1. Die Bereicherung des Wortschatzes in der frühneuhochdeutschen Zeit (Wandel im Bestand des Wortschatzes, Bedeutungsentwicklung). 2. Die Bereicherung des Wortschatzes in der frühneuhochdeutschen Zeit (Der Wortschatz der landschaftlichen Literatursprachen). 3. Die Bereicherung des Wortschatzes in der frühneuhochdeutschen Zeit (Die gemeindeutsche Schicht im frühneuhochdeutschen literatursprachlichen Wortschatz). 4. Die Bereicherung des Wortschatzes in der frühneuhochdeutschen Zeit (Die Wortbildung). 5. Die wichtigsten phonologischen Änderungen im Frühneuhochdeutschen (Diphthongierung der langen Vokale der hohen Zungenlage. Erweiterung der alten Diphthonge ei und ou). 6. Die wichtigsten phonologischen Änderungen im Frühneuhochdeutschen (Monophthongieren der alten Diphthonge der hohen Zungenlage. Positionsbedingte Dehnung und Kürzung der Vokale). 7. Die wichtigsten phonologischen Änderungen im Frühneuhochdeutschen (Der Zusammenfall der Phoneme s und Ʒ. Der Schwund des intervokalischen pharyngalen h) 8. Die Änderungen im morphologischen und syntaktischen System des Frühneuhochdeutschen (die Form des Numerus. Der Umlaut. Neue Suffixe. Die Schwankung der Suffixe und Präfixe. Die Struktur der Sätze. Das Satzzeichen). 9. Die Herausbildung der einheitlichen Literatursprache (das Frühneuhochdeutsch). 10. Einführung von Familiennamen in Deutschland ((das Frühneuhochdeutsch.) 11. Die Entwicklungsabschnitte der deutschen Sprache. 12. Die Zeitformen im Althochdeutschen. 13. Das Besondere im Satzbau des Mittelhochdeutschen (Allgemeines über die Wortstellung im Satz). 14. Die Zeitformen im Mittelhochdeutschen. 15. Die erste Lautverschiebung. 16.Die zweite Lautverschiebung. 17. „Vernersches Gesetz“ (Karl Adolf Werner). 18. „Grimmsches Gesetz“ (Rasmus Rask. Franz Bopp. Jakob Grimm). 19. Die phonologischen Besonderheiten im Mittelhochdeutschen (Abschwächung der Vokale, Schwund der Vokale). 20. Die phonologischen Besonderheiten des Althochdeutschen (Allgemeines über die Aussprache von einzelnen Buchstaben: Anhand „des Hildebrandliedes“) 21. Die Entwicklung des Phonems [ʃ] im Mittelhochdeutschen. 22. Das Neuhochdeutsch (Herausbildung der einheitlichen Literatursprache). Änderungen im Wortschatz. 23. Theoretische Beschäftigung mit der deutschen Sprache (das 17. Und das 18. Jh.). Matthias Kramer. Johann Christoph Adelung. 24. Die deutsche Sprache im 19. Jahrhundert. Entstehung der modernen Sprachwissenschaft die Brüder Grimm. Wilhelm Scherer. Hermann Paul. Georg Wenker. 25. Änderungen im Wortschatz der deutschen Sprache des 19. Jahrhunderts. 26. Normierung der deutschen Rechtschreibung und Aussprache. Konrad Duden. Theodor Siebs. 27. Das Interpretieren des Begriffs „der Germane“. 28. Das Aufkommen des Wortes „deutsch“. 29. Die Merkmale des Althochdeutschen (Die „Benrather Linie". Die zweite Lautverschiebung). 30. Die Vokale des Althochdeutschen (die Assimilation. Diphthongierung Monophthongierung. Der Ablaut. Das Verschwinden der kurzen Vokale). 31. Der Umlaut im Althochdeutschen. 32. Der lexikalische Aspekt des Althochdeutschen (Wörter aus der Zeit des Althochdeutschen). 33. Der morphologische Aspekt des Althochdeutschen (Allgemeines über Substantive, Personalpronomen,Verben). 34. Der syntaktische Aspekt des Althochdeutschen (Allgemeines über den Satzbau). 35. Der syntaktische Aspekt des Althochdeutschen (Allgemeines über die syntaktischen Typen der Sätze). 38. Schriftliche Quellen der althochdeutschen Periode. 39. Der Umlaut im Mittelhochdeutschen (Die weitere Entwicklung des Umlauts). 40. Die neuen Vokalphoneme des Mittelhochdeutschen. 1. Die Bereicherung des Wortschatzes in der frühneuhochdeutschen Zeit (Wandel im Bestand des Wortschatzes, Bedeutungsentwicklung). Die Entwicklung von Handel und Industrie, die stürmische Reformationszeit und die politischen Kämpfe des Bauernkrieges, die Ausbreitung der deutschen Sprache auf immer neue Sphären des gesellschaftlichen Lebens, der Wissenschaft und Kunst riefen bedeutende Wandlungen im Wortschatz der deutschen Literatursprache hervor. Wandel im Bestand des Wortschatzes. Wie in den vorausgegangenen Epochen schwand ein Teil des alten Wortschatzes. Die veraltenden Wörter wurden durch neue Wörter verdrängt: ahd. mihhil, mhd. michel durch ahd., mhd. grôƷ verdrängt; nhd. groß; ahd. luzzil, mhd. lützel durch ahd. kleini, mhd. klein(e) verdrängt; nhd. klein; Es veralteten auch folgende Wörter, die im Mittelhochdeutschen gebräuchlich waren: jehnen ‘sagen‘, dagen ‘schweigen‘,mein ‘falsch‘, wine ‘Freund‘, Bedeutungsentwicklung. Viele Wörter änderten ihre Bedeutung. Zum Beispiel ahd. kleini, mhd. kleine bedeutete zuerst ‘fein‘, ‘zierlich‘, ‘rein‘,‘sauber‘,‘klein‘,‘gering‘. Gegen Ausgang der mittelhochdeutschen Sprachperiode wurde aber seine Bedeutung bis zur heutigen verengt, und an die Stelle des mhd. lützel trat mhd. hövesch, hübsch ‘von höfischem Wesen‘ (in der fnhd-en Zeit entwickelte sich die heutige Bedeutung ‘hübsch‘). Nach Abschluss des mittelhochdeutschen Zeitalters änderten folgende Wörter ihre Bedeutung: mhd. arebeit ‘Mühsal‘, ‘Kampf‘ → nhd. Arbeit; mhd. brût ‘jung vermählte Frau‘ → nhd. Braut; mhd. vast ‘fest‘, ‘stark‘ → nhd. fast; 2. Bereicherung des Wortschatzes in der frühneuhochdeutschen Zeit (Der Wortschatz der landschaftlichen Literatursprachen). Wortschatz der landschaftlichen Literatursprachen. Die landschaftliche Spaltung des Wortschatzes war auch in der frühneuhochdeutschen Zeit sehr groß. Im Wortschatz bestanden große Unterschiede zwischen den einzelnen Territorialdialekten und auch zwischen den landschaftlichen Varianten der Literatursprache. Obwohl das Ostmitteldeutsche gemischten Charakter besaß, war der Wortschatz der Lutherschen Bibelübersetzung sowohl im Norden als auch im Süden oft unverständlich. groß die Unterschiede zwischen dem Ostmitteldeutschen und dem Oberdeutschen (dem Gemeinen Deutsch) auf dem Gebiet des Wortschatzes sehr groß waren: Für Luthers heben gibt Petris Wörterbuchlein obd. bidmen, für bunt – obd. gespäckelt, geschekt, für flicken – obd. bletzen, für hügel ‘Hügel‘ – obd. bühel, für lippe ‘Lippe‘ – obd. lefze ‘Lefze‘, Der weitere Vergleich zeigt, wie groß der Einfluss der Sprache Luthers und des Ostmitteldeutschen im allgemeinen auf die werdende gemeindeutschen Literatursprache auf dem Gebiet des Wortschatzes war. In den meisten Fällen sind ostmitteldeutsche Wörter in die gemeindeutsche Literatursprache aufgenommen worden, während die oberdeutschen ihnen gewichen oder mundartlich geworden sind. Aber es ist ein Einfluss anderer Sprachlandschaften. Aus dem Niederdeutschen stammen die Wörter Wehmut, Rätsel, Qualm, stottern, fett, schlau,. Es wurden auch viele Wörter aus südund westdeutschen Gebieten in die gemeindeutsche Literatursprache aufgenommen. So enthält zum Beispiel das Wörterbüchlein von Petri eine Anzahl von Wörtern, die sowohl in ostmitteldeutscher als auch in oberdeutscher Form in die gemeindeutsche Literatursprache aufgenommen worden sind und als Synonyme in ihr fortleben. So bringt Petris Wörterbüchlein: Luthersches ænlich ‘ähnlich‘ – obd. gleich, Luth. alber ‘albern‘ – obd. nerrisch ‘närrisch‘, Luth. fuelen ‘fühlen‘ – obd. empfinden, Luth. quelen ‘quälen‘ – obd. peinigen. Nicht durchgedrungen sind einige Archaismen, die Luther gebrauchte, z. B. das Wort darb – Petris(Luthers) Wörterbüchlein erläutert es durch notthurt ‘Notdurft‘, armut ‘Armut‘; dürstig durch keck ‘kühn‘; wad durch gewandt ‘Gewandt‘, kleyd ‘Kleid‘. 3. Bereicherung des Wortschatzes in der frühneuhochdeutschen Zeit (Die gemeindeutsche Schicht im frühneuhochdeutschen literatursprachlichen Wortschatz). Die gemeindeutsche Schicht im frühneuhochdeutschen literatursprachlichen Wortschatz. Große Bedeutung für die Vereinheitlichung des Wortschatzes hatte die Entstehung einer großen Schicht von Wörtern unmittelbar in den Literatursprachen und die gemeindeutsche Geltung dieser Wörter. Das waren: a) Wortschöpfungen einzelner hervorrangender Schriftsteller und Dichter, b) Entlehnungen aus fremden Sprachen im Bereich des Wissens, der Religion, des Handels, des Rechts u. a. Allgemeine Verbreitung bekamen Luthers Wortschöpfungen wie Bubenstück, Sündenbock, Feuereifer, Linsengericht, Muttersprache, Hochmut, Wohlgefallen, gastfrei, rotwelsch, stehende Redewendungen: durch die Finger sehen, ein Dorn im Auge, sein Licht unter den Scheffel stellen u. a. m. Aus Latein kamen in die gemeindeutsche Sprache die Wörter: – Religion: Requiem, Reliquie, Prozession; – Wissenschaft: Text, Traktat, Axiom, Philosophie, Logik, , Materie; – Medizin: Doktor, Madikament, Patient, Rezept; – staatliche Verwaltung und Gesellschaftsleben: Dekret, Advokat, Manifest, Demokratie; – Handel und Bankwesen: Konto, Bank, Kasse, Kredit, Kapital, Risiko, Bilanz, Bankerott; – Heereswesen: Kanone, Alarm, Granate, Soldat, Brigade. 4. Die Bereicherung des Wortschatzes in der frühneuhochdeutschen Zeit (Die Wortbildung). Wortbildung. Die frühneuhochdeutsche Zeit kennzeichnet sich durch eine Reihe von Neuerungen auf dem Gebiet der Wortbildung. Es wächst die Rolle unechter substantivischer Zusammensetzungen: Fleischeslust, Landesfürst, Bubenstück, Sündenbock, Sonnenschein, Gewissensfreiheit. Es mehrt sich die Zahl uneigentlicher Zusammensetzungen mit dem Bindeelement –(e)s nach Substantiven weiblichen Geschlechts, z. B. Hochzeitsfest, Liebeskummer, Hilfsmittel, sowie mit der ersten Komponente in Form des Genitivs Plural, z.B. Göttertrank, Männerwürde u. a. Aus Latein dringen ins Deutsche die Wörter mit Suffixen ant, -ent, -enz, -ion, -at (Musikant, Patient, Advokat). Es mehren sich die Verben auf –ieren (komponieren, improvisieren). 5. Die wichtigsten phonologischen Änderungen im Frühneuhochdeutschen (Diphthongierung der langen Vokale der hohen Zungenlage. Erweiterung der alten Diphthonge ei und ou). Das Spätmittelalter war die letzte Epoche, in der im phonologischen System der deutschen Sprache wichtige Änderungen erfolgten. diese Änderungen ermöglichten die Herausbildung des Frühneuhochdeutschen aus der mittelhochdeutschen Sprache. Die wichtigsten Neuerungen waren: 1. Diphthongierung der langen Vokale der hohen Zungenlage Im 12. Jh. beginnt im äußersten Südosten, in Kärnten, der Wandel der langen Vokale i, u, iu [y:] zu Diphthongen: i ˃ ei → mhd. min ˃ frnhd. mein drî ˃ frnhd. drei û ˃ au → mhd. ûf ˃ frnhd. auf mhd. hús ˃ frnhd. haus mhd. brúchen ˃ frnhd. brauchen; iu [y:] ˃ eu → mhd. hiute ˃ frnhd. Heute mhd. diutsch ˃ frnhd. deutsch. Im Laufe des 12. – 13. Jh. erfasst die Diphthongierung das ganze Gebiet des BairischÖsterreichischen und dehnt sich dann nach (распространяется постепенно )und nach über den gesamten hochdeutschen Sprachraum aus. Im 15. Jh. erfasst die Diphthongierung Obersachsen, im 16. Jh. auch den größten Teil Thüringens. 2Erweiterung der alten Diphthonge ei und ou Diese Diphthonge verbreiteten sich eingehend mit den oben genannten neuen Diphthongen. ei ˃ei [æ] → mhd. ein ˃ frnhd. ein [aen] ou ˃ au [ao] → mhd. ouge ˃ frnhd. auge ‘Auge‘ boum ˃ frnhd. baum ‘Baum‘ 6. Die wichtigsten phonologischen Änderungen im Frühneuhochdeutschen (Monophthongieren der alten Diphthonge der hohen Zungenlage. Positionsbedingte Dehnung und Kürzung der Vokale). Monophthongierung der alten Diphthonge der hohen Zungenlage Im 11.-12. Jh. entwickelt sich ein entgegengerichteter Lautwandel, u.z. die Monophthongierung der Diphthonge ie, uo, üe: ie ˃ ie [i:] → mhd. hier ˃ frnhd. hier [i:] uo ˃ u → mhd. guot ˃ frnhd. gut üe ˃ ü → mhd. güete ˃ frnhd. güte ‘Güte‘ Als Folge schwanden die Phoneme ie, uo, üe. Positionsbedingte Dehnung und Kürzung der Vokale Kurze offene Vokale, die in betonter Position standen, wurden gedehnt. So wurden zum Beispiel die mittelhochdeutschen Wörter lěben, gěben, trăgen, bŏte, lĭgen zu frühneuhochdeutschen lēben, gēben, trāgen, bōte, lī(e)gen, welche Aussprache bis heute erhalten blieb. Lange Vokale, denen mehrere Konsonanten folgten, wurden dagegen gekürzt. Aus den mittelhochdeutschen Wörtern dāhte, hērre, klāfter entstanden zum Beispiel die frühneuhochdeutschen Formen dăchte, hěrr, klăfter. 7. Die wichtigsten phonologischen Änderungen im Frühneuhochdeutschen (Der Zusammenfall der Phoneme s und Ʒ. Der Schwund des intervokalischen pharyngalen h) Der Zusammenfall der Phoneme s und Ʒ. Die regelmäßige Unterscheidung von s und Ʒ in der Schrift im Althochdeutschen sowie im Mittelhochdeutschen legt die Annahme nahe, dass sie verschieden ausgesprochen wurden. Da sie einander niemals im Wort ersetzen(не заменяют), betrachtet man sie für diese Sprachperioden als verschiedene Laute. Im Frühneuhochdeutschen fallen diese Laute zusammen. Der Schwund des intervokalischen faringalen h. Im Althochdeutschen und im Mittelhochdeutschen wurde das faringale h nicht nur im Wortanlaut, sondern im Silbenanlaut zwischen den Vokalen gesprochen, z.B. ahd. habên → mhd. haben; ahd. sehan → mhd. sehen [-h-]; Seit Beginn des frühneuhochdeutschen Zeitalterts verschwindet das intervokalische h: Es bleibt in der Schrift als Dehnungszeichen(подовження) bestehen (vgl. nhd. sehen, Höhe) 8. Die Änderungen im morphologischen und syntaktischen System des Frühneuhochdeutschen (die Form des Numerus. Der Umlaut. Neue Suffixe. Die Schwankung der Suffixe und Präfixe. Die Struktur der Sätze. Das Satzzeichen). Änderungen kamen vor allem beim Numerus vor, bei dem verschiedene Mittel zur Kennzeichnung des Plurals in Gebrauch kamen. Eine größere Bedeutung gewann der Umlaut. In der frühneuhochdeutschen Epoche entstanden Singular-Plural-Oppositionen wie hof/höfe, stab/stebe, nagel/negele, sohn/söhne. Häufiger wurde der Plural jetzt auch mit Hilfe des Lauts r gebildet. Während es im Mittelhochdeutschen noch die Formen diu buoch, diu wort (ohne jegliches Suffix) gab, begegnen wir in frühneuhochdeutschen Texten schon den Formen die bücher und die wörter. Neue Suffixe waren auch für Ableitungen charakteristisch. In der frühneuhochdeutschen Periode erschienen zum ersten Mal die Suffixe -heit, -nis und –unge. Die mit ihrer Hilfe gebildeten Wörter waren oft Verdeutschungen lateinischer abstrakter Begriffe, zum Beispiel hōhheit (lat. altitudo), wunderheit (lat. miraculum). Als Präfixe wurden be-, ent-, er-, ver-, zer, abe-, ane-, ūf-, umbe-, uz- und in- oft gebraucht. Neue Suffix- und Präfixbildungen kamen besonders in der mystischen Literatur dieser Zeit vor, die immer nach neuen Mitteln suchte, abstrakte Begriffe und Gefühle auszudrücken. Der Gebrauch der Suffixe und Präfixe schwankte auch je nach Region des Schreibers oder Sprechers. Während zum Beispiel Luther in seinen Schriften die Präfixe ver-, zerbevorzugte (die sich später durchsetzten), waren in der frühneuhochdeutschen Sprache auch vor-, zu- (zubrochen) geläufig. Die syntaktische Struktur frühneuhochdeutscher Texte kennzeichnet sich durch größere Komplexität als in früheren Epochen; die Sätze wurden länger, mit einem größeren Anteil der Satzgefüge. Diese Tendenz wurde in den nächsten Jahrhunderten fortgesetzt. Im Frühneuhochdeutschen war auch schon die moderne Wortfolge der deutschen Sprache erkennbar – mit dem Verb in der Zweitstellung und der Reihenfolge anderer Satzglieder entsprechend ihrer Wichtigkeit im Satz – dem wichtigsten Satzglied am Ende. Der frühneuhochdeutschen Periode verdanken wir auch die Anwendung der ersten Satzzeichen, die im Mittelhochdeutschen grundsätzlich noch fehlten. Zuerst bediente man sich nur des Punktes am Ende der Sätze. Um die Atempausen beim Lesen zu betonen, begann man im 16. Jahrhundert auch die so genannten Virgeln (Schrägstriche) anzuwenden. Die Schrägstriche wurden durch die heutigen Kommas erst Ende des 17. Jahrhunderts, also schon in der nächsten (neuhochdeutschen) Periode, verdrängt. In die Zeit des 17. Jahrhunderts fallen auch erste Beispiele der Anwendung des Ausrufezeichens (!), des Fragezeichens (?) und des Semikolons (;). 9. Die Herausbildung der einheitlichen Literatursprache (das Frühneuhochdeutsch). Die gemeindeutsche nationale Literatursprache ist wie alle Existenzformen der Sprache eine historische Kategorie. In der neuhochdeutschen Periode kam es endlich zur Entstehung der einheitlichen deutschen Literatursprache mit überlandschaftlichem Charakter. Mehrere Faktoren haben zu dieser Entwicklung beigetragen wie der Einfluß der großen Kanzleien, Handelsinteressen, die Erfindung des Buchdrucks und die damit verbundene Wirkung des gedruckten Wortes. Zum großen Teil basierte diese Gemeinsprache auf der ostmitteldeutschen Variante des Deutschen. In den meisten Fällen sind gerade ostmitteldeutsche Wörter in die gemeindeutsche Literatursprache aufgenommen worden, während die oberdeutschen ihnen gewichen oder mundartlich geworden sind. In Wirklichkeit aber war die Literatursprache ein Konglomerat verschiedener Dialekte und Varianten der deutschen Sprache. Die entscheidende Rolle in die Herausbildung der einheitlicher Literatursprache spielte die Tätigkeit Martin Luthers, der der ostmitteldeutschen Tradition in der Lautform, Formenbildung und Schreibung folgte. Große Bedeutung für die Vereinheitlichung des Wortschatzes hatte die Entstehung einer großen Schicht von Wörtern unmittelbar in den Literatursprachen und die gemeindeutsche Geltung dieser Wörter. Das waren: a) Wortschöpfungen einzelner hervorrangender Schriftsteller und Dichter, b) Entlehnungen aus fremden Sprachen im Bereich des Wissens, der Religion, des Handels, des Rechts u. a. Das Hauptkennzeichen der deutschen nationalen Literatursprache ist seine gemeindeutsche Geltung, d.h. das Vorhandensein einer übermundartlichen, einheitlichen, im Rahmen der Literatursprache für alle Deutschsprechenden verbindlichen phonetischen, grammatischen, orthographischen und lexikalischen Sprachnorm. 10. Einführung von Familiennamen in Deutschland (das Frühneuhochdeutsch). Im Spätmittelalter (im 13. und 14. Jahrhundert) wurden schließlich in Deutschland feste Familiennamen eingeführt. Immer größere Bevölkerungszahlen in Städten bewirkten, dass Rufnamen nicht mehr ausreichten, um die Einwohner zu identifizieren. Im Wesentlichen gibt es fünf Kategorien, in die sich unsere Familiennamen einteilen lassen: In Patronyme/Metronyme (die Namen, die stammten aus Vaternamen oder Mutternamen, z.B. Peterson, Walter, Werner), Herkunftsnamen (Beier, Böhme, Schweizer), Wohnstättennamen (Angermann, Bachmann, Stein, Berger), Berufsnamen (Hofmeister, Schmidt, Müller) und Übernamen (Klein, Lang, Fröhlich). Bei den Familiennamen, die aus den Rufnamen stammten, wurde der Rufname des Vaters oder - seltener - der Mutter von der nächsten Generation als Familienname übernommen. Man spricht dann von einem Patronym bzw. Metronym. Es gibt auch Fälle, bei denen der Name auf den Rufnamen eines anderen Verwandten, eines Patron oder Dienstherrn zurückgeführt werden kann. Familiennamen aus der Kategorie der Herkunftsnamen, erhielten praktisch fast nur zugezogene Menschen an ihrem neuen Wohnort. Ursprünglich dienten noch Umschreibungen, wie beispielsweise "Hubert von Oberhausen". Bereits im 14./15. Jahrhundert überwiegen schließlich Herkunftsnamen ohne Präpositionen. Herkunftsnamen wurden nicht nur aus Ortsnamen geschöpft sondern auch aus den Namen und Bezeichnungen von Ländern, Völkern, Stämmen und Regionen. Im Gegensatz zu den Herkunftsnamen wurden Wohnstättennamen vom Wohnsitz einheimischer Menschen abgeleitet. Sehr häufig gehen Wohnstättennamen auf die Landschaftsbeschaffenheit in der Umgebung zurück (z.B. Bergmann, Buscher u.a.) Bei den Berufsnamen läßt sich weiter unterscheiden, ob der Benannte den Beruf ausübte (direkter Berufsname), oder er nach einer bestimmten Eigenheit seines Berufes bezeichnet wurde (indirekter Berufsname). Bei den indirekten Berufsnamen konnte beispielsweise das verwendete Werkzeug, hergestellte, verarbeitete oder gehandelte Produkt oder eine berufstypische Kleidung zur Bildung herangezogen werden. Daneben kann man in diese Kategorie auch Bezeichnungen aufnehmen, die vom Stand oder Amt der Person abgeleitet wurden. Ein weites Feld stellen die so genannten Übernamen dar. Hierher gehören vor allem spezielle, einen Menschen kennzeichnende Eigenschaften, die zur Namensbildung herangezogen wurden. So haben sich u. a. das körperliche Erscheinungsbild, charakterliche Eigenschaften, Wesensarten, Lebensereignisse oder Gewohnheiten in derartigen deutschen Familiennamen niedergeschlagen. 11. Die Entwicklungsabschnitte der deutschen Sprache Die Herausbildung der deutschen Sprache aus dem Germanischen erfolgte im frühen Mittelalter. Sie fiel zusammen mit der Herausbildung des Feudalismus im deutschen Sprachgebiet. Die einzelnen Entwicklungsabschnitte lassen sich in folgender Übersicht darstellen: - frühmittelalterliches Deutsch (5. Jh. bis 1050) gehört zur Zeit der Herausbildung des Feudalismus im deutschen Sprachgebiet; - hochmittelalterliches Deutsch (1050 bis 1250) (Entfaltung des Feudalismus); - spätmittelalterliches Deutsch (1250 bis 1450) - Verfall des Feudalismus, Erstarkung des Stadtbürgertums); - frühneuzeitliches Deutsch (1450 bis 1650) - Frühkapitalismus; - neuzeitliches Deutsch (1650 zur Gegenwart) – Entfaltung des Kapitalismus bis zum Imperialismus. Für die Entwicklung der deutschen Sprache gibt es noch eine andere Periodisierung, die im wesentlichen auf der Untersuchung lautgesetzlicher Veränderuhgen beruht, durch die bestimmte sprachliche Erscheinungen in eine neue Qualität umgeschlagen sind. Um diese Einteilung verstehen zu können, muss man folgendes wissen: Das frühe Deutsch tritt uns nicht als einheitliche Sprache entgegen. Die germanischen Stammesverbände, die den Raum zwischen Nordsee und Alpen bewohnten, sprachen verschiedene Dialekte. Das deutsche Sprachgebiet gliederte sich in drei große Dialektgruppen auf: Oberdeutsch, Mitteldeutsch (beide zusammen werden als Hochdeutsch bezeichnet) und Niederdeutsch. Das Oberdeutsche und das Mitteldeutsche gliederten sich in viele einzelne Mundarten auf. Da die hochdeutschen Dialektgruppen bei der Entwicklung einer deutschen Literatursprache eine weitaus größere Rolle gespielt haben als die niederdeutsche (das heutige Plattdeutsch), beschränkt man sich bei der Periodisierung nach lautgesetzlichen Veränderungen auf das Hochdeutsche. Danach unterscheidet man: Althochdeutsch (300 bis 1050) – Hildebrandlied Mittelhochdeutsch (1050 bis 1350) – Nibelungenlied, Walter von der Vogelweide Frühneuhochdeutsch (1350 bis 1650) – Grimmelshausen, Luther, Hans Sachs, Faustbuch Neuhochdeutsch (1650 bis zur Gegenwart) – Lessing, Goethe, Heine, Brecht. Kriterien der Periodisierung sind: a) Wandel des Sprachkörpers, das heißt Wandlungen im phonologischen System, in Formenbestand. Wonbildung und Wortschatz, die sich im Laufe von Jahrhunderten allmählich anhdufen und beträchtliche Veränderungen des gesamten Sprachtyps hervorrufen; b) Wandel der Existenzformen der Sprache hier handelt es sich darum, ob die Sprache nur in gesprochener Form existiert oder auch ein Schrifttum besitzt, ob sie nur in Form von Mundarten lebt oder auch ubermundartlichc bzw. intermundartliche Existenzformen hat; im letzteren Fall ist es auch wichtig, in welchem Verhältnis Mundarten und die ubcrmundartlichen bzw. in- termundartlichen Existenzformen der Sprache zueinander stehen. 12. Die Zeitformen im Althochdeutschen. Das Althochdeutsche hat zwei Zeitformen: das Präsens und das Präteritum. Das Präsens dient im Althochdeutschen ebenso wie in der Gegenwartssprache zur Bezeichnung der unmittelbaren Gegenwart und als Ausdruck beständiger Charakteristiken und wiederkehrender Geschehnisse: Sie sint sô sama kuoni, selb sô thie rômani. ‘Sie sind ebenso kühn wie die Römer’. Das Präsens druckt auch die Zukunft aus. da es im Althochdeutschen keine spezielle Zukunftsform gibt: Das Präteritum ist im Althochdeutschen die universelle Form der Vergangenheit: Thô nam her godes urlub, huob her gundfanon ûf, reit her thara in Vrankôn ingagan Northmannon. ‘Er bekam die Erlaubnis von Gott, er hob die Kriegsfahne empor, er ritt ins Frankenland den Normannen entgegen’. Das Präteritum steht auch für die Vorzeitigkeit (später Spezialgebiet des Plusquamperfekts): Want her dô ar arme wuntane bauga...sô imo se der cltuning gap. ‘Er streifte die gewundenen Ringe von der Hand, die ihm der König gegeben hatte’. Das Präteritum wird auch im Dialog gebraucht (später Spezialgebiet des Perfekts): Gueliche lande cumen ger ‘Aus welchem Lande sind sie gekommen?’ E guas mer in gene francia ‘Ich war in Frankreich’. GuaƷ ge dar daden? ‘Was habt ihr dort gemacht?’ (Aus dem Gesprächsbuch des 10. Jh 13. Das Besondere im Satzbau des Mittelhochdeutschen (Allgemeines über die Wortstellung im Satz) Im Mittelhochdeutschen blieben eine Reihe von Eigentümlichkeiten des althochdeutschen Satzbaus erhalten, die der deutschen Gegenwartssprache fremd sind. Zugleich verstärkten sich auch viele neue Entwicklungstendenzen, die sich bereits im Althochdeutschen bemerkbar gemacht hatten. Vom Althochdeutschen übernahm das Mittelhochdeutsche folgende Charakterzüge, die heute als archaisch wirken: 1) In der ritterlichen Dichtung herrscht dieselbe Freiheit in der Stellung der Attribute, die das Althochdeutsche kennzeichnete; noch häufiger als im Althochdeutschen werden dabei auch flexionslose Formen des Adjektivs gebraucht, z. B. ein vil edel magedin 'ein sehr edles Mädchen', ein edel ritter guot 'ein guter edler Ritter'. 2) Auch der Kasusgebrauch stimmt im Wesentlichen mit dem althochdeutschen Kasusgebrauch überein. 3) Die Stellung des Prädikats im einfachen und im komplexen Satz blieb, besonders in der ritterlichen Dichtung. Nur die Anfangsstellung des Prädikats im Aussagesatz war aus dem Gebrauch gekommen. Das Prädikat konnte aber noch immer nicht nur die zweite Stelle, sondern auch die dritte und manchmal auch die Schlussstellung einnehmen. a) das Prädikat steht an der zweiten Stelle: Ich weiƷ hie vil nâhen einen brunnen kalt - 'Ich kenne hier ganz nahe einen Brunnen mit kaltem Wasser'. Sie sprâchen zuo dem recken uƷer Niederlant - 'Sie sprachen zu dem Rekken aus den Niederlanden'. b) das Prädikat steht an der dritten Stelle oder noch weiter vom Satzanfang entfernt: Den troum si dô sagete ir muoter Uoten - 'Den Traum erzählte sie ihrer Mutter Ute'. Vil selten âne huote man rîten lie daƷ kint. - 'Sehr selten erlaubte man dem Jüngling, ohne Gefolge zu reiten'. c) das Prädikat steht am Satzende: An dem vierden morgen ze hove si dô rîten - 'Am vierten Morgen ritten sie zum Hof. 4) Ebenso wie im Althochdeutschen steht oft die doppelte Negation: Si ne gesach in leider dar nâch nimmer mêr gesund. - 'Sie hat ihn leider nimmer mehr gesund gesehen'. 5) Gebräuchlich sind noch biverbale Wortgruppen sîn + 1. Partizip Mit klage ir helfende manic vrouwe was. - 'Mit Klagen halfen ihr (waren helfend) viele Frauen'. DaƷ wil ich iemer dienende umbe Kriemhilde sin - 'Ich will immer Kriemhild dienen (dienend sein)'. Es sollten folgende Entwicklungstendenzen genannt werden: 1. Es verstärkt sich die Tendenz zum zweigliedrigen Satzbau. Die subjektlose Satzform, die im Althochdeutschen noch vorkam, wurde jetzt Ausnahme. Sie ist nur noch im Briefstil anzutreffen, dem sie auch in der deutschen Gegenwartssprache nicht fremd ist. Das formale Subjekt 'es', das schon im Althochdeutschen die meisten unpersönlichen Sätze kennzeichnete, ist im Mittelhochdeutschen zur Regel geworden. 2. Die Wortstellung im einfachen und im komplexen Satz kommt im Mittelhochdeutschen stärker zur Geltung. Was die Wortstellung im einfachen Satz anbetrifft, so waren bereits im Althochdeutschen Ansätze zur Differenzierung der Wortstellung im einfachen Aussagesatz, einerseits, und im Frage- und Aufforderungssatz, andererseits, vorhanden. 14. Die Zeitformen im Mittelhochdeutschen. In dieser Sprachperiode entwickeln sich das Perfekts, das Plusquamperfekt und das Futur I. Mit der Herausbildung neuer Zeitformen geht die Bereicherung des Sinngehaltes der Kategorie der Zeit vor sich. Es wachsen ihre Ausdrucksmöglichkeiten. Neben der Kategorie der absoluten Zeit entsteht auch die Kategorie der relativen Zeit. Die teilweise Synonymie des Präsens und des Futurs, des Perfekts und des Präteritums schaffen die Voraussetzungen für die Entwicklung einer stilistischen Differenzierung im Gebrauch der Zeitformen. Die Hauptcharakterzüge des heutigen Zeitformengebrauchs kann man bereits in den Schriftdenkmälern des 12.-13. Jh. verfolgen. Die Haupttendenzen der heutigen Norm lassen sich zum Beispiel im „Nibelungenlied" beobachten: Das Präteritum wird in der Regel als Erzählform gebraucht: Dâ der herre Sîgfrit ob dem brunnen tranc, er schoƷ in durch daƷ kriuze, daƷ von der wunden spranc daƷ bluot im von dem herzen vast an die Hagenen wât. 'Als der Herr Siegfried von dem Quell trank, durchstach er (Hagen) ihn an der Stelle, wo (auf seinem Gewand) das Kreuz war, so dass das Blut aus der Wunde fast auf Hagens Kleid spritzte. Das Perfekt wird regelmäßig als Gesprächsform gebraucht: Der künec si gruoƷte schône; er sprach sit willekomen. Wer iuch habe gesendet, desn hân ich niht vernommen: daƷ sult ir lâƷen hoeren, sprach der künec guot. 'Der König begrüßte sie, er sagte: „Seid willkommen. Wer euch geschickt hat, habe ich noch nicht gehört. Davon sollt ihr berichten'. Auf der Grundlage der anfänglichen perfektiven Bedeutung des Perfekts und des Plusquamperfekts entwickelt sich der relative Gebrauch dieser Formen für den Ausdruck der Vorzeitigkeit. Das Plusquamperfekt wird oft zusammen mit dem Präteritum gebraucht und drückt die Vorzeitigkeit in der Vergangenheit aus: Dô enbôt er sîner swester daƷ er si wolde sehen und auch der degen Sigfrit E daƷ was geschehen dô hete sich diu schœne ze wunsche wol gekleit. 'Er ließ seiner Schwester sagen, dass er sowie der Recke Siegfried sie zu sehen wünschen. Bevor dies geschehen war, hatte sich die Schöne festlich gekleidet.' Das Perfekt erscheint oft zusammen mit dem Präsens und berichtet von dem vorausgegangenen Geschehen: Ir habet ir zorn verdienet. Jâ hôrten wir wol daƷ, daƷ iu die herren beide tragent grôƷen haƷ. 'Ihr habt ihren Zorn verdient, und wir haben davon gehört, dass beide Herrscher euch großen Haß entgegentragen'. 15. Die erste Lautverschiebung. Germanische oder erste Lautverschiebung – gleichartige Veränderung von Lauten um 500 v. Chr., durch die sich die germanischen Sprachen von der übrigen indogermanischen Sprachen lösten. Die auffälligste Erscheinung der ersten Lautverschiebung ist die Veränderung der harten Verschlusslaute (Tenues) p, t, k. Sie werden im Anfang des Wortes und auch, wenn die vorausgehende Silbe betont war, zu den entsprechenden Reibelauten (Spiranten) f, þ (gesprochen wie englisch th) und ch. p - f: lat. pater : got. fadar (nhd. Vater) griech. pente, got. fimf (nhd. fünf), russ. пять, ukr. п’ять; t - þ: lat. tres, got. þreis, eng. three (nhd. drei), russ. три k - ch (h) lat. octo, got. ahtau, (nhd. acht), russ. восемь Die Besonderheiten der germanischen Konsonanten wurden vom dänischen Philologen Rasmus Rask (1787-1832) und dem deutschen Gelehrten Franz Bopp (1791- 1867) erforscht. Ihre Entdeckungen vervollkommnete Jakob Grimm ( in „Deutschen Grammatik“). J. Grimm bezeichnete die regelmäßige Veränderung der germanischen Verschlusslaute als germanische (erste) Lautverschiebung. Später hat sie auch den Namen „Grimmsches Gesetz“ erhalten, besonders in der englischen Germanistik. 16.Die zweite Lautverschiebung. Durch die zweite Lautverschiebung unterscheidet sich der Konsonantenbestand des Hochdeutsch von dem Niederdeutsch und aller anderen germanischen Sprachen. Die zweite Lautverschiebung beginnt auf deutschem Boden etwa 1000 Jahre nach der ersten Lautverschiebung, also etwa im 5. Jahrhundert, und dringt im Laufe von mehreren Jahrhunderten, von Süddeutschland ausgehend, nach dem Norden zu vor. Diese sprachliche Bewegung verebbt an der „Benrather Linie", der deutschen „Ost-WestFurche", die von Aachen über Düsseldorf, Kassel, Aschersleben, Saalemündung, Wittenberg, Doberlug, Lübben nach Frankfurt a. d. Oder führt und Deutschland in ein südliches und ein nördliches Sprachgebiet teilt.( Benrather Linie markiert den nördlichen Bereich der 2. Lautverschiebung und wird mit der Tenuesverschiebung k → ch in Verbindung gebracht (maken – machen). Benannt ist die Benrather Linie nach dem Ort, in dessen Nähe sie den Rhein überschreitet) Die Verschiebung betrifft vor allem die stimmlosen (harten) Verschlusslaute (Tenues) p, t, k. p wird a) im Inlaut und Auslaut nach Vokalen zu ff (teilweise zu f vereinfacht), b) im Anlaut und Inlaut nach Konsonanten (l, m, r und in der Verdopplung) zu pf, das nach l und r im weiteren Verlauf zu f wird: a) got. slēpan, engl, sleep: ahd. slâfan (nhd. schlafen); got. skip, engl, ship: ahd. skif (nhd. Schiff); b) got. pund, engl, pound: ahd. pfunt (nhd. Pfund); lat. planta, engl, plant: ahd. pflanza (nhd. Pflanze). t wird a) im In- und Auslaut nach Vokalen zu zz (gesprochen ss), teilweise zu z (gesprochen s) vereinfacht; b) im Anlaut und Inlaut nach Konsonanten (1, n, r und in der Verdopplung) zu tz (auch z geschrieben): a) got. itan engl. eat : ahd. ezzan (nhd. essen) got. þata eng. that : ahd. daz (nhd. das) b)got. twalif eng. twelve : ahd. zwelif (nhd. zwölf) k wird im In- und Auslaut nach Vokalen zu hh (gesprochen ch wie in acht und ich): got. brikan, engl. break : ahd. brehhan (brechen). Die stimmhaften Verschlusslaute b, d, g werden nur im oberdeutschen Gebiet zu b > p got. bairan engl. bear : obd. peran (tragen: vgl. nhd. gebären, Nachsilbe -bar). d > t got. daúhtar engl. daughter : ahd. tohter, nhd. Tochter. Im gesamten deutschen Sprachgebiet – also auch im Niederdeutschen – erfolgte nach den anderen Lautverschiebungsvorgängen noch der Wandel von Þ > d got. þreis engl. three : ahd. drai nhd. drei got. broþar engl. brother : ahd. brouder nhd. Bruder. Die weitere Ausdehnung der zweiten Lautverschiebung Das Vordringen der zweiten Lautverschiebung in den mitteldeutschen Sprachraum dauerte im mittelhochdeutschen Zeitalter an. Am Rhein, d. h. im Fränkischen, bildeten sich in dieser Zeit die heutigen Grenzlinien für die einzelnen Erscheinungen der zweiten Lautverschiebung heraus. Die Grenzen der zweiten Lautverschiebung griffen auch auf den ostmitteldeutschen Sprachraum über. Das Ostmitteldeutsche hatte machen, ich, dorf, helfen, daƷ, dohter, pfund / fund, appel. Das niederdeutsche Gebiet ist nach wie vor von der zweiten Lautverschiebung ausgeschlossen. Es heißt hier maken, ik, dorp, helpen, dat, dohter, pund, appel. Das Vordringen der zweiten Lautverschiebung dauert auch in der frühneuhochdeutschen Periode an. Die zweite Lautverschiebung hatte nachhaltige Bedeutung für die Herauskristallisierung des Althochdeutschen. Sie vertiefte die Unterschiede in den phonetischen Systemen des Oberdeutschen(Mitteldeutschen) und des Niederdeutschen. 17. „Vernersches Gesetz“ (Karl Adolf Werner). Das Indogermanische hatte ursprünglich einen freien Akzent, so dass in verschiedenen Flexionsformen desselben Wortes der Hauptton auf verschiedenen Silben liegen konnte (Vgl. russ. рука – Nom., руку – Akk.). Das Germanische legte den Akzent auf die erste Silbe des Wortes fest, die fast immer die Stammsilbe ist. Diese Entwicklung erfolgte später als die Verschiebung der idg. p, t, k zu f, þ, ch. Die germanische Neuerung war von weitreichenden Folgen. Durch sie wurde die germanische Stabreimdichtung (lautliche Organisation der Rede; oft in der Poesie) möglich. Für die sprachliche Weiterentwicklung bedeutet das Festlegen des Haupttons auf die Anfangssilbe, dass die folgenden Silben immer tonschwächer wurden und schließlich ganz schwinden konnten. Hiervon sind in den germanischen Sprachen vor allem die Flexionsendungen betroffen worden. Diese Erscheinungen beschreibt der Däne Karl Adolf Werner (1846-1896). Die systematisierten Daten vom regelmäßigen Wechsel der stimmhaften und stimmlosen Lauten je nach der Stelle des Akzents in der indoeuropäischen Grundsprache sind im Vernerschen Gesetz (1877) dargestellt. (Jacob Grimm nannte diese in seiner Zeit noch nicht erklärbaren Ausnahmen der ersten Lautverschiebung "grammatische Wechsel".) Bestanden zu der Zeit der Akzentfestlegung bereits untrennbare Zusammensetzungen, so trat in ihnen der Hauptton auf die Vorsilbe. Deshalb haben wir heute Urlaub und Urteil neben später neugebildetem erlauben und erteilen. 18. „Grimmsches Gesetz“ (Rasmus Rask. Franz Bopp. Jakob Grimm). Die Besonderheiten der germanischen Konsonanten wurden vom dänischen Philologen Rasmus Rask (1787-1832) und dem deutschen Gelehrten Franz Bopp (1791- 1867) erforscht. Ihre Entdeckungen vervollkommnete Jakob Grimm (1785-1863) in der 1822 erschienenen 2. Auflage seiner „Deutschen Grammatik“. J. Grimm bezeichnete die regelmäßige Veränderung der germanischen Verschlusslaute als germanische (erste) Lautverschiebung. Später hat sie auch den Namen „Grimmsches Gesetz“ erhalten, besonders in der englischen Germanistik. Germanische oder erste Lautverschiebung – gleichartige Veränderung von Lauten um 500 v. Chr., durch die sich die germanischen Sprachen von der übrigen indogermanischen Sprachen lösten. Die auffälligste Erscheinung der ersten Lautverschiebung ist die Veränderung der harten Verschlusslaute (Tenues) p, t, k. Sie werden im Anfang des Wortes und auch, wenn die vorausgehende Silbe betont war, zu den entsprechenden Reibelauten (Spiranten) f, þ (gesprochen wie englisch th) und ch. p - f: lat. pater : got. fadar (nhd. Vater) griech. pente, got. fimf (nhd. fünf), russ. пять, ukr. п’ять; t - þ: lat. tres, got. þreis, eng. three (nhd. drei), russ. три k - ch (h) lat. octo, got. ahtau, (nhd. acht), russ. восемь 19. Die phonologischen Besonderheiten im Mittelhochdeutschen (Abschwächung der Vokale, Schwund der Vokale). Die langen und kurzen Vokalphoneme â, ô, ú, î, i; a, o, u, e, i sind im Mittelhochdeutschen in unbetonter Stellung zu e [ə] abgeschwächt oder gänzlich geschwunden. a) Abschwächung der Vokale ahd. tagâ, -a > mhd. tage 'Tage' ahd. gesti -i > mhd. geste 'Gäste' ahd. nâmum -u > mhd. nâmen '(wir) nahmen' ahd. gibirgi -i > mhd. gebirge 'Gebirge' b) Schwund der Vokale am Wortende oder in der Wortmitte ahd. grôƷiro > mhd. græƷer 'größer' ahd. hêrisôn > mhd. hersen 'herrschen' ahd. ginâda > mhd. g(e)nâde 'Gnade' Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Abschwächung der Vokale und dem Charakter der Wortbetonung. In den Sprachen mit beweglicher Wortbetonung verlagert sich die Betonung in verschiedenen Wortformen von einer Silbe auf die andere, was alle Vokale im Wort vor Abschwächung und Wandel schützt. Die germanische Akzentverlagerung auf die Stammsilbe, deren Folge der beständige starke Atemdruck auf einer Silbe und die beständige unbetonte Stellung anderer Silben im Wort sind, begünstigte eine verschiedenartige Entwicklung der Vokale in betonten und in unbetonten Silben und bildete die Voraussetzung für die Abschwächung der Vokale in unbetonten Silben. Die Abschwächung der Vokale in unbetonter Stellung vollzog sich in allen Epochen deutscher Sprachgeschichte. Die unbetonte Stellung im Wort war eine der Voraussetzungen für den Schwund der meisten stammbildenden Suffixe der Substantive in der vorliterarischen Zeit, z. B. germ. dagaz → ahd. tag. Die Abschwächung der unbetonten Vokale ist auch in der althochdeutschen Zeit zu beobachten, z. B. die Kürzung der Vokaldauer: ahd. N. PI. tagâ und auch schon taga, woraus mhd. tage; es beginnt auch der Wandel unbetonter kurzer Vokale zu [ə]: ahd. wintar und auch schon winter, ahd. G. Sg. hanin und auch schon hanen; sehr häufig sind im Althochdeutschen die Zwischenstufen der Abschwä-chung; u — o — e [ə] zu treffen: ahd. tagum und tagom, tagon, woraus mhd. tagen. Die Abschwächung der Vokale vollzieht sich auch in der neuhochdeutschen Zeit. Ein Wendepunkt in der Geschichte der Abschwächung der Vokale ist der Ausgang des althochdeutschen Zeitalters. Bis zum 10. – 11. Jh. gibt es im Deutschen trotz der Wirkung der Abschwächung keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen dem phonologischen Bestand der betonten und der unbetonten Phoneme im Wort. Sowohl in dem betonten Morphem, als auch in den unbetonten Morphemen konnte ein beliebiger kurzer oder langer Vokal erscheinen, z. B. ahd. sunu, tagâ, gesti, snêo, zunga, zungûn, nemamês, habên u. a. Die Anhäufung der Abschwächungsakte gegen Ende der althochdeutschen Sprachperiode bewirkte es aber, dass in den ersten mittelhochdeutschen Sprachdenkmälern alle Vokale in unbetonten Morphemen zu [ə] gewandelt oder gänzlich geschwunden waren. Den alten phonologischen Bestand bewahren die Haupt- oder Nebenton tragenden betonten Morpheme: a) Wurzelmorpheme, z. B. jâr 'Jahr', bluome 'Blume'; b) betonte Ableitungspräfixe, z. B. antlaƷ 'Sündenvergebung', imbiƷ 'Imbiss', urteil 'Urteil'; c) zweite Komponenten zusammengesetzter Wörter, z. B. buochstab 'Buchstabe', juncvrouwe 'Jungfrau', 'Jungfer'; d) Ableitungssuffixe, z. B; armuot 'Armut', künegin 'Königin', lobelîh 'lobenswert', 'ruhmreich'. Infolge der Abschwächung der Vokale in unbetonten Silben entstand im Mittelhochdeutschen der Gegensatz zwischen dem phonologischen Bestand betonter und unbetonter Morpheme, der auch die deutsche Gegenwartssprache kennzeichnet, z. B.: ahd. tagâ, -a > mhd. tage 'Tage'; ahd. gesti > mhd. geste 'Gäste'; ahd. zunga > mhd. zunge 'Zunge'; ahd. D. PI. zungûn > mhd. zungen; ahd. habên > mhd. haben 'haben'; ahd. nemamês → mhd. nemen '(wir) nehmen'; ahd. snêo > mhd. snê 'Schnee'; ahd. sunu, sun > mhd. sun 'Sohn'. 20. Die phonologischen Besonderheiten des Althochdeutschen (Allgemeines über die Aussprache von einzelnen Buchstaben: Anhand „des Hildebrandliedes“) Die damalige Sprache enthält Vokalverbindungen, die wir in deutschen Wörtern nicht mehr kennen, z. B. u+o bei muotin, i+u bei heriun Manche Unterschiede gegenüber der heutigen deutschen Sprache sind aus der Schreibung nicht ohne weiteres ersichtlich, so zum Beispiel die Aussprache des h bei sih oder bei rihtun. Hier bezeichnet das h bei sih den Laut ch, wie wir ihn in dem Zahlwort acht sprechen. Das u, das in Wörtern wie urhettun, untar, sunufatarungo dem heutigen u gleichkommt, bezeichnet in Wörtern wie tuem und suert annähernd den Lautwert unseres heutigen w. Darüber hinaus sind vor allem zwei Besonderheiten gegenüber dem heutigen Laut- und Buchstabengebrauch zu erwähnen: as đ in đat, Hađubrant, guđhamun (das đ entspricht in der Aussprache annähernd dem Lautwert des englischen in that oder in weather); ie Schreibung gg in seggen und tt in urhettun. Die Schreibung gg und tt kennzeichnet die für uns heute ungewöhnlich gewordene Länge der Konsonanten. Hildebrandliedes(9. Jahrhundert): Ik gihorta đat seggen, đat sih urhettun ænon muotin, Hiltibrant enti Hađubrant untar heriun tuem. sunufatarungo iro saro rihtun, garutun se iro guđhamun, gurtun sih iro suert ana, helidos, ubar hringa, dô sie to dero hiltiu ritun. 21. Die Entwicklung des Phonems [ʃ] im Mittelhochdeutschen. Das Althochdeutsche besaß kein [ʃ]. Die Entwicklung dieses Phonems beginnt im 11. Jh. aus der Konsonantenverbindung sk. Seit dieser Zeit erscheint die Schreibung sch, die im 12. Jh. allgemeine Verbreitung bekommt: ahd. skînan 'scheinen' > mhd. schînen ahd. skôni 'schön' > mhd. schœne ahd. skuld, sculd 'Schuld' > mhd. schuld Die Schreibung sch legt die Annahme nahe, dass der Laut k zuerst an das vorausgehende s assimiliert wurde, um dann später mit ihm zu verschmelzen: sk > sch > [ʃ]. Ein ähnlicher Lautwandel fand auch im Englischen statt. Vgl.: ahd. skif > nhd. Schiff; ae. scip > e. ship; ahd. fisk > nhd. Fisch; ae. fisc > e. fish. Seit dem 13. Jh. wird [s] zu [ʃ] im Wortanlaut vor l, m, n, w. Für die Bezeichnung des [ʃ] wurde die bereits vorhandene Schreibung sch benutzt: ahd. slâfan, mhd. slâfen > nhd. schlafen ahd. smerzo, mhd. smerze > nhd. Schmerz ahd. snêo, mhd. snê > nhd. Schnee ahd. swarz, mhd. swarz > nhd. schwarz. In einigen Wörtern wird auch rs zu rsch: ahd. kirsa, mhd. kirse > nhd. Kirsche ahd. hêrisôn, mhd. hêrsen > nhd. herrschen. Etwas später entwickelt sich das [ʃ] auch vor p und t, obwohl es in der Schreibung unbezeichnet blieb: ahd. spâti, mhd. spæte > nhd. spät [ʃ] ahd. starc, mhd. starc > nhd. stark [ʃ] 22. Das Neuhochdeutsch (Herausbildung der einheitlichen Literatursprache). Änderungen im Wortschatz. In der neuhochdeutschen Periode kam es endlich zur Entstehung der einheitlichen deutschen Literatursprache mit überlandschaftlichem Charakter. Zum großen Teil basierte diese Gemeinsprache auf der ostmitteldeutschen Variante des Deutschen. In Wirklichkeit aber war die Literatursprache ein Konglomerat verschiedener Dialekte und Varianten der deutschen Sprache. Größeren Wandel erfuhr in dieser Periode der Wortschatz der deutschen Sprache, und zwar durch kontinuierliche Änderungen im politischen und gesellschaftlichen Leben und durch den Fortschritt der Wissenschaft und Technik. Neue Wörter wurden geprägt oder sie änderten ihre Bedeutung, Fremdsprachen übten auch Einfluss auf die deutsche Sprache aus. Das 18. Jahrhundert, das Zeitalter der Aufklärung, war das Zeitalter der Anfänge der modernen Wissenschaft, was auch auf den Wortschatz der deutschen Sprache Einfluss hatte. Neue Wörter wurden geprägt (zum Beispiel Sauerstoff, nach Vorbild des französischen oxygène gebildet). Die Sprache der Wissenschaft beeinflusste aber auch die Gemeinsprache, die viele Wörter aus dem Fachwortschatz einzelner Wissenschaftsgebiete übernahm. Aus dem Wortschatz der Philosophie wurden Wörter wie Bedeutung, Bewusstsein, Verhältnis, Verständnis übernommen, aus dem Bereich der Mathematik Abstand, Schwerpunkt, Spielraum (viele dieser philosophischen und mathematischen Begriffe stammen vom Universitätsgelehrten, Philosophen und dem Mathematiker Christian Wolff). Wie in früheren und späteren Perioden wurde die deutsche Sprache durch Fremdsprachen beeinflusst, besonders Französisch, seinerzeit die Sprache eines Großteils des Adels und der wissenschaftlichen Elite. Aus der französischen Sprache übernahm man insbesondere Wörter, die sich auf die Mode bezogen, aber auch Verwandtschaftsbezeichnungen: Onkel, Tante, Cousin, Cousine sind alle französischer Herkunft. Viele Dichter und Wissenschaftler versuchten, gegen diese fremden Einflüsse zu kämpfen. Zu nennen ist hier vor allem Joachim Heinrich Campe 1746-1818), der bekannteste Sprachpurist dieser Zeit. In seinem „Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke“ (1801–1804) rief er nach der Verdeutschung dieser Fremdwörter. Von Campe stammen zum Beispiel Erdgeschoss (das er für Parterre vorschlug), Hochschule (Universität) oder Stelldichein (Rendezvous). Auch Dichter dieser Zeit trugen zur Bereicherung der deutschen Sprache durch Neuprägungen bei, durch welche sie Fremdwörter zu ersetzen versuchten. Von Johann Christoph Gottsched stammen angemessen (für adäquat), Begeisterung (Enthusiasmus), von Friedrich Gottlieb Klopstock – Einklang (Harmonie), von Johann Wolfgang von Goethe – beschränkt (für borniert) und hochfahrend (arrogant) und von Friedrich Schiller – Gaukelbild (für Phantom). 23. Theoretische Beschäftigung mit der deutschen Sprache (das 17. Und das 18. Jh.). Matthias Kramer. Johann Christoph Adelung. Im 17. und 18. Jahrhundert vertiefte sich das wissenschaftliche Interesse für die deutsche Sprache. Obwohl auch im 18. Jahrhundert der Einfluss von Dichtern, die sich der Sprachpflege widmen, noch groß ist, tritt zu dieser Zeit erstmals das Ziel der Vereinheitlichung der Orthographie besonders für die Schulen in den Vordergrund. Wörterbücher wurden verlegt, darunter Großes Teutsch-Italienisches Dictonarium, oder Wort- und Red-Arten-Schatz der unvergleichlichen Hoch-teutschen Grund- und Hauptsprache von Matthias Kramer (1700)), Teutsch-Lateinisches Wörterbuch von Johann Leonhard Frisch (1741) und vor allem der fünfbändige Versuch eines vollständig grammatisch-kritischen Wörterbuchs der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger d Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen von Johann Christoph Adelung (1774–1786), mit dem der Verfasser ein normatives Werk für alle Deutsch Sprechenden und Schreibenden zu schaffen versuchte. d Johann Christoph Adelung verfasste auch Werke aus dem Bereich der Grammatik, wie Deutsche Sprachlehre (1781) oder Umständliches Lehrgebäude der Deutschen Sprache (1782). Früher (1748) erschien die Grundlegung einer Deutschen Sprachkunst, nach den Mustern der besten Schriftsteller des vorigen und jetzigen Jahrhunderts von Johann Christoph Gottsched, der sich auch für die Einfachheit, Klarheit und Sachlichkeit im Geiste der Aufklärung einsetzte. Johann Christoph Gottsched erhebt die Großschreibung zur Norm und quasi rechtfertigend den Begriff „Hauptwort“ für das Substantiv einführt. Gottsched wird abgelöst durch Johann Christoph Adelung, der 1788 eine Rechtschreibungslehre verfasst, die den „Normfindungsstand seiner Zeit“ endgültig festschrieb. Zu großen Teilen ist es schon unsere heutige Orthographie, die auch Adelung schon festschreibt. Und seit Adelung zieht sich eine bruchlose orthographische Kontinuität durchs Deutsche, die vor allem in der schulgrammatischen Tradition ihren Ausdruck findet. Trotz Adelungs Dominanz und der relativen orthographischen Vereinheitlichung existieren zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch variable Schreibweisen. Drei Personengruppen setzen sich für eine Vereinheitlichung ein: im Schulwesen Tätige, sprachwissenschaftliche Theoretiker und der Staat. Während erstere Gruppe (wichtige Vertreter sind Heyse und Becker) sich vor allem für das phonetische und pragmatische Prinzip einsetzen, fordern einige Sprachwissenschaftler (vor allem Jacob Grimm) ein Vorgehen nach dem etymologischen Prinzip. 24. Die deutsche Sprache im 19. Jahrhundert. Entstehung der modernen Sprachwissenschaft die Brüder Grimm. Wilhelm Scherer. Hermann Paul. Georg Wenker. Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter der Industriellen Revolution in deutschen Ländern. Vor allem der Fortschritt der Wissenschaft und Technik beeinflusste die Entwicklung der deutschen Sprache durch Neubildung von Wörtern und neue Bedeutungen der Wörter; neue gesellschaftliche Prozesse kamen in der Sprache auch zum Ausdruck. Entstehung der modernen Sprachwissenschaft Der allgemeine wissenschaftliche Fortschritt erfasste Anfang des 19. Jahrhunderts auch die Sprachwissenschaft. Seit dieser Zeit datiert die Linguistik in dem heutigen Sinne des Wortes, deren Vertreter sich nicht auf Erarbeitung bestimmter Normen, Sprachpflege oder Bekämpfung von Fremdwörtern (wie im 17. und 18. Jahrhundert), sondern auf die Untersuchung der Geschichte und Gegenwart des bestehenden Sprachsystems konzentrieren. Die führenden Sprachwissenschaftler dieser Zeit waren die Brüder Grimm, Autoren des Deutschen Wörterbuchs, dessen erster Band 1854 erschien (das Wörterbuch wurde erst 1960 vollendet), und vieler anderer Werke auf dem Gebiet der Germanistik, zum Beispiel der historisch-vergleichenden Deutschen Grammatik von Jacob Grimm aus 1819. Den Brüdern Grimm, die als Begründer der modernen Germanistik gelten, folgten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die so genannten Junggrammatiker, die sich auch vor allem für die historische Entwicklung der deutschen Sprache und Indogermanistik interessierten. Zu den Vertretern dieser Richtung gehörten Wilhelm Scherer, Autor des Werks Zur Geschichte der deutschen Sprache (1868) und Hermann Paul, Autor der Prinzipien der Sprachgeschichte. Ihre Forschungen und Vergleichsversuche indogermanischer Sprachen brachten sie zu der Formulierung der These von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze. Der Versuch der Bestätigung dieser These führte zum Beginn der Arbeiten am Sprachatlas des Deutschen Reiches von Georg Wenker im Jahre 1876, die bis heute fortgesetzt werden (der Versuch widerlegte übrigens auch diese Hypothese und zeigte, dass sprachliche Prozesse viel komplizierter sind, als sich dies die Junggrammatiker vorstellten). 25. Änderungen im Wortschatz der deutschen Sprache des 19. Jahrhunderts. Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter der Industriellen Revolution in deutschen Ländern und deren politischen Aufstiegen, die in der Vereinigung Deutschlands 1871 gipfelten. Vor allem der Fortschritt der Wissenschaft und Technik beeinflusste die Entwicklung der deutschen Sprache durch Neubildung von Wörtern und neue Bedeutungen der Wörter; neue gesellschaftliche Prozesse kamen in der Sprache auch zum Ausdruck. Im 19. Jahrhundert führte der wissenschaftliche und technische Fortschritt zur schnellen Entwicklung des Fachwortschatzes. Aus der Notwendigkeit, neue Erfindungen und Entdeckungen zu benennen, entstanden neue Wörter wie elektrisch, Elektrizität (lateinischer Herkunft) und vieler neuer Komposita wie Waschmaschine, Nähmaschine, Gasanstalt, Eisenbahn. Neuer Wörter bedurften auch neue Erscheinungen aus dem politischen und gesellschaftlichen Leben, wie Reichsgesetz, Streik. Viele der neuen Wörter waren fremder, meist englischer oder französischer Herkunft (Lokomotive, Telegramm, Perron, Coupé, Conducteur, Billet), was aus dem wirtschaftlichen Übergewicht dieser Länder Anfang des 19. Jahrhunderts resultierte. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sie, unter anderem wegen der nationalistischen Stimmungen im damaligen Deutschland, zum Teil durch deutsche Wörter (Bahnsteig, Abteil, Schaffner, Fahrkarte) verdrängt. 26. Normierung der deutschen Rechtschreibung und Aussprache. Konrad Duden. Theodor Siebs. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die deutsche Rechtschreibung nicht normiert in dem Sinne, dass es keine amtlichen, für alle verbindlichen orthographischen Regeln gab. Erst 1880 versuchte Konrad Duden die Fragen der deutschen Rechtschreibung zu regeln, als er in diesem Jahr sein Vollständiges orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache herausgab. Die Vorschläge Dudens wurden weitgehend auf der Orthographischen Konferenz im Jahre 1901 angenommen, auf der erstmals in der Geschichte der deutschen Sprache die deutsche Rechtschreibung amtlich festgelegt wurde. Die Regeln, die damals angenommen wurden, galten bis zur Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996. Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte auch die Normierung der deutschen Aussprache. Zum Standardwerk wurde hier Die Deutsche Bühnenaussprache (1898) von Theodor Siebs. (это было в лекции и это – основное – можно взять на шпору). Ниже – та же самая инфа, только в деталях. Zum Ende des 19. Jahrhunderts hin die der Schulbehörden und des Staates um eine Normierung der Rechtschreibung einen gewissen Erfolg. In dem Wettstreit um den Rang als deutsche Standardsprache setzt sich während der Periode des Neuhochdeutschen ein genormtes Ostmitteldeutsch durch. Treibende Kräfte dieser Normierung, die eine Voraussetzung für die Herausbildung einer einheitlichen Orthographie ist, sind Sprachgelehrte und Grammatiker. Mit der Gründung des Deutschen Reichs übernimmt der Staat die Aufsicht über weitere Entwicklungen und lädt schulgrammatische Vertreter und pragmatischer eingestellte Sprachwissenschaftler (vor allem Konrad Duden) zur 1. Orthographischen Konferenz in Berlin ein. Die Ergebnisse der Konferenz werden allerdings aufgrund ihrer Radikalität (wie beispielsweise dem Beschluss, <h> und Vokalverdoppelung als Längenmerkmal wegzulassen, also Bare, Fane, Hun, Mos zu schreiben) von den Behörden abgelehnt (Scheuringer 76f, Lang 11). 1880 erscheint im Staatsauftrag der erste Duden als Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Duden wird dadurch ab diesem Zeitpunkt und auch durch seine folgenden Publikationen zur ausschlaggebenden Autorität, was die deutsche Orthographie betrifft. 1901 findet die 2. Orthographische Konferenz in Berlin mit dem Ziel der Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung statt (Lang 11). 1902 erscheint als Ergebnis eine „Veröffentlichung des amtlichen Regelswerks Regeln der deutschen Rechtschreibung nebst Wörterverzeichnis“–verbindlich für Schulen und staatliche Behörden (Lang 12). Die Änderungen umfassen z.B. die „Beibehaltung der verschiedenen und eingebürgerten Möglichkeiten der Wiedergabe langer Vokale“ und die Festschreibung der Groß- und Kleinschreibung. 27. Das Interpretieren des Begriffs „der Germane“. Die Herkunft des Begriffs „Germane“ ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Das antike Volk, das wir heute als Germanen bezeichnen, nannte sich ursprünglich nicht selbst so. "Germanen" ist eine Fremdbezeichnung für die rechtsrheinischen Völker durch die Römer. Der Name "Germanen" hat sich als Oberbegriff all dieser Volkschaften etabliert, aber die Menschen haben sich selbst damals nicht als Einheit gesehen. Der Begriff "Germanen" erscheint im 2. Jh. v. Chr. zunächst als Beiname ohne Bezug zu den nordalpinen Völkerschaften. Etwa 90 v. Chr. wird er in antiken Quellen erstmals für die nördlichen Nachbarn jenseits der römischen Provinzen verwendet. Die ursprüngliche Wortbedeutung ist nicht bekannt. Seinen Durchbruch hatte der Begriff mit Caesars Beschreibung seiner Gallischen Kriege. Er verwandte diese Bezeichnung nur für die östlichen Nachbarn der Gallier. Die Germanen könnten zunächst als Kelten, als `echte Gallier´ (Galli germani), angesehen und von den Römern benannt worden sein. Tacitus, ein weiterer Römer beschrieb in seinem Werk "Germania" die Entstehung des Germanenbegriffs so, daß der erste Stamm, der den Rhein in Richtung Gallien überschritt und die dort siedelnden Gallier vertrieb, Germanen genannt wurde. Dieser Name wurde bald auf alle Stämme östlich des Rheins übertragen. Das Wort Germanen ist nicht, wie häufig versucht, auf den Ger (von germ. *gaizaz), einen Wurfspeer, zurückzuführen. Es wird jedoch Verwandtschaft mit lat. germānus ‘leiblich, echt, wahr’, air. (altirisch) gairm ‘Schrei’ oder air. gair ‘Nachbar’ erwogen. Eine der Thesen besagt, der Germanen-Begriff ließe sich aus dem Keltischen ableiten. Dafür spricht die lange geographische Nachbarschaft der Kelten und Germanen. Keltische Wort „germ(en)“ bedeutete „Geschrei“ oder „Ruf“, und Germani bedeutete „die Leute des Geschreis / Rufs“. So wären Germani Schreier also Krieger, die vor der Schlacht Heldenlieder singen. Diese Theorie würde sich mit den Überlieferungen von Tacitus decken, wonach die Germanen vor einer Schlacht "Lieder, die sie Barditus nennen" sangen. Caesar könnte dann diesen keltischen Begriff übernommen und auf den gesamten rechtsrheinischen Bereich ausgedehnt haben. 28. Das Aufkommen des Wortes „deutsch“. Das Aufkommen des Wortes „deutsch" führt uns in die Zeit zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert, in der es zur ersten bewussten Zusammenfassung derjenigen germanischen Stämme kam, die später das deutsche Volk bildeten. Das Wort „deutsch" hat sich aus dem germanischen Wort entwickelt, das wir аls gotisch þiuda (Volk, Volksstamm) kennen. Z. B. diutisk (latinisiert theodiscus), mhd. diutsch (sprich dütsch) und tiu(t)sch. Es bedeutet volkhaft, volkstümlich, dem Volke eigen. Die „lingua theodisca" ist also die Sprache des Volkes im Gegensatz zu der „lingua latina", der lateinischen Sprache der Geistlichen und Gelehrten. Die romanisierten Franken in Frankreich haben seit dem 8. Jahrhundert, also seit der Karolingerzeit, mit dem Ausdruck „theodiscus" die Sprache der ostrheinischen Stämme bezeichnet. Diese zunächst rein sprachliche Bezeichnung wird allmählich durch das wachsende Gefühl volklicher Zusammengehörigkeit zu einer Bezeichnung für die Volksart und schließlich Bezeichnung für die politische Zusammengehörigkeit. 29. Die Merkmale des Althochdeutschen (Die „Benrather Linie". Die zweite Lautverschiebung). Die noch heute bestehende sprachliche Aufgliederung Deutschlands in ein niederdeutsches (oder plattdeutsches) und ein hochdeutsches Sprachgebiet ist durch die zweite oder hochdeutsche Lautverschiebung hervorgerufen worden. Sie beginnt auf deutschem Boden etwa 1000 Jahre nach der ersten Lautverschiebung, also etwa im 5. Jahrhundert, und dringt im Laufe von mehreren Jahrhunderten, von Süddeutschland ausgehend, nach dem Norden zu vor. Diese sprachliche Bewegung verebbt an der „Benrather Linie", der deutschen „Ost-WestFurche", die von Aachen über Düsseldorf, Kassel, Aschersleben, Saalemündung, Wittenberg, Doberlug, Lübben nach Frankfurt a. d. Oder führt und Deutschland in ein südliches und ein nördliches Sprachgebiet teilt. (Benrather Linie markiert den nördlichen Bereich der 2. Lautverschiebung und wird mit der Tenuesverschiebung k → ch in Verbindung gebracht (maken – machen). Benannt ist die Benrather Linie nach dem Ort, in dessen Nähe sie den Rhein überschreitet.) Die Verschiebung betrifft vor allem die stimmlosen (harten) Verschlusslaute (Tenues) p, t, k. p wird a) im Inlaut und Auslaut nach Vokalen zu ff (teilweise zu f vereinfacht), b) im Anlaut und Inlaut nach Konsonanten (l, m, r und in der Verdopplung) zu pf, das nach l und r im weiteren Verlauf zu f wird: a) got. slēpan, engl, sleep: ahd. slâfan (nhd. schlafen); got. skip, engl, ship: ahd. skif (nhd. Schiff); b) got. pund, engl, pound: ahd. pfunt (nhd. Pfund); lat. planta, engl, plant: ahd. pflanza (nhd. Pflanze). t wird a) im In- und Auslaut nach Vokalen zu zz (gesprochen ss), teilweise zu z (gesprochen s) vereinfacht; b) im Anlaut und Inlaut nach Konsonanten (1, n, r und in der Verdopplung) zu tz (auch z geschrieben): a) got. itan engl. eat : ahd. ezzan (nhd. essen) got. þata eng. that : ahd. daz (nhd. das) b)got. twalif eng. twelve : ahd. zwelif (nhd. zwölf) k wird im In- und Auslaut nach Vokalen zu hh (gesprochen ch wie in acht und ich): got. brikan, engl. break : ahd. brehhan (brechen). Die stimmhaften Verschlusslaute b, d, g werden nur im oberdeutschen Gebiet zu b > p got. bairan engl. bear : obd. peran (tragen: vgl. nhd. gebären, Nachsilbe -bar). d > t got. daúhtar engl. daughter : ahd. tohter, nhd. Tochter. Im gesamten deutschen Sprachgebiet – also auch im Niederdeutschen – erfolgte nach den anderen Lautverschiebungsvorgängen noch der Wandel von Þ > d got. þreis engl. three : ahd. drai nhd. drei got. broþar engl. brother : ahd. brouder nhd. Bruder. 30. Die Vokale des Althochdeutschen (die Assimilation. Diphthongierung Monophthongierung. Der Ablaut. Das Verschwinden der kurzen Vokale). Zu den sprachlichen Besonderheiten der althochdeutschen Periode gehören die Prozesse der Entwicklung des deutschen Vokalismus. 1) Vor allem geht es um die Assimilation: den Einfluss der Laute auf die anderen Laute. z.B.: die Hebung e in i: - vor [i] oder [j] der nächsten Silbe: ahd neman (брати) du nimis, er nimit ... - vor [u] in der nächsten Silbe: ahd neman ic nimu ahd helfan ic hilfu ... - vor den nasalen Lauten + Konsonant: ventus (lat) ahd wint (Wind) 2) Der Umlaut erscheint in der ahd. Zeit unter dem Einfluss [i] oder [j] in der nächsten Silbe: gast – Pl.: gesti (Gast – Gäste) kraft – kreftig (Kraft; kräftig) Die Vokalwechslung stellt die kombinatorische phonetische Änderung dar. 3). Diphthongierung Es geht um e und o aus dem Allgermanischen: e ea ia got. her ahd hear hiar (hier – тут) 4). Monophthongierung Germanisches ai wird zu e vor den Konsonanten h, w, r und im Auslaut. got. maiza ahd mero (mehr). Germanisches au wird zu o vor h und im Auslaut: got. auso ahd ohra (Ohr). In anderen Fällen wird au zu ou: got. augo ahd ougo (das Auge) 5). Der Ablaut Das ist der regelmäßige Wechsel bestimmter Vokale in den Wörtern, die sich im etymologischen Zusammenhang befinden. Dieser Terminus wurde von Jakob Grimm eingeführt. Der Ablaut tritt als Mittel der Formenbildung auf: ahd neman, Imperf.: nam heute: nahmen, nahm 6). Das Verschwinden der kurzen Vokale bei den schwachen Verben im Imperfekt, wenn diese Verben einen langen Stammvokal haben: Infinitiv ahd horen, Imperfekt: horta (statt horita) 31. Der Umlaut im Althochdeutschen. Die Entwicklung Umlauts begann in den althochdeutschen Territorialdialekten in der vorliterarischen Zeit. Der Umlaut entwickelte sich im Deutschen in der Folgezeit zu einer wichtigen Art von innerer Flexion. Diese Art der Assimilation der Vokale war in Sprachdenkmalern des 8. Jh. Der Umlaut erscheint in der ahd. Zeit unter dem Einfluss [i] oder [j] in der folgenden Silbe. Die Entwicklung des Umlauts im Althochdeutschen begann um 750. Da beginnt die Umlautung des kurzen a zu kurzem e: gast – Pl.: gesti (Gast – Gäste) kraft – kreftig (Kraft; kräftig) faran – du feris (fahren – du fährst), er ferit (er fährt); Die Vokalwechslung stellt die kombinatorische phonetische Änderung dar. Der Umlaut a> e trat nicht ein: 1) vor den Konsonantenverbindungen ht, hs, lw, rw: ahd maht- mahtig (vgl. Macht - mächtig) 2) vor den h, r, l + Konsonant in den oberdeutschen Territorialdialekten: ahd. haltan – obd. haltit (vgl. halten – hält) Seit dem Ausgang des 10. Jh wurde der Umlaut des langen û orthographisch bezeichnet. Er wurde iu geschrieben: ahd. hûs - PI. hûsir, seit dem 11. Jh. hiusir ‘Haus – Häuser’. 32. Der lexikalische Aspekt des Althochdeutschen (Wörter aus der Zeit des Althochdeutschen). In althochdeutscher (frühdeutscher) Zeit führten gesellschaftliche Wandlungen zu großen Veränderungen im Wortschatz. Den größten Einfluß hatte dabei zweifellos die Hand in Hand mit der Entwicklung des Feudalismus vor sich gehende Christianisierung. Sie breitete sich auf mehreren Wegen und in mehreren Wellen über das Gebiet aus, das in diesem Zeitraum den Namen Deutschland erhielt. So drangen aus dem Süden Wörter wie: Pfingsten aus griech. Pentekosté / hēmerá / Teufel aus griech. diabolos, Engel aus griech. angelos ein. Aus dem Nordwesten kam das Wort Glocke (zu altirisch clocc). Eine Vielzahl von Wörtern drang mit der Einführung des Gottesdienstes, dem Aufbau der Kirchenorganisation und der Klöster sowie der Gestaltung des feudalen Herrschaftssystems in deutsche Sprache ein: Chor zu lat. chorus, Messe zu lat. missa, Orgel zu lat. organum, Kapelle zu lat. capella, Brief zu lat. brevis. Bildung und Unterricht waren in der damaligen Zeit ausschließlich eine Angelegenheit der Klöster. Die Klöster befassten sich aber auch mit dem Gartenbau, mit Kochkunst, Bauwesen und mit ersten Ansätzen der Krankenpflege: Birne zu lat. pirum. Auch: Rose, Veilchen, Petersilie, Zwiebel. In der Sprache der Verwaltung wurde zunächst nur das Lateinische verwendet. Deshalb stammt die Mehrzahl der damals entstandenen Wörter aus dem Lateinischen: Bezirk zu lat. circus, Vogt zu lat. vocatus (Rechtsvertreter, Richter). Auch in der Kleidung und in der Verarbeitung von textilen Grundstoffen kamen zahlreiche Neuerungen auf: Kutte, Kappe, Mantel, Pelz; Teppich zu lat. tapetum, Matte, Seide. Trotz der Christianisierung lebte eine ganze Menge an heidnischen Überresten fort – allerdings in christlicher Umdeutung: Gott, Himmel, Hölle (urspr. Aufenthaltsort der Toten); Ostern als urspr. heidnisches Frühlingsfest; Weinachten als ursprüngliche Bezeichnung für die heiligen zwölf Nächte der Wintersonnenwende. 33. Der morphologische Aspekt des Althochdeutschen (Allgemeines über Substantive, Personalpronomen,Verben). Die grammatische Seite der Entwicklung der Sprache charakterisiert sich durch Erscheinungen, die die Sprache unifizieren. Es geht vor allem um den Syntax. Eingehend findet die Unifizierung von Typen der Konjugation der Verben und Adjektive (starke, schwache), der Kasusendungen der Substantive statt – so unifiziert sich auch die Morphologie. Das althochdeutsche Substantiv weist drei Kategorien auf: Kasus – Im Ahd. sind 5 Kasus erhalten geblieben (Nom, Gen, Dat, Akk und Instrumental). Numerus – Sing. und Pl. Genus – Maskulinum, Femininum, Neutrum. Diese Kategorien ererbte das Althochdeutsche aus dem Urgermanischen, wo sie ihrerseits als Fortsetzung des indoeuropäischen Sprachzustandes zu betrachten sind. In der Deklination des germanischen Substantivs war der Typ des Stammes von entscheidender Bedeutung. Zwischen der Wurzel des Wortes und den Kasusendungen befand sich ein stammbildendes Suffix (das sog. Thema), das eigentlich den Typ der Deklination bestimmte. Im Ahd. ist das Thema mit Kasusendungen sehr oft verschwunden. Das allgemeine Bild der Deklination des Substantivs: Nom. tag wort geba Gen. tages wortes geba, -o Sing Dat. tage worte gebu, -o . Akk. tag wort geba Instr. tagu, -o wortu, -o ─ Nom. taga, -á wort gebâ Gen. tago worto gebôno Pl. Dat. tagum, -om wortum, gebôm, ôn -om Akk. taga, - á wort gebâ Das ahd. Pronomen verfügte über folgende grammatische Kategorien: Genus (m, f, n), Numerus (Sing, Pl.) und Kasus – die gleiche Zahl von Kasus wie beim Substantiv. Die Personalpronomen gehören zur ältesten Schicht des indoeuropäischen Wortbestandes. Einen ganz besonderen Deklinationstyp weisen die Personalpronomen der 1. und 2. Person auf. Ihre Kasusendungen kommen außer bei ihnen nirgends mehr vor. Der Nominativ und die obliquen Kasus sind von verschiedenen Stammen gebildet. Die Personalpronomen der 3. Person sind etymologisch sehr eng mit den Demonstrativpronomen verbunden und haben mit ihnen eine gleiche Kasusbildung. Die Personalpronomen hatten solche Formen: Singular Plural 1.P 2. 3.Pers. 1.P 2.Pers. 3.Pers. ers. Pers. (m) ers. Nom. ic dū er (ir) wir ir sie Gen. Dat. Akk. min mir mih din sin dir imu, -o inan, dih in unsêr uns unsih iuwér iro iu im iuwih sie Die althochdeutschen Verben hatten folgende Formen: das Genus des Aktivs die Tempora des Präsens (bezeichnete die unmittelbare Gegenwart und auch Zukunft) und des Präteritums (ist die allgemeine Form für die Vergangenheit) die Modi des Indikativs, Imperativs, Konjunktivs (drückt den Wunsch, den Zweifel, die Vermutung, die Irrealität aus; erscheint in der indirekten Rede) die Numeri des Singulars und Plurals an Verbalnomina einen Infinitiv des Präsens und Partizipien des Präsens und des Präteritums. Im Althochdeutschen werden die Verben in zwei Hauptgruppen eingeteilt – in starke und schwache Verben. Die ahd. starken Verben bilden ihre Präteritformen durch Vokalwechsel (Ablaut), das Partizip II auch durch Ablaut und durch n-Suffix. Eine gewöhnliche Verbform im Präsens besteht aus drei Elementen: der Wurzel, dem Themavokal und der Flexionsendung. z.B. hilf-i-t Die schwachen Verben sind eine relativ jüngere Schicht des verbalen Wortguts. Sie bilden die Formen des Präterits und des Partizips II mit Hilfe des Suffixes -t-. Dabei gibt es keinen Vokalwechsel im Verbalstamm. Die Art der Konjugation der Verben charakterisierte sich schon damals durch die Ablautreihen. Es waren 6 (7) Ablautreihen. Als Beispiele wird hier das Konjugieren von einigen Typen der Verben dargestellt: starkes schwache Verb s Verb helfan zellen salbôn Infinit (haben) (helfen) (erzählen) (salben) iv Präsens: ih hilfu zellu salbô habén du hilfis zelis salbôs habés er hilfit zelit salbôt habét wir zellemé helfemés salbômés habénmés s ir helfét zellet salbôt habét sie helfant zellent salbônt habént Präteritum: ih half zalta salbôta habéta du hulfi zaltôs salbôtos habétos er half zalta salbôta habéta wir hulfun zaltun salbôtun habétun ir hulfut zaltut salbôt habét sie hulfun zaltun salbôtun habétun Partizi giholfan gizalt gisalbôt gihabét p: 34. Der syntaktische Aspekt des Althochdeutschen (Allgemeines über den Satzbau). Der althochdeutsche Satzbau ererbte Charakterzüge des Indoeuropäischen. Sie sind folgende: 1. Die vorherrschende Satzform ist der zweigliedrige Satz mit einer Subjekt-PrädikatStruktur: z.B. Thō uuîb habéta einen sun. – Die Frau hatte einen Sohn. Die eingliedrige Sätze kommen sehr selten vor: z.B. EƷ âbandêt – Es wird Abend; EƷ nahtêt – Es wird Nacht; EƷ ist spâti – Es ist spät. 2. Die Hauptausdrucksmittel der syntaktischen Beziehungen zwischen den Wörtern im Satz sind Kongruenz und Rektion. Die Wortstellung im einfachen Satz vereinigte freie und feste Regeln. Im Großen und Ganzen hängte die Stellung des Subjekts, Objekte und Attribute meist mit der kommunikativen Aufgabe zusammen. Das Subjekt ist meist der Ausgangspunkt des Satzes und nimmt die erste Stellung im Satz ein (die gerade Wortfolge): z.B. Sie sint guote liutin. – Sie sind gute Leute. Die invertierte Wortfolge weist meist darauf hin, was der Sprecher im Satz unterstreichen will: z.B. In thaƷ gebirgi floh her. – In das Gebirge floh er. Thô quad iru der heiland: „gib mir trinkan“. – Da sagte ihr der Heiland: „Gib mir zu trinken!“ Sus in uuege quam ein uuîb. – Da kam des Weges ein Weib. Vorangestellt werden manchmal auch die anderen Satzglieder, wenn sie im Satz „das Neue“ (das Rhema) sind: z.B. Einen man uueiƷ ik. – Einen Man kenne ich. Tot ist her. – Tot ist er. Das Prädikat im Althochdeutschen offenbart sich die Tendenz zur festen Stellung im Satz: Der häufigste Fall ist wohl die Zweitstellung: Sum man gieng in ferra lantscaf. – Ein Mann reiste in ein fernes Land DaƷ uuîb quad: „ni habu gomman.“ – Das Weib sagte: „/Ich/ habe keinen Man“ Verbreitet ist aber auch die Anfangsstellung des Prädikats im Aussagesatz. In der Regel hat die Anfangsstellung des verbalen Prädikats eine stilistische Funktion: Sie verleiht der Erzählung die epische Gehobenheit. Das Prädikat kann allein oder mit ergänzenden Satzgliedern das Rhema des Satzes sein. Z.B.: Fater, zelluh (zellu ih) thir ein … – Fater, (ich) erzähle dir eins … Die Aufforderungssätze zeigen auch regelmäßig die Anfangsstellung des Prädikats. Das zeigt sich in der Regel in Ausrufungssätzen und in Fragesätzen mit dem Fragewort: Gib mir trinkan! – Gib mir zu trinken! Uuer pist dû? Uuna guimis?– Wer bist du? Woher kommst du? Auch Fragesätze ohne Fragewort sind durch die Anfangsstellung des Prädikats gekennzeichnet; die Partikel eno („etwa“) in solchen Sätzen ist kein Satzglied: Eno bin ich iz, brouder? Bin das ich etwa, Bruder? Eno nist (ni ist) these din sun? Ist das etwa nicht dein Sohn? Trotz der Tendenz zur Zweitstellung des verbalen Prädikats sind die Fälle nicht selten, wo das Prädikat am Satzende steht, z. B.: Alla thesa naht arbeitende niuuih ni gifiengumês (Endstellung). Die ganze Nacht haben wir gearbeitet und nichts gefangen. Ansätze zur Entwicklung der verbalen Klammer Gewisse Ansätze zur Entwicklung der verbalen Klammer sind bereits im Althochdeutschen vorhanden. Die Teile des biverbalen Prädikats nehmen folgende Stellung zueinander ein: 1) Unmittelbare Kontaktstellung: Her frâgên gistuont min sun. – Er begann, meinen Sohn zu fragen. 2) Klammer: Nioman ni mag zuuein herrôn thionôn. – Keiner kann zwei Herren dienen. 3) Kontaktstellung: Sin sun uuas cund themo uns. – Sein Sohn war uns bekannt. 4) Klammer: Huob her gundfanon ûf. – Er hob die Kriegsfahne auf. Infinitiv im einfachen Satz Der Infinitiv und Infinitivgruppe kommen oft als Bestandteil biverbaler Wortgruppen im Prädikat vor: z.B. Quam the man Wasser bittan. – Es kam ein Mann Wasser bitten. Die Dativform des Infinitivs wird mit der Präposition zi (zu) gebraucht: z.B. Gibôt her thô zi gebanne iru eƷƷan. – (Er) befahl, ihr essen zu geben. 35. Der syntaktische Aspekt des Althochdeutschen (Allgemeines über die syntaktischen Typen der Sätze). Die ersten althochdeutschen Sprachdenkmäler zeigen verschiedene Typen von zusammengesetzten Sätzen. Die Anzahl von Modellen solcher Sätze und Arten der Verbindungsmöglichkeiten im Rahmen des zusammengesetzten Satzes ist natürlich viel geringer im Vergleich zu moderner deutscher Sprache. Aber dieses Teilgebiet der Syntax kennzeichnete sich in der Folgezeit durch relativ rasche Entwicklung und Vervollkommnung. Die Satzreihe Die Verbindung der Einzelsätze in der Satzreihe hat im Althochdeutschen zwei Hauptmodelle: a) konjunktionslose Verbindung z.B. Sum man habêt zuuênê suni, ic uueiƷu sie. – Ein Mann hat zwei Söhne, ich kenne sie. b) konjunktionale Verbindung In der Rolle der Verbindungmittel treten oft auf: inti (und), ioh (und), doh (doch), abur (aber), odo (oder). Diese Konjunktionen erfüllen koordinierende Funktion. z.B. Mih hungrita inti ir gâbut mir eƷƷan. – Mich hungerte und ihr gabt mir zu essen. Ther fater habêta zi faran, abur thie liuti bigunnun inan frâgên. – Der Vater musste fahren, aber die Leute begannen, ihn zu fragen. Kausale und finale Verbindung zwischen den Teilen in der Satzreihe ist dem Ahd. nicht eigen. Das Satzgefüge Im Althochdeutschen zeigen sich fast dieselben Arten der Nebensätze, die im heutigen Deutsch sind, und zwar: Subjekt-, Objekt-, Attribut-, Prädikativ- und Adverbialsätze. Der Subjektnebensatz umschreibt eine Person und wird vorwiegend durch das Relativpronomen ther, thiu, thaƷ, sô hwer sô (wer) und durch das unflektierte thie eingeleitet; im Hauptsatz stehen oft die Korrelate ther, thie und andere. z.B. Her ist ther ther Hiltibrant riufan. – Er ist der, der Hildebrant gerufen wird. Prädikativsatz. Diese Form des Nebensatzes ist im Ahd. nicht häufig. Als Bindeelemente sind Relativpronomen ther, thiu, thaƷ und das unflektierte thiu: z.B. ThiƷ ist, then man eƷƷan megi. – Das ist das, was man essen könnte. Objektsatz. Berichtende Objektsätze werden durch die Konjunktionen dat, thaƷ (dass) eigeleitet: z.B. Ic zalta, thaƷ her min fater sei. – Ich erzählte, dass er mein Vater ist (sei). Fragende Sätze ohne Fragewort werden durch die Konjunktionen oba (ob) eingeleitet. Dazu dienen auch Relativpronomen: hwer (wer), hwaƷ (was), huuelîh (welher). Beispiele: Thu fragist,oba ic inon minnu. – Du fragst, ob ich ihn liebe. Her frâgtâ, hwer sîn fater warî. – Er fragte, wer sein Vater sei (ist). Attributsatz. Die meisten Attributsätze werden durch das Relativpronomen ther, thiu, thaƷ, thie eingeleitet: Sie forstuontun thaƷ uuort, thaƷ her sprach zi in. – Sie verstanden die Worte, die er zu ihnen sagte. Wir hulfun zî therum man, ther ward stumman. – Wir halfen dem Mann, der stumm war. Adverbialsätze: Temporalsätze (Konjunktionen: thô, thar, sô – da, also, thaƷ – als, mit thiu – als, während, afte thiu – nachdem u.a.): z.B. Er ward frou thô that sehenti. – Er war froh, als er das sah. Kausalsätze (Konjunktionen: uuanta, bithiu, uuanta bithiu, mit thiu – weil / da): z.B. Bithiu her min scalk ist, her gihort ni dir. – Da er mein Diener ist, gehört er dir nicht. Finalsätze werden durch die Konjunktionen thaƷ (dass) und so thaƷ (so dass) eingeleitet: Gib imo Brot thaƷ er eƷƷan inti sagan maget. – Gib ihm Brot, damit er essen und reden kann. Bedingungssätze werden durch die Konjunktionen ibu, oba (wenn) eingeleitet: Oba thû uuas mugis, hilf uns. – Wenn du etwas (tun) kannst, hilf uns. 36. Schriftliche Quellen der althochdeutschen Periode. Ausbildung und Schrifttum hatten in der althochdeutschen Zeit einen deutlich ausgedrückten klerikalen Charakter. Zum hauptesten Mittel der Ideologie wurde die lateinische Sprache. Die Volksprache wurde in den kirchlichen Schulen nicht gelernt. Man benutzte sie aber beim Studium der lateinischen Sprache. Die Aufnahmen zu lateinischen Texten bekamen den Namen Glossen (Notizen). Das lateinische Alphabet wurde im Althochdeutschen für die deutsche Sprache übernommen. Hierbei kam es einerseits zu Überschüssen an Graphemen wie <v> und <f> und andererseits zu ungedeckten deutschen Phonemen wie Diphthonge, Affrikaten (wie /pf/, /ts/, /tʃ/), und Konsonanten wie /ç/ <ch> und /ʃ/ <sch>, die es im Lateinischen nicht gab. Im Althochdeutschen wurde für das Phonem /f/ auch hauptsächlich das Graphem <f> verwendet, sodass es hier fihu (Vieh), filu (viel), fior (vier), firwizan (verweisen) und folch (Volk) heißt. Der erste althochdeutsche Text ist der Abrogans, ein lateinisch-althochdeutsches Glossar. Generell besteht die althochdeutsche Überlieferung zu einem großen Teil aus geistlichen Texten (Gebeten, Taufgelöbnissen, Bibelübersetzung); nur vereinzelt finden sich weltliche Dichtungen (Hildebrandslied, Ludwigslied) oder sonstige Sprachzeugnisse (Inschriften, Zaubersprüche). Der so genannte „Althochdeutsche Tatian“ ist eine Übersetzung der Evangelienharmonie des syrisch-christlichen Apologeten Tatianus (2. Jh.) in das Althochdeutsche. Er ist zweisprachig (lateinisch-deutsch). Die einzige erhaltene Handschrift befindet sich heute in St. Gallen. Der Althochdeutsche Tatian ist neben dem Althochdeutschen Isidor die zweite große Übersetzungsleistung aus der Zeit Karls des Großen. Das Hildebrandslied ist um die Zeit der Völkerwanderung (zwischen 400 und 600 uZ) entstanden. Es ist das einzig überlieferte Textzeugnis eines Heldenlieds germanischen Typs in der deutschen Literatur. Das Hildebrandslied wurde um 830–840 von zwei unbekannten Fuldaer Mönchen in hauptsächlich althochdeutscher Sprache aufgezeichnet. Stabreimgedicht besteht in herkömmlicher Zählung aus 68 Langversen. Als Endpunkt der althochdeutschen Textproduktion wird oft auch der Tod Notkers in St. Gallen 1022 definiert. (Notker war der berühmte Mönch der Klosterschule in St. Gallen. Er übersetzte vom Latein eine Reihe von klassischen und klerikalen Werken). 37. Der Umlaut im Mittelhochdeutschen (Die weitere Entwicklung des Umlauts). Die Varianten der Vokalphoneme, die im Althochdeutschen unter dem Einfluss des -i-(-j-)Umlauts entstanden waren, übernahmen in der mittelhochdeutschen Zeit in Verbindung mit der Abschwächung des i zu e [ə] in den Endsilben, d. h. in der Flexion, eine sinnunterscheidende Funktion und wurden deswegen phonologisiert. Als Beispiel soll die Pluralbildung bei den Substantiven der i-Deklination dienen: ahd. gast – gesti > mhd. geste. Während im Althochdeutschen die Hauptrolle bei der Bildung dieser Formen dem -i- zukam, gehört sie im Mittelhochdeutschen schon dem Umlaut. Sie verhütet auch die Homonymie von Nom., Akk. Pl. und Dat. Sg.: ahd. N. Sg. korb – D. Sg. korbe – N., A.. Pl. korbi mhd. N. Sg. korb – D. Sg. korbe – N., A. Pl. körbe Die Entwicklung des Umlauts zur inneren Flexion. Auf Grund des Umlauts kam es in den Wortformen vieler Wörter zu einem Wechsel der Vokalphoneme, der zu einem verbreiteten Mittel der Formenbildung, d.h. zur inneren Flexion wurde: 1)als Kennzeichen des Plurals: ahd. gast – PI. gesti 'Gäste'; kraft – PI. krefti 'Kräfte'; lamb – PI. lembir 'Lämmer', entsprechend mhd. gast – geste, kraft – krefte, lamb – lember; 2) als Kennzeichen der Steigerungsformen des Adjektivs: ahd. alt 'alt' – Komp. eltiro – Superl. eltisto → mhd. alt – elter – eltest; 3) als Kennzeichen des Präteritums Konjunktiv: ahd. helfan 'helfen' – 1. P. Sg. Prät. Konj. hulfi ' (ich) hälfe, hülfe' → mhd. helfen – hülfe; 4)als Kennzeichen der 2. und 3. P. Sg. Präs. der starken Verben: ahd. faran 'fahren' – 2. P. Sg. Präs. feris(t) '(du) fährst* – 3. P. Sg.Präs. ferit '(er) fährt' mhd. faren – 2. P. Sg. Präs. ferest –3. P. Sg. Präs. feret. Der Umlaut bekam auch große Verbreitung in der Wortbildung: mhd. kraft 'Kraft' – kreftic 'kräftig' mhd. adel 'Adel' – edete 'edel' (ahd. adili) mhd. hoch 'hoch' – hoehe 'Höhe' (ahd. hôhî) mhd. jâmer 'Jammer' – jæmerliche 'jämmerlich' mhd. hof 'Hof – hövesch 'höfisch' 'wohlerzogen' mhd. jagen 'jagen' – jeger(e) 'Jäger' mhd. gruoƷ 'Gruß' – begrüeƷen 'begrüßen' mhd. fallen 'fallen' – fellen 'fällen'. 38. Die neuen Vokalphoneme des Mittelhochdeutschen. Die neuen Vokalphoneme des Mittelhochdeutschen sind folgende: 1) kurze Vokale ä – der Sekundärumlaut des kurzen a (offener als das e: mähtec 'mächtig' (ahd. mahtig), ärze 'Erz' (ahd. aruzi, arizi, ariz); ö – Umlaut des kurzen o: öl 'Öl' (ahd. olei, oli), möchte (ahd. mohti); ü – Umlaut des kurzen u: künec 'König' (ahd. kuning, kunig), gürtel 'Gürtel' (ahd. gurtil); 2) lange Vokale æ – Umlaut des â: mære 'Erzählung', 'Sage' (ahd. mari, nhd. Mär, Märchen); kæse 'Käse' (ahd. chasi, case); œ – Umlaut des ô: schœne 'schön' (ahd. skoni), hœhe 'Höhe' (ahd. hôhî); 3) Diphthonge öu, eu – Umlaut des Diphthongs ou: tröumen 'träumen' (ahd. troumen >*troumjan troum 'Traum'); vröude 'Freude' (ahd. frawida, frewida, frowida); üe – Umlaut des Diphthongs uo: güete 'Güte' (ahd. guoti); süeƷe 'süß' (ahd. suoƷi). zu