibungen der wurzelschließenden Konsonanten, so z.B.
gifullit).
 Bindevokal i  j im Prät. erhalten: zel-i-ta
 Kurzvokal a  e umgelautet vor folgendem i: zel-i-ta, vgl. vorahd. * zal-jan, got. tal-jan,
daher kein Rückumlaut (sieh dazu die Erklärung unten) im finiten Präteritum (also kein
unumgelautetes a im finiten Präteritum)
b) o. BV u. o. RU:
 lange Wurzelsilbe:
 Langvokale und Diphthonge als Wurzelvokale, z.B. hōr-en, suohh-en
 Mehrfachkonsonanz der Wurzelsilbe z.B. durst-en
 Mehrsilbigkeit z.B. hung-ir-en
 Bindevokal -i- ist im finiten Prät. nach langer Wurzelsilbe ausgefallen: durst-Ø-ta (dursta)
 kein Kurzvokal –e- als Wurzelvokal im Präsens wie bei a)
 daher kein Rückumlaut im finiten Prät.
c) o. BV u. m. RU:
 lange Wurzelsilbe:
 (ursprüngl.) Mehrfachkonsonanz der Wurzelsilbe
 Kurzvokal e im Präsens
 hier treffen immer die beiden genannten Merkmale zusammen, Kurzvokal e im Präsens
und Mehrfachkonsonanz der Wurzelsilbe (kein entweder - oder) z.B. trenk-en  * trank – jan
– Prät.: trank-ta
 der Bindevokal -i- im finiten Prät. fiel nach langer Wurzelsilbe aus, so dass der Kurzvokal
-a- im Prät. nicht zu -e- umgelautet wurde = sog. ‚Rückumlaut’. Diachrone Hypothese:
Grimm nahm an, dass wohl zuerst der Bindevokal -i- noch i-Umlaut a > e bewirkte, ehe er
ausfiel, so *trenk-i-ta, und dass dann, nachdem der Bindevokal -i- ausgefallen war, so *trenkta, der i-Umlaut a > e ‚rückgängig’ gemacht wurde, also e > a in trank-ta, daher die
Bezeichnung ‚Rückumlaut’. Möglicherweise ist bei diesen Verben nie ein Bindevokal im
finiten Prät. aufgetreten, oder er ist ausgefallen, ehe er Umlaut bewirken konnte, so dass man
synchron-althochdeutsch von einem ‚unterbliebenen Umlaut im finiten Präteritum’ sprechen
kann.
Im unflektierten Part. Prät. tritt meist der Bindevokal -i- und der durch dieses bewirkte iUmlaut wieder auf, so gitrenk-it, also trenken – trankta – gitrenkit.
Im Althochdeutschen ist diese dritte Gruppe nur durch wenige Verben vertreten.
Das wird sich zum Mittelhochdeutschen deutlich ändern ...!
e) Flexion: sieh Ahd.+Mhd. S. 199 (Übersicht Nr. 4: Paradigmen zellen, suochen, salbōn,
habēn)!
Flexionsmorphologische Analyse schwacher Verben (Formenbestimmungen):
Instruktion: Bestimmen Sie die folgenden Verbformen aus dem 2. ahd. Text (Tat. 15,1-6)
grammatisch, ordnen Sie sie den entsprechenden Stammklassen zu, nennen Sie den Infinitiv,
die 1./3. Sg. Ind. Prät. und das Part. Prät. Begründen Sie die Stammklassenzuordnung:
(uuas) gileitit (1,1), (vvurdi) gicostōt (1,3), fastēta (2, 1), hungirita (2, 2/§), antlingōta (3,4),
lebēt (3,5), gisazta (4,2), senti (4,5), araugta (5,2), betōs (5,5), thionōs (5,8), gientōtero (6,1),
ambahtitun (6,4/5)
Musterbeispiel: costōs 2. Sg. Ind. Präs., sw. V., -ōn, da BV. -ō-, costōn – costōta – gicostōt.
5. Sitzung
Termin
Thema
Literatur
26. 5. 2008
Historische Morphologie IV: Schwache
Verben des Mittelhochdeutschen
(Klasseneinteilung und Flexion)
 Ahd.+Mhd: Kap. II. 1. b) (S. 69-74)
Schwache Verben im Mittelhochdeutschen: Neueinteilung

phonologischer Wandel Ahd. > Mhd.: Abschwächung unbetonter Nebensilbenvokale
und Ausweitung des Umlautes
Ahd.: Kl. I -jan: a) m. BV u. o. RU
b) o. BV u. o. RU
c) o. BV u. m. RU
Kl. II -ōn 
 Abschwächung der der ahd. vollen Flexionssilben zu -en
Kl. III -ēn 
 nun haben alle schwachen Verben das einheitliche Flexiv -en, und sind nicht mehr wie im
Ahd. unterscheidbar
 der Bestand an ehemaligen ahd. -jan-Verben mit Umlaut im Präsens und Rückumlaut im
finiten Präteritum vergrößert sich zum Mhd. erheblich
all dies führt zur:
Veränderung der Klasseneinteilung im Mittelhochdeutschen
 hierbei wird gerade die Rückumlaut zum ersten unterscheidenden Kriterium: Kl. I o. RU.
(hier finden sich alle ehem. ahd. -ōn- und -n-Verben sowie alle ehemaligen -jan-Verben ohne
umlautfähigen Wurzelvokal, das sind -ie, -i, -ī, -ei, -ē) – Kl. II m. RU. (hier finden sich alle
ehem. ahd. -jan-Verben mit umlautfähigem Wurzelvokal); Kl. I wird nochmals in zwei
Klassen unterteilt: mit oder ohne Bindevokal -e- im finiten Präteritum:

Kl. Ia) o. RU u. m. BV: bei kurzer Wurzelsilbe z.B. sag - en Prät.: sag - e - te
b) o. RU u. o. BV: bei langer Wurzelsilbe z.B. dien - en Prät.: dien - Ø - te
 hierbei können nur tendenzielle Angaben gemacht werden (die mhd. Überlieferung bietet
keine Regelmäßigkeit, was evtl oft im Vers begründet ist) diese Klasse umfaßt die ehem. ahd.
-ōn und -ēn-Verben (sowie alle ehem. -jan-Verben, die keinen umlautfähigen Wurzelvokal
haben), z.B. ahd. sagēn, thionōn, -jan.-V. ahd. lēren, teilen

Kl. II: m. RU u. o. BV: hierzu zählen alle die ehem. jan - Verben, die bereits ahd. o.
BV u. m. RU, sowie alle diejenigen ehem. jan-Verben, die einen umlautfähigen
Wurzelvokal bzw. Diphthong im Präsens haben (= u, a, ou, o, uo, und, wie schon im
Ahd., a) z.B. küssen (ahd. kussen), wænen (ahd. wanen), grüezen (ahd. gruozen),
tröumen (ahd. troumen), hoeren (ahd. hōren)
 Vergrößerung dieser Untergruppe der ehem. -jan-Verben im Vergleich zum
Althochdeutschen
 umlautlose Formen im Prät. z.B. tröumen (Präs.) – troumta (Prät.) erhalten
(Rückumlaut )
 umgelautete neben unumgelauteter Form im Part. Prät., z.B. gehoeret – gehôrt (hier
dann o. BV)
 im Nhd. Ausgleich meist zugunsten der umgelauteten Form, z.B. hören – hörte –
gehört
Phonologische Besonderheit: Der Fall ahd. denken – dāhta, mhd. denken – dâhte:
 Rekonstruktion des Sprachwandels:
Inf. germ. *Þank-jan > ahd./mhd. denken
Prät. germ. *Þank-ta
> germ. *Þanh-ta: Primärer Berührungseffekt k+t > -ht> germ. *Þah-ta: Nasalausfall vor -h
> germ. *Þãh-ta: Nasalierung des Wurzelvokals
> germ. *Þāh-ta: Ersatzdehnung des Wurzelvokals
> ahd. dāhta – mhd. dâhte
analog: bringan – brāhta, dunken – dūhta
 sieh dazu Ahd.+Mhd., S. 73f. und 103f!
Die Flexion der schwachen Verben im Mittelhochdeutschen
Flexion: sieh Ahd.+Mhd. Übersicht Nr. 21, S. 210
Flexionsmorphologische Analyse schwacher Verben (Formenbestimmungen):
Instruktion: Bestimmen Sie die folgenden Verbformen aus dem mhd. Text (NL. 1 âventiure)
grammatisch, ordnen Sie ordnen Sie sie den entsprechenden Stammklassen zu, nennen Sie
den Infinitiv, die 1./3. Sg. Ind. Prät. und das Part. Prät. Begründen Sie die
Stammklassenzuordnung (= o./m. RU., m./o. BV.):
geseit (< kontrahiert aus gesaget) (1,1), hoeren (1,4), sagen (1,4), triuten (3,1), zierten (23,4),
ûz erwelter (4,2), genant (5,3), frumten (5,4), diente (6,2), bewart (9,4), genennen (10,4),
tróumte (13,1) etc.
Musterbeispiel: wonten 3. Pl. Ind. Prät., sw. V., Kl. I o. RU., hier ist der BV. –e trotz kurzer
Wurzelsilbe ausgefallen, weswegen nur Kl. I o. RU. (nicht a) oder b) angegeben wird), wonen
– won(e)te – gewon(e)t.
6. Sitzung
Termin
Thema
2. 6. 2008
Historische Morphologie V: Präterito Ahd.+Mhd: Kap. I. 1. c) (S. 33-37)
Präsentien des Alt- und Mittelhochdeutschen
Kap. II. 1. c) (S. 75-80)
Kap. III.1.b) (S. 104-106)
Literatur
Präterito-Präsentien im Althochdeutschen
= Sondergruppe starker Verben:
 bilden von den starken Verben nur Präteritumsformen
 haben aber präsentische Bedeutung
 die ausgedrückte Handlung gilt für den Sprechenden als abgeschlossen, wirkt aber
noch weiter
 bilden ihr Präteritum mit dem für das Präteritum der schwachen Verben
charakteristischen Dentalsuffix -tvgl. st. V. Abl. Ia) ritan – Prät.Präs. wizzan:
st. V.
AR. st.V.
Präsens
Infinitiv 1. Sg.
Präteritum
1.+3. Sg. 1.+3. Pl. Ind.
1.+3. Pl.
Partizip
AR.
Prät.Präs.
-
I a) rītan
wizzan
Ind. Präs. Ind. Prät. Prät.
1.-3. Sg. 1.+3. Pl. Ind.
Ind. Präs. Präs.
+ Inf.(initiv)
rītu
reit
ritum /-un
weiz
wizzun
weist
+ Inf. wizzan
weiz
Ind. Prät.
1.+3. Sg.
Ind. Prät.
(sw.V.)
wissa/
wista/westa
Präteritum
Partizip
Präteritum
giritan
giwizzan
 Prät.Präs.: wizzan ‚wissen’, eigtl. „gesehen zu haben“
vgl. die Etymologie: Idg.-Germ. Sprachverwandtschaft (Urverwandtschaft mit ahd. wizzan):
Idg. Wurzel: *ueid- ‚erblicken, sehen, wissen, gesehen haben’
lat. videre ‚sehen’ - vidi ‚ich habe gesehen’
griech. idein ‚sehen’
eidenai (erkennen) - oida (ich weiß)
idea / eidos (Subst.: Bild, Vorstellung)
(Zusammenhang der Bildungen durch Ablaut)
germ. *wit-: got. witan
aengl. witan
ahd. wizzan (2. LV. germ. t  zz)
 Konsonantische Besonderheit: Primärer Berührungs - Effekt (PBE)
sieh dazu Ahd.+Mhd. S. 104-106!
Präsens
AR.
Prät. Präs.
-
-
I a) wizzan
-
-
Präteritum
1.-3. Sg. 1.+3. Pl. Ind.
1.+3. Sg.
Partizip
Ind. Präs. Präs.
Ind. Prät.
Präteritum
+ Inf.(initiv)
(sw.V.)
weiz
wizzun
wissa/
giwizzan
weist
+ Inf. wizzan
wista/westa
weiz
a) Präteritalformen:
 1./3. Sg. Prät.: wissa/wista/westa
 1./3. Pl. Prät.: wissun
 2. Sg. Prät.: wissut
 Stamm germ. *wit- + -ta (Präteritalsuffix)
t + t  -ss- / wissPBE ensteht beim Aufeinandertreffen von:



Dental + Dental:d, t + t = ss / st
Velar + Dental: g, k + t = ht
Labial + Dental: b, p + t = ft
Der wurzelschließende Konsonant (Plosiv) wird durfch das Zusammentreffen mit dem
Präteritalsuffix zu einem an derselben Stellen artikulierten (homorganen) Frikativ.
b) PBE nicht nur im Prät., sondern auch bei der 2. Pers. Sg. Präs., da diese bei den
Prät.Präs. noch mit -t gebildet wird, im Unterschied zu der 2. Sg. bei den st. Verben
(hier ist also im Ahd. eine alte Endung erhalten):
 vgl. st. V. neman - 2. Sg. Ind. Prät. dū nami
 Prät.Präs. wizzan - 2. Sg. Ind. Präs. dū weist
 *weit + t = weiss = PBE
> weiss  weis
= Vereinfachung von -ss im Auslaut
> weis + t
= sekundäres -t , analog zu anderen
Formen, so Prät.Präs. durfan - 2. Sg.
Ind. Prät. dū darft
Weiter ist zu beachten:
 Senkung von -u- zu -o- vor -a-, z.B. durfan - *durfta  dorfta
 Lenisierung t > d nach Nasal, z.B. kunnan - konda
Ablautreihen der st.V. und Präterito – Präsentien im Althochdeutschen
 sieh dazu Ahd.+Mhd. Übersicht Nr. 5, S. 201
AR. st.V.
AR.
Prät.Präs.
Infinitiv
-
I a) rītan
wizzan
eigan
1. Sg.
1.+3. Sg.
Ind. Präs. Ind. Prät.
1.-3. Sg.
Ind. Präs.
rītu
-
-
I b) zīhan
II a) biogan
toug
-
reit
weiz
weist
weiz
-
zīhu
zēh
biugu
-
boug
toug
II b) biotan
III a) bintan
unnan
kunnan
biutu
bintu
-
bōt
III b) werfan
durfan
wirfu
-
-
gitar
-
-
bant
an
kan
kanst
kan
warf
darf
darft
darf
gitar
1.+3. Pl. Ind.
Prät.
1.+3. Pl. Ind.
Präs.
+ Inf.(initiv)
ritum /-un
wizzun
+ Inf. wizzan
 eigun
 + Inf. eigan
zigum /-un
bugum /-un
tugun
+butum /-un
buntum /-un
unnun
kunnun
+ Inf. kunnan
1.+3. Pl.
Ind. Prät.
1.+3. Sg.
Ind. Prät.
Partizip
Präteritum
Partizip
Präteritum
(nach sw.V.)
giritan
wissa/
giwizzan
wista/westa
-
-
-
gizigan
gibogan
-
-
gibotan
gibuntan
-
tohta
onda
konda
wurfum /-un
durfun
+ Inf. durfan
dorfta
giturrun
gitorsta
giworfan
-
-
IV) neman
sculan
V) geban
magan/
mugan
nimu
-
gibu
-
VI) faran
muoz
faru
VII) rātan
-
rātu
-
-
gitarst
gitar
nam
scal
scalt
scal
gab
mag
maht
mag
fuor
muoz
muost
muoz
riet
-
+nāmum /-un
sculun (u !)
+ Inf. sculan
gābum /-un
 magun
 + Inf. magan
mugun (u!)
+ Inf. mugan
fuorum /-un
muozun
+-
scolta
mahta
ginoman
-
gigeban
-
mohta
muos(s)a
rietum /-un
-
-
gifaran
-
girātan
-
Flexion
Infinite
Formen
werfan (stV.)
werfanti
giworfan
Präteritum
Finite
Formen
Ind. Sg ih warf
dū wurfi
er/siu/iz warf
Pl. wir wurfun
ir wurfut
sie/sio/siu
wurfun
Konj. Sg. ih wurfi
dū wurfīs
er/siu/iz wurfi
Pl. wir wurfīn/-īmēs
ir wurfīt
sie/sio/siu wurfīn
Infinitiv
Partizip Präsens
Partizip
Präsens
durfan (Prät.Präs.)
durfanti
Präteritum
suochen (swV.)
suochenti
gisuochit
Präteritum
ih darf
dū darft
er/siu/iz darf
wir durfun
ir durfut
sie/sio/siu
durfun
ih durfi
dū durfīs
er/siu/iz durfi
wir durfīn/-īmēs
ir durfīt
sie/sio/siu durfīn
ih dorfta
dū dorftōs
er/siu/iz dorfta
wir durftun/dorftun
ir durftut/dorftut
sie/sio/siu
durftun/dorftun
ih durfti
dū durftīs
er/siu/iz durfti
wir durftin/-īmēs
ir durftīt
sie/sio/siu durftīn
ih suochta
dū suochtōs
er/siu/iz suochta
wir suochtun
ir suochtut
sie/sio/siu
suochtun
ih suochti
dū suochtīs
er/siu/iz suochti
wir suochtin/-īmēs
ir suochtīt
sie/sio/siu suochtīn
Flexionsmorphologische Analyse von Präterito-Präsentien (Formenbestimmungen):
Instruktion: Bestimmen Sie die folgenden Verbformen aus dem ahd. Text (Chr.u.d.S. S., S.
171f. ) grammatisch, ordnen Sie sie den entsprechenden Ablautreihen zu, nennen Sie den
Infinitiv, die 1./3. Sg. Ind. Präs. und die 1./3. Sg. Ind. Prät.:
vuizzun (3), vuizze (15), vuissis (17), unnen (21), maht (27)
Musterbeispiel: uuestut (Tat. 12,7,2): 2. Pl. Ind. Prät., Prät. Präs., AR. I(a), wizzan – weiz –
wissa (westa)
Ablautreihen der st.V. und Präterito – Präsentien im Mittelhochdeutschen
 sieh dazu Ahd.+Mhd. Übersicht Nr. 22, S. 211
AR. st.V.
AR.
Prät.Präs.
Infinitiv
-
I a) rîten
wizzen
eigen
-
1. Sg.
1.+3. Sg.
Ind. Präs. Ind. Prät.
1.-3. Sg.
Ind. Präs.
rîte
-
reit
weiz
weist
weiz
-
biuge
-
zêch
bouc
touc
-
-
I b) zîhen
II a) biegen
tugen
II b) bieten
binden
III a)
gunnen
-
zîhe
biute
binde
-
kunnen
III b) werfen
durfen
turren
wirfe
-
-
IV) nemen
suln
V) geben
magen/
mugen
-
nime
-
gibe
-
VI) varn
müezen
var
VII) râten
-
râte
-
-
bôt
bant
gan
ganst
gan
kan
kanst
kan
warf
darf
darft
darf
tar
tarst
tar
nam
sol
solt
sol
gap
mac
maht
mac
vuor
muoz
muost
muoz
riet
-
1.+3. Pl. Ind.
Prät.
1.+3. Pl. Ind.
Präs.
+ Inf.(initiv)
riten
wizzen
+ Inf. wizzen
 eigen
+zigen
bugen
tugen
+ Inf. tugen
buten
bunden
gunnen
kunnen
+ Inf. kunnen
wurfen
durfen
+ Inf. durfen
turren
+-
1.+3. Pl.
Ind. Prät.
1.+3. Sg.
Ind. Prät.
(nach sw.V.)
wisse/
wesse
gâben
 magen
 + Inf. magen
mugen (u!)
+ Inf. mugen
vuoren
müezen
+rieten
 eigen
-
gezigen
gebogen
-
-
geboten
gebunden
gegunnen
tohte
gunde
kunde
dorfte
-
geworfen
-
-
genomen
-
solde
mahte
mohte
muose/
muoste
-
geriten
gewist/
gewest
-
torste
nâmen
sculn (u !)
+ Inf. sculan
Partizip
Präteritum
Partizip
Präteritum
gegeben
gevarn
-
gerâten
-
 nicht mit allen Nebenformen, ohne Konjunktiv und ohne Semantik, sieh dazu nochmals
Ahd.+Mhd. Übersichten Nr. 5 und 22, S. 200 (ahd. Prät.Präs.) und S. 211 (mhd. Prät.Präs.)
Flexion
Infinite
Formen
werfen (stV.)
werfendei
geworfen
Präteritum
Finite
Formen
Ind. Sg ich warf
dû würfe
er/siu/iz warf
Pl. wir wurfen
ir wurfet
sie wurfen
Konj. Sg. ich würfe
dû würfest
er/sie/ez würfe
Pl. wir würfen
ir würfet
sie würfen
Infinitiv
Partizip Präsens
Partizip
Präsens
durfen (Prät.Präs.)
durfende
Präteritum
suochen (swV.)
suochende
gesuochet
Präteritum
ich darf
dû darft
er/sie/ez darf
wir durfen
ir durfet
sie durfen
ich dürfe
dû dürfest
er/sie/ez dürfe
wir dürfen
ir dürfet
sie dürfen
ich dorfte
dû dorftest
er/sie/ez dorfte
wir dorften
ir dorftet
sie dorften
ich dörfte
dû dörftest
er/sie/ez dörfte
wir dörften
ir dörftet
sie dörften
ich suochte
dû suochtest
er/sie/ez suochte
wir suochten
ir suochten
sie suochten
ich suochte
dû suochtest
er/sie/ez suochte
wir suochten
ir suochtet
sie suochten
Flexionsmorphologische Analyse von Präterito-Präsentien (Formenbestimmungen):
Instruktion: Bestimmen Sie die folgenden Verbformen aus dem mhd.. Text (NL. 1. âventiure)
grammatisch, ordnen Sie sie den entsprechenden Ablautreihen zu, nennen Sie den Infinitiv,
die 1./3. Sg. Ind. Präs. und die 1./3. Sg. Ind. Prät.:
muget (1,4), muosen (2,4; 10,2), kan (10,4; 17,3; 17,4), kunden (11,4), (en)kunde (12,4; 13,4;
14,2), muoste (13,3), muost (14,4), sol (15,4; 17,4), solt(u) (16,2), wesse (18,3)
Musterbeispiel: mohte (2,2): 3. Sg. Ind. Prät., Prät.Präs., AR. V, mugen – mac [– mohte]
 sieh selbständig ergänzend zu den besonderen Verben des Alt- und Mittelhochdeutschen:
Ahd.+Mhd. S. 38 sowie Übersichten Nr. 6-9, S. 200f. und S. 81 sowie Übersichten Nr. 23-26,
S. 212f.!
7. Sitzung
Termin
Thema
Literatur
9. 6. 2008
Historische Morphologie VI: Substantive
des Althochdeutschen
(Klasseneinteilung und Flexion)
 Ahd.+Mhd: Kap. I. 2. a) (S. 39-50)
Allgemeine Übersicht
Althochdeutsche Substantive: Genera und Stammklassen
a-St.
stark
ō-St.
i-St.
(+ ja-
(+ jō-/
u-St.
schwach
n-St.
-er
sonstige
-nt
-ir(ehem.
wurzelnomina
/wa-St.)
M.
+
wō-St.)
_
iz-/azSt.)
+
+
+
i
F.
_
+
+
+
+
_
_
starke Hauptklassen
(mit Unterklassen)
+
+
+
+
ō
_
a
(wenige)
Reste
+
_
+
a
i
N.
+
schwache
Hauptklassen
a
_
_
_
+
+
i
_
a
Verw.Bez.
PartizipialStämme
ir- Pl.
kein
Stammbil
dungsele
ment
 sieh dazu Ahd.+Mhd., S. 39-41 (Stichworte: Bau eines Substantivs;
Stammbildungselemente; Diachronie der Stammklassenzuweisung; Veränderungen vom
Germ. zum Ahd.: Abschwächung und Schwund germanischer Endsilben)
Althochdeutsche Substantive: Hauptklassen




Klasse 1: schwache n-Stämme (z.B. boto, herza, zunga)
(nur wenige Neutra: herza, ouga, ōra, wanga; Pl. thiu hīwun)
Klasse 2: starke ō-Stämme (z.B. geba)
Klasse 3: starke a-Stämme (z.B. tag, wort)
Klasse 4: starke i-Stämme (z.B. gast, kraft)
 sieh dazu Ahd.+Mhd., S. 42-44 (Paradigmen der Hauptklassen und synchronalthochdeutsche Merkmale)
Unterklassen und Sonderfälle








Unterklassen der a-Stämme:
ja-Stämme (M. hirti, lērāri; N. kunni) und wa-Stämme (M. sēo; N. horo)
Unterklassen der ō-Stämme:
jō-Stämme (F. suntia, kuningin) und wō-Stämme (F. brāwa)
u-Stämme (M. situ, fridu, sunu, sigu, hugu: das -u nur im Nom./Akk. Sg.
erhalten; F. hant: nur Dat. Pl. regelmäßig hantum/-un sonst nach i-Stämmen; N.
fihu:
-u nur im Nom./Akk. Sg.)
Verwandtschaftsbezeichnungen auf -er: fater, bruoder, muoter, swester
(Einheitsform im Sg., im Pl. teils nach a- bzw. ō-Stämmen)
feminine (deadjektivische) Abstrakta auf -ī-(n), z.B hōh ‚hoch’  (diu) hōh-ī(n)
‚Höhe’
Wurzelnomina: M. man teilweise nach den a-Stämmen; F. naht, burg teilweise
nach den i-Stämmen)
neutrale ir-Plurale: lamb – lembir, kalb – kelbir, blat – bletir, smalenōz –
smalenōzzir (vgl. Christus und die Samariterin, Z. 33), (h)rind – (h)rindir
[Partizipialstämme: M. heilant, fiant, friunt (gehen wie st. a-Stämme)]
 sieh dazu Ahd.+Mhd., S. 46-50
Flexion:
 sieh dazu Ahd.+Mhd., S. 202 (Übersicht Nr. 10 über die Flexion der Hauptklassen; sehr
schön erkennbar ist hier die jeweilige Besetzung der Stammklassen durch die Genera)
Flexionsmorphologische Analyse (Formenbestimmungen):
Instruktion: Bestimmen Sie die folgenden Substantive aus dem ahd. Text (Tat. 12,1-9)
grammatisch. Geben Sie Kasus, Numerus und Genus an sowie den Nom. Sg. und ordnen Sie
die Wortformen in die jeweiligen Stammklassen ein:
kneht (1,1), spāhidu (1,2), gotes (1,2), geba (1,2), eldiron (1,3), iāro (2,2), giuuonu (2,3),
tages (2,4), tagun (2,4), samantferti (3,1/2), uueg (3,2), māgun (3,3), kundon (3,4), temple
(4,2), lērārin (4,3), uuīstuom (5,2), antvvurti (5,2/3), muoter (6,1), sun (6,1), fater (6,2), uuort
(8,1), uuort (9,1), herzen (9,2), heilant (9,2), altere (9,3), gebu (9,4), gote (9,4), mannun (9,4)
Musterbeispiel: tage (1,4): Dat. Sg. st. Subst. M., a-St. (Paradigmawort), (der) tag
Ausführlichere Althochdeutsche Übungsaufgabe (ohne Lösungen):
Übersetzung eines althochdeutschen Textes (Tatian) und Formbestimmung
althochdeutscher Substantive
Tatian 87, 1-2 (Hälfte), vgl. Alt- und Mittelhochdeutsch, S. 168:
87, 1. Gilamf inan uaran thuruh Samariam. Inti quam thō in burg
Samariae thiu dār ist giquetan Sychar, nāh uodile, den dār
gab Iacob Iosebe sīnemo sune. Uuas dār brunno Iacobes.
Der heilant uuas giuueigit fon thero uuegeferti, saz sō oba
themo brunnen; uuas thō zīt nāh sehsta.
2. Quam thō uuīb fon Samariu sceffen uuazzar. Thō quad iru
ther heilant: „Gib mir trinkan.“ Sīne iungiron giengun in
burg, thaz sie muos couftīn.
Übersetzen Sie den voranstehenden althochdeutschen Text in die heutige Hochsprache und
bestimmen Sie die unterstrichenen Substantive grammatisch. Geben Sie Kasus, Numerus und
Genus an sowie den Nom. Sg. (mit Angabe der Bedeutung) und ordnen Sie die Wortformen in
die jeweiligen Stammklassen ein. Begründen Sie Ihre Einordnung und berücksichtigen Sie bei
der grammatischen Bestimmung den Kontext.
Ältere Althochdeutsche Übungsaufgabe mit Lösungen: Substantive, Adjektive und
Pronomina
Bestimmen Sie die folgenden Substantive, Adjektive und Pronomina grammatisch (Genus,
Kasus, Numerus), ermitteln Sie die Grundform (Nom. Sg.) und ordnen Sie sie den
Flexionsklassen zu; bei den Adjektiven nicht nur die Stammzugehörigkeit (a/ō-, ja/jō-,
wa/wō-Stämme) angeben, sondern auch die Art der Flexion (pronominal stark od. nominal
schwach). Schlagen Sie die Bedeutung der Wörter bei Schützeichel nach.



geba ( T 12.1. ): Nom. Sg. st. fem., ō-Stämme (‚Gabe, Geschenk; Gnade’)
sīne ( T 12.1. ): Nom. Sg. Mask., Possessivpronomen ( ahd. sīn - nhd. sein)
iāro ( T 12.2. ): Gen. Pl. st. Neutr. a-Stämme; Nom. Sg. iār (‚Jahr’)











tages ( T 12.2. ): Gen. Sg. st. Mask. a- Stämme (hier auch i-Stämme möglich, da im
Sg. übereinstimmende Kasusendungen); Nom. Sg. tag (‚Tag’)
imo ( T 12.1. ): Dat. Sg. Mask., Personalpronomen; Nom. Sg. ahd./nhd. er > ihm
iungōron ( T 87.1. ): Nom. Pl. sw. Mask. n-Stämme; Nom. Sg. iungiro/iungōro (der
Jünger(e)), Komparativ von dem Adj. iung, a-/ō-Stämme (jung); Komparative werden
immer nominal schwach flektiert
itmālemo ( T 12.1. ): Dat. Sg. Mask., pronominal stark flektiertes Adj. Nom. Sg.
itmāli, ja-/jō-Stämme (laut Schützeichel nur bei Tatian im Zusammenhang mit tag
belegt: itmali tag ‚Festtag’)
samantferti ( T 12.3. ): Dat. Sg. st. Fem. i-Stämme; Nom. Sg. samantfart
(Reisegesellschaft)
inan ( T 12.3. ): Akk. Sg. Mask., Personalpronomen; Nom. Sg. ahd./nhd. er > ihn
giuuonu ( T 12.2. ): Dat. Sg. st. Fem. ō-Stämme; Nom. Sg. giuuona (‚Brauch,
Gewohnheit, Ordnung’; giwona kann ahd. auch schwach flektiert werden, vgl. die
Eintragung bei Schützeichel: st.sw. F.)
antvvurti ( T 12.5. ): Akk. Pl. st. Neutr. ja-Stämme; Nom. Sg. antwurti (‚Antwort’)
sizzantan ( T 12.4. ): Akk. Sg. Mask., pronominal stark flektiertes Part. Präs., st. V. jPräs., Ablr. V, Inf.: sizzen (‚sitzen’); Nullform: sizzenti/sizzanti
uuazzare ( T 87.1. ): Dat. Sg. st. Neutr. a-Stämme, Nom. Sg. wazzar (‚Wasser’)
lērārin ( T 12.4. ): Dat. Pl. st. Mask. ja-Stämme, Nom. Sg. lērāri (‚Lehrer’), Nomen
agentis, das eine handelnde Person beschreibt; im Dat. Pl. älter ahd. lērārim zu lērārin
abgeschwächt
8. Sitzung
Termin
Thema
Literatur
16. 6. 2008
Historische Morphologie VII: Substantive
des Mittelhochdeutschen
(Klassenneueinteilung und Flexion)
 Ahd.+Mhd: Kap. II. 2. a) (S. 82-88)
Mittelhochdeutsch - Substantive: Neueinteilung
Gründe für die gegenüber dem Ahd. erfolgte Neueinteilung:
 Endsilbenabschwächung
 Ausweitung des Umlautes
Die lautlichen Veränderungen zum Mhd. (= ahd. Endsilbenvokale a, o, u, i > mhd. e,
Reduktion der mehrsilbigen Flexionsendungen durch Nebensilbenabschwächung und
Apokope z.B. ahd. -ōno > mhd. -en, vgl. Ahd.+Mhd., S. 84f.) führen zur Vereinheitlichung
der Kasusformen und zur somit notwendigen Neueinteilung der Substantive, wobei im
Unterschied zum Ahd. nicht mehr durch unterschiedliche Endungsvokale im Plural (vgl. die
Klassen III und IV) die Klassen voneinander unterschieden werden, sondern der Umlaut nun
zum klassenunterscheidenden Merkmal wird (vgl. Ahd.+Mhd., S. 86 einschließlich
Tabelle).
Die ahd. und mhd. Substantivflexionsklassen: (I = schwach / II-IV = stark)
Ahd.: I (n-Stämme): M. F. N.
Mhd.: I: M. F. N.

entsprechen einander (d.h. selbe Wörter wie im Ahd., auch selbe Neutra); im Mhd.
abgeschwächte Endungen (vgl. Ahd.+Mhd., S. 85)
Ahd.: II (ō-Stämme): F.

ebenfalls Fortsetzung der ahd. Flexion mit abgeschwächten Endungen (vgl. ebd.)
Ahd.: III (a-Stämme): M. N.

Mhd.: III: M. F. N.
keine völlige Entsprechung von mhd. und ahd. Flexion: im Mhd. nämlich enthältdie
Kl. III nicht nur die Mask. der ahd. a-Stämme, sondern auch diejenigen Mask. der
ahd. i-Stämme, die keinen umlautfähigen Wurzelvokal haben, also im Plural nicht
umlauten (vgl. Ahd.+Mhd., S. 85f.); zudem nun finden sich in der mhd. Kl. III auch
noch Fem., nämlich diejenigen Fem. der ahd. i-Stämme, die ebenfalls keinen
umlautfähigen Wurzelvokal haben, also im Plural nicht umlauten (vgl. ebd.);
abgeschwächte Endungen im Mhd. Ehemalige ahd. neutrale ja-Stämme, die
teilweise bereits im Sg. mhd. Umlaut haben, vgl. ahd. daz kunni – mhd. daz künne,
gehören ebenfalls in die Kl. III (Ahd.+Mhd., S. 86)
Ahd.: IV (i-Stämme): M. F.

Mhd.: II: F.
Mhd.: IV: M. F. N.
enthält nun im Mhd. nur diejenigen ehem. ahd. i-Stämme, die einen
umlautfähigenWurzelvokal haben, also im Plural umlauten (vgl. ebd., insbes.
Tabellen S. 86); desweiteren finden sich in der mhd. Kl. IV noch diejenigen Neutra
der ahd. a-Stämme, welche den Plural mit dem Kennzeichen -ir bildeten und einen
umlautfähigen Wurzelvokal haben (vgl. Ahd.+Mhd., S. 86); abgeschwächte Endungen
im Mhd.
Flexion:
 sieh dazu Ahd.+Mhd., S. 214 (Übersicht Nr. 27 über die Flexion der Hauptklassen; sehr
schön erkennbar ist hier die gegenüber dem Ahd. stärkere Besetzung der Stammklassen durch
die Genera)
Flexionsmorphologische Analyse (Formenbestimmungen):
Instruktion: Bestimmen Sie die folgenden Substantive aus dem mhd. Text (NL. 1. âventiure)
grammatisch. Geben Sie Kasus, Numerus und Genus an sowie den Nom. Sg. und ordnen Sie
die Wortformen in die jeweiligen Klassen (I-IV) ein:
wunders (1,1), helden (1,2), arebeit (1,2), fröuden (1,3), hôchgezîten (1,3), recken (1,4),
strîten (1,4), wunder (1,4), magedîn (2,1), landen (2,2), wîp (2,3), degene (2,4), lîp (2,4),
künege (3,1), juncfrouwe (3,4), tugende (3,4), frouwe (4,4) swester (4,4), fürsten (4,4),
pflegen (4,4) etc.
Musterbeispiel: maeren (1,1): Dat. Pl. N. st. Subst., Kl. III, daz maere
Mittelhochdeutsch-Übungsaufgabe
Formbestimmung mittelhochdeutscher st. und. sw. Verben, Prät. Präs. und Substantive
Bestimmen Sie die im folgenden mhd. Text fett gedruckten Wortformen jeweils nach den
bereits bekannten grammatischen Kategorien, ordnen Sie sie den jeweiligen Ablautreihen
bzw. Flexionsklassen zu (mit kurzer Begründung) und geben Sie die Stammformen bzw. den
Nom. Sg. bei den Substantiven an (vgl. zur leichteren Orientierung die Übungsaufgaben zum
Ahd.).
Hartmann von Aue, Der arme Heinrich (Ahd.+Mhd., S. 187f., Z. 70-83)
er was des râtes brücke
und sanc vil wol von minnen.
alsus kunde er gewinnen
der werlte lop unde prîs.
er was ein hövesch unde wîs.
Dô der herre Heinrich
alsus geniete sich
êren unde guotes
und vroelîches muotes
und werltlîcher wünne
(er was vür al sîn künne
geprîset unde gêret),
sîn hôchmuot wart verkêret
in ein leben gar geneiget.
(Anm.: Die Formen wart verkêret in Z. 82 können entw. jede für sich bestimmt werden, oder
insges. als Passiv, vgl. nhd. „wurde gewendet“.)
 sieh selbständig ergänzend zu den Pronomina des Alt- und Mittelhochdeutschen:
Ahd.+Mhd. S. 51-53 sowie Übersichten Nr. 11-17, S. 203-206, S. 89-90 sowie Übersichten
Nr. 28-34, S. 215-218!
9. Sitzung
Termin
Thema
Literatur
23. 6. 2008
Historische Morphologie VIII: Flexion der
Adjektive des Alt- und Mittelhochdeutschen
 Ahd.+Mhd: Kap. I. 2. c) (S. 54-58)
Kap. II. 2. c) (S. 91-96)
Adjektive im Althochdeutschen:
Verschiedene Flexion:
 Während das Substantiv (v.a. im Neuhochdeutschen) meist auf ein Genus festgelegt ist,
kann ein Adjektiv in allen drei Genera flektieren, und dazu noch stark und schwach.
 vgl. zum Folgenden Ahd.+Mhd., S. 54-57 sowie Übersicht Nr. 18, S. 207
a) pronominale und starke Flexion:
 ursprüngliche idg. Flexion
 nahezu vollständige Übereinstimmung mit der Flexion der Pronomina und dem best.
Artikel/Dem.Pron. der/diu/daz, z. T. auch mit den st. Subst. der a-/ō-Stämme. (vgl.
Ahd.+Mhd., S. 55 Tabelle)
 inhaltliche Unbestimmtheit (im Nhd. + unbest. Art., im Ahd. meist ohne Art.)
b) nominale und schwache Flexion:
 Neubildung im Germanischen unter Einfluß der schwachen Substantivflexion
 vollständige Übereinstimmung mit der Flexion der sw. Subst. der n-Stämme. (vgl.
Ahd.+Mhd., S. 55 Tabelle)
 inhaltliche Bestimmtheit (sehr oft noch durch best. Art./Dem.Pron. der/diu/daz
verstärkt)
c) Nullform
 nominale und starke Form (wie sie im Wörterbuch steht)
 vorwiegend in prädikativer Stellung
 ersetzt t. T. auch die pronominale und starke Flexion (im Nom. Sg. M. F. N. und Akk.
Sg. N.)
 (oft auch wird umgekehrt in prädikativer Stellung an Stelle der Nullform die
pronominale und starke Form verwendet)
 nur an der Nullform sind die Adjektive des Ahd. ihren unterschiedlichen
Stammklassen zuzuordnen (vgl. Wörterbuch)
Die unterschiedliche Flexion (stark vs. schwach) der Adjektive ist auch im Nhd. im Vergleich
der Paradigmen an vielen Stellen noch erkennbar. (vgl. Bsp. ahd. wīs – nhd. weise)
Einteilung der ahd. Adjektive in 3 Stammklassen (anhand der Nullform):
a) a-/ō-Stämme: Nullform auf Konsonant: z.B. wīs, tumb
b) ja-/jō-Stämme: Nullform auf -i: z.B. mitti, scōni
c) wa-/wō-Stämme: Nullform auf -o: z.B. garo – vgl. Gen. Sg. st. gar(a)wes – sw. gar(a)wen
(vgl. jew. die entspr. Subst. z.B. tag, wort, buoh; hirti, heri; balo, snēo)
Bspe.:
a) nominale und schwache Flexion:
 in thie heilagūn burg (Tat. 15,4) atrributiv
 des itmālen tages (Tat. 12,2) atrributiv
b) pronominale und starke Flexion:
 in hohan berg (Tat. 15,5) atrributiv
 In mitteru naht (Tatian 148,3) atrributiv
 thio dar garauuo uuārun (Tatian 148, 6) prädikativ (hier ist die pronominale und
starke Adjektivflexion im Nhd. nicht mehr üblich!)
c) nominale und starke Nullform:
 bin uuīb samaritanisg (Tat. 87, 2), atrributives Adjektiv mit Position hinter dem
Substantiv (im Nhd. nicht mehr übliche Stellung!)
 thiu fuzze teof ist (Tat. 87, 3) prädikativ
 in euuin līb (Tatian 87, 4) atrributiv
 selbiges wie für die Adjektiv-Flexion gilt auch für Part. Präs. u. Part. Prät. die ja wie
Adjektive flektieren können! (Sieh zur gesamten Flexion Ahd.+Mhd., Übersicht S. 207.)
Zum Vergleich: Bspe. Nhd. – Ahd. (rekonstruiert)



nhd. mit großer Freude – ahd. *mit mihhileru freuuidu
= pron./st. (unbestimmt)
nhd. mit der größten Freude – ahd. *mit deru mihhilōstūn freuuidu
= nom./sw. (bestimmt)
nhd. Der Mann ist groß – ahd. *der man ist mihhil
= Nullform
Zum Vergleich: schwache und starke Flexion von nhd. weise (vgl. ahd. uuīs) im Sg.
Mask.:
Nom.
Gen.
Dat.
Akk.
nominal/schwach
weise
weisen
weisen
weisen
pronominal/stark
weiser
weises
weisen
weisen
Komparation der Adjektive im Ahd.:
(vgl. Ahd.+Mhd., S. 57f.)


Stamm + Suffix -ir- / -ōr- (Komparativ) + Flexionsendung
Stamm + Suffix -ist- / -ōst- (Superlativ) + Flexionsendung
 bei Komparationsformen nur nominale/schwache Flexion.
Bspe. eldiron (Tat. 12, 1)
iungiron (Tat. 87, 2)
liobōsta (Otfrid V. 86)
vgl. Positiv: scōni – Komparativ: scōnōro (Mask.) – Superlativ: scōnōsto (Mask.)
 die Bildung der Komparationsformen (und Flexion) bei den Adj. der versch.
Stammklassen ist gleich.
Bildung der Adverbien im Ahd.:
(vgl. Ahd.+Mhd., S. 57)
Adjektivadverbien: Stamm + Suffix -o z.B. uuārlīh – uuārlīhh-o
beachte: Adj. herti – Adv. harto (ohne Umlaut)
guot – uuola (verschiedene Wortstämme)
(+ Adverbbildung mit dem Suffix -(il)ingūn, z.B. blint – blintilingūn
‚blindlings’)
(+ Kasusformen von Subst. z. B. tag – tages ‚am Tag, tags’, Gen. Sg., und in
Analogie dazu z.B. naht – nahtes ‚nachts’, wobei -es von diu naht keine
ursprüngliche Gen. Sg.-Form dieses fem. Subst. ist)
Komparation der ahd. Adverbien:
Stamm + Suffix -ōr (Komparativ) – -ōst/-ist (Superlativ)
z.B. harto (Positiv) – hart-ōr (Komparativ) – hart-ōst (hertist) (Superlativ)
(vgl. Adj. herti – hert-iro – hert-isto)
Bestimmung von Adjektiven im ahd. Text:
Instruktion: Bestimmen Sie die folgenden Adjektive (und Partizipialformen) aus dem ahd.
Text (Tat. 148,1-8) grammatisch. Geben Sie Kasus, Numerus und Genus sowie die
Flexionsweise an, nennen Sie die Nullform und ordnen Sie die Adjektive in die jeweiligen
Stammklassen ein. Gegen Sie zusätzlich mit an, ob das Adjektiv atrributiv (auch mit
eliptischem Nomen) oder prädikativ verwendet wird:
uuīso (2,2), dumbo (2,2), uuīsūn (2,2), mitteru (3,2), tumbūn (5,1), spāhōn (5,1), erlosganu (=
erloscaniu) (5,3/4), uuīsun (5,4), forcoufentōn (5,6/7), garauuo (6,2), bislozzano (6,4), andro
(7,1).
Musterbeispiel: dumbo (2,1): Adj., F. Nom. Pl., pronominal/stark flektiert, Nullform: dumb
(tumb), a-/ō-St., prädikative Verwendung: uuārun dumbo.
Adjektive im Mittelhochdeutschen:
Verschiedene Flexion:
 vgl. das zum Ahd. Gesagte sowie Ahd.+Mhd., S. 91-94 sowie Übersicht Nr. 35, S. 218
 durch die Abschwächung der Endsilbenvokale ist das Formeninventar gegenüber dem
Ahd. deutlich reduziert, bisweilen, so im Dat. Pl. -en, kann zwischen starker und schwacher
Flexion nicht mehr unterschieden werden. (vgl. Ahd.+Mhd., S. 92 und S. 218 Übersichten),
während pron.st. Gen. Sg. M./N. wîs-es nach wie vor von nom.sw. Gen. Sg. M./N. wîs-en
unterschieden werden kann.
Einteilung der mhd. Adjektive in 3 Stammklassen (anhand der Nullform):
(Ahd.+Mhd., S.93f.)
a) ehem. a-/ō-Stämme: Nullform auf Konsonant: z.B. wîs, tumb (wie Ahd.)
b) ehem. ja-/jō-Stämme: Nullform auf -e: z.B. mitte, schoene
c) ehem. wa-/wō-Stämme: hier –w- in den Flexionsformen, z.B. blâ ‚blau’ – blâwer (Nom.
Sg. pron.st. M.)
 die Verwendung (atrributiv – prädikativ, bestimmt – unbestimmt) der verschiedenen
Adjektivformen ist wie im Ahd. nicht streng geregelt (s.o. und vgl. Ahd.+Mhd., S. 94).
Komparation der Adjektive im Mhd.:
(vgl. Ahd.+Mhd., S. 95)
Bildung der Adverbien im Mhd.:
(vgl. Ahd.+Mhd., S. 94f.)
Bestimmung von Adjektiven im mhd. Text:
Instruktion: Bestimmen Sie die folgenden Adjektive (und Partizipialformen) aus dem mhd.
Text (NL. 1. âventiure) grammatisch. Geben Sie Kasus, Numerus und Genus sowie die
Flexionsweise an, nennen Sie die Nullform und ordnen Sie die Adjektive in die jeweiligen
Stammklassen ein. Gegen Sie zusätzlich mit an, ob das Adjektiv atrributiv (auch mit
eliptischem Nomen) oder prädikativ verwendet wird:
alten (1,1), lobebaeren (1,2), grôzer (1,2), küener (1,4), edel (2,1), scoene (2,3), minneclîchen
(3,1), küene (3,2), edel (3,3), ándériu (3,4), junge (4,3), milte (5,1), starkiu (5,4)
Musterbeispiel: schoeners (= schoeneres) (2,2): Adj. atrributiv (mit eliptischem Nomen
[magedînes]), Gen. Sg. N., Komparativ, pronominal/stark flektiert, Nullform: schoene, ehem.
ja-/jō-Stämme
10. Sitzung
Termin
Thema
Literatur
30. 6. 2008
Historische Phonologie I: Erste
 Ahd.+Mhd: Kap. III. 1. c) (S. 108-113)
Lautverschiebung und Grammatischer
Kap. IV.3. (S. 135-138)
Wechsel, Nasalausfall vor germ. -h, Primärer
Übersicht Nr. 40 (S. 224)
Berührungseffekt, Westgermanische
Konsonantengemination
Historische Phonologie I
Das Idg. Konsonantensystem
 sieh Ahd.+Mhd, S. 97-103 und Übersicht Nr. 36, S. 219!
Unterscheidung
nach der
Artikulationsart
a) Explosive
(Verschlußlaute)
Phoneme
unbehaucht /
stimmhaft
unbehaucht /
stimmlos
behaucht /
stimmhaft
behaucht /
stimmlos
/b/ /d/ /g/
/p/ /t/ /k/
/bh/ /dh/ /gh/
/ph/ /th/ /kh/
b) Frikativ
(Reibelaut)
Unterscheidung
nach der
Artikulationsstelle
a) Labiale
b) Dentale
c) Velare
d) Liquide
e) Nasale
/s/
Phoneme
/b/ /p/ /bh/ /ph/
/d/ /t/ /dh/ /th/
/g/ /k/ /gh/ /kh/
/l/ /r/
/m/ /n/
im Germanischen
unverändert
Veränderungen vom Idg. zum Germ. im Rahmen der Ersten Lautverschiebung:
(„Grimms Law“)
Idg.
Germ.
a) p(h) t(h)
k(h)
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
ƒ
Þ
χ
b) bh
│
│
│
│
│

dh
gh
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
đ

c) b
d
g
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
p
t
k
Im Einzelnen (beginnend mit dem letzten Drittel):
Idg.
Germ.
Idg.
c) b
d
g
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
p
t
k
dh
gh
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
b) bh
│
│
│
│
│
Germ.


đ
Grammatischer Wechsel:
Idg.
a) p(h)
│
│
│
│
│
│
Germ.
ƒ
t(h)
k(h)
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
 Þ
đ χ

zu a) Erklärung des Nebeneinanders von germ. stimmlosen und stimmhaften
Reibelauten durch das Vernersche Gesetz:
Wenn der Akzent den behauchten oder unbehauchten
stimmlosen Verschlusslauten idg. p(h) t(h k(h) nicht
unmittelbar vorausging und wenn die Umgebung
stimmhaft war, entwickelten sich – statt der stimmlosen –
die stimmhaften germ. Reibelaute  đ . In allen anderen
Fällen, so auch im Anlaut, der stets stimmlos ist, stehen
die stimmlosen germ. Reibelaute ƒ Þ χ.
 sieh Ahd.+Mhd., S. 101f.
Es müssen immer beide Bedingungen erfüllt sein, so befindet sich der wurzelschließende
Konsonant d in ahd. st. V. wer-d-an in stimmhafter Umgebung (Liquid + Vokal), jedoch
findet der grammatische Wechsel erst an der Stelle statt, an der der Akzent dem Konsonanten
nicht unmittelbar vorausging. Im Ahd. sind Relikte dieses Wechsels sichtbar, auch wenn die
Akzentuierung sich verändert hat: seit german. Zeit verlagerte sich der idg. freie Wortakzent,
vgl. z.B. lat. ámo – amavísti, auf die Stammsilbe (sog. germ. Initialakzent), das liegt auch im
Ahd. vor. In vielen Fällen ist daher der grammatische Wechsel bereits ausgeglichen. Zur
Veranschaulichung sei hier die AR. IIIb) des st. V. werdan mit rekonstruierter ursprünglicher
Akzentuierung dargestellt:
*wérdan – wírdu – wárd –wurtún – wortán
Die wurzelschließenden Konsonanten d – t gehen auf germ. Þ – đ zurück.
Zum Vergleich nun die AR. mit ahd. Akzentuierung:
wérdan – wírdu – wárd –wúrtun – wórtan
 sieh Ahd.+Mhd., S. 102
a) Vom Idg. zum Germ. und vom Germ. zum Ahd.:
Idg.
a) p(h)
│
│
│
│
│
│
ƒ
f
Germ.
Ahd.
t(h)
k(h)
s
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
 Þ
b d
đ χ
d h
 s
g s
z
r
 /z/ (stimmhaftes s) > /r/ = Rhotazismus
Der grammatische Wechsel vom Germ. zum Ahd. ausführlicher:
/Þ/, /đ/
/s/, /z/
/ƒ/, //
/χ/, //
= Allophone (jeweils Varianten desselben Phonems)
/đ/ /χ/
// /Þ/
// /s/
= Phonemisierung (selbständige Phoneme)
/b/ /th/
/d/ /h/
/g/ /s/
/b/  /d/
/g/ /s/
 /t/ /h/
Germ.
/ƒ/
Ahd.
/f/
/f/
/z/
/r/
/r/
Formulierung der Ergebnisse dieses Lautwandels:
 Germ.: Nebeneinander von stimmhaften und stimmlosen Reibelauten
 Ahd. : Nebeneinander von Reibelauten und Verschlußlauten aufgrund
der Weiterentwicklung der betroffenen Konsonanten vom Germ. zum Ahd.
Reste dieses grammatischen Wechsels zeigen sich v. a. in den Ablautreihen der
starken Verben:
 AR. I – V: Wechsel des wurzelschließenden Konsonanten zw. der 1./3. Sg. und der
1./3. Pl. Prät.
z. B.: /h/ – /g/: zeh - zigun (zīhan Ib)
/d/ – /t/: fand - funtum (findan IIIa)
/s/ – /r/: was - wārun (wesan V)
 AR. VI – VII : Wechsel des wurzelschließenden Konsonanten zw. Präs. und der 1./3.
Sg. Prät.
z. B.: /h/ – /g/: slahan – sluog (slahan VI)
/f/ – /b/: heffen – huob (heffen VI)
Die übrige 1. Lautverschiebung in ihrer Weierwirkung auf das Ahd.:
b) und c) Vom Germanischen zum Althochdeutschen:
Germ.
b) 
đ

│
│
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│
│
│
│
│
│
│
│
b
d
g
c) p
t
k
│
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│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
Ahd.
Germ.
 2. Lautverschiebung!
Ahd.
11. Sitzung
Termin
Thema
Literatur
7. 7. 2008
Historische Phonologie II: Zweite
Lautverschiebung (dialektale Vielfalt des
Althochdeutschen und
Gegenwartsdeutschen)
 Ahd.+Mhd: Kap. III. 1. c) (S. 108-113)
Kap. IV.3. (S. 135-138)
Übersicht Nr. 40 (S. 224)
 Übungsklausur am Ende des Skripts
beachten!
Historische Phonologie II
Die Zweite (hochdeutsche) Lautverschiebung
 sieh Ahd.+Mhd, S. 108-113 sowie Übersicht Nr. 40, S. 224, und im Seminar ausgeteilte
Kopie zur dialektalen Staffelung des Deutschen
Zur Erinnerung:
Germ.
Ahd.
c) p
t
k
│
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│
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│
│
│
 2. Lautverschiebung!
Von der 2. (hochdeutschen) LV. betroffene germ. Konsonanten:
 stimmlose Explosive /p/ /t/ /k/
 stimmhafte Explosive /b/ /d/ /g/
Verschiebung von germ. p, t, k, - je nach Stellung – zu Doppelfrikativen oder Affrikaten
zum Ahd. hin:
a) postvokalisch
/p/
/t/
/k/
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
/ff/
(Graphien) ff, f

Doppelfrikative
im Ahd.
/ss/
/hh/
zz, z hh, h,
ch
b) nicht postvokalisch:
 postkonsonantisch
 im Anlaut
 in der Gemination
/p/
/t/
/k/
│
│
│
│
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│
│
│
│
│
│
│
│
│
│
/pf/
(Graphien) ph, pf
 Affrikaten im Ahd.
/fs/
zz, z, tz
/k/, /kch/
k, kh, ch
 Ausnahmen von der 2. LV: germ. st, sp, sk, ft, ht bleibt im Ahd.
Verschiebung von germ. b, d, g:
Germ.
Ahd. (allgemein)
obd. (bair. + alem.)
obd. (ab dem 10. Jhd.)
mittelfrk.
/b/
/b/
/p/
/b/
/b/, /f/
/d/
/t/
/t/
/t/
/d/
/g/
/g/
/k/
/g/
/g/
12. Sitzung
Termin
Thema
Literatur
14. 7. 2008
Wiederholung
Übungsklausur WS 2007/08
Übungsklausur:
Einführungsseminar Sprachgeschichte 5 WS 2007/08
Dr. R. Froschauer
Mo. 12:00-14:00, U5/118
Abschlussklausur
A. Althochdeutsch
Tatian 87,1-3 (Christus und die Samariterin)
87,1. Gilamf inan uaran thuruh Samariam. Inti quam thō in burg Samariae
thiu dār ist giquetan Sychar, nāh uodile, den dār gab Iacob Iosebe sīnemo
sune. Uuas dār brunno Iacobes. Der
heilant uuas giuueigit fon dero uuegeuerti, saz sō oba themo brunnen; uuas
thō zīt nāh sehsta.
2. Quam thō uuīb fon Samariu sceffen
uuazzar. Thō quad iru der heilant:
„gib mir trinkan.“ sine iungōron giengun in burg, thaz sie muos couftīn.
Thō quad imo uuīb thaz samaritānisga: „uueo thū mit thiu Iudeisg bis
trinkan fon mir bitis, mit thiu bin uuīb
samaritānisg? ni ebanbrūchent Iudei
Samaritanis.“
3. Thō antlingita ther heilant inti quad
iru: „oba thū uuessīs gotes geba inti
uuer ist thē dir quidit: gib mir trinkan,
thū odouuān bātīs fon imo thaz hē dir
gābi lebēnti uuazzar.“ Thō quad imo
thaz uuīb: „hērro, thū ni habēs mit
hiu scefēs inti thiu fuzze teof ist: uuanān habēs lebēnti uuazzar? Eno thū
bistū mēra unsaremo fater Iacobe thē
dār gab uns den phuzi: her tranc fon
imo inti sīna suni inti sīn fihu.“
A.1. Bestimmen Sie die folgenden (im Text fettgedruckten) Wortformen grammatisch,
ordnen Sie diese den entsprechenden Ablautreihen bzw. Stammklassen zu (mit
Nennung der Stammformen bei den st. Verben und der 1./3. Pers. Sing. Ind. Prät. sowie
Part. Prät. bei den sw. Verben und dem Nom. Sing. bei den Substantiven). Erläutern Sie
bei den Verben kurz Ihre Einordnung!
a) uuegeuerti b) brunnen c) uuīb d) couftīn e) bitis f) uuessīs (= uuissīs)
g) gābi h) habēs i) scefēs j) uuazzar
32,5P
A.2. Zu welcher Sondergruppe der starken Verben gehören sceffen (2.1) und bātīs (3.4). Wie
lauten die übrigen Verben der entsprechenden Ablautreihen, in denen sie vorkommen?
3P
Σ: 35,5P
B. Mittelhochdeutsch
Nibelungenlied 1, 17-19
17
„Die rede lât belîben“,
sprach si, „frouwe mîn.
ez ist an manegen wîben
vil dicke worden scîn,
wie liebé mit leide
ze jungest lônen kan.
ich sol si mîden beide,
sone kán mir nimmer missegân.
18
Kriemhilt in ir muote
sich minne gar bewac
sît lebte diu vil guote,
vil manegen lieben tac,
daz sine wesse niemen.
den minnen wolde ir lîp
sît wart si mit êren
eins vil küenen recken wîp.
19
Der was der selbe valke
den ir besciet ir muoter
an ir naehsten mâgen,
durch sîn eines sterben
den si in ir troume sach,.
wie sêre si daz rach
die in sluogen sint!
starp vil maneger muoter kint.
B.1. Bestimmen Sie die folgenden (im Text fettgedruckten) Wortformen grammatisch,
ordnen Sie diese den entsprechenden Ablautreihen bzw. Stammklassen zu (mit
Nennung der Stammformen bei den st. Verben und der 1./3. Pers. Sing. Ind. Prät. sowie
Part. Prät. bei den sw. Verben und dem Nom. Sing. bei den Substantiven). Erläutern Sie
bei den Verben kurz Ihre Einordnung!
a) wîben b) lônen c) kán d) lebte e) tac f) recken g) sach h) starp
25,5P
B.2. Überführen Sie zu die folgenden drei althochdeutschen Wortformen in das
Mittelhochdeutsche und benennen Sie die dabei auftretenden lautlichen und
graphischen Veränderungen!
a) uaran (= faran 1.1)
b) wīb (2.1) c) bātīs (3.4)
5P
B.3. Erklären Sie kurz den Unterschied zwischen Ablaut und Umlaut!
3,5P
Σ: 34P
C. Allgemeine Fragen
C.1. Stellen Sie die Bildung, Einteilung und Semantik der schwachen Verben im
Althochdeutschen dar. Wie sieht des weiteren ihre Neueinteilung im
Mittelhochdeutschen aus?
11P
C.2. Erklären Sie ausgehend vom (rekonstruierten) Indogermanischen, welche
konsonantische Besonderheit an den folgenden althochdeutschen Wortformen
erkennbar ist:
quad – quātun
5P
C.3. Ordnen Sie die folgenden Wörter dialektgeographisch ein, und begründen Sie jeweils
Ihre Einordnung: dat dorf, feffer, appel, pfund, helpen, peffer, damp, chind
9P
Σ: 25P
Σ: Teil A + Teil B + Teil C = 94,5P
Bestanden ab 50P
Viel Erfolg und schöne Semesterferien!
Lösungsschlüssel
A Althochdeutsch
A.1. Wortformenbestimmungen:
a) uuegeuerti
b) brunnen
c) uuīb
d) couftīn
e) bitis
f) uuessīs (= uuissīs)*
g) gābi
h) habēs
i) scefēs
j) uuazzar
2,5
2,5
2
3,5
3,5
3,5
4,5
3,5
4,5
2,5
Σ: 32,5P
*uuessis: 2.Sg.Konj.Prät, 1 Prät.Präs. ½ , wizzan-weiz-wissa 1 ½ , AR. I(a) ½ = 3,5
A.2. sceffen (2.1) und bātīs (3.4)
= j-Präsentien;
AR. V: sizzen, [bitten], liggen;
AR. VI: heffen, [sceffen], swerren
3P
Teil A: Σ 35,5P
B Mittelhochdeutsch
B.1. Wortformenbestimmungen
a) wîben
b) lônen
c) kán
d) lebte
e) tac
f) recken
g) sach
h) starp
2,5
3
3
3
2,5
2,5
4,5
4,5 Σ: 25,5P
B.2. Veränderungen vom Altzum Mittelhochdeutschen
a) uaran (= faran 1.1)
1,5
varn ½ ,Graphie ½, Synkope ½
b) wīb (2.1)
1,5
wîp ½ , Längenbez. ½ ,
Auslautverh. ½
c) bātīs (3.4)
2
baetest ½ , Umlaut ½ , Endsilben
½ , t-Epenthese ½
5P
B.3. Ablaut:
regelmäßiger, auf idg.
Akzentverhältnisse
zurückgehender Wechsel des
Wurzelvokals in etymologischen
Wörtern bzw. Wortformen, der
sekundär als Tempusbezeichnung
der st.V (Ablautreihen) fungiert
2
Umlaut:
kombinatorischer Lautwandel:
Hebung/Palatalisierung des
(umlautfähigen) Wurzelvokals
vor i,j der Folgesilbe
1,5
3,5P
Teil B Σ: 34P
C. Allgemeine Fragen
C.1. Bildung, Einteilung und Semantik der schwachen
Verben im Althochdeutschen:
I. jan, Wurzel (< div. Basiswortarten) + Suffix -ja + Fkexiv -n >
ahd. en;
Ia) m.BV. – o.RU., (ursprünglich) kurze Wurzelsilbe, daher BV. i- im Prät. (finit und infinit),
Ib) o.BV. – o.RU., lange Wurzelsilbe, daher kein BV. -i- im
(finiten) Prät., kein kurzer Wurzelvokal -e- im Präsens,
Ic) o.BV. – m.RU., lange Wurzelsilbe durch (ursprüngliche)
Mehrfachkonsonanz), Kurzvokal -e- im Präsens (= Umlaut eines
ursprünglichen a infolge des j-Suffixes), daher kein BV. -i- im
(finiten) Prät. und unumgelauteter Wurzelvokal -a- im (finiten)
Prät. (RU.)
= Kausativa/Faktitiva
II. -ôn-V.: Wurzel (< div. Basiswortarten)+ Suffixvokal-ô- +
Fkexiv -n/Suffix -ôn + BV. -ô= Ornativa
III. -ên-V.: Wurzel (< div. Basiswortarten) + Suffixvokal-ê- +
Fkexiv -n/Suffix -ên + BV. -ê= Inchoativa
1
½
½
1
½
1
½
1
½
Neueinteilung im Mittelhochdeutschen:
(Endsilbenabschw./Ausweitung des Umlautes)
Ia: o.RU. – m.BV. (kurze Wurzelsilbe)
= ehemalige -ôn- und -ên-Verben mit kurzer Wurzelsilbe,
ehemalige jan-V. mit nicht-umlautfähigem Wurzelvokal
Ib: o.RU. – o.BV. (lange Wurzelsilbe)
= ehemalige -ôn- und -ên-Verben mit langer Wurzelsilbe,
ehemaligen jan-V. mit nicht-umlautfähigem Wurzelvokal
II: m.RU. (< o.BV.)
= alle ehemaligen jan-V. mit umlautfähigem Wurzelvokal
(gegenüber dem Ahd. weit größerer Bestand)
1½
1½
1½
11P
C.2. quad – quātun
= Grammatischer Wechsel
½
(der wurzelschließenden Konsonanten)
(h)
(h)
(h)
Verner-Gesetz: Die stimml. behauchten und unbehauchten Plosive /p /, /t /, /k /
entwickelten sich zum Germ. zu den (erweichten) stimmhaften Frikativen //, /đ/, // in
stimmhafter Umgebung und wenn der ursprüngl. idg. Akzent nicht unmittelbar
vorausging; in allen übrigen Fällen, so im stimmlosen Anlaut, entwickelten sie sich zu den
stimmlosen Frikativen /f/, /Þ/, //; im Falle des Wortpaars handelt es sich um das auf diese
Weise aus idg. /t(h)/ entstandene Nebeneinander von germ. /Þ/ und /đ/, welche im Ahd.
phonemisiert wurden und sich (normalahd.) zu /d/ und (über d) zu t (beides 2. LV.)
4½
weiterentwickelten.
5P
C.3. 2 LV: dialektgeographische Einordnung und Begründung:
a) dat dorf
mfrk.: unversch. germ. t in Kleinw., nördl. dat-das, aber südl. dorp-dorf, postliquides
germ p (zum Frikativ) versch., daher moselfrk.
1½
b) feffer
ostmd.: germ. p im Anlaut zum Frikativ (!) versch., sonst, wie ges. hd. germ. p postvokal
zu Doppelfrikativ versch.
1½
c) appel
md. nördl. der Speyrer Linie, germ. p in Gemination unversch.
1
d) pfund
obd.: südl. Speyrer Linie, germ. p im Anlaut zur Affrikate versch.
1
e) helpen
mfrk. bzw. ripuar.: nördl. der dorp-dorf-L., postliquides germ p unversch
1
f) peffer
westmd.: germ. p im Anlaut unversch, (sonst, wie ges. hd. germ. p postvokal zu
Doppelfrikativ versch.)
1
g) damp
md. nördl. der Speyrer Linie, germ. p postnasal unversch.
1
h) chind
südalem.: südl. der kind-chind-L., germ. k im Anlaut zur Affrikate versch
1
9P
Teil C Σ: 25P
Insgesamt Σ: 94,5P
Bestanden ab 50P
Notenschlüssel
94P – 94,5P
91P – 93,5P
88P – 90,5P
85P – 87,5P
81P – 84,5P
77P – 80,5P
73P – 76,5P
69P – 72,5P
65P – 68,5P
60P – 64,5P
55P – 64,5P
50P – 54,5P
ab 49,5P
= 1+
=1
= 1= 2+
=2
= 2= 3+
=3
= 3= 4+
=4
= 4= n.b.
Übersetzungshilfen für Christus und die Samariterin
(vgl. Ahd.+Mhd., S. 171f. + Anmerkungen auf S. 172)
Z. 3: ze untarne: untarn, st. M. = Mittag, ze untarne (adverb. Wendung) = mittags
Z. 4: kisaz zu Inf. kisizzen = obd. Form für gisaz zu Inf. gisizzen (vgl. sizzen, st. V., j-Präs.)
Z. 6: sario, adv. = sogleich, alsbald
Z. 9: Bat er sih ketrencan = er bat darum, dass sie (= thaz vip Z. 10, die Samariterin) ihn
tränke (Inf. sw. V. gitrenken), sih (refl. Pron. Akk. Sg. statt des Pers. Pron. Akk. Sg. Mask.:
inan)
Z. 10: ther für thār (nicht unbed. übers.), adv. = da, dort; thara, adv. = dahin
Z. 12: vuurbon = wurbun (-on - Endung statt -un für die 3. Pl. Ind. Prät. st. V. als dialektale
Variante)
Z. 13: kerōst = gerōs/gerōst (hier mit angehängtem -t, sw. V. gerōn), obd. Form, vgl. kisaz,
kitrencan
Z. 15: neniezant = ni niozant (ni, Neg. Part.; st. V. niozan)
Z. 19: ercantīs zu Inf. sw. V. irkennen/-cennen
Z. 20: kōsōtīs zu Inf. sw. V. kōsōn (= sprehhan)
Z. 21: unnen für unnan + Gen. sines (partitiver Genitiv, im Nhd. mit Akk. übers.)
Z. 22: kecprunnen = quecprunnen (= lebenti wazzar)
Z. 23: liuf: -iu- für -io- /spätahd. -ie- im Prät. st. V. Ablr. VII als dialektale (obd.) Variante
Z. 25: nehabis = ni habēs (-is-Endung für 2. Sg. Ind. Präs. statt -es in Analogie zu st. V. und
sw. V. -jan), ni s.o.
Z. 29: Nebistu = ni bist thu
Z. 34: nuzzon = nuzzun (vgl. oben, -on für -un) zu Inf st. V. niozan (s.o.)
Z. 41: thicho = thiggu zu Inf. sw. V. thiggen
Z. 42: gābīst = 2. Sg. Konj. Prät. (gābīs mit angehängtem -t, s.o.)
Z. 45: tu dih anneuaert = tuo dih/thih ananwert (2. Sg. Imperat. bes. V. tuon), sih ananwert
tuon = sich beeilen
Z. 51: hebitōs = habētōs
Z. 52: uolliste = folliste / fulleiste (Dat. Sg. st. N./M., fulleist)
Z. 54: enin = einan
Z. 57: for = fora
Z. 58: berega = ber(e)ge (Dat. Sg. st. M., berg)
Z. 61: sagant = sagent für saget (2. Pl. Ind. Präs.)
Übersetzungshilfen für Otfrid, ‚Der zwölfjährige Jesus im Tempel’
(vgl. Ahd.+Mhd., S. 173-175 + Anmerkungen auf S. 175f.)
Z. 1: altero = Gen. Pl. st. N., altar
Z. 2: zuīro sehs = zwölf (altero zuīro sehs jāro = zwölf Jahre alt (wörtl. an Altern))
Z. 4: zen = zi dēn (Dat. Pl., Präp. + best. Art.)
Z. 7: forahtlīcho, adj.-adv. = ängstlich; iz weizēn = darauf hinweisen
Z. 12: mit in frumitun = führten mit sich (Pers. Pron. Dat. Pl. in im Ahd. üblicherweise statt
des refl. Pron. sih im Unterschied zum Nhd.)
Z. 16: drof = trof (dialektale Variante, südrheinfrk.), adv. = im mindesten
Z. 20: goumilōsan = im Akk. Sg. Mask. flektiertes Adj. trotz prädikativer Verwendung, wie
häufig im Ahd., (goumilōsan liazun = ließen unbeaufsichtigt) vgl. weiteres unten
Z. 21: (wānta) fruatēr, adj. (fruot), Nom. Sg. Mask. pron st. flektiert, trotz prädikativer Verwendung, s.o. (er glaubte klug)
Z. 25: ni sī thih thes wuntar = wundere dich nicht darüber (wuntar wesan + Gen. rei und Akk.
pers. = sich wundern über)
Z. 34: bidroganu = bitroganiu (Nom. Pl. Neutr.),flektiertes Part. Prät. zu st. V. Inf. bitriogan,
bitrogan werdan = sich täuschen
Z. 35: gigiangun sie es (= Gen. Sg. Pers. pron. iz) in ernust = sie gerieten darüber in Sorge (in
ernust gigangan = in Sorge geraten, sich Sorgen machen)
Z. 43: wergin, adv. = irgendwo
Z. 44: nan = inan (Pers. pron. Akk. Sg. Mask.), so öfter
Z. 53: wuntun ernustin zu Inf. st. V. wintan = gerieten in Sorgen
Z. 55: thia wīla, adverb. Wendung zu wila st. F. (Weile) = sogleich
Z. 56: hebīg was in thiu īla = sie hatten es sehr eilig
Z. 59: thiu smerza (Nom. Sg. Fem.), vgl. im Nhd. der Schmerz, Genus im Ahd. und Nhd.
stimmt oft nicht überein, bzw. gab es im Ahd. neben thiu smerza auch ther smerzo)
Z. 61: siu fuarun: die Neutrumsform siu des Pers. Pron. 3. Pl. sie/sio/siu steht dann, wenn
mehrere Personen beiderlei Geschlechts gemeint sind (so schon im German.)
Z. 69: losōta zu Inf. sw. V. losōn = hōren
Z. 75: giwurti, st. F. = Freude
Z. 87: irwunti vgl. wuntun!
Z. 91: irfaltōs (2. Pers. Sg. Ind. Prät.) zu Inf. sw. V. -jan: irfellen (m. RU!)
Z. 93: thiu mēr, adv. Wendung = umso mehr
Z. 96: gāhun, adv. = plötzlich
Z. 98: sar herasun, adverb. Wendung = sehr schnell
Z. 110: es wiht ni firnāmun = sie begriffen nichts davon
Z. 111: zi niheineru heiti, adverb. Wendung = in keinster Weise (thiu heit st. F. = Gestalt,
Beschaffenheit)
Z. 114: ni (...) thes thiu min, adverb. Wendung = nichts desto weniger
Z. 115: wanōta zu Inf. sw. V. wanōn, sih wanōn = sich vermindern
14. 7. 2008
Abschlussklausur
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