Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Thermostat oder Teufelskreis Die Deutsche Bundesbank war Thermostat der DM Inflation und neue Arbeitslosigkeit sind Teufelskreise Statt Lohn-Preis-Spirale Ratio-Arm-Spirale Erich Neuburger 2005 Als Manuskript gedruckt, alle Rechte vorbe- halten 1 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Zum Inhalt dieser Schrift Reformen sind fast das einzige Thema heute in der Politik Vieles was sich bisher bewährt hatte funktioniert heute nicht mehr. Der ungezügelte und weitgehend verherrlichte technische Fortschritt und eine ständig weitergehende Liberalisierung soll die Zustände verbessern. Hat z. B. die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten den Umsatz erhöht? Hat z. B. die Einführung neuer Ladenkassen den Umsatz erhöht? Sind die Menschen zu faul oder zu blöd, wenn die von den Wirtschaftstheoretikern vorgeschlagenen Reformen unannehmbar scheinen oder nicht greifen. Oder sind die klassischen und neoklassischen Wirtschaftstheorien bei dem heutigen Tempo des technischen Fortschrittes nicht mehr zu zuverlässigen Aussagen fähig? Wird in diesen Theorien vielleicht zu viel nach wirtschaftlichen Gleichgewichten gesucht, die sich gar nicht mehr einstellen können, weil sich die Bedingungen dazu schneller ändern als sich die Gleichgewichte einstellen? Was man in diesen Theorien fast völlig vermisst ist eine ausreichende Betrachtung der vielfältigen Rückkopplungen, die das meiste in der Wirtschaft bestimmen. In der freien Wirtschaft sind ja diese Rückkopplungen die wesentlichen Elemente. Die positive Rückkopplung über den Markt ist ja gerade die Eigenschaft, welch die freie Marktwirtschaft der Planwirtschaft überlegen macht: Erfolgreiches am Markt bringt weiteres erfolgreiches am Markt. Die momentane Misere ist in den meisten Fällen 2 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft dadurch gekennzeichnet, dass diese positive Rückkopplung die vorhandenen schlechten Zustände systembedingt laufend verschlechtert. Die positive Rückkopplung des freien Marktes steigert, verbessert also nicht nur die guten Zustande , sondern steigert, also verschlimmert auch die schlechten Zustände. Ohne Einführung stabilisierender negativer Rückkopplungen in der Art des Thermostats oder der Geldwertstabilisierung der deutschen Bundesbank, die über 50 Jahre die Inflation in Schach hielt, werden alle diskutierten Reformen scheitern, ganz ähnlich wie die bisherigen Gesundheitsreformen. In dieser Schrift werden die vorhandenen Rückkopplungen und ihre Wirkungen betrachtet sowie die Möglichkeit und Notwendigkeit einiger negativen Rückkopplungen aufgezeigt, die die Rahmenbedingungen des freien Marktes so gestalten können, dass die Voraussetzungen einer florierenden Wirtschaft sich nicht selbst zerstören können. 3 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Inhaltsverzeichnis Zum Inhalt dieser Schrift ................................................2 Reformen sind fast das einzige Thema heute in der Politik .............................................................................2 Inhaltsverzeichnis .............................................................4 Staat und Wirtschaft – eine Vorbemerkung ...............14 Positive und negative Rückkopplung ...........................16 Vorwort ........................................................................20 THERMOSTAT UND TEUFELSKREISE RÜCKKOPPLUNG UND REGELKREISE IN DER WIRTSCHAFT ........................................................ 24 Ethische Vorbemerkungen ............................................24 1. Zwei Forderungen: Ehrfurcht vor dem Leben – Ehrfurcht vor dem Feuer ..............................................24 2. Recht auf Arbeit, bei Beachtung der Randbedingungen wirtschaftswissenschaftlicher Lehrsätze möglich und notwendig ...............................25 1. Aspekte des Freien Marktes ..................................32 1.1. Freie Marktwirtschaft bedeutet: Wirtschaftsentwicklung ist Wirtschaftsregelung durch Rückkopplung über den Markt .....................................32 1.2. Was leisten die in der deutschen Wirtschaft wirkenden Rückkopplungskreise und was nicht ..........34 4 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 1.3. Rückkopplung im Markt Die unsichtbare Hand nach Adam Smith, wie wirkt sie heute und wann nicht Marktmacht behindert sie stark ....................................37 Der Kaufvorgang bewirkt die Rückkopplung über die Warenqualität - oder über ein Werbefoto auf der Packung ........................................................................40 1.4. Shopping, anstatt Homo Ökonomikus - Homo Ludens 42 1.5. Kapital in der Wirtschaft – Rückkopplung über erwartete Rendite, sie führt bei fehlender Kaufkraft leicht in Kapitalvernichtung und Arbeitslosigkeit........43 1.6. Konjunkturzyklen .............................................45 1.6.1. Ergebnis positiver Rückkopplungen - nur durch den Einbau gegenwirkender, stärkerer negativer Rückkopplungen zu beherrschen - analog dem Thermostat beim Feuer.................................................45 1.6.2. Analoge positive Rückkopplungen in der Technik 48 1.7. Reformen viel Gerede aber keine Tat...............50 1.8. Rückkopplung – Wesen der freien Marktwirtschaft ............................................................51 1.9. Siegeszug der Elektronik erst nach allgemeiner Einführung von gegengekoppelten Regelkreisen – ......52 1.10. Zielgleichgewichte zu betrachten genügt wohl nicht 54 1.11. Der freie Markt ist eigentlich gar nicht frei ..55 1.12. Kein freier Markt ohne Rechtssicherheit also gesetzlichen Zwang ......................................................56 5 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 1.13. In rückgekoppelten Systemen sind starre Zahlenfestlegungen in Gesetzen meist weitgehend wirkungslos für ein bestimmtes angestrebtes Ziel .......57 1.14. Das Gesetz für die deutsche Bundesbank ist Beispiel für wirkungsvolle Gesetze für die Wirtschaft 57 1.15. Gesetze ohne starre Zahlen und Planungssicherheit in der Wirtschaft............................58 1.16. Gegenkopplungsmöglichkeiten in der Wirtschaft zum Abbau der Arbeitslosigkeit .................58 1.17. Anstoß zum wirtschaftswissenschaftlichen Nachdenken ..................................................................60 1.18. Innovation – Grundlage von Wirtschaftswachstum ...................................................62 1.19. Heute diskutierte Reformen sind Steuerungsversuche, sie haben wie früher im Ostblock keinen Erfolg ................................................................64 2. Abgaben an den Staat - Steuern ...........................65 2.1. Steuerstrukturen ...............................................65 2.2. Steuerarten ........................................................66 2.3. Direkte Steuern .................................................67 2.4. Die indirekten Steuern - Stellglieder neuer Regelkreise ...................................................................67 2.5. Ökosteuer und das BVG-Urteil vom April 2004 69 3. Wirtschaftspolitische Probleme im Blickwinkel von Rückkopplungen .....................................................70 3.1. Nähere Begründung der Notwendigkeit von weiteren stabilisierenden Rückkopplungskreisen ........70 3.2. Deregulierung ...................................................72 6 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 3.3. Globalisierung ..................................................73 3.3.1. Konkurrenzfähigkeit in einer globalisierten Welt 77 3.3.2. Beschleunigung der Globalisierung .............78 3.3.3. Freier Welthandel wegen Macht des Reichtums nicht möglich, höchstens im Sinne der Freiheit des Mächtigen .................................................78 3.3.4. Globalisierung heutiger Prägung schafft Instabilität der Gesellschaft in den reichen und in den armen Ländern ..............................................................79 3.3.5. Wirtschaft in verschieden schnellem technischen Fortschritt .................................................80 3.4. Ökologie kontra Konkurrenzfähigkeit..............81 3.5. Deutsches Sozialsystem - ein Solidarsystem nur der Arbeitnehmer..........................................................82 3.5.1. Sozialsystem in Deutschland - positive Rückkopplung in die Arbeitslosigkeit ..........................83 3.6. „Ratio-Arm-Spirale“ statt Lohn-Preis-Spirale .84 3.7. Arbeitslosigkeit ................................................85 3.7.1. Arbeitslosigkeit 2 .........................................86 3.8. Arbeit der Menschen – Quelle des Wohlstandes 87 3.9. Grundrecht auf Arbeit und Möglichkeit zu seiner Realisierung ..................................................................88 3.10. Ist Dienstleistung eine der Produktion gleichwertige Arbeit .....................................................91 3.11. Weiterbildung - ein großes Schlagwort .......93 3.12. Wirtschaftswachstum über neue Produkte ...95 3.12.1. Handy ...........................................................95 3.12.2. Das Internet ..................................................96 7 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 3.13. Konzentration / Fusionen .............................98 3.13.1. Große Konzerne werden eher planwirtschaftlich als marktwirtschaftlich geführt. ....100 3.13.2. Monopolisten wie Microsoft hemmen den technischen Fortschritt ähnlich wie die Planwirtschaft, denn in Ihrem Marktbereich herrscht sie dann praktisch. 101 3.14. Aufbau Ost ein Misserfolg für 1250 Milliarden Euro ..........................................................102 3.15. Angebotswirtschaft – Nachfragewirtschaft 103 3.16. Krise des Einzelhandels .............................106 3.16.1. Der Handel könnte für Kundeninformation unabhängig vom Hersteller sorgen .............................106 3.16.2. Personalkostenabhängige Umsatzsteuer hauptsächlich vom Handel erhoben könnte den Handel wieder “handlungsfähig“ machen...............................107 4. Rückkopplung in der Technik und Natur .........108 4.1. In der Anfangszeit der Elektronik versuchte man auch positive Rückkopplung zu nutzen – mit fragwürdigen Erfolg ...................................................108 4.2. Sägezahnschwingungen..................................109 4.3. Die Kerze, die schönste positive Rückkopplung 110 4.4. Der Segen Negativer Rückkopplung Thermostat ..................................................................111 5. Wirtschaftswissenschaftliche Bemerkungen .....112 5.1. Inflation – Thermostat frühere Deutsche Bundesbank ................................................................112 5.1.1. Monetarismus .............................................113 8 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 5.2. Finanzmärkte scheinen keine echten Märkte zu sein – positive Rückkopplung über zu viel Optimismus 114 5.3. Das deutsche Wirtschaftswunder ...................116 5.4. Gleichgewichte im 18. und 19. Jahrhundert ...117 5.5. Überfluss- und Wegwerfgesellschaft .............117 5.6. Schwer erkennbare Warenqualität..................118 5.7. Die Leute wollen nicht zu wenig oder uneffektiv arbeiten, sondern können nichts mehr interessantes kaufen 119 5.8. Derzeitig diskutierte Sozialreformen und Steuererformen - Förderer der Arbeitslosigkeit .........120 5.9. Rentenreform ..................................................120 5.10. Weitere Wirtschaftliche Regelkreise sind notwendig ...................................................................121 5.11. Politik der Grünen – mehr Beachtung der Ökologie 122 5.12. Ansätze für Wege aus der Krise .................124 6. Generelle Betrachtung von Wirtschaftssystemen und ihrer Theorien .......................................................125 6.1. Wirtschaftspolitik hat etwas von dem Steuern eines Schiffes über den Atlantik.................................131 6.2. Die Möglichkeit, Form und Grenzen der neuen Regelkreise muss erforscht werden ............................131 6.3. Moral in der Wirtschaft und Staat ─ zu einem Interview mit dem Präsidenten des deutschen Bundesverfassungsgerichts, Hans Jürgen Papier .......133 Rückkopplungskreise in der Wirtschaft im Blickwinkel der Systemtheorie von Luhmann ................................137 9 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 6.4. Kurzcharakteristik des Systems Wirtschaft bei Luhmann.....................................................................137 6.5. Eigentum – Fundament der Wirtschaft – Staat unerlässlicher Stützpfeiler ..........................................139 6.6. Positiv rückgekoppelte Schleifen ─ Teufelskreise ..............................................................142 6.7. Kybernetik ─ Leistung und Grenzen in der Wirtschaft, Evolution, Globalisierung .......................145 6.8. Geldwirtschaft als Friedensstifter...................148 6.9. Wirtschaft als Schiff „Wellness“ ─ Klippen, Riffe und Eisberge im Fahrwasser fordern Steuermann zu ihrer Umschiffung .................................................149 6.10. Weitere Notwendigkeit von Kybernetik in der Wirtschaft ─ Gesetzgeber gefordert ...........................152 6.11. Gefahr der Spaltung in einen realen und einen eher virtuellen Geldkreislauf ......................................153 7. Weitere Anregungen zur Abschaffung der Teufelskreise .................................................................158 7.1. Solidarsystem der gesamten Gesellschaft - Weg aus der Ratio-Arm-Spirale .........................................158 7.2. Umsatzsteuer personalkostenabhängig finanziert die Sozialkosten .........................................................158 7.3. Personalkostenabhängige Umsatzsteuer verlangsamt den technischen Fortschritt – Ist das für den Wirtschaftstandort gefährlich oder eher günstig? ......160 7.4. Ist eine Verlangsamung des technischen Fortschritts nicht gerade tödlich für eine Volkswirtschaft? ........................................................165 7.5. Personalkosten im Handel ..............................166 10 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 7.6. Beweglichkeit der Arbeitssuchenden .............169 7.7. Gibt es eine Chance z.B. über Umsatzsteuerformen sich sozial vom Weltmarkt abzukoppeln ...............................................................172 7.8. Regelkreise im Gesundheitswesen .................176 7.9. Regionale Märkte und Entwicklungsausgleich – Internationale Treuhänder ..........................................181 8. Warum eigentlich Geldwertstabilisierung .........183 8.1. Geld, Geldwert, Konjunktur ...........................183 8.2. Warum Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ......186 8.3. Welche rationalen Wege könnte es langfristig aus der derzeitigen Situation geben? Reservat für die kapitalistische Industrie ..............................................186 9. Grundsätze einer Wirtschaftsordnung mit freiem Markt. ............................................................................188 9.1. Ein freier Markt muss durch eine starke Marktordnung geschützt werden. ...............................188 9.2. Arbeitslosigkeit ist vom Kapital zu finanzieren, denn es verdient fast alleine an ihr .............................190 9.3. Arbeit statt Arbeitslosengeld für länger arbeitslose ...................................................................191 9.4. Regelkreise und Recht ....................................192 9.5. Private Altersversorgung und „Generationenvertrag“................................................193 9.6. Schwarzarbeit .................................................194 10. Einfaches Modell einer Minimalgesellschaft bei wachsender technologischer Effizienz - ein Gesellschaftsmärchen ...................................................195 11 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 11. Grundprinzipien eines freien Marktes ...........200 11.1. Gegen Schwingungsneigung des Marktes bei positiver Rückkopplung .............................................201 11.2. Private Marktmacht darf nie vergleichbar mit der Macht des Staates werden. ..................................202 12. Einige Bemerkungen am Schluss ....................203 13. Zusammenfassung ............................................206 15 Thesen.......................................................................212 Anhang A ......................................................................215 A 1. Ansätze zu einigen Steuerklassen und Hebesätzen die sich zur Regelung eignen ...................215 A 1.1. Personalkostenabhängige Steuersätze für den Handel 215 A 1.2. Ansätze zu einer Luxussteuer .....................217 A 1.3. Altersversorgung ........................................218 Anhang B.......................................................................219 B 1. zum Thema Kultur ...........................................219 B 1.1. Kultur und Marktidee .................................220 B 2. Effektivere Schulstruktur ................................221 B 2.1. Schule ist Kinderarbeit - sie sollte auch so bezahlt werden............................................................222 B 3. Weitere Regelkreise ..........................................224 B 3.1. Das Produktionssystem von Toyota ...........224 12 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft B 3.2. Regelkreise in der Kerntechnik ..................226 B 3.3. Kreditsicherung für Unternehmen ..............230 B 3.4. Fußballmannschaft ein Modell für eine Vernetzte Gesellschaft................................................233 B 3.5. Rolle der Kapitalisten für den Fortschritt ...234 B 3.6. Wertschöpfungen mancher Manager sind eher heiße Luft ...................................................................235 B 3.7. Zum Schlagwort der Staatsquote ................236 B 3.8. Einige Bemerkungen zum Geld .................238 B 3.9. Geldstabilität ..............................................240 Literaturverzeichnis .....................................................243 Stichwortverzeichnis ....................................................248 Der Autor ......................................................................257 Der Autor ......................................................................257 13 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Staat und Wirtschaft – eine Vorbemerkung Die Beziehungen zwischen Staat und Wirtschaft sind sehr vielfältig. Die wichtigsten sind: Der Staat bestimmt die Wirtschaftsordnung also die Rahmenbedingungen durch Gesetze entsprechend der Verfassung. Durch die Exekutive muss er die gesetzte Ordnung durchsetzen. International muss er seine Wirtschaft in die Weltwirtschaft einordnen. Im wesentlichen durch internationale Verträge. Der Staat ist aber auch ein Teil der Wirtschaft. Die meisten staatlichen Handlungen sind spezielle wirtschaftliche Aktivitäten, in denen der Staat die Wirtschaft als Teilnehmer beeinflusst - ob er nun will oder nicht. Die Wirtschaftspolitik bestimmt im wesentlichen die Richtung in die sich die staatlichen Handlungen zeitlich entwickeln. Der klassische Wirtschaftsliberalismus stolperte in den 1. Weltkrieg und scheiterte in der Wirtschaftskrise von 1929. Nach der darauf folgenden Katastrophe des 2. Weltkrieges war die Wirtschaftstheorie von Keynes vielfach anerkannt und man versuchte dieser zu folgen. Nach dieser Theorie versuchte man eine negative Rückkopplung (Gegenkopplung) zur Dämpfung der Konjunkturschwankungen einzuführen – also mehr Staatsausgaben bei Konjunkturrück14 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft gang und staatliche Sparsamkeit bei hoher Konjunktur. Nach anfänglichen Erfolgen scheiterte diese Politik. Die Zeitkonstanten der Regelwirkungen waren viel zu groß, d.h. die Gegensteuerung erfolgte immer viel zu spät. Die Reaktionsweise des Staates war an das Ziel nicht angepasst. Die Schwingungsphase war bis zur Wirkung der staatlichen Maßnahmen bereits um 180 Grad verschoben und aus der Gegenkopplung wurde eine Mitkopplung (positive Rückkopplung) welche die Schwingungen verstärkte. Dann wandte man sich der Theorie von Friedmann zu, die verlangte, der Staat sollte sich weitestgehend aus der Wirtschaftsbeeinflussung heraushalten und nur die richtige Geldmenge zur Verfügung zu stellen. Diese Theorie ist als Neoliberalismus oder Monetarismus bekannt. Eine wesentliche Grundlage für diese Theorie ist der Satz: „Jedes Angebot schafft sich selbst seine Nachfrage“. Bei Näherer Betrachtung setzt dies eine beliebig große Mobilität der Arbeitnehmer voraus. Aber schon Friedmann erkannte, dass man dazu wahrscheinlich eine gewaltige Bildungsförderung durch den Staat benötigt. Diese notwendige Mobilität ist bei langsamer technischer Entwicklung noch einigermaßen zu schaffen. Bei der heutigen schnellen Entwicklung erscheint das aber eher aussichtslos. Vernünftig wäre wohl eine sinnvolle Mischung aus beiden Theorien. Als Schlussfolgerung aus dieser Schrift ergibt sich: 15 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Staatliche Konjunkturausgaben müssen viel schneller variabel sein als Reaktionen der Wirtschaft. Die Umsetzung der technischen Entwicklung in die Wirtschaft muss verlangsamt und die Weiterbildung der Arbeitnehmern muss beschleunigt werden, so dass irgendwo freigesetzte Arbeitskräfte an anderer Stelle eingesetzt werden können. Erst wenn dieses zunächst als Ziel anerkannt und dann durch geeignete Maßnahmen umgesetzt wird, scheitern diese beiden großartigen Ansätze der Wirtschaftstheorie nicht mehr an dem unaufhaltsamen Wissensfortschritt in der Technik Die Rolle der Globalisierung ist eine Verschärfung all der hier diskutierten Probleme wie im nachstehenden gezeigt wird. Das Ziel der Globalisierung – nämlich Wohlstand für alle – kann also nur erreicht werden, wenn die richtige Geschwindigkeit eingehalten wird. Zu schnelles Fahren führt auch hier mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem vollständigen Crash. Positive und negative Rückkopplung Das heutige Verfahren des Staates Geld auszugeben und die Abgabenstrukturen, die das ungezügelte Freisetzen von Arbeitskräften für die Wirtschaftseinheiten rentabel machen, ermöglichen aus der heutigen Krise keinen Ausweg. Die Arbeitslosigkeit ist positiv rückgekoppelt Wichtige Grundlage der Wirtschaft wie allen Lebens ist die Rückkopplung. Positive Rückkopplung ist die Quelle von allem Wachstum. Wegen des Energieerhaltungssatzes 16 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft kann eine Sache nicht immer größer werden, sondern die positiv rückgekoppelte Struktur muss zusammenbrechen, was letztlich die Ursache des Todes aller Lebewesen ist. Gäbe es in der Biologie nur die positive Rückkopplung, würde alles schnell wachsen und dann alsbald sterben. Länger dauerndes Leben wird durch negative Rückkopplungen ermöglicht. Das Wachstum wird sehr verlangsamt, die Körpertemperatur mit einem Thermostat geregelt. Brechen wegen Überalterung diese Gegenkopplungen zusammen, stirbt das Lebewesen. Am drastischsten macht sich das Verschwinden der Verzögerung des Wachstums bemerkbar. Das ist der Krebs. Die freie Wirtschaft lebt von der positiven Rückkopplung über den Markt. Wirtschaftlicher Erfolg bringt wirtschaftlichen Erfolg. Aber auch wirtschaftlicher Misserfolg bringt weiteren Misserfolg. Ungebremste Rationalisierung bringt Massenarbeitslosigkeit und damit Kaufkraftschwund, was zu weiterer Arbeitslosigkeit führt und das zu weiterem Kaufkraftschwund und weiterer Rationalisierung und immer so weiter. Ohne eingebaute negative Rückkopplungen gibt es nur sehr starke Schwingungen und Spiralförmige Teufelskreise in den Abgrund. Dass man in der Wirtschaft negative Rückkopplungskreise einbauen kann, hat die Geldwertstabilisierung durch die 17 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Deutsche Bundesbank gezeigt. Deutschland hatte praktisch weltweit die kleinste Inflation über 50 Jahre. Monetarismus ist wie ein Regelungsversuch eines Automotors über die Menge des Schmieröls. Besser scheint immer noch ein wacher Fahrer mit Gas und Bremse zu sein. Diese Schrift untersucht die wirkenden Rückkopplungskreise und zeigt stabilisierende Rückkopplungsmöglichkeiten auf. Die Steuerungsversuche der heutigen Politik, die als Reformen verkauft werden, haben in einem rückgekoppelten System nur eine sehr kurzfristige Wirkung. Die vorhandenen Rückkopplungskreise sind allemal stärker. Man sollte wohl provozierend behaupten: Nur eine Wirtschaftstheorie in welche die Theorie der Rückkopplungen voll integriert ist, hat eine Chance auf Erfolg. Die Betrachtung quasistationärer Gleichgewichte – wie heute weitgehend üblich - vernachlässigt weitgehend die Dynamik des technischen Fortschritts in der Wirtschaft und ist bei dem heutigen Entwicklungstempo der Technik nicht mehr adäquat. 18 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 19 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Vorwort Anfangs der 60er Jahre war ich mit dem Aufbau eines Elektroniklabors im damaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe beschäftigt. Die Auswahl von Messgeräten zur Beobachtung der Eigenschaften der von uns entwickelten elektronischen Geräten war für uns ein sehr wichtiges Thema. Das Oszilloskop - oder ungenauer gesagt - der Oszillograph war eines der wichtigsten Geräte. Am Bildschirm konnten wir den zeitlichen Verlauf der Signale verfolgen. Um das Bild scharf und im richtigen Zeitmaßstab und Spannungsmaßstab zu sehen, musste man bei den damaligen Geräten beim Verstellen einer Größe auch alle anderen wieder neu einstellen, denn alle wurden dabei verstellt. Das führte oft dazu, dass anstelle einer kleinen Drehung an dem für die eine Größe zuständigen Knopf man nacheinander alle Knöpfe in mehrmaligem Durchgang nachstellen musste. In den damaligen Geräten war eigentlich alles von allem abhängig. Es war also damals in den elektronischen Geräten alles voneinander abhängig - genau wie in der derzeitigen Marktwirtschaft. Es war damals für die Elektroniker ein großes Ereignis, als die Firma Hewlett Packard ein Oszilloskop auf den Markt brachte, bei dem alle Knöpfe voneinander unabhängig waren. Beim Drehen an einem Knopf änderte sich nur die Größe, die an dem Knopf stand. Alle anderen Größen blieben wie sie waren. Hewlett Packard eroberte damit den Markt für genaues Messen. Siemens, Philipps und die anderen Marktführer waren vollständig aus dem Rennen. Hewlett Packard hatte 20 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft als erster Hersteller die Theorie der negativen Rückkopplung konsequent eingesetzt. Der höhere Preis für eine Reihe dafür nötiger Verstärkerröhren war leicht zu verschmerzen, gegenüber dem großen Vorteil, das komplexe Gebilde vernünftig handhaben zu können und nicht befürchten zu müssen dass der geringste Luftzug aus einen geöffneten Fenster alle Einstellungen irgendwie durcheinander bringen würde. Es dauerte dann einige Jahre, bis sich in der Raumheizung der Thermostat durchgesetzt hatte. Diese Anwendung der negativen Rückkopplung ist wohl inzwischen die populärste geworden. Allein die Firma e-g-o in Oberderdingen hat im Jahre 1999 über 27 Millionen Thermostate gefertigt, die zum großen Teil in Haushaltsgeräte eingebaut wurden. Aber noch früher wurde dieses Prinzip zur Inflationsbekämpfung in der Wirtschaft eingesetzt. Es war dies die Deutsche Bundesbank, die als selbständiges Institut – ausgestattet mit einem geeigneten Instrumentarium – die in der deutsche Wirtschaft vorhandenen Geldmengen so regelte, dass die DM eine der stabilsten Währungen der Welt wurde. War zu viel Geld im Umlauf, so dass die Preise zu klettern drohte, verteuerte sie das Geldleihen, war etwas zu wenig Geld im Umlauf, konnte man eine Zinssenkung bewirken, so dass Geld wieder billiger auszuleihen war. Diese Schrift will nun zeigen, dass in der deutschen Wirtschaft – und nicht nur da – eine ganze Reihe nicht negativer sondern nicht genau genug betrachteter positiver Rückkopplungskreise vorhanden sind, welche die Wirtschaft automatisch in nicht gewünschte Bereiche zwingen, aus denen sie mit den üblichen Methoden nicht herauszu21 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft halten oder herauszubringen ist. Weiter wird gezeigt, dass diese oder einige andere Rückkopplungen negativ gestaltet werden müssen. Die negativen Rückkopplungen bringen wie in der Elektronik und beim Thermostat ein System bei Abweichen vom Gleichgewicht wieder ins Gleichgewicht zurück. Die positiven Rückkopplungen verstärken aber die Abweichungen und verschlimmern sie in einem Teufelskreis, oft bis zur Zerstörung des Systems. Sie müssen also aus dem System entfernt werden und durch negative, stabilisierende ersetzt werden. Nur diese Umpolung der Rückkopplung ist eine echte Reform. Was zur Zeit versucht wird, entspricht einem hilflosen Herumdrehen an allen möglichen Knöpfen, die auch immer alles andere mitverstellen und die Sache immer schlimmer machen. Die hier vorgeschlagenen Reformen wollen aber nicht die freie Marktwirtschaft beinträchtigen, sondern sie von ständig verzerrenden Teufelskreisen befreien, sodass sie wieder nach der Theorie der alten Meister funktionieren kann. Diese Schrift zeigt bewusst nur einige prinzipielle Ansätze, wie das zu erreichen sei. Es wäre aber ein großer Erfolg, wenn eine Reihe von jungen Wirtschaftswissenschaftlern sich daran machen würden, die Theorie der negativen und positiven Rückkopplung eingehend zu studieren und wirtschaftswissenschaftliche Ansätze, die parallel zur Geldstabilisierung z.B. auch für eine Stabilisierung der Beschäftigung und eine Stabilisierung der Erfüllbarkeit von Kinderwünschen sorgen können, zu erarbeiten. 22 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 23 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Thermostat und Teufelskreise Rückkopplung und Regelkreise in der Wirtschaft Ethische Vorbemerkungen 1. Zwei Forderungen: Ehrfurcht vor dem Leben – Ehrfurcht vor dem Feuer Diese beiden Forderungen sollten auch die gestaltenden Prinzipien jeglicher Wirtschaft sein. Das erste Motto, Ehrfurcht vor dem Leben, stammt von Albert Schweizer. Es müsste aber schon das Motto eines denkenden Menschen sein, der zunächst nichts will als leben. Wenn sich ein Mensch seine Situation auf der Welt etwas genauer betrachtet, sieht er nur dann eine Chance zum Leben, wenn die Menschen um ihn herum ein Mindestmaß Ehrfurcht vor dem Leben besitzen. Eine andere Chance hat er nicht. So kann und muss die Gesellschaft, in der er lebt, auch von ihm Ehrfurcht vor dem Leben fordern. Ehrfurcht vor dem Feuer scheint für einen heutigen Menschen schon ein bisschen weiter hergeholt. Schon in Urzeiten war das Feuer im Herd eine wichtige Voraussetzung 24 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft für das Überleben. Heute ist die Energiequelle zum Kochen mit einem Handgriff einschaltbar und so selbstverständlich, dass man sie fast vergessen kann. Aber die Energiefrage ist nach wie vor akut. Sie ist keinesfalls nachhaltig gelöst. Feuer existiert fast immer in einer positiven Rückkopplungsschleife. Feuer schafft durch Erhitzen seinen gasförmigen Brennstoff selbst. Wenn es nicht gezähmt ist, wächst und wächst es bis alles erreichbare verbrannt ist. Der Herd war der erste Firewall, die erste Brandmauer. Siedlungen ohne gute Brandmauern sind früher oft vollständig abgebrannt. Noch im zweiten Weltkrieg sind alte Städte weitgehend den Brandbomben zum Opfer gefallen. Allein das moderne Berlin hatte ausreichend Brandmauern, so dass keiner der vielen Luftangriffe einen großen Flächenbrand entfachen konnte. Was hat das mit der Wirtschaft zu tun? Wirtschaft soll Grundlage des Lebens sein. Wenn das nicht ihr wichtigstes Ziel ist, und sie dies optimal leistet, ist sie trotz vieler Erfolge nicht in Ordnung und muss weiter optimiert werden. Positive Rückkopplungskreise ohne Firewalls zwischen einzelnen Elementen und Bereichen, führen auch in der Wirtschaft zu Katastrophen. 2. Recht auf Arbeit, bei Beachtung der Randbedingungen wirtschaftswissenschaftlicher Lehrsätze möglich und notwendig Das wirtschaftliche Hauptproblem in Deutschland heute ist die Arbeitslosigkeit. Über fünf Millionen Arbeitslose sind 25 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft offensichtlich ein Alarmsignal. Es fehlte aber in den letzten Jahren nicht an Versuchen, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das Problem ist also nicht neu und auch nicht jetzt erst erkannt. Als Beobachter der öffentlichen Diskussion muss man wohl feststellen, dass offenbar viele Gründe für die Arbeitslosigkeit gesehen werden. Da gibt es zunächst die hohen Lohnnebenkosten und die Forderung der Wirtschaft, diese zu senken. Was kann man damit erreichen? Die Lohnnebenkosten sind in Wirklichkeit Lohnbestandteile, die nicht verschwinden, sondern nach sozialen Gesichtspunkten umverteilt auch zu den Arbeitnehmern gelangen. Sie stellen also einen beträchtlichen Teil der Kaufkraft, die der Wirtschaft gegenübersteht dar. Eine echte Senkung der Lohnnebenkosten ist also eine entsprechende Absenkung der Kaufkraft. Das an Lohnnebenkosten bezahlte Geld geht ja nicht in einer Geldsenke aus dem Wirtschaftskreislauf verloren. Geldsenken im Wirtschaftskreislauf sind nur produktiv nicht genutzte Geldanhäufungen. Solche Geldanhäufungen spielen eine große Rolle auf den Kapitalmärkten. Diese Geldmengen stehen als Kaufkraft auf dem Warenmarkt nur zu einem sehr kleinen Teil zur Verfügung, da sie Eigentum von Menschen sind, die schon deshalb nichts kaufen, da sie schon alles haben, was der Markt bietet. Da nach derzeitiger Annahme die Arbeitslosigkeit nur abnehmen kann, wenn die Wirtschaft wächst, muss man Geldssenken, in denen Geld aus dem Wirtschaftskreislauf, verschwindet so gut es geht verschließen. Zu diese Geldsenken gehören vor allem auch Geldanlagen in den Börsen bei allgemeiner Kurssteigerung. Die Kurssteigerung ist eine Art Inflation von Anla26 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft gen in der Wirtschaft. Steigt der Kurs über einen normales Verhältnis vom Kurs zur Dividende, dann muss man ständig für zu erwartende Dividende mehr bezahlen. Solcher Preisanstieg ist schädliche Inflation. Der Anreiz zum Geldanlegen soll dann die zu erwartende weitere Kurssteigerung sein. Das führt dann zur bekannten Börsenblase, der dann von Zeit zu Zeit die Luft ausgeht. Zurück zu den Lohnnebenkosten. Sie sind also keine Geldsenken in denen das Geld aus dem Wirtschaftskreislauf fließ, im Gegensatz zu Kapitalanhäufungen, die nicht in der Produktion zu reellen Bedingungen angelegt sind. Die soziale Verteilung diese Lohnanteils sorgt vielmehr für eine Kaufkraftsteigerung derjenigen Menschen, die ihr Geld nirgends aufhäufen, sondern es nach Erhalt umgehend ausgeben, bzw. ausgeben müssen, wenn sie nicht weit unter dem in der Gesellschaft üblichen Lebensstandard absinken wollen. Von den wenigen Asketen, die ein vollständig alternatives Leben führen und etwa aus der Sozialhilfe Kapital ansammeln kann man absehen. Das wird offenbar von den Wirtschaftstheoretikern so nicht gesehen. Sie sagen Kapital ist die Voraussetzung von Investition. Nur Investition kann Arbeitsplatze schaffen. Also muss man die Lohnnebenkosten und die Unternehmenssteuern senken. So entsteht mehr Kapital. Und daraus entstehen dann durch Investition neue Arbeitsplätze. Wenn man die Wirklichkeit betrachtet, hat sich dieser Schluss in den letzten Jahren nie erfüllt, obwohl man immer in dieser Richtung gegangen ist. Daraus schließ man dann, dann die Schritte immer zu klein gewesen sind und daher drastisch 27 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft vergrößert werden müssen, da man an der wirtschaftlichen Logik nicht vorbei käme. Hier zeigt sich wie an vielen Stellen der gängigen Wirtschaftstheorien, dass diese bekannten und auch richtigen Sätze ohne ihre Randbedingungen zu berücksichtigen angewendet werden. Dieser Satz sagt, etwas genauer formuliert, vorhandenes Kapital ist die notwendige Voraussetzung um in neue Arbeitsplätze zu investieren. So ist der Satz unbestreitbar richtig. Er taugt aber nicht zu dem Schluss, man müsse die Unternehmen entlasten, dann entstehen neue Arbeitsplätze. Will man diesen Schluss ziehen, dann müsste der Satz nämlich heißen: Vorhandenes Kapital ist die notwendige und hinreichende Voraussetzung um in neue Arbeitsplätze zu investieren. Dieser Satz ist offenbar nicht erfüllt bzw. gültig. Man kann heute auch erfolgreich in das Wegrationalisieren von Arbeitsplätzen investieren. In diesen Fall ist das Kapital die Ursache von weiterer Arbeitslosigkeit, was sich in den letzten Jahren auch gezeigt hat. Daraus wir jetzt geschlossen, dass man neues Kapital entstehen lassen muss, um ihm Gelegenheit zu geben vielleicht in neue Arbeitsplätze investiert zu werden. Dazu müsste der obere Satz von der Notwendigkeit von Kapital für Arbeitsplätze aber unabhängig von Randbedingungen auch für das Hinreichend sein gelten. Die in der Zeit seiner ersten Formulierung vorhandenen Randbedingung war, es gibt nur wenig Kapital und das ist schon alles investiert. Diese Randbedingung war damals weitgehend erfüllt. Man sah sie wohl von Natur aus gegeben und hat daher, da man nichts unnötiges aufschreiben 28 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft wollte, diese Randbedingung nicht gleich hinter diesen Satz gestellt. Diese Randbedingung ist heute aber nicht erfüllt. Es gibt genügend Kapital, das gerne gewinnbringend angelegt wird. In einem Markt mit mangelnder Kaufkraft ist es aber gewinnbringender in den Wegfall von Arbeitsplätzen zu investieren als in produktive Arbeitsplätze für Dinge denen keine Kaufkraft gegenüber steht. Durch das Absenken der Lohnnebenkosten und der Steuern wird den Unternehmen von den Arbeitnehmern Kapital geschenkt. Auf grund der herrschenden Marktkräfte - also geschwundene Kaufkraft -bleibt diesen Unternehmen nichts anderes möglich als weiter zu rationalisieren und Arbeitnehmer zu entlassen. Da wäre schon eher umgekehrt erfolgreich. Anhebung der Steuern und Abgaben. Damit würde die Kaufkraft wachsen. Bei billigem Kredit wäre es dann wirtschaftlich geboten in Arbeitsplätze zu investieren um mehr verkaufen und verdienen zu können. Natürlich nur sehr moderat mit Augenmaß. Diese Betrachtung ist nur ein Beispiel an dem sich zeigt, dass wissenschaftliche und auch wirtschaftswissenschaftliche Sätze nur unter bestimmten Randbedingungen gelten. Und wenn etwas notwendig ist, dann ist es noch bei weitem nicht hinreichend, dafür gelten dann meist noch weitere Randbedingungen. Ohne die Betrachtung Randbedingungen kann ein wissenschaftlicher Satz aber nicht angewendet werden. Die Randbedingungen sagen ja gerade, wann er angewandt werden kann. Ohne Berücksichtigung der Randbedingungen sind Schlüsse aus solchen Sätzen keinesfalls zwingend und meist komplett falsch. Wenn 29 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft man sauber und überzeugend argumentieren will, dürfen keine Randbedingungen verschwiegen werden und es muss untersucht werden, ob sie in dem besonderen Fall auch gültig sind. Wie gesagt zur Zeit der Entstehung der Sätze – meist im 19. Jahrhundert oder anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts waren viele Randbedingungen weitgehend selbstverständlich gegeben und wurden dann nicht besonders betont. Heute hat sich ein großer Teil dieser Randbedingungen in ihr Gegenteil verwandelt, da die Wirtschaft in einer Überflussgesellschaft stattfindet und aus einer Nachfrageeine Angebotswirtschaft geworden ist. Im weiteren Verlauf des Buches wird die Marktwirtschaft unter dem Begriff der Rückkopplung betrachtet. Dies ist bisher nur in Ausnahmefällen geschehen. Die Rückkopplung ist aber wesentlichste Erscheinung in der Marktwirtschaft. Sie ist eine im Markt immer vorhandene Randbedingung. Ist sie nicht berücksichtigt, wird jede wirtschaftswissenschaftliche Aussage unbrauchbar in einem freien Markt. Mit den alten Mitteln der Wirtschaftswissenschaft kann also die Arbeitslosigkeit nicht wirksam bekämpft werden. Die menschliche Arbeit ist die einzige wirksame Quelle eines kultivierten Lebens. Kapital ist eine mögliche Hilfe um die Arbeitsteilung effektiv zu gestalten. Kapital ist heute aber eine vollständig immaterielle Größe. Falls also nicht genügend Kapital vorhanden sein sollte, ließe es sich ohne große Probleme z.B. durch den Staat erzeugen. 30 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Aber auch für den einzelnen Menschen ist Arbeit in den allermeisten Fällen unverzichtbar. Das ist auch dann der Fall, wenn durch irgendwelche Zahlungen ausreichende Kaufkraft zur Verfügung steht. Die Würde des Menschen, im deutschen Grundgesetz an erster Stelle geschützt, ist nicht gegeben, wenn der Mensch sein eigenes Schicksal nicht selbst weitgehend gestalten kann. Das ist als Unterstützungsempfänger auf Dauer nicht gegeben. Eine Wirtschaftsstruktur, die eine Vollbeschäftigung nicht garantieren kann, ist dann nicht konform mit dem Grundgesetz, wenn es möglich ist, diese Struktur so zu ändern, dass Vollbeschäftigung den Vorrang vor anderen Wirtschaftszielen, z.B. der Maximierung von Gewinnen an einem freien Markt erreicht. 1. In der belebten Natur und in der Technik sind in einem komplexen System alle Größen, die möglichst konstant gehalten werden sollen, mit Hilfe eines Regelkreises negativer Rückkopplung auf den Sollwert auf einen Sollwert eingeregelt. Das funktioniert auch im Bereich der Wirtschaft. Das exzellente Beispiel ist die Regelung der Geldmenge der DM durch die Deutsche Bundesbank. 50 Jahre konnte die Inflation in Deutschland so in sehr engen Grenzen gehalten werden. Daher sollten alle wirtschaftswissenschaftlichen Forscher versuchen für die übrigen Wirtschaftswissenschaftlichen Ziele andere Regelkreise zu erfinden, denn en Regelkreis kann nur ein Ziel richtig verfolgen. In der Natur und in der Technik gibt es in den 31 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft meisten Systemen eine ganze Reihe von Regelkreisen, die unabhängig voneinander Größen stabilisieren, die nicht separat stabilisiert sich gegenseitig beeinflussen. 1. Aspekte des Freien Marktes 1.1. Freie Marktwirtschaft bedeutet: Wirtschaftsentwicklung ist Wirtschaftsregelung durch Rückkopplung über den Markt Der freie Markt ist ein wesentliches Charakteristikum der Gesellschaft der westlichen Welt. Der Wohlstand wird allgemein darauf zurückgeführt. In neoliberalen Kreisen und weit darüber hinaus wird er deshalb gern als Allheilmittel für fast alle gesellschaftlichen Probleme gesehen. Der freie Markt ist ein Rückkopplungskreis. In einem Rückkopplungskreis wird das Ergebnis eines Geschehens auf die Ursache des Geschehens zurückgekoppelt, wodurch das Geschehen verstärkt oder gehemmt wird. Im freien Markt ist das kurz gesagt etwa so, wenn die Kunden zufrieden sind, steigt der Umsatz eines Herstellers, wenn die Kunden unzufrieden sind, fällt der Umsatz und das Produkt verschwindet wahrscheinlich vom Markt. Der Freie Markt ist also ein System, dessen Parameteränderungen prinzipiell positiv rückgekoppelt sind. Erfolg verstärkt den Erfolg, Misserfolg verstärkt den Misserfolg. Nach diesem Prinzip ist eigentlich primär alles Leben eingerichtet. Dieser Markt leistet offenbar sehr viel, aber doch nicht alles. 32 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Der Freien Marktwirtschaft stand lange die Planwirtschaft des Ostblocks gegenüber. Da die beiden Wirtschaftssysteme getrennt politisch organisiert und militärisch hochgerüstet einander gegenüberstanden, waren sie nicht nur zueinander systemtheoretisch in Konkurrenz, sondern mussten sich den entsprechenden Völkern nützlich zeigen. Das hat im Osten dazu geführt, dass man mit technischen Hochleistungen z.B. in der Raumfahrt besser dastehen wollte als die Konkurrenz. Im Westen entwickelte sich eine Art Konsumparadies. In Europa wurde dabei aber wohl wegen der Nähe zum sozialistischen System im Ostblock eine sozialere Entwicklungsrichtung eingeschlagen als z.B. in den USA. Im nächsten Kapitel ein grober Überblick, was der freie Markt leisten kann, und was nicht. Es gab aber in Deutschland auch - und gibt hoffentlich auch in Europa der Zukunft - einen weiteren wichtigen und zwar nicht positiv sondern negativ rückgekoppelten Rückkopplungsregelkreis - nämlich die Geldwertstabilisierung der Notenbanken. Es existierten und existieren also in Deutschland zwei wesentliche Regelkreise nebeneinander, die sich wahrscheinlich gegenseitig gestützt haben. Jedenfalls behauptet selten jemand, die Wirtschaft im freien Markt Deutschland wäre besser gelaufen, wenn es die Geldwertstabilisierung durch die Bundesbank nicht gegeben hätte. 33 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 1.2. Was leisten die in der deutschen Wirtschaft wirkenden Rückkopplungskreise und was nicht Der Freie Markt also der Rückkopplungskreis über das Kriterium Preis/Kundennutzen garantiert weitgehend die effizienteste Herstellung von Wirtschaftsgütern. Darauf ist im wesentlichen der Wohlstand im Westen zurückzuführen. Die Planwirtschaft im Osten mit sehr schwacher Rückkopplung über den Markt musste wegen der ungenügenden Rückkopplung zwangsläufig scheitern. Die Geldwertstabilisierung durch die Notenbanken ermöglicht das Bewahren von Geldwerten über längere Zeiträume. Was diese beiden Regelkreise bisher praktisch nicht in überschaubaren Zeiträumen geleistet haben, sind die weiteren wichtigen Gesellschaftsaufgaben: 1 Eine die Gesellschaft stabilisierende als gerecht empfundene Verteilung der durch die Marktwirtschaft erzeugten Güter bzw. des Reichtums 2 Eine nachhaltig ökologisch verträgliche Verwendung der Ressourcen 3 Eine gesellschaftlich verträgliche und damit stabilisierend wirkende Verteilung der noch verbliebenen Arbeit oder ein adäquater Ersatz für diese 4 Das Stoppen des Auseinanderdriftens von Kinderwunsch (nach Umfragen immer noch bei 3) und Erfüllen des Kinderwunsches (weit unter 2) in weiten Teilen Europas und damit z.B. die Stabilerhaltung der Rentensysteme 5 Eine Erhaltung der kulturellen Werte auf dieser Erde 34 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Da die beiden weitgehend existierenden Regelkreise in ihrem Wirkungsbereich früher für völlig unmöglich gehaltene Erfolge erzielt haben und diese Erfolge durch die entsprechenden Theorien auch plausibel und nicht rein zufällig sind, erscheint es dringend notwendig, für diese fünf anderen Bereiche ebenfalls auf sie wirkende Regelkreise zu etablieren. Durch die heute im Felde der Globalisierung vorhandenen Möglichkeit, gewisse Rechtstrukturen weltweit zu etablieren, muss man sich hier nicht auf Utopien beschränken, sondern muss wissenschaftlich begründete Modelle erarbeiten, nach denen man weltweite Rechtsstrukturen einführen kann, welche die Erfolge der beiden bereits bestehenden Regelkreise - Marktwirtschaft sowie Geldwertstabilisierung durch Notenbanken und deren internationalen Überbau - auf diesen fünf anderen Gebieten ebenfalls erreichen. Geschieht dies nicht, wird man mit den ad hoc versuchten Steuerungen und eben nicht Regelungen, die meist viel zu vollmundig als Reformen gepriesen werden, Gefahren heraufbeschwören wie die z.B. über den Terrorismus schon drohend gewordenen Instabilitäten der Weltgesellschaft. Man wird nämlich damit ebenso wenig Erfolg haben, wie die gesteuerte Wirtschaft in den ehemaligen Ostblockstaaten. In einer Beschreibung des Sachverständigenrates der Deutschen Wirtschaft wird als eine der obersten Richtlinien für seine neoliberale Politik gesagt, die freie Wirtschaft sei ein 35 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft stabiles System mit dem Rückkopplungskreis wie ein Thermostat. Als Ursache, dass es nicht funktioniert, sieht man historisch gewachsene oder überständige Wirtschaftshemmnisse, die man nur abbauen müsste, damit der Thermostat richtig arbeitet. Das ist eine völliges Missverständnis des Thermostaten. Der Thermostat verlangt die Vorgabe einer Solltemperatur. Übereine negative Rückkopplung und eben nicht eine positive Rückkopplung regelt der Thermostat die Abweichungen von der Solltemperatur aus. Wie später gezeigt ist das freie Feuer positiv rückgekoppelt. Das ist das System eines jeden Schadensfeuers. Das Ergebnis ist aber nicht eine angenehme Raumtemperatur sondern das abgebrannte Haus. Im Winter kann es dabei auch zwischendurch mal angenehm warm werden. Das Feuer muss man immer gegengekoppelt regeln also drosseln, wenn es zu arg wird, und anregen, wenn es auszugehen droht. Den Ofen als Brandmauer und die Brandmauern zwischen den Häusern darf man aber auch nicht vergessen, sonst ist die ganze Stadt abgebrannt. Das positiv rückgekoppelte Wirtschaftssystem als ein inhärent stabiles System anzusehen, ist also in keinem Fall zu rechtfertigen. Das hat auch Luhmann schon betont. 36 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 1.3. Rückkopplung im Markt Die unsichtbare Hand nach Adam Smith, wie wirkt sie heute und wann nicht - Marktmacht behindert sie stark Hier soll betrachtet werden, wie die Rückkopplung am Markt im wesentlichen funktioniert. Gehen wir zunächst einmal noch von einem Bedürfnis aus. Der Kunde will etwas kaufen, das er braucht. Klassisch begibt er sich in einen Laden, der etwas anbietet, das dieses Bedürfnis zu stillen verspricht. Dort findet er in der Regel mehrere Angebote, die infrage kommen. Er vergleicht – auch in einigen anderen Läden - die erkennbare und behauptete Qualität auch im Sinne von Ästhetik, Umweltverträglichkeit usw. und die Preise. Er wird dann wahrscheinlich das kaufen, was sein Bedürfnis nach seinen Vorstellungen zu einem möglichst günstigen Preis stillt. Dies bringt Umsatz beim betreffenden Hersteller, er produziert weiter und mehr. Werden andere Waren auf diese Weise von Kunden weniger oder nicht gewählt, bleibt deren Umsatz schwach und wird meist ständig schwächer bis das als schlechter beurteilte Produkt schließlich vom Markt verschwindet. Wenn das so funktioniert, schafft der Markt ein optimales Ergebnis. Die Welt wird schöner, gesünder und die Menschen zufriedener. So hätte Adam Smith auch den freien Markt darstellen können. Die Tatsache dass der Käufer über die Waren keine genauen Kenntnisse hat, ist dabei nicht weiter schlimm. Es wird halt nicht die allerbeste aller Welten entstehen, sondern nur eine sehr gute, die ein biss37 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft chen mehr oder weniger vom theoretisch erreichbaren entfernt liegt. Zu Zeiten von Adam Smith war das auf den Wochenmärkten auch für die Hausfrauen praktisch möglich. Ihre Warenkunde wurde durch tägliche Erfahrung so weit gesichert, dass eine Rückkopplung mit umgekehrten Vorzeichen so selten vorkam. So war dadurch das volkswirtschaftliche Ergebnis in keiner signifikanten Weise gestört. Wie ist das aber heute. Am wochenmarktähnlichsten ist heute etwa ein großer Supermarkt. Die mangelhafte Warenkenntnis des Konsumenten wird durch den speziell ausgebildeten Einkäufer des Supermarktes unterstützt. Es stehen nur einwandfreie Waren im Regal. Es bedarf trotz der heutigen Warenfülle wesentlich weniger Warenkenntnis seitens der Hausfrau. Und wenn sie sich trotzdem schwer entschließen kann, gibt es über den Lautsprecher Hinweise auf Sonderangebote, die entweder Probekäufe neuer Waren mit nicht zu großen Kosten ermöglichen, oder Waren, für die der Regelpreis zu hoch war, um in geplanter Menge verkauft werden zu können, jetzt für weniger Geld zu haben sind. Bei letzteren ist der Verdienst des Supermarktes geringer als angenommen und diese Waren werden daher in Zukunft vorsichtiger bestellt. Die Zwischenschaltung eines kompetenten Supermarktes hat also nicht nur logistische Vorteile - man braucht nur noch in einen Laden - auch muss der Konsument nur noch relativ wenig wissen. Der Supermarkt übernimmt einen Großteil der geistigen Arbeit beim Einkauf als Dienstleistung. So ist die Funktion einer sinnvollen Rückkopplung auch möglich, wenn die Warenkenntnisse der Verbraucher 38 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft dafür unzureichend wären. Je größer der Supermarkt ist, je mehr Sachverstand kann auf die einzelne Warenart angewendet werden. Ein hochkarätiger Einkäufer bringt zu einem mäßigen Preis den Sachverstand in den Einkauf von hundert oder tausend Läden. Tausend selbständige Ladenbesitzer wären dem vielfältigen Angebot viel weniger gewachsen. Eine Überbrückung dieses Dilemmas waren schon früh Einkaufsgenossenschaften selbständiger Händler. Da hier aber dem Händler letztlich die Entscheidung überlassen werden muss, gibt es hier eine ganze Menge Reibungsverluste durch sich widersprechende Meinungen die durch mangelnden Sachverstand der Entscheider verursacht wird. So betrachtet sieht die Sache sehr gut aus. Die Sache wird aber dann kritisch, wenn nicht die beste Belieferung der Kunden das Ziel eines Supermarktes ist, sondern die Maximierung des Gewinns. Der kann nämlich auch gesteigert werden, wenn man eine etwas mindere Ware ins Sortiment nimmt und einen höheren Preis verlangt. Ein Supermarkt hat auch gegenüber dem Hersteller eine solche Macht, dass er über das nützliche hinaus deren Preise drücken kann, so dass sich die Qualität rückläufig entwickeln muss. Wenn es nur sehr wenige große Supermarktketten gibt, hat unter der Prämisse Gewinnmaximierung der Supermärkte aber ein Hersteller hochwertiger Waren kaum eine Chance seine Waren entsprechend abzusetzen. Der Endverbraucher ohne genügend Qualitätskenntnis, kann hier nicht korrigierend eingreifen und der Markt funktioniert hier nur noch scheinbar richtig, genauer besehen funktioniert er falsch. 39 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Die positiven Wirkungen aller Vorgänge an einem freien Markt, können bei Ansammlung von Macht in ihr Gegenteil verwandelt werden. Mann kann also daraus folgern, je größer die Marktmacht von Handelsunternehmen wird, je eher schlägt der Vorteil höheren Wissens von besseren Waren zu schlechteren Waren um. Das wird durch die Möglichkeit von Personaleinsparungen in Zeiten von Arbeitslosigkeit noch stark verschlimmert, denn dadurch schwindet die Kaufkraft, was die Konsumenten weiter zu noch billigeren aber auch minderwertigeren Waren greifen lässt. Die positive Rückkopplung führt hier also nicht zu immer mehr und besseren Waren, wie die Theorie voraussagt, sondern als Teufelskreis zu seinem direkten Gegenteil. Der Kaufvorgang bewirkt die Rückkopplung über die Warenqualität - oder über ein Werbefoto auf der Packung Der tatsächliche Kaufvorgang bewirkt also die Rückkopplung. Der in der Theorie erfundene Homo Ökonomikus, der also seinen zu erwartenden Vorteil durch die Anschaffung mit dem Preis vergleicht und daraus rational seine Kaufentscheidung und damit gleichzeitig das Rückkopplungssignal aussendet, gibt es aber nicht, sondern diese Entscheidung trifft ein wirklich vorhandener Mensch. Wahrscheinlich schaut ein Mensch die Ware, die er kauft von Natur aus zunächst einmal an. Dann riecht er vielleicht daran und befühlt sie möglichst. Letzteres war zwar auf dem Wochenmarkt nicht gern gesehen – aus hygienischen Gründen. Diese drei natürlichen Entscheidungs40 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft grundlagen entfallen im Supermarkt heute weitgehend, dafür sorgt die Verpackung, die heute vom Hersteller gleich mitgeliefert wird. Früher nahm der Händler dazu oft Zeitungspapier. Heute arbeitet ein Heer von Designern daran, die Verpackung so zu gestalten, dass von ihr ein so großer Kaufanreiz ausgeht, als ob man die Verpackung kaufen wollte. Je besser der Designer der Verpackung ist, je besser sollte man die Ware erkennen können, obwohl sie aus hygienischen und logistischen Gründen nicht mehr direkt zeigen kann, sondern sie verpacken muss. Deshalb findet man auch Fotos der Ware auf der Packung. Da es zu teuer wäre, die Waren vor dem Verpacken zu photographieren und dann das Photo auf die Verpackung zu kleben, hat sich auch hier eine ganze Zunft gebildet mit dem Ziel, Waren möglichst so zu photographieren, dass ein möglichst großer Kaufanreiz aus dem Bild entsteht. Der Käufer koppelt über den Kauf also nicht hauptsächlich sein Wissen über die Qualität der Waren zurück, sondern er berücksichtigt dabei in hohem Maße auch die an sich sachfremde ästhetische Qualität des Photos und der ganzen Packung. Da zu einer Entscheidung nur relativ wenig Information im Kurzzeitgedächtnis des Menschen zur Verfügung steht und zuvor gelerntes sachliches Wissen erst mühsam aus den Gedächtnis hervorgekramt werden muss, kann es nicht ausbleiben, dass der optische Eindruck, der die ganze Zeit der Entscheidung voll zur Verfügung steht, oft alles andere „überstimmt“. Wenn das nicht so wäre, könnte die graphische Branche nicht so viel Umsatz machen. Schon aus der Betrachtung der Rolle der Verpackung geht hervor, dass es einen rational entscheidenden Homo Öko41 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft nomikus recht selten gibt, und damit die wohltätige unsichtbare Hand im Markt nicht das Positive für die Gesellschaft ohne weiteres Zutun erzeugen kann. Das Ergebnis des Marktes ist also nicht zwangsläufig gut, sondern zu einem bedeutenden Teil manipulierbar und heute auch manipuliert, zum Nutzen der Manipulatoren. Der Satz, so viele Kunden können sich nicht irren, ist auch heute noch nicht ganz falsch, aber einige wenige Manipulatoren, auf die es ankommt, können sich wohl irren, wobei ihr oberstes Ziel bei der Manipulation oft gar nicht „beste Versorgung“ ist, sondern „bester Gewinn“. 1.4. Shopping, anstatt Homo Ökonomikus Homo Ludens Bei diesem Phänomen kommt der Homo Ökonomikus noch sehr viel weniger ins Spiel, schon eher der Homo Ludens, der spielende Mensch. Die Sache wird manchmal als Erlebniseinkauf gerühmt. Es wird dabei weniger ein Erlebnis eingekauft als durch das Kaufen etwas erlebt. Da die Sache sehr zeitaufwendig ist, eignet sie sich weniger, ein bestimmtes Bedürfnis zu befriedigen, als angenehm die Zeit zu verbringen. Die Sache muss einen bestimmten Reiz haben. Wenn hier der Markt überhaupt eine Notlage beheben soll, dann die Not an Einfällen, was soll man denn kaufen. Beim weitgehend ziellosen Schlendern durch ein unermessliches Warenangebot stößt man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf einen Gegenstand, von dem man sich in der augenblicklichen Stimmung vorstellen kann, dass er einem in einer bestimmten Situation Freude bereiten könnte. Lässt man dieser Phantasie spielerisch ih42 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft ren Lauf und merkt oder glaubt dabei, dass man seinen Traum auch verwirklichen könnte, wird das Ding gekauft. Bei genügender Übung ist es wohl auch möglich, dass man sich so Dinge zulegt, die das Leben bereichern, obwohl für das Ding vorher kein Bedarf bestand. So können Bezirke zum bummelnden Shopping den Umsatz der Geschäfte anheben und für die, welche shoppen ein angenehmes Verbringen der Zeit ermöglichen. In diesem Bereich ist das Ergebnis der Rückkopplung über den Verkauf viel schwerer vorauszusehen als im Bereich benötigter Waren. Das hat für weniger betuchte den Vorteil billiger und teils sehr billiger Schlussverkäufe. Die Zahl der shoppenden wächst in der Stagnation nicht, aber das Angebot steigt, da viele Anbieter auf das Shopping setzen. Hier ist also für Anleger eine gute Möglichkeit Geld zu verlieren. 1.5. Kapital in der Wirtschaft – Rückkopplung über erwartete Rendite, sie führt bei fehlender Kaufkraft leicht in Kapitalvernichtung und Arbeitslosigkeit In der derzeitigen Wirtschaft ist der Kapitalmarkt weitgehend globalisiert. Die freie Beweglichkeit des Kapitals wurde propagiert und durchgesetzt in der Annahme, Kapital sei ein rares Gut und erbringt seine beste Effizienz, wenn es frei beweglich dahin fließen kann, wo es die meiste Rendite verspricht. Das stimmt sicher dann, wenn das Wirtschaften für die Weltgesellschaft das Ziel hat, das Kapital nach Möglichkeit – zumindest für den Augenblickzu vermehren. Ob das einen Sinn macht, hängt natürlich 43 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft davon ab, was mit dem Kapital gemacht werden soll - oder besser - tatsächlich gemacht wird. Klassisch ist das wohl so gesehen: Das Kapital stellt die Produktionsanlagen bereit. Arbeitnehmer erzeugen mit diesen Anlagen brauchbare Waren und verbessern so den Lebensstandard der Gesellschaft. Da menschliche Tätigkeit die einzige Möglichkeit ist, den Wohlstand zu vermehren, ist das auch zunächst ein schlüssiger Gedanke. Wichtig ist bei dieser Überlegung zunächst das noch nicht investierte Kapital. Nur dieses ist frei beweglich. Einmal investiertes Kapital hingegen ist weitgehend unbeweglich – bei der heutigen Technologie. Geht die technische Entwicklung schnell weiter, wird die nach der alten Technologie hergestellte Ware aus dem Markt gedrängt und das hier investierte Kapital ist Schrott, also weitgehend verloren. Am ehesten sind hier die Immobilien noch mobil. Sie können am ehesten einer neuen Nutzung zugeführt werden. In einer Zeit des raschen technischen Fortschritts wird das frei bewegliche Kapital immer in das die meisten Rendite versprechende Projekt gesteckt und das ist der Aufbau einer neuen Fertigung mit möglichst geringen Personalkosten, zur Fertigung von Produkten mit den größten prognostizierten Umsatzchancen. Wenn dieser Sache genügend Kaufkraft gegenüberstünde, würde so Wirtschaftswachstum und Wohlfahrtswachstum entstehen. Bei begrenzter Kaufkraft kann aber das neue Produkt nicht zusätzlich verkauft werden, sondern muss Waren mit relativ höheren Personalkosten verdrängen. Dies führt zu steigender Arbeitslosigkeit und das zu Kaufkraftschwund. Dieser Teu44 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft felskreis kann zeitweise durchbrochen werden, wenn die Konsumenten die neuen Waren trotzdem zusätzlich kaufen, also sich dafür Geld borgen. Das hat in Amerika offensichtlich eine ganze Weile funktioniert. Dieses System hat aber den Nachteil, dass finanziell potentere Menschen schon so viel besitzen und arbeiten, dass ihr Leben ausgefüllt ist. Die Leute, die noch genügend Zeit zum kaufen haben, kommen nur bei leichtsinniger Vergabe von Krediten an Geld und das führt in die bekannte Überschuldung der Haushalte. Der Ausweg ist dann die private Insolvenz. Wie weiter hinten1 dargestellt wird, scheinen freie Kapitalmärkte kaum blasenfrei funktionieren zu können. Das heißt einzelne Aktienwerte oder ganze Bereiche steigen übermäßig an und stürzen dann ziemlich steil ab. 1.6. Konjunkturzyklen 1.6.1. Ergebnis positiver Rückkopplungen nur durch den Einbau gegenwirkender, stärkerer negativer Rückkopplungen zu beherrschen analog dem Thermostat beim Feuer Die Intensität der wirtschaftlichen Aktivitäten unterliegt zyklischen Schwankungen. Diese Intensität wird gemessen an Zahlen, welche die Wertschöpfung durch die Wirtschaft ausdrücken. Die Zyklen haben oft eine Periodendauer von etwa 7 Jahren oder auch länger. Man hat die Ursachen für die Schwankungen und auch für die Periodendauer bisher 1 Siehe Kapitel 5.2. 45 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft nicht genau feststellen können. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es einfache, feststellbare und beseitigbare Ursachen gar nicht gibt. Die Wirtschaft ist ein nicht starr gekoppeltes System vieler ebenso nicht starr verkoppelter Untersysteme. Ein solches System ist schwingungsfähig. Da in diesem System eigentlich nichts statisch ruht und fast alles alles beeinflusst und sich meistens positiv rückgekoppelt verstärkt, muss ein solches System dauernd schwingen. Die kleinste Ursache kann ähnlich wie beim Wetter die schwersten Stürme verursachen. Wahrscheinlich ist die Hauptursache dieser Schwingungen in einer Verallgemeinerung des Energieerhaltungssatzes zu suchen, der in positiv rückgekoppelten technischen Systemen immer zu solchen Schwingungen führt. Die bekannteste Erscheinung dieser Art ist das Pfeifen von Lautsprecheranlagen. Praktisch jedes schwingungsfähiges System hat eine Reihe von sogenannten Eigenfrequenzen - mit zugehörigen Schwingungsdauern - in gewisser Ähnlichkeit mit einer Klaviersaite. Diese Eigenfrequenzen hängen bei der Klaviersaite vom Material, von ihrer Länge und von ihrer Spannung ab. Sie erzeugen den Ton, auf den die Klavierseite gestimmt ist. Das heißt also, schwingungsfähige Systeme haben zwar bestimmte Eigenfrequenzen in einem bestimmten Bereich, wobei sie aber durch gewisse Zustandsänderungen des Systems stark schwanken können. So ungenaue Schwingungsfrequenzen wie in der Wirtschaft treten immer dann auf, wenn sich während eines Schwingungszyklus der Zustand des Systems ändert. Und dieser Fall ist in der Wirtschaft heute sicher gegeben. Daher lässt 46 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft sich weder eine immer gültige spezielle Ursache (zusätzlich zum Energieerhaltungssatz) noch eine genaue Schwingungsdauer der Konjunkturzyklen bestimmen. Man kann sich aber über die Größenordnung der Schwingungsdauer unterhalten. Da die Kopplungen über gleichgerichtete menschliche Aktionen erfolgen muss, ist zu fragen, wie lange es dauert, bis eine genügende Zahl von Menschen auf eine bestimmte Art zu handeln gebracht werden kann. Der Boom vor dem Internetcrash brauchte die Synchronisation der Leute, die Hightech-Aktien kaufen. Bis diese Synchronisation zustande kam, dauerte es eine ganze Reihe von Jahren. Die Kauflust steigerte die Börsenkurse und die Börsenkurse steigerten die Kauflust. Diese positive Rückkopplung führte durch Überschwingen zu einer Art Luftblase, die ein spektakuläres Ereignis zum Platzen brachte. Es hätte auch ein anderes Ereignis als der 11. September 2001 sein können. Die realen Werte, die den Börsenkursen gegenüber standen, waren viel zu klein. Die Kurse sprangen schnell zurück, die nicht ganz soliden Firmen brachen zusammen und jetzt erholen sich die Kurse wieder. So etwas könnte vom Prinzip her viel schneller oder auch viel langsamer gehen. Es geschieht aber mit der Zeitkonstante, mit der man große Mengen von Menschen umerziehen kann. Mit Werbung, Reklame, Propaganda und dergleichen, dauert das etwa fünf bis zehn Jahre. Bei einem genügend spektakulären Ereignis springen dann die Ansichten der Leute binnen Tagen oder Wochen auf die alten Werte zurück, meist aber noch etwas weiter, so dass eine kräftige Schwingung entsteht, die dann langsam abebbt. 47 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Fünf bis zehn Jahre dauert auch üblicherweise die Schulzeit. Fünf bis zehn Jahre regiert auch ein Präsident der vereinigten Staaten. Der Nationalsozialismus hatte auch etwa fünfzehn Jahre in Deutschland eine Bedeutung. Man kann also hier abschließend bemerken, das die Schwingungsdauer eines sägezahnförmigen Konjunkturzyklus von der Kopplungsstärke der Menschen untereinander bestimmt ist. Normal verläuft im Wirtschaftsleben eigentlich alles in mehr oder weniger beliebiger Richtung. Für jede Entscheidung gibt es Argumente und Gegenargumente, sodass das System sich in einer Art Gleichgewicht befindet, wenigstens in einem quasistationären. Aber jeder wirbt für seine Ideen. Einer ist sicher am lautesten und/oder kann am besten argumentieren. Kann es der gleiche oder die gleiche Gruppe einige Jahre durchhalten, wird wieder ein neuer Zyklus in Gang gesetzt. Das geht dann, bis die sich selbst verstärkende Entwicklung weit über ein sinnvolles Ziel gesteigert hat, so dass sie zusammenbrechen muss. Aus diesen Überlegungen geht auch hervor, dass praktisch jede positive Rückkopplung zu einer Krise führen muss. 1.6.2. Analoge positive Rückkopplungen in der Technik Hier gibt es auch wieder eine Analogie zur Technik. Wenn man einen Verstärker baut, der nicht stark negativ rückgekoppelt ist, kann er leicht so einjustiert werden, dass eine zu starke positive Rückkopplung auftritt. Bekannt sind diese Rückkopplungen - wie gesagt - bei einer Lautsprecherübertragung eines Redners in einem Saal. Der Redner 48 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft spricht ins Mikrophon. Die elektrischen Signale aus dem Mikrophon werden verstärkt auf den Lautsprecher gegeben. Der Schall aus dem Lautsprecher kommt zum Teil wieder auf das Mikrophon zurück. Ist die Rückkopplung oder die Verstärkung stark genug, kommt es zu einem Pfeifen. Ein Signal wird in einer solchen Rückkopplungsschleife bei jedem Durchgang erhöht und ergibt ein immer ansteigendes Ausgangssignal. Dieses immer größer werdende Ausgangssignal bezieht seine Energie jedoch aus einer Spannungsquelle, die aufgrund ihrer Konstruktion nur eine Bestimmte Energiemenge pro Zeiteinheit liefern kann. Wird durch den Verstärker mehr Energie abgerufen, bricht die Spannung am Verstärker zusammen. Damit bricht auch seine Verstärkung zusammen und das Ausgangssignal geht auf Null zurück. Es herrscht also einen Moment Ruhe. Dann startet die Rückkopplung wieder von vorn. Es entsteht ein sägezahnförmiges Signal. Die Zahl der Sägezähne pro Sekunde ist dann die Frequenz des Pfeiftones. Man kann das System der Wirtschaft nur durch den Einbau von thermostatartigen negativ wirkenden Rückkopplungen schützen welche die Schwingung dämpfen. Sonst führt die positive Rückkopplung über kurz oder lang zu auch katastrophalen Schwingungsausschlägen, die das System zerstören können. Die Dämpfung der Inflation, die ohne besondere dämpfende Gegenkopplung an sich auch über die Lohn-Preis-Spirale positiv rückgekoppelt ist und oft zu katastrophalen Sägezahnschwingungen geführt hat, ist so der deutschen Bundesbank über 50 Jahre gelungen. 49 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Wie oben erwähnt braucht man, um die Sägezahnschwingungen zu erklären, jedoch nicht auf technische Beispiele gehen, sondern kann auch die Grundlagen der Physik betrachten. Hier gibt es den Energieerhaltungssatz. Praktisch alle Erscheinungen der Natur sind im Letzten Formen der Energie. Diese kann sich in einem abgeschlossenen System weder vermehren noch verringern. Energie kann nur von einer Form in eine andere übergehen. Irgendwelche wirtschaftlichen Aktivitäten benötige Ressourcen, die letztlich auch Formen der Energie sind. Ein positiv rückgekoppeltes System verwendet für sein Ziel alle erreichbare Energie und wächst dadurch. Ist die verfügbare Energie verbraucht, bricht das System zusammen und baut sich aus den Trümmern dann meist wieder auf. Ein ungebremst positiv rückgekoppeltes System führt also prinzipiell zu desaströsen Schwingungen. Diese Überlegung bedeutet aber nicht, dass man zu ihrer Gültigkeit die geistigen Energien nicht beachten und alles auf Materie zurückführen muss. Auch die geistigen Energien des Menschen sind durch seine Lebenskraft beschränkt. 1.7. Reformen viel Gerede aber keine Tat Das Wort Reformen ist im Moment ein wenig inflationär gebraucht. Es gibt zum Beispiel Luthers Reform eines Teils der Christenheit und das Reformhaus und auch schon eine ganze Reihe von Gesundheitsreformen in den letzten Jahren. Das Wort hat also keine sehr genaue Bedeutung. Wenn das Wort Reform mehr bedeuten soll als eine mehr oder weniger korrigierte Weiterentwicklung, so sollte sie etwas wesentliches ändern, so dass bildlich gesprochen ei50 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft ne neue Entwicklungsrichtung eingeleitet wird. Das ist aber in der Praxis des Wirtschaftslebens notwendig, wenn über einige Konjunkturzyklen negative Entwicklungen sich mit nur geringen Schwankungen fortsetzen. Das scheint im allgemeinen dann der Fall zu sein, wenn in einem System sich ungünstige positive Rückkopplungen salopper gesprochen Teufelskreise - herausgebildet haben. Dabei ist der Antrieb von Teufelskreisen meist der technische Fortschritt. Da dieser nicht zu beseitigen ist, verstärken sich die Teufelskreise dauernd. Sie entstehen aus ursprünglich positiv wirkenden Konstrukten, die meist durch Übertreiben ihres Effektes mehr negatives als positives erzeugen. Bis sich die Überzeugung, dass das bisher Gute sich in einen Teufelkreis verwandelt hat, weit genug durchgesetzt hat, dauert es wohl mehrere Konjunkturzyklen, die zwar kleine Korrekturen erzwingen aber keine echten Reformen. Ohne Katastrophen dauert es daher sehr lange, bis sich echte Reformideen durchsetzen. Eine echte Reform wird es in der Wirtschaft heute nur geben, wenn neben dem positiven Rückkopplungskreis über das Preis-Nutzen-Verhältnis und den negativen Rückkopplungskreis für die Geldwertstabilisierung durch die Notenbanken weitere thermostatartige Regelkreise etabliert werden. 1.8. Rückkopplung – Wesen der freien Marktwirtschaft Hier soll noch einmal betont werden: Wird eine neue Ware auf den Markt gebracht, tritt eine Reaktion des Abnehmers auf, die sich auf den Hersteller auswirkt. Das nennt man 51 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Rückkopplung, wie oben ausgeführt. Normalerweise ist diese Rückkopplung also folgendermaßen: Kommt die Ware beim Kunden gut an, steigt die Nachfrage nach dieser Ware und bewirkt eine Produktionsausweitung. Das Angebot erreicht noch mehr Kunden, womit die Nachfrage weiter steigt, was wieder höhere Produktion auslöst. Wird nun aber der Absatz kleiner so wird auch weniger produziert. Diese Rückkopplung verstärkt also die vorhandene Tendenz automatisch. Man nennt eine solche Rückkopplung positiv. Diese positive Rückkopplung ist normalerweise im Markt dominant. Diese Positive Rückkopplung nennt man auch Marktkräfte. Sie dominieren in der freien Wirtschaft und machen sie der Planwirtschaft überlegen, da Pläne falsch sein können, was man meist sehr spät merkt und damit nicht rechtzeitig korrigiert. In der freien Wirtschaft wird der langfristige theoretische Plan durch ein viel schnelleres Resultat bringendes Experiment nach dem Prinzip Versuch und Irrtum ersetzt. 1.9. Siegeszug der Elektronik erst nach allgemeiner Einführung von gegengekoppelten Regelkreisen – Die Theorie der gegengekoppelten Regelkreise ist ganz maßgeblich für die Erfolge in der heutigen Elektronik geworden und deren Anwendung hat sich dort erst in den 50er Jahren des 20ten Jahrhunderts durchgesetzt. Vor ihrer Einführung dieser negativen Rückkopplungskreise war ein Gerät mit mehreren Stellknöpfen sehr schwer einstellbar. Jedes Drehen an einem Knopf hat nicht nur die gewünschte Eigenschaft verstellt – wie oben schon erwähnt - son52 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft dern auch alle andere Eigenschaften, so dass man alles mehrmals nachstellen musste, statt nur an einem Knopf zu drehen. Es war auch da wie in der Wirtschaft. Jede Steuerungsmaßnahme hatte unübersehbare Folgen auf alles andere. Wie gesagt, das änderte sich bei elektronischen Geräten erst in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. Es ist daher nicht verwunderlich, dass man heute noch in der gängigen Wirtschaftswissenschaft nicht allzu viel von angewandter Theorie der Regelkreise finden kann. Wirtschaftswissenschaftler haben wohl bis jetzt nur in geringem Maße diese natur- und ingenieurwissenschaftliche Methoden so weit studiert, als dass sie kreativ in ihrer eigenen Wissenschaft eingesetzt werden. In Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftpolitik von 1992 wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Geldwertstabilisierung durch die deutsche Bundesbank überhaupt nicht in das System der Freien Marktwirtschaft passt, sondern darin nur ein nützlicher Fremdkörper ist. In der so erfolgreichen Elektronik aber ist heute die negative Rückkopplung eine der wichtigsten Regeln, die eingehalten werden müssen. Allerdings hat die Börsenwelt inzwischen erkannt, dass nicht nur Lebensversicherungen mit statistischen Methoden erfolgreich geführt werden können, sondern auch der Umgang mit Börsenkursen und die Absicherung gegen deren Schwankungen mit mathematisch ausgebildeten Physikern eher funktioniert als ohne diese. Man kann also mit sehr gutem Erfolg Methoden aus der neueren Naturwissenschaft auf wirtschaftliche Probleme anwenden. 53 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 1.10. Zielgleichgewichte zu betrachten genügt wohl nicht Wird nur der allgemeine Trend und das Zielgleichgewicht betrachtet, kann auf dem Weg dorthin viel passieren und unerwünschte Teufelskreise können das System unterwegs zu den vielleicht sogar paradiesischen Zuständen zerstören. Sehr auffallend ist, dass in wirtschaftswissenschaftlichen Überlegungen, wenn sie von Gleichgewichten, also der Wirkung der Rückkopplungen handeln, meist nur quasistatische Gleichgewichte zu sehen sind, also die Zielpunkte, auf die ein System im endgültigen Gleichgewicht hinstrebt oder ankommen soll. Dieses Gleichgewicht ist aber per se nicht prompt einstellbar. Möglicherweise können relativ lange Zeiten bis zur Einstellung des Gleichgewichtes vergehen. Daher erscheint es nicht sehr erfolgversprechend, den natürlich wesentlich schwierigeren zeitlichen Verlauf der Zustände bis zum ins Auge gefassten Gleichgewicht als zu umständlich auszuklammern. Es gibt in der Wirtschaftswissenschaft aber sehr viele quasistatische Betrachtungen, aber nur wenige dynamische. Wenn ein System auch einem wünschenswerten Gleichgewicht zustrebt, ist es trotzdem wichtig zu verhindern, dass auf dem Weg zu dem günstigen Gleichwicht das System Zustände erreichen kann, die für die Stabilität des System sehr gefährlich werden können und es möglicherweise vernichten. 54 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Die möglichen positiv rückgekoppelten Entwicklungstendenzen des Systems müssen erkannt werden, und wenn sie erkannt sind, wegen ihrer sehr schwer voraussehbaren wirklichen Entwicklung durch ergänzende negativ rückgekoppelte (gegengekoppelte) Regelkreise gedämpft und sicher in stabilen Bereichen des Gesamtsystems gehalten werden. Man kann also keinesfalls die Verteilung der Reichtümer und der Arbeit dem Zufall oder dem zufälligen Steuern durch Politik überlassen, sondern muss hier ebenso wirksame rückgekoppelte Regelkreise schaffen, wie sie über die Preis-Leistungs-Rückkopplung am Markt und die raschen Reaktionen der Notenbanken auf Geldmengen- und Geldwertindikatoren wirksam sind. 1.11. Der freie Markt ist eigentlich gar nicht frei Beim heutigen Markt immer von „Feien Markt“ zu reden, ist eigentlich eine sprachliche Irreführung. Wenn der freie Markt funktioniert, ist er für die einzelnen Marktteilnehmer durch die vorhandenen Rückkopplungen durchaus nicht völlig frei, sondern jeder Marktteilnehmer unterliegt zunächst einmal dem sehr strengen Druck der Marktkräfte – eben diesen Rückkopplungen. Hier kann nur überleben, wer in der Lage ist, diesen Druck auszuhalten. Die Freiheit besteht eigentlich nur darin, dass der Weg, auf dem man sich gegen diesen Druck am Leben erhält, gewisse Freiheitsgrade enthält. Aber gerade in diesen Freiheitsgraden liegt die Gefahr für das System. Wichtigstes Beispiel ist der heute zu beobachtende zeitweise Erfolg immer größer 55 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft werdenden Wirtschaftseinheiten und der Erfolg bei der Benachteiligung der wirtschaftlich schwächeren. Große Wirtschaftseinheiten funktionieren intern selten nach echten marktwirtschaftlichen Regeln, sondern ähneln eher den gesteuerten Wirtschaften des früheren Ostblocks. Es werden hier viel zu häufig Entscheidungen von notwendigerweise überforderter Konzernleitungen durchgedrückt. Die großen Pleiten der letzten Jahre können als Lehrbeispiele dienen. Dass diese am Ende auch viele kriminelle Manipulationen enthielten, war oft nicht die ursprüngliche Absicht der agierenden, sondern der verzweifelte Versuch zu überleben. 1.12. Kein freier Markt ohne Rechtssicherheit also gesetzlichen Zwang Der freie Markt kann aber auch nur in einem System mit großer Rechtssicherheit funktionieren. Wenn die Einhaltung von Verträgen nicht von der Staatsgewalt durchgesetzt wird, sind wirtschaftliche Tätigkeiten unmöglich. Aber auch die Gestaltungsmöglichkeiten von Verträgen muss durch die Staatsgewalt eingeschränkt werden, da sonst praktisch nur das Recht des Stärkeren respektiert wird. In der Praxis erfüllt die Staatsgewalt dies auch normalerweise weitgehend. 56 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 1.13. In rückgekoppelten Systemen sind starre Zahlenfestlegungen in Gesetzen meist weitgehend wirkungslos für ein bestimmtes angestrebtes Ziel Gesetzliche Vorschriften mit Zahlenangaben z.B. in Steuersätzen und in Beitragssätzen sind in einer freien Wirtschaft mit Rückkopplungskräften eigentlich völlig inadäquat. Beim Erlass einer solchen Vorschrift tritt in jeder Gesellschaft - insbesondere in einer modernen freien auch besser informierten Gesellschaft - sofort ein gewaltiger Rückkopplungsprozess ein, der die gewollte Wirkung des Erlasses über Kurz oder Lang weitgehend zum Verschwinden bringt. Jeder sucht nach einem oft auch legalen Weg, der gewünschten Wirkung des Gesetzes auszuweichen oder die gesetzten Schranken zu umgehen. Solche Gesetze sind daher im Grunde unvernünftig. 1.14. Das Gesetz für die deutsche Bundesbank ist Beispiel für wirkungsvolle Gesetze für die Wirtschaft Ein in diesem Sinne vernünftiges Gesetz, war das Gesetz für die ehemaligen Deutsche Bundesbank. Es waren darin keine Zahlen, sondern nur eine klare Zielangabe und klare Eingriffsmöglichkeiten definiert. Dieses Gesetz, bescherte 50 Jahre Geldstabilität. In einem freien Markt wirksame Gesetze müssen so beschaffen sein. Das Gesetz ist daher aber auch insofern ein Ausnahmenfall, als es 50 Jahre wirksam war. Genau aber das zeigt, dass die Gesetze mit festgeschriebenen Zahlen mit großer Wahrscheinlichkeit in einem freien Markt nur eine sehr schlechte Wirkung haben 57 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft können, da sie zahlenbezogen oft schon bei ihrem Inkrafttreten durch die Entwicklung überholt sind. Sie sind Fremdkörper, die allenfalls kurzfristige Störungen der vorhandenen Teufelskreise bewirken können, aber keine nachhaltigen Strukturen schaffen. Ein typisches Beispiel für Unwirksamkeit solcher Gesetze sind die sogenannten Gesundheitsreformen der letzten Jahrzehnte. 1.15. Gesetze ohne starre Zahlen und Planungssicherheit in der Wirtschaft Gegen Gesetze ohne starre Zahlen wird sehr wahrscheinlich der Begriff der Planungssicherheit der Wirtschaft eingewendet. Die Planungssicherheit der Wirtschaft durch definierte Zahlen in Gesetzen ist aber nur eine imaginäre Illusion. Wenn eine Abgabe nominell fest bleibt, nützt das meist gar nichts, wenn andere meist gewichtigere, unweigerlich rückgekoppelte Größen sich verschlechtern, wie z. B. die erzielbaren Preise und konjunkturbedingten Umsätze. Ein Unternehmen ist nur erfolgreich, wenn es auf solche sich meist relativ rasch ändernden Marktgrößen reagieren kann, oder sich dagegen entsprechend versichert. Die Beschlüsse der Bundesbank waren für manche Manager wohl unbequem. Im übrigen waren sie ähnlich gut vorauszusehen wie andere Markteinflüsse. Die Deutsche Wirtschaft ist jedenfalls daran nicht gescheitert. 1.16. Gegenkopplungsmöglichkeiten in der Wirtschaft zum Abbau der Arbeitslosigkeit Es ist folgendes gegengekoppeltes Denkmodell möglich: Nur bei Vollbeschäftigung ergibt sich durch Personalab58 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft bau eine Entlastung des Betriebes. Diese Entlastung nutzt auch der Gesellschaft. Die Arbeitskräfte können sinnvoll an anderer Stelle nutzbringend eingesetzt werden. Bei hoher Arbeitslosigkeit wird bei Entlassung durch steigende Abgaben eine höhere Belastung des Betriebes eintreten. Wenn das so ist, muss sich die Firma einer anderen Effizienzsteigerung bedienen z. B. Umorganisation, bessere Schulung, bessere Motivation, statt gleich neue Maschinen oder Computer einzusetzen. Das vermeidet auch andere Probleme, zumal bei erweitertem Computereinsatz zunächst die Rationalisierung mit Störungen verbunden ist, die Ruhe und Zufriedenheit am Arbeitsplatz zurückgeht und die Motivation gefährdet wird. Diese negativen Nebenwirkungen führen auch gern zu einen Qualitätsrückgang, was praktisch automatisch die Konkurrenzfähigkeit meist unbemerkt schwächt statt stärkt. Eine Abgabenerhöhung bei Rückgang des Personalanteils der Kosten in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit wäre also eine Gegenkopplung, welche die Freisetzung von Arbeitskräften bei hoher Arbeitslosigkeit nicht fälschlicherweise belohnt sondern bestraft, sie wirkt arbeitsmarktstabilisierend. Denkbar sind hier z. B. Personalkostenabhängige Umsatzsteuern. Die kann man dann voraussehen und sich entsprechend verhalten. Die Freisetzung von Arbeitskräften führt bei dem heutigen System zu einem momentanen Vorteil. Über die langfristige Rückkopplung, die meist zu einer Konjunkturschwäche führt, werden die kurzfristigen Vorteile aber leider meist durch diese Konjunkturschwäche auch auf betriebli59 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft cher Ebene überkompensiert, ganz zu Schweigen von den stabilitätsgefährdenden Gefahren hoher struktureller Arbeitslosigkeit. Wie das praktisch zu gestalten ist, müsste näher untersucht werden. Ebenso ein Weg zur Einführung dieses System mit einem sachten Übergang aus dem Alten. Das ist aber noch nicht Inhalt dieser Schrift. Hier soll nur das Ausarbeiten eines solchen Systems angeregt werden. 1.17. Anstoß zum wirtschaftswissenschaftlichen Nachdenken Diese Schrift versucht auch keine adäquate komplette Theorie vorzustellen, sondern eine Reihe von Gedankenansätzen vorzutragen, deren weitere Verfolgung aber ähnliche Erfolge zu zeitigen verspricht, wie die Geldwertstabilisierung durch die ehemalige Deutsche Bundesbank sie gezeitigt hat. Die entsprechende Gesetzgebung hat sich damals aber nur durchgesetzt über die verbreitete Furcht vor einer Wiederholung der deutschen Inflation von 1923. Man sollte jedoch die Gefahren zu hoher Arbeitslosigkeit nicht unterschätzen. Fast alle totalitären Regime der neueren Zeit sind auf zu hohe Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Verbreitete Wahlverdrossenheit und unterschwelliger Antisemitismus, sollten als deutliche Warnsignale begriffen werden, dass in unserer Gesellschaft stabilisierende Rückkopplungskreise akut von Nöten sind. Man sollte die Wirtschaft nicht von den Teufelskreisen der Augenblicksvorteile ruinieren lassen. 60 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Diese Schrift behauptet so ungefähr das Gegenteil des neoklassischen Theorems, dass sich in einem Wirtschaftssystem jedes Angebot seine Nachfrage selbst schafft. Letzteres gelingt nämlich nur durch eine Rückkopplung im Sinne von Wirtschaftswachstum. Zunächst kann jedes neue Angebot nur ein anderes verdrängen. Das neue Angebot muss mehr Kaufkraft schaffen als das alte. Direkt kann das bei Rationalisierung nicht geschehen, denn da werden ja Personalkosten eingespart. Nur wenn es gelingt, das gleiche Personal – an anderer Stelle - besser zu bezahlen, kann dabei neue Nachfrage entstehen. Ein positives Beispiel für eine Produktivitätssteigerung mit positiver Folge wäre, mit dem gleichen Personal höherwertiges zu produzieren und damit das Personal besser bezahlen zu können. Dieses Geld kann dann bei anderen auch wieder zu Kaufkraft werden. Dazu ist natürlich eine größere Geldmenge notwendig. Somit kommt der Geldmengensteuerung eine wichtige Aufgabe zu, einerseits eine Inflation zu verhindern, andererseits die jetzt als Gegenwert von größerem Warenwert die äquivalente Geldmenge gegenüberzustellen um die Deflation zu vermeiden. Ein Markt, der viel Werbung benötigt, ist an sich ein gesättigter Markt. Ein neues Angebot wird nicht gekauft, da man keinen Nutzen davon hat. Wenn man so nur die gleiche Menge wie zuvor verkaufen kann, entsteht für das theoretische Angebot keine Nachfrage. Werden aber die durch die Rationalisierung nicht mehr benötigten Personen Arbeitslos, so sinkt die Kaufkraft gegenüber vorher, die Wirtschaft wird also nicht wachsen sondern schrumpft. Wenn die Arbeitslosen jetzt einen Job mit weniger Ein61 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft kommen übernehmen, verdrängen sie auf dem Arbeitsmarkt Menschen, die momentan noch mehr verdienen, auch dadurch schrumpft die Wirtschaft. Das oben genannte Theorem kann also nur Gültigkeit haben, wenn der Markt aufnahmefähig bleibt. Eine Bedingung dafür ist, dass die angebotenen Dinge dem Preis entsprechenden Nutzen bringen, bzw. man das glaubt und dass man genügend Optimismus aufbringt nicht für später sparen zu müssen. Diese beiden Voraussetzungen sind schwer zu erfüllen, denn neue Angebote sind oft so teuer, dass sie einen adäquaten Nutzen nicht erkennen lassen. Bei einer Freisetzung findet der freigesetzte auch keine adäquate Arbeit mehr, da seine Kompetenz bei den möglichen neuen Angeboten nicht ausreichend ist. Die ganze Friedmann´sche Theorie kann vor dem Computerzeitalter gegolten haben, ist aber heute wegen der Ungültigkeit des Theorems, dass sich jedes Angebot eine Nachfrage selbst schafft weitgehend ohne Grundlage. 1.18. Innovation – Grundlage von Wirtschaftswachstum Diese These stimmt heute nicht mehr ohne Einschränkung. Innovation kann sich nämlich auf neue Angebote beziehen und aber auch auf neue Techniken um neue und alte Angebote zu erbringen. Neue Angebote werden wahrscheinlich auch neue Nachfrage hervorbringen und um so eher, als sie mit optimaler Technik in den Erschwinglichkeitsbereich fallen, der stark auch vom Optimismus abhängig ist. Wenn nicht ein anderes Angebot verdängt werden soll, müsste es auf Kredit beschafft werden. Der Kredit lässt 62 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft sich aber nur zurückzahlen, wenn durch das neue Angebot auch neue Kaufkraft entsteht. Ist die Innovation eine neue Technik, die Personalkosten spart, schwindet entsprechen Kaufkraft, wenn keine adäquate neue Beschäftigung gefunden werden kann. Wenn Beweglichkeit nicht die Ratio-Arm-Spirale drehen soll, die Arbeitnehmer nicht durch die Rationalisierungsmaßnahme ärmer werden sollen, müsste also praktisch jeder Arbeitsplatzwechsel mit einem Kompetenzschub versehen sein. Solange man sich im Bereich des Facharbeiters bewegt, der einen großem Kompetenzraum einnimmt, ist das nicht so wichtig, da man von dem immer vorhandenen nur einen relativ kleinen Anteil wirklich nutzen muss. In Phasen relativ langsamem technischen Fortschritts, wie er bis zum Anbruch des Computerzeitalters geherrscht hat, ist das in weiten Bereichen auch Realität. Seit den 80er Jahren des 20.Jahrhunderts ist das jedoch sehr oft nicht mehr gegeben. Es gilt jetzt eher das Schlagwort vom lebenslangen lernen. Das Medien- und Computerzeitalter könnte theoretisch das Lernen als solches einfacher machen als es früher war. Erstens reicht es meistens aus, eher Wissen als manuelles Können zu erweitern. Letzteres nimmt Jahre in Anspruch und manuelles Umlernen ist sehr schwer, da die ganzen dazu notwendigen Steuerungsvorgänge im Unterbewusstsein ablaufen und nur durch entsprechend langes Üben eingelernt werden können, das wieder Jahre beanspruchen kann. Kognitives Lernen müsste durch Aufnahme und speichern von Information geschehen. Die Medienlandschaft über63 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft schwemmt aber die Menschen heute mit einer Unmasse an sich nutzloser Information. Diese füllt auch eher nach dem Zufall das Gedächtnis und ist meist so flach, dass logische Bezüge nicht als Eselsbrücken verwendet werden können. Die frühere natürliche Neugier fällt als Lernmotivation nahezu aus. Es entsteht eher ein Unwille etwas zu lernen. Die Notwendigkeit für die Arbeit etwas zu lernen nimmt also rapide zu, und die Bereitschaft dazu nimmt rapide ab. Dies dürfte einer der wichtigsten Gründe dafür sein, dass sich ein neues Angebot eben nicht mehr eine neue Nachfrage selbst erzeugt. Dies müsste auch schon Friedmann erkannt haben, da er staatliche Bildungsgutscheine ausgeben lassen wollte. Er hat wohl erkannt, dass die Mobilität der Arbeitskräfte eine unverzichtbare Grundlage seiner Theorie ist. Diese war in seiner Zeit noch in Grenzen vorhanden, ist heute aber – auch durch die rapiden technischen Fortschritte - sehr geschrumpft. 1.19. Heute diskutierte Reformen sind Steuerungsversuche, sie haben wie früher im Ostblock keinen Erfolg Die derzeitig diskutierten Reformen in Deutschland und Europa sind wieder nur Steuerungsversuche, deren Wirkung wieder rasch verpufft. Alle heute zu bekämpfenden Zustände sind durch ungewollt vorhandene positive Rückkopplungskreise entstanden. Wenn man diese nicht durch neue negative Rückkopplungskreise unwirksam macht, dauert es nicht lange, bis der derzeitige Zustand - eventuell auf einer schlimmeren Stufe - wieder erreicht ist. Deshalb werden auch weiterhin alle bloßen Steuerungsversuche 64 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft zum unweigerlichen Scheitern führen müssen. Kein Mensch legt heute noch von Hand Kohle nach und schiebt an den Luftklappen des Ofens um ein angenehmes Raumklima zu haben. Fast überall wird der Thermostat mit seiner negativen Rückkopplung verwendet. Die gewollte negative Rückkopplungen über die Zimmertemperatur bzw. der gemessenen Abweichung von der gewünschten, haben das Feuer im Hause zu einem wahren Freund gebändigt. Früher musste es immer ein Heizer streng bewachen und mit mehr oder weniger Erfolg es steuern, und bei einer Unachtsamkeit ist das ganze Haus abgebrannt, wenn die natürlichen positiven Rückkopplungskreise die Oberhand bekamen. 2. Abgaben an den Staat - Steuern 2.1. Steuerstrukturen Steuern werden klassisch erhoben, um die Aufgaben des Staates zu finanzieren. Neben dieser klassischen Aufgabe der Steuern hat sich im 19. und noch mehr im 20. Jahrhundert aber auch eine zweite gewichtige Domäne der Besteuerungspraxis ergeben. Man versucht mit Steuersätzen und Steuererleichterungen politische Ziele zu verfolgen. Das führte auch zu dem heute in Deutschland vorhandenem Steuerrecht, das für den Bürger nicht mehr durchsichtig ist, und den Berufstand der Steuerberater auf den Plan gerufen hat. Diese Gesetzgebung ist das klassische Beispiel dafür, wie Gesetze mit Zahlenangaben wirken, was sie letztlich erreichen und wie schwierig sie zu handhaben sind. Dieser Zustand scheint heute auch den Politikern 65 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft suspekt, obwohl die Genehmigung von Steuern die erste und wichtigste Aufgabe der Parlamente war, und von den Parlamenten diese Gesetze gemacht wurden. Steuervorteile haben aber nicht nur echte pekuniäre Steuerungseinflüsse auf das Verhalten der Einzelbürger und wirtschaftlicher Einheiten. Es gibt darüber hinaus fast noch mehr „psychologische“ Einflüsse, die manchmal wirtschaftlich völlig unsinnige Folgen haben. Eine für Regelkreise wichtige kräftige Einflussgröße auf die Menschen ist offenbar die gefürchtete Steuer. Eine ganz überragende Bedeutung bei der Etablierung neuer stabilitätserhaltender negativer Rückkopplungskreise wird damit der Steuergesetzgebung zufallen. 2.2. Steuerarten Derzeit gibt es in Deutschland zwei sehr unterschiedliche Steuerarten, nämlich die direkten Steuern und die indirekten Steuern. Allgemein sieht man die direkten Steuern als sozial gestaltbar und die indirekten Steuern, die meist alle Teilnehmer am Wirtschaftsgeschehen unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Lage gleichermaßen trifft, eher als unsozial an. Es gibt aber bei den indirekten Steuern schon Ansätze, die auch eine soziale Dimension besitzen, nämlich z.B. der halbe Steuersatz auf Lebensmittel und Bücher. In manchen Ländern gibt es in diesem Zusammenhang auch eine Luxussteuer. Letztere belastet nicht die Waren für den täglichen Bedarf des Normalbürgers, sondern soll nur die treffen, die im Luxus leben und daher für die Allgemeinheit mehr leisten können, und insbesondere, weil sie auch mehr von der Kultur der Gesell66 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft schaft profitieren können. Die Luxussteuer wird abfällig aber auch „Neidsteuer“ genannt. 2.3. Direkte Steuern Zu den direkten Steuern zählen die Einkommensteuer mit der Untergruppe Lohsteuer, die Körperschaftssteuer, die Gewerbesteuer, die Erbschaftssteuer usw. Dabei ist die Einkommensteuer die am differenziertesten auf Individualitäten aufgefächerte Steuerart, die anderen Steuerraten sind weniger gestaffelt und mit weniger speziellen Vergünstigungen versehen und mehr mit verschiedenen Freibeträgen ausgestattet. Diesen direkten Steuerarten wird auch im wesentlichen die Aufgabe eines sozialen Ausgleichs zugewiesen. Wenn man die Entwicklung der letzten Jahrzehnte verfolgt, haben diese politischen Steuermaßnamen aber nicht zu einem größeren Ausgleich zwischen Arm und Reich geführt, sondern haben die Konzentration des Reichtums auf immer weniger reichere Leute kaum gebremst oder schon gar nicht verhindert. Dies ist solange weniger aufgefallen, als es allen immer besser ging als vorher und so jeder zufrieden sein konnte. 2.4. Die indirekten Steuern - Stellglieder neuer Regelkreise Zu den indirekten Steuern zählen, die Umsatzsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer, die Kraftstoffsteuer, die Umweltsteuer, die Tabaksteuer, die Alkoholsteuer, die Versicherungssteuer, die Salzsteuer und noch eine ganze Reihe solcher zum Teil auch eher unbedeutender Steuern. Diese Steuern deren letzte Bezahler im voraus unbekannt bleiben, sind 67 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft dem gemäß sehr viel weniger individuell verschieden und haben einen viel geringeren sozialen Umverteilungseffekt. Sie haben aber einen ziemlich großen Effekt auf das Handeln im wirtschaftlichen Bereich. Daher ist auch die Ökosteuer erfunden worden. Klassisch bekannt wurde dieser Steuerungseffekt oder besser Regelungseffekt einer indirekten Steuer bei der verschiedenen Kraftfahrzeugentwicklung in Deutschland und Frankreich beispielsweise. In Deutschland gab es eher Autos mit kleinem Hubraum, wegen der überwiegenden Hubraumbesteuerung. In Frankreich gab es überwiegend Autos mit kleinerem Benzinverbrauch, wegen der höheren Bezinsteuer. Dieses Beispiel zeigt, dass hier schon relativ kleine Steuerunterschiede entscheidend Einfluss bis in die Langzeitplanung und Forschung der entsprechenden wirtschaftlichen Einheiten haben. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, diese indirekten Steuern als Stellgrößen bei der Gestaltung der oben geforderten stabilisierenden Gegenkopplungskreise oder negativer Rückkopplungskreise zu verwenden. Man kann aber auch hier die ansatzweise vorhandene soziale Komponente z.B. in die Richtung einer sinnvollen Luxusteuer weiter ausbauen. Gegen die Luxussteuer gibt es allerdings einen sehr gewichtigen Einwand. Hochwertige Wirtschaftsgüter gelten zunächst einmal als Luxus. Darüber hinaus sind sie auch ein Statussymbol. Für viele Leute besteht nun eine sehr wichtige Freiheit darin, sich auf einem sehr schmalen Bereich sehr hochwertige Wirtschaftgüter zu leisten. Diese Wirtschaftsgüter binden dann einen großen Teil des Einkommens. In allen anderen Be68 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft reichen kann man dann nur als „Normalbürger“ leben. Viel Lebensgefühl kann jedoch aus diesen Glanzpunkten eines sehr speziellen Luxus bezogen werden. Eine einfache Luxussteuer könnte hier unabsehbare negative Folgen haben. Daher muss man nach Wegen suchen, Luxus für die wirklich reichen und den hier genannten „Luxus“ für Normalbürger steuerlich zu unterscheiden. Wenn solche Steuern nicht international harmonisiert sind, führt dies aber natürlich zu einem höheren Anreiz zum Schmuggel. In Zeiten der Globalisierung, in der viele vor allem wirtschaftlich vergleichbare Staaten sehr ähnliche Probleme haben, sind solch Harmonisierungen auch in größeren Regionen möglich. Nationale Alleingänge sind dabei, wie in fast allen Bereichen, weniger erfolgversprechend. Die Aufgabe der nationalen Parlamente wird sich also eher weg vom Erlass nationaler Gesetze in diesem Bereich bewegen müssen und sich hinwenden zu Gesetzen, welche die nationale Regierung verpflichten, entsprechende internationale Regelungen zumindest im europäischen Bereich herbeizuführen. 2.5. Ökosteuer und das BVG-Urteil vom April 20042 Spediteure und Kühlhausbetreiber haben beim BVG gegen die Ökosteuer geklagt, da diese ihre Marktchancen verschlechtere und damit gegen die Eigentumsgarantie und gegen die Garantie der Berufsfreiheit verstoße. Das BVG 2 siehe 1BvR 1748/99, 1BvR 905/00 vom 20. 4. 1004 69 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft hat die Klage klar abgewiesen. Das Ziel des ÖkosteuerGesetzes, die Energie zu verteuern und die Arbeit zu verbilligen ist ein legitimes Ziel der Gestaltung durch die Wirtschaftspolitik. Die Eigentumsgarantie schützt nicht die wirtschaftlichen Aussichten gegen eine Verschlechterung. Die Ökosteuer verstößt auch nicht gegen die Berufsfreiheit, denn mit ihr sind auch nicht die wirtschaftlichen Chancen der Berufe gegen Veränderung geschützt. Überdies ist die Ökosteuer eine indirekte Steuer, die letztlich auf den Konsumenten weitergegeben wird, so dass also dieser und nicht der Unternehmer die Steuer bezahlen muss. Für die Überlegungen hier ist dieses Urteil insofern wichtig, als eine arbeitskostenabhängige Umsatzsteuer auch auf den Konsumenten abgewälzt wird. Und auch sie hat mindestens ein gleichwertiges Ziel wie die Ökosteuer. Es ist also zu erwarten, dass das BVG auch Klagen gegen die arbeitskostenabhängige Umsatzsteuer abweisen wird. 3. Wirtschaftspolitische Probleme im Blickwinkel von Rückkopplungen 3.1. Nähere Begründung der Notwendigkeit von weiteren stabilisierenden Rückkopplungskreisen Die klassische liberale und die neoliberale Wirtschaftstheorie glaubt an die Allwirksamkeit der Rückkopplung über den Preis - besser das Preis-Leistungsverhältnis. Der Staat hat da allenfalls die Aufgabe des „Gerichtsvollziehers“, der am Ende verhindert, dass die Ware nicht bezahlt wird. 70 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Das wird auch manchmal mit „Nachtwächterstaat“ apostrophiert. Man kann zeigen, dass der endgültige statische Gleichgewichtszustand einer freien Wirtschaft ein für alle Teilnehmer besten Zustand herbeiführt, da sich in einer freien Wirtschaft niemand so verhält, dass er nicht einen Vorteil hat. Man findet über den Zeitverlauf hin zu den Gleichgewichtszustand keine befriedigenden Arbeiten in den wirtschaftswissenschaftlichen Literatur. Würden im Markt keine anderen Rückkopplungskräfte wirken als die klassische Preis/Leistungs-Rückkopplung, dann wäre es wahrscheinlich erlaubt, diese an sich sehr wichtige weil auch sehr lange Zeitspanne bis zur Einstellung des entgültigen gewünschten Gleichgewichts zu vernachlässigen. Es gibt aber im realen Markt heute eine ganze Reihe von positiven Rückkopplungskreisen, die leger auch Teufelskreise genannt werden. Diese Teufelskreise lassen eben das System nicht auf den gewünschten Endzustand unbeirrt zustreben. Im Gegenteil, diese Teufelskreise schaffen solche sozialen und gesellschaftlichen Zwischenzustände, die mit großer Wahrscheinlichkeit die Stabilität aushebeln können oder sich zumindest nicht über die derzeit zu beobachtenden Trends einfacher Steuerwirkungsversuche ins positive wandeln lassen. Außer sogenannten Strohfeuern ist durch solche Steuerungsmaßnahmen nichts zu erwarten. Nach jeder „Reform“ spielt sich durch die Rückkopplung der alte Zustand wieder ein, wie seit Jahrzehnten zu beobachten ist. Das wohl bekannteste Beispiel sind – wie erwähnt - die vielen Gesundheitsreformen. 71 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 3.2. Deregulierung Das ist auch ein modernes Schlagwort aus dem Arsenal des Neoliberalismus. Die Wirtschaftsordnung des Mittelalters hätte sicher nicht zu dem heutigen Wohlstand in Teilen der Welt geführt. Daraus schließt man messerscharf, je weniger Regeln es in der Wirtschaft gibt, um so größer ist der Wohlstand. Auch wenn das kein Wissenschaftler oder Philosoph in vollem Ernst behauptet, so wird doch dieser Glaube ständig verbreitet. Freiheit gegen einschränkende Ordnung. Kultur ist Ordnung, das Gegenteil davon ist Chaos. Auch die Natur ist Ordnung entsprechend den Naturgesetzen. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik sagt, in einem abgeschlossenen System kann die Entropie nur wachsen. Technisch besagt der Satz, man kann auf einem Ozean, der entsprechend seiner Temperatur beliebig viel Energie enthält, kein Schiff von dieser Energie antreiben lassen. Man muss dem Schiff noch Brennstoff mitgeben. Auch die Umsetzung der Energie des Brennstoffes in Bewegungsenergie des Schiffes gelingt wegen des zweiten Hauptsatzes nicht 100-prozentig. Ein Teil der Energie wird in ungeordnete Wärmeenergie verwandelt. Der Zweite Hauptsatz der Wärmelehre führt auch zum Wärmetod des Universums: Allmählich wird alle Energie in Wärme verwandelt, die ins Weltall abstrahlt und so im kompletten Chaos endet. Kultur ist Ordnung. Das Gegenteil von Ordnung ist Chaos. Freiheit im positiven Sinn kann also nicht die Überwindung und Beseitigung der Ordnung sein, sondern nur das 72 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Ersetzen einer Ordnung durch eine bessere. Das Leben in Deutschland ist sehr stark kultiviert, daher existiert hier viel Ordnung. Nicht alles kann da erlaubt sein, angefangen vom Diebstahl bis zum Bauen ohne Sicherheitsnormen. Wenn man hier vernünftigerweise einen Ordnungspunkt weglassen will, muss man zuvor sehr genau untersuchen, ob inzwischen andere Ordnungen gelten oder eingeführt werden müssen, um nicht um eine Kulturstufe zurückzufallen. Wenn Freiheit nur Ordnung zerstört, führt sie mehr oder weniger schnell zum Chaos, auch wenn das eine Weile nicht auffällt, weil die alte Ordnung noch nachwirkt. 3.3. Globalisierung Das Endziel des freien Marktes ist seine vollständige Globalisierung. Gibt es nur einen einzigen freien Markt auf der Welt, sorgt er für allgemeinen Wohlstand. Wenn der freie Markt funktioniert, ist das auch so. Die Frage ist, ob er funktionieren kann. Wie an anderer Stelle gezeigt wird, kann er nur funktionieren, wenn es keine gravierenden Machtunterschiede in dem Markt gibt. Davon kann heute im Weltmarkt keine Rede sein. Will man die Machtunterschiede beseitigen, muss man die Unterschiede im Reichtum beseitigen. Will man das in einer absehbaren Zeit tun, müssen die reichen Länder ihren Reichtum mit den Armen teilen. Da die Armen in der Überzahl sind, wird von dem Reichtum wenig übrigbleiben. Es wird auch die These vertreten, schafft freien Handel, dann wird der Markt alles regeln. Über sehr lange Zeit betrachtet ist diese Aussage auch nicht falsch, d.h. wenn es 73 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft gelingt das System solange stabil zu halten. Eine ganz andere Frage ist, wie dieser Übergang sich vollzieht und ob in diesem Übergang nicht das ganze System zerstört wird. Ideal wäre, wenn das Wachstum des Reichtums sich in den reichen Ländern verlangsamen würde und bei den armen Ländern ein kräftiges Wachstum des Reichtums entstehen würde. Damit könnten alle leben und das System bliebe stabil. Es sieht aber nicht danach aus. Die weitestgehende Globalisierung war die Freigabe des Kapitalverkehrs. Der Kapitalmarkt soll hier für alle eine vernünftige Chance bringen. Ausgerechnet der Kapitalmarkt ist, wie an anderer Stelle3 erwähnt, der einzige Markt, der nicht nach echten Marktgesetzen funktioniert, sondern eher dem Betrieb eines Spielkasinos gleicht. Da es offensichtlich keine Marktkonstruktionen gibt, die den Kapitalmarkt auf eine wirtschaftlich rationale Art arbeiten lassen kann, scheint die Suche danach dieselbe zu sein, wie die Suche nach dem Perpetuum Mobile über lange Jahrhunderte in der Naturwissenschaft. Der Grund für den Glauben an ein Perpetuum Mobile war auch da die Gewinnsucht, und der Glaube, die Natur könne man überlisten. Daher wird auch der Anstieg der Börsenkurse in viel zu starken Maße statt als Inflation im Investitionsbereich als Zeichen einer gesunden Wirtschaft gesehen. Das Leben dürfte ein sinnvolles Vorbild für eine florierende Wirtschaft sein. Es ist auch ein positiv rückgekoppelter Kreis, der zum Wachstum führt. Da ein positives Rückkopplungssystem wegen des Energieerhaltungssatzes grundsätzlich zum Zusammenbruch führt, ist das Leben 3 siehe Kapitel 5.2 74 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft auch nicht ohne Tod möglich. Die alte Weisheit, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen, hat das auf eine kurze Formel gebracht. Da das Leben aber schon Hunderte von Millionen Jahre existiert, muss es ein Prinzip geben, das trotz Tod das Leben weiter gehen kann. Das ist das Prinzip von der Umwelt relativ stark abgekapselten einzelnen Lebewesen. Diese Abkapselung einzelner Lebewesen erlaubt das Überleben eines Großteils der andern Lebewesen, auch wenn eine ganze Menge davon stirbt. Ausnahmen von diesem Fall waren in der Geschichte vor allem Seuchen. Bei den verheerenden Seuchen wurden Krankheitskeime in viel zu großer Zahl von einem Individuum auf das andere übertragen. Die Abgrenzung der Individuen gegenseitig war nicht mehr ausreichend funktionsfähig. Es wäre also kein sinnvolles Lebenssystem, die Abgrenzungen einzelner Lebewesen gegeneinander weitgehend zu beseitigen. Alles Leben wäre so in kurzer Zeit zu Ende. Es ist also wohl auch völlig absurd, die Grenzen einzelner Wirtschaftsysteme gegeneinander zu beseitigen. Trotzdem gibt es einen Glauben daran, der zu immer größeren Zusammenschlüssen von Unternehmen und dem Abbau von Handelsschranken führt. Die Zusammenschlüsse von Firmen funktionieren übrigens nur dann, wenn sich ein Partner in Lebensgefahr sieht. Der Weltkonzern DaimlerChrysler ist da eines der neuesten Beispiele. Die Überheblichkeit eines Starken führt dazu, dass er es sich zutraut den kranken zu sanieren und damit in einem gewaltigen Schub wachsen zu können. Das ist dieselbe Gier, die auch die Finanzmärkte nicht echt funktionieren lässt, die Suche nach dem Perpetuum Mobile über lange 75 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Zeit am Leben erhalten hat und schon manches Spielkasino die Ursache von Ruin und Selbstmord war. Spielkasinos und Lotterien haben natürlich auch einen Vorteil, sonst wären sie schon lange ausgestorben. Menschen, die keinen rationalen Weg mehr sehen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern, haben hier die Chance doch noch an ihr Glück zu glauben. Es scheint aber nicht sehr sinnvoll zu sein, das Schicksal der Wirtschaft den Börsen und damit einer Art Spielkasino zu überantworten. Die Haut des Menschen ist sein größtes Organ – ist zu viel Haut geschädigt, kann der Mensch nicht überleben. Die Haut ist nicht völlig undurchlässig, aber sie regelt den Austausch mit der Umwelt auf ein Maß, welches das Leben des Menschen erst ermöglicht. Völlig freier Warenund Geldverkehr über die Grenzen von Wirtschafträumen hat dieselben Folge wie das Häuten von Menschen bei lebendigem Leib. Das ist noch nie von Gesundheitsaposteln vorgeschlagen worden. Aber in der Wirtschaftspolitik geistert das Beseitigen aller Abgrenzungen als Allheilmittel schon eine ganze Weile durch die Welt. Die Grenzen der Wirtschaftsräume dürfen weder ganz offen noch ganz geschlossen sein. Auch hier ist eine politisch unabhängige Regelung nach Maßgabe des Erfolgs - aber beileibe keine Planung - unter der Hoheit der Vereinten Nationen notwendig. Diese Regelung muss so sein, dass ein stetiger Übergang des Reichtums der reichen Wirtschaftsräume nach den armen Wirtschaftsräume hin erfolgt. Da die Armen in der heutigen Welt machtlos und ohne Einfluss sind, kann ein freies Spiel der Kräfte nie zu einem Ausgleich führen, sondern muss im Sinne des Kapitalmarktes 76 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft die reichen reicher werden lassen und die armen ärmer, bis das System schließlich zusammenbricht. Erst eine Katastrophe wird zwangsläufig eine neue Ordnung installieren – wenn die Welt das überlebt. 3.3.1. Konkurrenzfähigkeit in einer globalisierten Welt Die oben vorgeschlagenen stabilisierenden Regelkreise wären am sinnvollsten, wenn sie weltweit eingeführt werden würden. Da dazu aber in absehbarer Zeit keine Realisierungsmöglichkeit existieren wird und derzeit regionale Probleme eher zu Unstabilitäten neigen, ist es notwendig die negativen Rückkopplungskreise in irgendwie definierten Regionen einzuführen. Dabei muss aber sichergestellt werden, dass diese Regionen fähig bleiben, global über längere Zeit konkurrenzfähig zu sein. Daher wird es notwendig sein, die Regelungseingriffe so zu gestalten, dass sie im wesentlichen die regionale Binnenwirtschaft regelt und dem Außenhandel dieser Regionen die notwendigen Freiheiten lässt. Da gezahlte Umsatzsteuer beim Export auch heute rückerstattet wird, wird wohl die Umsatzsteuer die geeignetste Stellgröße werden können. Hier stellt sich eine Forschungsaufgabe, welche die Möglichkeiten und Grenzen solcher auf „Binnenmärkte“ beschränkte Abgaben untersucht. 77 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 3.3.2. Beschleunigung der Globalisierung Die Erfindung der Produktionsautomaten macht die Industrie unabhängiger vom Vorhandensein von Facharbeitern. Man braucht nur noch ganz wenige und die wenigen kann man praktisch überall finden oder notfalls hinlocken. Daher ist es z.Zt. sogar möglich, in Billiglohnländern zu produzieren und die dort erzeugten Waren nach Deutschland zu importieren. Das lässt wieder mehr Exporte zu, meist an Maschinen, die dann den ganzen Prozess der Globalisierung beschleunigen. Nach neueren Untersuchungen kann der starre Blick auf Lohnkosten aber auch zu falschen Resultaten führen. Am bisherigen Standort hat auch die Arbeitskultur, Infrastruktur und die Vernetzung mit anderen Firmen einen großen Anteil am Erfolg. Fehlen jedoch am neuen Standort – meist notwendig – diese wichtigen Erfolgsfaktoren, so sind die Ersparnisse bei den Lohnkosten schnell durch Nachteile überkompensiert. 3.3.3. Freier Welthandel wegen Macht des Reichtums nicht möglich, höchstens im Sinne der Freiheit des Mächtigen Der gesamte Markt funktioniert nur, wenn der Markt zwischen zwei beliebigen Markteilnehmern auch funktioniert. Betrachten wir den Handel zwischen einem sehr reichen und einem sehr armen Marktteilnehmer. Der reiche Marktteilnehmer verfügt außer über viel Waren auch über die Möglichkeit, sich beliebig große Information über den Markt anzueignen. Der schwache Marktteilnehmer hat nur eine für den reichen völlig unbedeutende Warenmenge und 78 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft praktisch kaum Information. Wie unter diesen Voraussetzungen ein freier Handel ohne starke Marktüberwachung und mit Egoismus statt christlicher Nächstenliebe als Leitbild ausgehen wird, kann man sich leicht vorstellen. Die Wirklichkeit der letzten 50 Jahre verspricht auch kein besseres Bild für die Zukunft. 3.3.4. Globalisierung heutiger Prägung schafft Instabilität der Gesellschaft in den reichen und in den armen Ländern Für die Bewohner der reichen Länder gibt es in dieser Globalisierung noch einen anderen Aspekt. Die ohnehin noch kaum gebrauchten Arbeitskräfte lassen sich leicht in den armen Ländern rekrutieren. Die Globalisierung beschleunigt das Wachsen der Arbeitslosigkeit in den reichen Ländern. Die Kapitalbesitzer in den reichen Ländern werden immer reicher und die Massen immer ärmer. In den armen Ländern bildet sich eine reiche Schicht von wenigen Arbeitern, die auch immer reicher werden. Der Rest der Gesellschaft verliert hier ähnlich wie früher in den reichen Ländern die bisherige nicht kapitalabhängige Arbeit und verarmt immer mehr. Wenn aber die Kluft zwischen reich und arm auf zu kleinem Raum zu groß wird, ist eine solche Gesellschaft nicht mehr stabil und beseitigt die prägenden Strukturen. In den unterentwickelten Ländern hat sich dieser Effekt schon einmal bei der Befreiung aus dem Kolonialismus abgespielt. Bei später noch mehr verarmter Intelligenz in den armen und den reichen Ländern werden solche Eruptionen eher größer als kleiner. An Rekruten für den Terrorismus kann es dadurch eigentlich nicht fehlen. 79 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 3.3.5. Wirtschaft in verschieden schnellem technischen Fortschritt Will man beim Zimmerheizen wirklich Erfolg haben, ohne arm zu werden, muss man auch die Lüftung entsprechend regeln. Erfolgreiche Wirtschaftspolitik braucht mehr als einen negativen Rückkopplungskreis ( auch Gegenkopplungskreis genannt) Die Wirtschaft ist ein äußerst dynamisches System mit einer ganzen Menge nicht gut bekannter Kopplungen. In einer Welt ohne nennenswerten technischen Fortschritt, bildet sich in einem freien Markt ein fast gleichbleibendes Gleichgewicht heraus. Alle technischen und wirtschaftlichen Änderungen in einem solche System sind sehr langsam. So war um 1900 die Technik weitgehend noch dieselbe wie im Mittelalter. Die sogenannte technische Revolution hatte nur die Dampfmaschine und die Eisenbahn gebracht. Es gab also eine Energievermehrung und eine größere Geschwindigkeit der Ortsveränderung. In diese Zeit konnten noch (die schwach gestörten wirtschaftliche Zustände) als Gleichgewichte betrachtet werden. Damit haben sich z.B. gesetzliche Einrichtungen wie die gesetzlichen Versicherungen so ausgewirkt, dass die schon von Marx gesehene Ratio-Arm-Spirale4 nicht voll zur Wirkung kam. 4 Siehe auch Kapitel 3.5. 80 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Die gesetzlichen Maßnamen nach der Katastrophe des ersten Weltkrieges konnten aber die große Inflation nicht verhindern und die boomartige Erholung danach schwang positiv rückgekoppelt in die Weltwirtschaftskrise von 1929. Die staatliche Arbeitsbeschaffung durch Aufrüstung in Deutschland mündete dann in den 2. Weltkrieg. 3.4. Ökologie kontra Konkurrenzfähigkeit Die gängige Weisheit der Ökologiegegner ist relativ einfach. Die Schonung der Umwelt an einem Produktionsstandort ist teuer. Sie verteuert damit die Produktion. Der Standort wird dadurch weniger konkurrenzfähig und die Produktion wandert ab. Da weniger entwickelte Länder, oder solche mit großem Flächenangebot mit weniger Ökologierücksichten glauben leben zu können, wird man daran nicht viel ändern können. Die eigentliche Produktion von Massengütern wird sich in Ländern mit hohem ökologischen Standort schwer halten lassen. Auf der anderen Seite schwindet auch der Wert des „made in Germany“ oder anderer Herkunftsbezeichnungen zugunsten von vielleicht „made by DaimlerChrysler“. Man wird da mit der Zeit nur noch wenige hochwertige Teile in Deutschland fertigen. Hier könnten aber in der Entwicklung und der Organisation neue Arbeitsplätze entstehen, die durch ökologische Abgaben wenig belastet sind und auf dem deutschen Markt durch personalkostenabhängige Umsatzsteuer eine entsprechende Kompensation erfahren können. Wenn es nicht mehr so rentabel ist, mit wenig Personal auszukom81 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft men, gibt das auch mehr Raum ökologisch besser verträglich Produkte und Produktionsmethoden zu entwickeln, die sich auch auf dem Weltmarkt durchsetzen können. Langfristig muss die deutsche Politik aber dafür sorgen, dass überall auf der Welt die ökologischen Standards steigen, weil sonst ein Überleben gar nicht möglich ist. 3.5. Deutsches Sozialsystem - ein Solidarsystem nur der Arbeitnehmer Das deutsche Sozialsystem ist ein Solidarsystem der Arbeitnehmer. Wenn die meisten Leute Arbeitnehmer sind, macht das den Eindruck eines Solidarsystems des Volkes. Wenn die Arbeitnehmer aber weniger werden und die, welche die Arbeit verloren haben weiter von den Arbeitenden miterhalten werden müssen, so führt dies zu der Rationalisierungs-Armuts-Spirale kurz „Ratio-ArmSpirale“. Die „Ratio-Arm-Spirale“ als Folge der technischen Entwicklung ist jedoch ein Paradox, könnte doch die Weiterentwicklung der Technik zu mehr Reichtum führen. Somit muss in unserem System ein gravierender Fehler sein, der einen Segen in einen Unsegen verwandelt. Wie an anderer Stelle gezeigt, könnte in einiger Zeit die kapitalistisch marktwirtschaftliche Industrie in einem Reservat5 von etwa 10% der Bevölkerung betrieben werden und dabei mit ihrer Produktion für stetig steigenden Wohl5 Siehe Kapitel 9.3. 82 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft stand sorgen. Sie muss dann aber auch gesellschaftlich eine bescheidene Rolle spielen, wie heute die Landwirtschaft. Die vom Handel zu erhebende Umsatzsteuer sollte den nicht marktfähigen Teil des Lebens finanzieren ohne durch positive Rückkopplungen über starre Strukturen das Leben zu lähmen. 3.5.1. Sozialsystem in Deutschland - positive Rückkopplung in die Arbeitslosigkeit In Deutschland ist - wie gesagt - das Sozialsystem so geordnet, daß es zur Zeit nicht funktionieren kann. Im einzelnen sieht das etwa so aus: Der technische Fortschritt macht, bei der derzeitigen Marktsättigung, einen Teil der Arbeiter überflüssig. Es wächst die Arbeitslosigkeit. Da die ganze Soziallast auf der Arbeit liegt, d.h. auf die Arbeiter und ihre Arbeitgeber entsprechend der Zahl der Beschäftigten umgelegt wird, wächst ständig die Soziallast pro geleisteter Arbeitsstunde und fördert weitere Automation. Dies ist eine sich positiv verstärkende Rückkopplung eines Effektes - nämlich des technischen Fortschrittes - der aber von der Vollbeschäftigung ständig wegführt. Der hier von liberaler Seite geforderte Abbau der Sozialleistungen um die Arbeit billiger zu machen, führt aber zur Verkleinerung der Kaufkraft die den produzierten Waren gegenübersteht. Und das führt wieder zu einer vermehrten Arbeitslosigkeit. Praktisch alle geforderten Sparmaßnahmen führen also noch mehr zu der weiter oben schon kurz beschriebenen „Ratio-Arm-Spirale“. Wenn die Geldmenge ausgeweitet wird, steigen die Unternehmergewinne und 83 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft allenfalls die Löhne der arbeitenden. Die Gewerkschaften haben schlechte Karten, denn höhere Löhne verstärken den ganzen positiv rückgekoppelten Störeffekt weiter, d. h. die „Ratio-Arm-Spirale“ dreht sich dann noch schneller, wenn auch die Löhne steigen. 3.6. „Ratio-Arm-Spirale“ statt Lohn-PreisSpirale Die Marktsättigung wird entsprechend der Arbeitslosigkeit, damit weniger steigenden Löhnen und der überall wirkenden Sparmaßnahmen immer stärker spürbar. Es verschwindet der in der Erhard´schen sozialen Marktwirtschaft funktionierende Effekt, daß die Marktsättigung durch die steigenden Löhne immer wieder hinausgeschoben wurde. Vieles ist heute nicht mehr absetzbar. Das führt über Produktionseinschränkung einerseits und preislich erzwungene Produktivitätssteigerung andererseits und beides zu weiterer Arbeitslosigkeit. Diese Rationalisierungs-Arbeitslosigkeits-Spirale vielleicht kurz „RatioArm-Spirale“ zu nennen, dreht sich seit Jahren immer weiter und ist mit den bisher verwendeten Mitteln nicht aufzuhalten. Die großen Wirtschaftskonzerne mit ihren relativ zu den zu lösenden Problemen eher inkompetenten Führungskräften erinnern sich natürlich noch an die Erhard`schen Wirtschaftswundereffekte. Das Wort, man muss mit der Produktion zum Markt hin, stammt sinngemäß aus diesem Arsenal. Nur wenn es auf einem Markt auch Kaufkraft gibt, kann man dort verkaufen. Die Waren müssen von den 84 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Leuten auch gekauft werden können. Wenn sie in einem Hochlohnland produziert und in einem Niederlohnland verkauft werden sollen, funktioniert das überhaupt nicht. Man muss zumindest vor Ort billig produzieren, dann kann man Umsatz machen und vielleicht einige Prozent des Umsatzes als Rendite einstreichen. Auf dem niedrigen Niveau ist das nicht sehr viel pro Kunde, aber es gibt dort oft beliebig viele Menschen. Wesentlich besser wird der Verdienst noch, wenn man die billig produzierten Waren in Deutschland oder einem anderen Hochlohnland relativ teuer verkaufen kann. Die Produktion wird so in den Hochlohnländern schrumpfen und zu weiterer Arbeitslosigkeit führen. Wenn man also keine neuen gegengekoppelten Regelkreise installiert, wird sich diese „Ratio-Arm-Spirale“ in Deutschland und in großen Teilen Europas so lange drehen, bis die „Ratio-Reich-Spirale“ der Niedriglohnländer und unsere „Ratio-Arm-Spirale“ in ferner Zukunft sich irgendwo treffen. Wenn die beiden Spiralen beieinander angekommen sind, kann sich vielleicht bei uns ein kleines Erhard´sches Wirtschaftswunder wiederholen. Wenn dieses System wirklich so lange stabil bleibt! Aber auch danach sieht es nicht aus. 3.7. Arbeitslosigkeit Die Arbeitslosigkeit, die man heute in den reichen Ländern beobachtet, ist nicht so sehr das Ergebnis konjunkturellen Tiefstandes wie in früheren Jahrzehnten. Die Arbeitslosigkeit hat sich merklich von den Konjunkturphasen entkoppelt. Die Talfahrt der Konjunktur verstärkt zwar immer 85 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft noch die Arbeitslosigkeit. Beim Anziehen der Konjunktur wird aber die Arbeitslosigkeit viel schwächer wieder abgebaut. Das ist einerseits eine Folge des technischen Fortschritts. Bei guter Konjunktur werden auch immer mehr Arbeitskräfte wegen des technischen Fortschritts überflüssig. Sie werden aber nicht entlassen, da sie bezahlt werden können und eine gewisse Kraftreserve darstellen. Bei rückläufiger Konjunktur kann man sich diese Reserven nicht mehr leisten. Bei wieder ansteigender Konjunktur verzichtet man dann aber häufig auf neu aufzubauende Reserven. Mit dem gleichen Aufwand lässt sich neu rationalisieren, was wieder einen Puffer schafft. Das liegt vor allem auch daran, dass freigesetzte hochqualifizierte Arbeitskräfte sofort vom Arbeitsmarkt aufgesaugt werden. Man kann die entlassenen Leute nicht mehr einstellen. Man findet nur schlechter qualifizierte, wohingegen man ja jetzt besser qualifizierte benötigt. Das gibt dann auch bei guter Konjunktur wieder einen weiteren Anreiz zu rationalisieren indem man Menschen durch Maschinen und Computer ersetzt. Dadurch wird mit jedem Konjunkturzyklus, die „Ratio-Arm-Spirale“ kräftig weiter gedreht. 3.7.1. Arbeitslosigkeit 2 In unserer Marktwirtschaft gibt es wie wir weiter oben gesehen haben, eine ganze Reihe von natürlicherweise positiv rückgekoppelter Kreise, wie etwa die „Ratio-ArmSpirale“, die z. B. zu ständig wachsender Arbeitslosigkeit führt. Die sogenannte Sozialreformen versuchen nun den 86 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Faktor Arbeit billiger zu machen z.B. durch ermäßigte Versicherungstarife. Das hat zunächst vielleicht die Wirkung zusätzlicher Arbeit, da sie dann zunächst billiger wird. Mit kurzer Verzögerung wird aber auch die Nachfrage geringer, weil die geringeren Versicherungsleistungen die Kaufkraft entsprechend vermindert. Das führt aber wieder zu weiterer Rationalisierung und damit höherer Arbeitslosigkeit. Das ganze Manöver bringt nur, dass die Armen ärmer werden. Irgendwohin wird der gesparte Reichtum fliesen, nämlich auf die Konten der Reichen. Wie auch immer solche „Reformen“ ausgehandelt werden, der Erfolg ist immer der gleiche , nämlich eine Beschleunigung der Ratio-Arm-Spirale. Das ganze hat eine große Ähnlichkeit mit einem Stochern in einem Schadensfeuer. An irgend einer Stelle, wird es ein wenig verschüttet und diese Stelle wird damit dunkler, dafür lodert es an einer anderen Stelle um so mehr auf, und das Haus ist schneller abgebrannt. 3.8. Arbeit der Menschen – Quelle des Wohlstandes Die Urquelle des menschlichen Lebens ist wohl die Natur selber. Die Beschaffenheit unserer Erde. Das Klima, das Leben der Tier- und Pflanzenwelt. Diese ganzen Quellen des Lebens des Menschen, sind aber nicht in der Art des Schlaraffenlandes strukturiert, wo die gebratenen Tauben den Leuten in den Mund fliegen. Damit der Mensch hier leben kann, braucht es Tätigkeit des Menschen, zunächst Früchte sammeln und Tiere jagen. Dann kam nach dem 87 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Jagdzauber eine weitere Kultur, die Agrikultur mit dem Anbau von Pflanzen und dann auch Pflanzenzucht und dem Halten von Vieh und dann auch Viehzucht. Diese Kulturen beinhalten Tätigkeiten von Menschen, die wir als Arbeit bezeichnen müssen. Ohne Arbeit des Menschen gibt es kein Leben des Menschen und schon gar keinen Wohlstand. Solange es noch notleidende Menschen gibt, kann es keinen vernünftigen Grund geben, Arbeitslosigkeit zu tolerieren. Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit ist daher die wichtigste Aufgabe jeder menschlichen Gesellschaft. Das ist wohl auch der Grund, warum sich bei uns die meisten Menschen über ihre Arbeit definieren. Arbeitslosigkeit, auch wenn sie bezahlt wird, ist ein Makel, der das Selbstbewusstsein der Menschen untergräbt. Von hier ist der Weg nicht weit vom Unterstützungsbetrug. Beim Unterstützungsbetrug beruht ein Teil der Einkünfte wieder auf eigener „Leistung“, und erscheint den Betroffenen daher auch als Kavaliersdelikt. „Die Gesellschaft hat kein Recht mein Selbstbewusstsein zu beeinträchtigen, so darf sie sich nicht wundern, wenn ich es mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen, es wieder aufzurichten versuche“, wird hier wohl oft die Argumentation sein das Gewissen zu beruhigen. 3.9. Grundrecht auf Arbeit und Möglichkeit zu seiner Realisierung In Deutschland gibt es noch kein Grundrecht auf Arbeit. Das ist offenbar ein Konstruktionsfehler. Es gibt ein Grundrecht auf Würde, ein Grundrecht auf Freiheit, ein Grundrecht auf Eigentum. Freiheit gibt es in unserem Sys88 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft tem nicht ohne Eigentum. Eigentum bilden in Würde kann man in unserem System nur mit eigener Arbeit. (Eigentum vermehren geht manchmal auch allein.) Ohne Grundrecht auf Arbeit sind die anderen Grundrechte offenbar Konjunkturabhängig. Bei schlechter Konjunktur kann man ohne Arbeit in Würde kein Eigentum bilden und damit auch nicht frei sein. Die Arbeitslosenversicherung kann von ihrem Wesen her nur eine kleine Zahl von meist kurzzeitigen Arbeitslosen über die Versicherungsbeiträge versorgen. Sobald hier wie heute große Zuschüsse aus Steuermitteln notwendig sind ist die Arbeitslosenunterstützung eher ein Almosen als die Rückzahlung von (Zwangs)Ersparnissen aus der Zeit der Arbeit. Ein Grundrecht auf Arbeit verpflichtete dann den Staat, seine Steuerstruktur so zu gestalten, dass eine negative Rückkopplung entsteht, welche die Vollbeschäftigung ebenso stabilisiert wie die Deutsche Bundesbank die Geldwertstabilität über 50 Jahre – einzigartig in der Welt – stabilisiert hat. Das kann etwa so aussehen: Das Wegrationalisieren von Arbeitsplätzen verursacht der Gesellschaft Kosten, welche die Nutznießer der Wegrationalisierung wieder erstatten müssen, denn sie sind die Verursacher. Daher ist es praktisch unabdingbar die entsprechenden Produkte, deren Kosten vom Wegrationalisieren der Arbeitsplätze profitiert haben, mit einer höheren Umsatzsteuer zu belasten, solange eine erhöhte Arbeitslosigkeit auftritt. Können die freigestellten Personen an andrer Stelle wieder eingesetzt werden muss diese steuerliche Höherbelastung natürlich wieder verschwinden und der Gewinn kann steigen und die Preise fallen. Bei Weiterbe89 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft schäftigung im eigenen Betrieb bleibt die personalkostenabhängige günstige Steuerklasse unmittelbar erhalten, bei sinkender Arbeitslosigkeit gehen die Hebesätze für diese Steuern zurück. In einer freien Wirtschaft ist der Staat nicht in der Lage, die Menschen genügend den Anforderungen des Arbeitsmarktes entsprechend auszubilden oder umzuschulen. Das gelingt schon deshalb nicht, weil eben das Charakteristikum des freien Marktes gerade darin besteht, dass sich nichts nach zentralem staatlichen Plan entwickelt, sondern jeder Hersteller nach eigenem Plan verfahren kann. Dadurch ist auch nur er in der Lage, eine gewisse Zeit vorauszusehen, welches Wissen und Können seine Mitarbeiter benötigen werden. Er muss sich also solche suchen und wenn er sie nicht findet, andere entsprechend aus- oder weiterzubilden. Dadurch entstehende Personalkosten, sollten daher bei der personalkostenabhängigen Umsatzsteuer besonders also eher überproportional berücksichtigt werden. Personalkosten wegzurationalisieren und die Folgekosten der Gesellschaft aufzubürden kann nicht geduldet werden. Wenn man es trotzdem tut, ist es mit Steuerhinterziehung gleichzusetzen und kann daher gar nicht legal sein. Solange die Arbeitslosigkeit kein ernstes Problem war, da eine gewisse Arbeitslosigkeit Voraussetzung für eine gewisse Mobilität der Arbeitnehmer darstellt, konnte man auf eine thermostatartige Regelung der Vollbeschäftigung verzichten. Das ist aber heute nicht mehr möglich. 90 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 3.10. Ist Dienstleistung eine der Produktion gleichwertige Arbeit Bei der Dienstleistung kann man einige Arten der Dienstleistung unterscheiden. Die drei wesentlichsten Dienstleistungsarten sind Finanzdienstleitungen, produktionsnahe Dienstleistung und personennahe Dienstleistung. Z. B. Banken sind Finanzdienstleister, die Reinigung von Fabrikhallen ist z.B. eine produktionsnahe Dienstleitung, Krankenpflege eine personennahe Dienstleistung. Diesen drei Arten kommt sicher die Eigenschaft Arbeit im obigen Sinn6 zu. Sie verbessern oder erhalten das Leben und den Wohlstand. Insofern sind sie der Produktion gleichzusetzen. Eine andere Frage ist die, welche Kaufkraft steht diesen Arten von Dienstleistungen gegenüber. Die produktionsnahen Dienstleistungen hängen an der Kaufkraft der Produzenten. Diese ist an sich relativ groß aber konjunkturabhängig. Diese produktionsnahen Dienstleistungen sind als solche relativ neueren Datums. Sie entstanden im wesentlichen zum Zwecke des Personalkostenabbaus. Die entsprechenden Arbeiten wurden früher durch das Personal der Produzenten vielfach auch noch nebenbei durchgeführt. Dadurch war der Stundenlohn für die Produktion und die Reinigung gleich, oder doch nicht sehr verschieden. Spezielle Reinigungsfirmen haben die Arbeit mit geringer bezahlten Leuten und besserer Arbeitsorganisation kostengünstiger angeboten. 6 Siehe Kapitel 3.7. 91 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Die Kaufkraft, bzw. der Kaufwille, der den produktionsnahen Dienstleistungen gegenübersteht wird ständig unter dem Willen, Personalkosten einsparen zu wollen, auch überproportional kleiner, weil es z.B. auch keinen messbaren Schaden gibt, wenn die Qualität der Reinigung wegen schlechter Bezahlung zwangsläufig abnimmt. Personennahe Dienstleistung wie etwa Krankenpflege stößt von Natur aus auf eine meist völlig unzureichende Kaufkraft, wenn der Nutznießer der Pflege sie auch bezahlen muss. Die Krankenversicherung schafft hier erst den Weg, diese Dienstleitung im nennenswerten Umfang bezahlen zu können. Hier ist notwendigerweise der freie Markt nahezu ausgeschaltet. Die Praxis zeigt, dass die einfachen Pflegeberufe relativ schlecht bezahlt sind, manche Ärzte und Apotheker sehr gut bezahlt sind, und die Pharmaindustrie derzeit relativ gut floriert, aber sie ist auch keine Dienstleitung im eigentlichen Sinne sondern wieder Produktion. Die Finanzdienstleistung hat sich in den wirtschaftlich guten Zeiten sehr ausgebreitet und konnte daher viele Arbeitsplätze bereitstellen, die auch einigermaßen gut bezahlt waren. Die Arbeit war dort von der Ausbildung, dem Auftreten und der Zuverlässigkeit her von hohem Anspruch. Da sie aber vom logischen Ablauf außerordentlich gleichartig ist und wenig mechanische Kraftarbeit benötigt, wurde diese Arbeit als erstes ein Opfer der Computerisierung. In Deutschland war aufgrund der Siedelungsstruktur Kundennähe ein eine sehr wirksame und erfolgreiche Strategie. In Amerika war die in vergleichbaren Maße nie möglich und der Personalersatz durch Computer war kaum ge92 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft hemmt. Das brachte deutsche Banken dann ins Hintertreffen. Eine Frage ist es, ob Dienstleitung eigentlich Werte schafft und deshalb irgendwie in der Lage ist, die aus der Produktion ausscheidenden Menschen adäquat zu beschäftigen. Das kann man der Dienstleistung natürlich nicht absprechen. Wo die Dienstleistung sonst nicht ausrechendes Know-how einbringt verbessert sie sicher der Struktur. Wo sie nur zum Löhne drücken eingesetzt wird, vernichtet sie Kaufkraft und schädigt die Gesamtwirtschaft. 3.11. Weiterbildung - ein großes Schlagwort Rationalisierung ohne Ratio-Arm-Spirale verlangt echte Mobilität der Arbeitskräfte. Dem stehen starke Kompetenzdefizite gegenüber. Um dem zu steuern wurden Ausbildungsmaßnahmen der Arbeitsämter gestartet. Ihr Erfolg lässt offensichtlich sehr zu wünschen übrig. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die klassische Ausbildung im Beruf heute nicht mehr adäquat und ausreichend ist. In der durch den technischen Fortschritt sich ständig ändernden Arbeitswelt, wird Können und Erfahrung ständig entwertet. Das in der Gesellschaft vorhandene Humankapital wird also praktisch ständig vermindert. Nicht brauchbares Wissen und Können ist wirtschaftlich nichts mehr wert. Die Flexibilität der Wirtschaft zu Ehrhards Zeiten beruhte im wesentlichen darauf, dass in jeder beruflichen Bildungsschicht horizontal eine nahezu unendliche Beweglichkeit für die Menschen vorhanden war, denn sie konnten an jedem neuen Arbeitsplatz das alte Wissen und Können, jetzt auf ein neues Ziel gerichtet, wieder anwenden. 93 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Heute muss vor der erfolgreichen Aufnahme einer neuen Tätigkeit das durch den technischen Fortschritt entwertete Wissen und Können durch neues Wissen, Können und Erfahrung ersetzt werden. Genau aber das ist außerhalb des Betriebes kaum oder gar nicht möglich. Irgendwie im luftleeren Raum erfundene und für alle möglichen Leute brauchbar sein sollende Weiterbildungskurse haben sich keinesfalls bewährt. Solche Kurse können sich auch gar nicht bewähren. Ihr Ausbildungsziel kann nur sehr schwammig und nicht präzise sein. Unter anderem auch dadurch bedingt, fehlt es dann auch an Lernmotivation. So kann diese Art der Weiterbildung überhaupt nicht effektiv sein. Im Gegenteil, sie verschlimmert zumindest insoweit das Problem, weil es durch die unvermeidlichen Lernschwierigkeiten das Selbstwertbewusstsein schmälert ohne es durch sicher verwertbare Kompetenzen neu zu stärken. Wenn man es etwas überspitzt formulieren will, kann eine allgemein brauchbare Berufsausbildung nur ein tragfähiges Fundament bilden, auf dem „on the jop“ weiter aufgebaut werden kann. Ganz besonders ist die Lernfähigkeit in starkem Maße zu fördern. Das ist sehr schwierig, leider geht ohne dem aber gar nichts. Ein vernünftige Weiterbildung ist eigentlich nur im Betrieb möglich. Leute, die schon da sind, haben das richtige Fundament, auf das man mit relativ wenig Aufwand, das aufbauen kann, was gebraucht wird. So wie die Berufsausbildung im Betrieb angesiedelt ist, muss auch die Weiterbildung im Betrieb erfolgen. Je nach Organisationsmöglichkeit muss die Weiterbildung neben der vorhandenen 94 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Beschäftigung herlaufen, oder es muss eine längere Arbeitsfreistellung bei weiterer Betriebszugehörigkeit erfolgen. Die Ratio-Arm-Spirale wird durch die verbreitete Weiterbildung nicht ernstlich gebremst. Wenn, wie oben gefordert, Personalentlassungen zu höheren Umsatzsteuern für die Unternehmen führen, dann gibt es auch mehr Anreiz, innerbetriebliche Weiterbildung vorzunehmen, was wie gesagt viel effektiver ist. Heute kann man hierzulande die Kosten abwälzen, erhält aber auch nicht adäquates. 3.12. Wirtschaftswachstum über neue Produkte 3.12.1. Handy Das wesentliche Problem ist heute aber die Marktsättigung. Diese kann jedoch in einer Überflussgesellschaft nur durch neue Produkte behoben werden. Alles was in den letzten 50 Jahren neu auf den Markt kam, kann man sich wegdenken, und die Leute könnten trotzdem leben. In gewissem Sinne sind diese Produkte also überflüssig. Da diese Produkte aber einen großen Teil des Wirtschaftslebens ausmachen, müssen Wirtschaftsprodukte offensichtlich nicht notwendig gebraucht werden, sondern sie müssen nur gekauft werden. Wegen der wachsenden Arbeitslosigkeit und der Angst davor finden viele vielleicht auch neue Güter keinen Absatz. Eine wesentliche Ausnahme ist das Handy. Es hat offenbar als neues Produkt ein altes menschliches Bedürfnis befriedigt, das durch die Entwicklung der letzten 50 Jahre mehr und mehr nicht befriedigt werden konnte, nämlich die Zurufe in der Kleingesellschaft vornehm95 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft lich in der Familie. Der Ruf :“Karl wo bist Du? Ich geh in die Stadt. Wie geht es bei Dir? Ist alles OK?“ Und die darauf folgende Antwort. „Ich bin noch zu hause! Gehe aber gleich zur Arbeit! Alles ist OK!“ Dank des Handy und der SMS ist diese lebenswichtige Kommunikation heute wieder möglich und hat den Boom der Handys verursacht. Aber auch hier ist bereits eine weitgehende Marktsättigung eingetreten. Eine ausreichende Menge erfolgreicher neuen Produkte ist nicht in Sicht. Neue Geräte werden meistens von Technikern erfunden. Dann muss man praktisch ein ganzes Volk so umerziehen, dass es glaubt die neuen Geräte zu brauchen. Vielleicht wäre es sinnvoller und einfacher, von Gesellschaftswissenschaftlern und Psychologen neue Geräte definieren zu lassen und dann Ingenieure beauftragen diese Geräte zu bauen. Früher wurden die Ideen von den Märchen geliefert. Die Siebenmeilenstiefel führten zu Motorrad und Auto, der fliegende Teppich zum Flugzeug und Peterchens Mondfahrt schließlich zum Flug auf den Mond. Heute gibt es aber kaum noch ein Märchen, das man noch ausbeuten könnte. 3.12.2. Das Internet Das Internet ist nicht nur ein neues Produkt, sondern gleich eine ganz neue Technologie. In der Technikgeschichte hat sich die Einführung einer neuen Technologie immer ähnlich abgespielt: Zunächst große Skepsis, dann übergroße Euphorie mit einer gewaltigen Spekulationsblase und bei deren Platzen eine anschließende Rezession. Die weitere Entwicklung der neuen Technik führte dann 96 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft zu einer Verdrängung der vorherigen Technik. Das ist mit massiver Vernichtung von investiertem Kapital und heutzutage auch viel Humankapital verbunden. Insgesamt hat sie sich nur dann durchgesetzt, wenn sie die „Ratio-ArmSpirale“ etwas weiterdrehte. Heute arbeitet das Internet in der Forschung, für die es erfunden wurde, sehr befriedigend. Große, weit verstreute Forschergruppen können sich fast so unterhalten, als ob sie im gleichen Labor säßen und nicht Tausende von Kilometern auseinander. Eine weitere Gruppe von intensiven Internetnutzern sind Jugendliche und auch schon Kinder. Das kann man leicht am Niveau von offenen Internetforen beobachten. An solchen Foren ist ein ernsthaftes Mitdiskutieren aus diesem Grunde kaum möglich. Im wesentlichen lässt sich das Albern auf dem Schulhof fortsetzen, der wegen des verstreuten Wohnens in der Freizeit nicht aufgesucht werden kann. Der Handel im Internet schließt sich in seiner Funktion an den Versandhandel an. Die Website ersetzt in etwa den Katalog. Der Vorteil für den Kunden ist, dass er sehr schnell an einen aktuellen Katalog herankommen kann. Für den Versender ergeben sich Kosteneinsparungen gegenüber dem Papierkatalog. Für die Freie Marktwirtschaft ist das ganze eher nachteilig, da man im Internet zwar ziemlich rasch Preise vergleichen kann - aber keineswegs nicht genormte Qualitäten. Die Sache läuft also dann gut, wenn die Bestellung nach DIN möglich ist. Ansonsten wird hier die Rückkopplung „billiger weil schlechter“ mangels rascher Qualitätskontrolle stark gefördert. Hier kann die Qualität erst nach Lieferung 97 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft geprüft aber sehr umständlich verglichen werden, weil man verschiedene Bestellungen tätigen muss, die meist alle zunächst bezahlt werden müssen und die Retouren erst stark zeitversetzt erstattet werden. Das Bestellen und bei Nichtgefallen das Zurücksenden ist auch ein wichtiges Glied der Ratio-Arm-Spirale, da hier nicht nur wie im Supermarkt die Hälfte der Lagerarbeit auf den Kunden abgewälzt wird, sondern er darf hier auch die Kosten der Lagerhaltung übernehmen. Eine Wirtschaftsbelebung findet hier allenfalls auf der Straße statt, also eine Belebung des Autoverkehrs. Statt dass ein Verkäufer mehrere Waren aus dem Regal holt und auf der Theke ausbreitet und das nicht verkaufte wieder zurücklegt, fahren die Waren mit zusätzlichem Verpackungsmaterial über weite Strecken. Am Ende kann das aber nur durch Weiterdrehen der Ratio-Arm-Spirale finanziert werden. Qualitätsvergleich wird erschwert, was im allgemeinen zu schlechtere Qualität führt. Dazu kommt die Entlassung von Verkäufern. Letztere sind heute noch Know-how-Träger in Bezug auf Qualität, die dann auch aus der Wirtschaft wegrationalisiert werden. Selbst das Internet als Arbeitgeber bewirkt das Weiterdrehen der RatioArm-Spirale zumal auch viele mittlere und kleinere Firmen in diesem Wirtschaftsbereich verschwunden sind. 3.13. Konzentration / Fusionen Die große Welle der Fusionen ist etwas abgeebbt. Das besagt jedoch nicht, dass die Konzentration nicht weiter geht. Die Technik ist fast grundsätzlich so angelegt, dass 98 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft der technische Fortschritt neue Investitionen erzwingt. Diese Investitionen amortisieren sich am ehesten, wenn man zu größeren Serien übergeht. Das jedoch erfordert einen höheren Absatz und in einer Zeit der weitgehenden Marktsättigung ist das nur über neue Kunden möglich. Diese Kunden haben aber bereits einen Lieferanten. Es ist nun viel billiger den Mitbewerber mitsamt den Kunden aufzukaufen, als die Kunden abzuwerben. So führt das automatisch zu immer neuen Übernahmen und Fusionen. Dies führt aber immer zu größeren Wirtschafteinheiten mit immer mehr Marktmacht. In diesem Prozess gibt es eine Bremse, das ist manchmal die unterschiedliche Firmenstruktur, oder Nationalkultur. Diese lassen die erwarteten Synergien und Einsparungen nicht realisieren. So können abschreckende Beispiele entstehen. Prinzipiell werden größere Wirtschaftseinheiten immer komplexer. Innerhalb dieser Wirtschaftseinheiten gibt es meist keinen eigentlichen wirtschaftlichen Wettbewerb, sondern eher eine Art Planwirtschaft. Planwirtschaft setzt aber Planbarkeit voraus. Da diese aber weitgehend nicht existiert, nähert sich eine Wirtschaft mit sehr großen Einheiten den Zuständen in der staatlichen Planwirtschaft. Diese sind aber mangels genügend diversifiziert angelegter Rückkopplungskreise über den Markt zusammengebrochen. Konzentration wird durch nicht über den Markt rückgekoppelter Kosten-Nutzenrechnung, die dann eher spekulativ ist, positiv rückgekoppelt. Sie führt zu immer mehr Arbeitslosigkeit durch Rationalisierung aber auch zum Absatzrückgang durch Verschmälerung des Angebotes. Sie 99 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft ist also ein besonders wirksames Glied der „Ratio-ArmSpirale“. Große Einheiten sind durch ihre innere Struktur besonders kollapsanfällig. Wachsender Absatz stimuliert wachsende Investitionen. In großen Einheiten sind die Investitionsschritte nur günstig, wenn sie größeren Blöcken erfolgen. Am Ende eines möglichen Wachstums sind oft noch besonders große und jetzt auch fremdfinanzierte Investitionsblöcke in der Verwirklichung, die nicht mehr gebraucht werden und so die Liquidität vernichtet haben. Hier wird auch die Versuchung groß, das noch vorhandenen Ansehen am Markt zu illegalen Rettungsaktionen zu missbrauchen, wie es in letzter Zeit öfter beobachtet werden kann. 3.13.1. Große Konzerne werden eher planwirtschaftlich als marktwirtschaftlich geführt. Es gibt eine Scherzfrage: Für eine bestimmte Arbeit braucht ein Mann acht Stunden. Wie viel Stunden brauchen dann zwei Mann für diese Arbeit. Die Antwort lautet sechzehn Stunden. Das Problem liegt dabei nicht bei fehlenden mathematischen Kenntnissen, sondern die beiden streiten sich zunächst 12 Stunden, wie denn die Arbeit zu bewältigen sei. Wenn sie sich geeinigt haben, brauchen sie dann noch 4 Stunden. Da bei dieser Arbeitsweise eine Firma schlecht Geld verdienen kann, sagt meist einer wie gearbeitet wird und die andern machen das dann so. Da das im kleinen sehr gut funktioniert, hat man aus diesem Modell die Planwirtschaft entwickelt. Das war dann die Wirtschaft in einem ganzen Staat. In einem Konzern liegt die Entscheidung letztlich auch bei dem Chef. Besonders 100 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft gut sollen Konzerne mit schlanker Struktur sein. Da landet vieles bald beim Chef und zwischen dem Arbeiter und dem Chef ist nicht allzu viel Sachverstand vorhanden. Bei wachsendem Konzern wächst damit auch die Inkompetenz der letztlich entscheidenden Instanz, ganz wie in der Planwirtschaft. In Deutschland gab es nach dem zweiten Weltkrieg zwei sehr bedeutende Elektrokonzerne. Siemens und AEG. Die AEG war ein kaufmännisch und hierarchisch straff geführter Konzern. Siemens war eher ein Konglomerat von Ingenieurbüros und von diesen beauftragten Fabriken und einer Bank - also eine Art Marktwirtschaft innerhalb der Firma. Die AEG ist verschwunden, Siemens existiert noch. Aber auch Siemens ist es nicht gelungen, seine frühere Geltung in der Welt zu erhalten. Die japanischen Firmen mit noch viel mehr Kompetenzverlagerung nach unten haben Siemens überrundet und damit gezeigt, dass auch moderat geführte Konzerne noch zu nahe an der Planwirtschaft angesiedelt sind. 3.13.2. Monopolisten wie Microsoft hemmen den technischen Fortschritt ähnlich wie die Planwirtschaft, denn in Ihrem Marktbereich herrscht sie dann praktisch. Das Geschäftsgebaren von Microsoft ist die praktische Einführung der Planwirtschaft in ihrem Geschäftsbereich. Durch das hinter dem Verbessern ihres Produktes versteckte Zugabengeschäft wird alle Software in einem bestimmten Bereich verdrängt. Dann wird in diesem Bereich wie in der Planwirtschaft geschaltet. Hier werden wie frü101 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft her in der Planwirtschaft Milliardenverluste in der Wirtschaft erzeugt – heute schon sichtbar in den Hacker- und Würmererfolgen. Da sich in dem von Microsoft beschlagnahmten Bereich kein ernster Konkurrent aufbauen kann, läuft die ganze Entwicklung wie bei Microsoft entschieden. Der Ostblock hatte dagegen den Nachteil, dass er der amerikanischen Raumfahrtbehörde nicht so einfach das Wasser abgraben konnte. 3.14. Aufbau Ost ein Misserfolg für 1250 Milliarden Euro 15 Jahre Aufbau Ost wurde anfangs 2004 von einer Regierungskommission untersucht. Es hat sich dabei gezeigt, dass ein sehr großer Teil des Transfervolumens von weit über 1000 Milliarden Euro in den Konsum gegangen ist, und keine Leistungsfähige Wirtschaft in den neuen Ländern entstanden ist. Es wird jetzt der Ruf laut, das transferierte Geld mehr in eine aufbauende statt eine konsumierende Richtung zu lenken. Der bisherige Misserfolg des Aufbaus Ost hat sicher mehrere Ursachen. Eine der Hauptursachen dürfte wohl die hohe Produktivität der westdeutschen Wirtschaft sein. Fast die gesamte alte Wirtschaft der Neuen Länder war auf dem Weltmarkt und in Deutschland auf der DM-Basis nicht konkurrenzfähig. Die Treuhand arbeitete praktisch als Insolvenzverwalter und hat so fast alle wirtschaftlichen Strukturen eher abgewickelt als neu gestaltet. Die Investoren aus dem Westen fanden zunächst unzureichende Infra102 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft strukturen vor. Die Arbeitseffektivität war in der DDR mangels echtem Anreiz auf ein Niveau abgesunken, das weit unterhalb der im Westen lag. Die wirklich neuen Investitionen waren weitgehend auf dem neuesten technischen Stand, konnten also nur sehr wenige Menschen beschäftigen. Die heute auch im Westen und auch in Amerika laufende „Ratio-Arm-Spirale“ hat praktisch durch die Wiedervereinigung in den neuen Ländern einen gewaltigen Ruck nach vorwärts gemacht. In einer funktionierenden Wirtschaft läuft diese Spirale langsamer, schon wegen der Beharrungskräfte der Menschen. Die Wiedervereinigung war auch ein lauter Ruf: „Bremsklötze weg – von der Ratio-Arm-Spirale!!“ 3.15. Angebotswirtschaft – Nachfragewirtschaft Die Marktwirtschaft westlicher Prägung ist eine Angebotswirtschaft. Ein wesentliches Charakteristikum der Angebotswirtschaft sind volle Schaufenster und Ladenregale. Der Umsatz bei diesem Überangebot ist im wesentlichen durch mangelnde Nachfrage begrenzt. In den früheren Ostblockländern herrscht eine Nachfragewirtschaft. Dort wurde gewissermaßen wissenschaftlich die echte Nachfrage erforscht und die Planwirtschaft hat danach ihr Angebot formuliert und zu erreichen versucht, die echten Bedürfnisse zu erfüllen. Manchem Bürger z.B. in der Neuen Ländern zeigt sich der Unterschied heute so: Früher hatten wir genügend Geld und konnten nichts kaufen, da die Regale oft leer waren. Heute sind die Regale prall gefüllt. Man kann aber auch nichts kaufen, da man kein Geld dafür hat. Die Ersparnisse aus der Planwirtschaftszeit waren bald 103 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft aufgebraucht. Dazu kam vielfach der Verlust des Arbeitsplatzes überwiegend bei den Frauen. Auch im Westen bedarf der „Normwohlstand“ aber ein genügendes Einkommens des Lebenspartners. In der freien Marktwirtschaft gibt es den alten Glaubenssatz: Jedes Angebot erzeugt seinen Markt selbst. Dieser Satz geht direkt aus der positiven Rückkopplung hervor. Ist das neue Angebot besser als das alte, wächst danach die Nachfrage und verstärkt die Produktion. Das funktioniert aber nur bei struktureller „Vollbeschäftigung“ und bei ausreichender Beweglichkeit der Arbeitskräfte. Das neue Angebot gibt einen Anreiz mehr verdienen und mehr arbeiten zu wollen, um es kaufen zu können. Das gelingt aber nur, wenn Arbeit angeboten wird. Bei hoher Arbeitslosigkeit gelingt das aber nicht, insbesondere, wenn das neue Angebot mit weniger Arbeitskosten auskommt. Das neue Angebot dreht dann nämlich die Ratio-Arm-Spirale kräftig weiter und die Wirtschaft geht dadurch zurück. Meist entstehen mit dem neuen Angebot auch neue Arbeitsplätze für Arbeitskräfte mit höherer Kompetenz als die verdrängten Vorgängerprodukte verlangten. Damit steigt dann die Arbeitslosigkeit und die Zahl der nicht besetzbaren Stellen gleichzeitig. Jeder technische Fortschritt, der schneller geht, als der Weitebildungserfolg der Arbeitskräfte dreht unweigerlich die Ratio-Arm-Spirale. Es ist hier also wie bei fast allen klassischen Sätzen der Wirtschaftswissenschaften, sie gelten wie alle anderen wissenschaftlichen Sätze nur innerhalb bestimmter Randbedingungen. Sind diese Randbedingungen nicht eingehalten, haben die Sätze 104 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft keine Gültigkeit und können sich bis in ihr Gegenteil verwandeln. Ein typisches Beispiel für das längerfristige Versagen dieses Satzes, dass sich ein neues Angebot die notwendige Nachfrage selbst erzeugt, war die Internetblase am neuen Markt. Es waren hier die Analysten, die Banken, die Entwickler und die Kunden durch den technologischen Fortschritt total überfordert und so musste der Crash notwendigerweise erfolgen. Hier kam noch, wie in der Angebotswirtschaft tendenziell immer, ein Überangebot von unbeschäftigten Kapital hinzu. Tendenziell fördert die Angebotswirtschaft aber auch die Gier der Menschen nach Geld, denn genügend Geld kann in einer solche Wirtschaft nur ein Asket besitzen. Würde sich aber deren Zahl stark vermehren, würde damit die Angebotswirtschaft zusammenbrechen. Eine hohe Umsatzsteuer auf Waren mit geringen Personalkosten, kann den technischen Fortschritt so regeln, dass es gelingen kann – auch durch die Einnahmen aus diesen Steuern – die Weiterbildung der Arbeitskräfte so zu forcieren, dass sich auch auf dem Arbeitsmarkt Angebot und Nachfrage, wie in der klassischen Wirtschaftstheorie vorausgesetzt, ausgleichen kann. Erst unter diesen Bedingungen kann sich der technischen Fortschritt in einen Segen verwandeln und muss nicht zwangsläufig die RatioArm-Spirale antreiben. Der Misserfolg der Nachfragewirtschaft in dem alten Ostblock ging zum großen Teil auf einen dazu umgekehrten Effekt zurück. Technischer Fortschritt ist grundsätzlich nicht planbar und geht letztlich nur nach „Versuch und Irr105 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft tum“ vor sich. Die Freiheit dazu existiert aber nur in einer Marktwirtschaft, nicht aber in einer Planwirtschaft. 3.16. Krise des Einzelhandels Seit Jahren gehen die Umsätze des Einzelhandels zurück. Man spricht von Kaufzurückhaltung. Das führt auch hier zu steigender Arbeitslosigkeit. Ursächlich ist dafür auch das Wegrationalisieren der wesentlichen Dienstleistung des Handels, nämlich die Information der Kunden über die Qualität der Waren. 3.16.1. Der Handel könnte für Kundeninformation unabhängig vom Hersteller sorgen Eine weitere Einschränkung der Regelung auf Binnenmärkte einer Region ist eine verstärkte Zielrichtung der Regelung d.h. der regelnden Abgaben eher auf den Handel als auf die Produktion. Das ist auch dadurch gerechtfertigt, dass der Handel das eigentlich tragende Element eines wirklich freien Marktes ist. Als Mittler zwischen dem Herstellen und dem Endabnehmer ist er es vornehmlich, der die notwendigen Kundeninformationen geben kann. Da das Wachstum in der Güternutzung und nicht nur der ökologisch bedenkliche schnelle Warenumlauf durch Neuanschaffung nur oberflächlich geänderter Waren und deren schnelles wieder Wegwerfen gefördert werden sollte, muss der Handel die dafür notwendigen Informationen an seine Kunden geben können. Dies kann am Ende aber nur über mehr persönliche Beratung des Kunden - unabhängig von einem Hersteller - geschehen. Die wirksame Verbreitung von Warenkunde ist die Voraussetzung für das Funktionie106 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft ren des freien Marktes. Hier könnten sehr viele für einen nützlichen freien Markt nützliche sinnvolle Arbeitsplätze entstehen. Diese werden aber derzeit laufend abgebaut. 3.16.2. Personalkostenabhängige Umsatzsteuer hauptsächlich vom Handel erhoben könnte den Handel wieder “handlungsfähig“ machen Die an einer anderen Stelle dieser Schrift vorgeschlagenen Umsatzteuerklassen entsprechend dem Personalkostenanteil7, sollten den Personaleinsatz im Handel besonders begünstigen. Diese Steuerunterschiede müssen bei hoher Arbeitslosigkeit ein Wegrationalisieren von Arbeitskräften im Handel völlig unrentabel machen. Wenn die Arbeitskosten nicht eingespart werden können, müssen sich die Handelshäuser überlegen, was sie sinnvoll mit den nicht wegrationalisierbaren Arbeitskräften machen. Das wird sicher zu besserer Beratung führen, denn nur dadurch kann man gegen die Konkurrenz punkten. Es wird also marktnotwendig das Ziel werden, die besten Verkäufer zu haben, im Gegensatz zu heute, wo das Ziel ist, die wenigsten Verkäufer zu haben. Die heutigen Umsatzrückgänge haben teilweise auch den Grund: Es ist auf die Dauer relativ langweilig in einem riesengroßen Warenlager herumzuirren und allenfalls auf inkompetente Gesprächspartner über die Vor- und Nachteile der Waren zu stoßen. Shopping wird heute immer langweiliger; da hilft auch keine Musikberieselung oder Kaf7 Siehe auch Kapitel 1.18. 107 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft feeecke und Kaufzurückhaltung ist ein neuer Begriff, der damit wohl zusammenhängt. 4. Rückkopplung in der Technik und Natur 4.1. In der Anfangszeit der Elektronik versuchte man auch positive Rückkopplung zu nutzen – mit fragwürdigen Erfolg Positive Rückkopplungen hat man in den Anfangszeiten der elektronischen Verstärker auch sehr häufig benutzt um mit wenig Verstärkerelementen hohe Verstärkungsgrade zu erreichen. Man baute dabei oft ungewollt statt einen guten Verstärker einen lustig pfeifenden Schwingungsgenerator. Der verschwendete nur Energie, leistete aber gar nichts. Das System wurde instabil und hat seine Funktion nicht mehr erfüllt. Statt z. B. das Radiosignal zu verstärken, erzeugte das Gerät ungewollte Pfeiftöne. Wenn es schon in der relativ leicht übersehbaren Technik nicht leicht gelingt, Teufelskreise positiver Rückkopplung zu beherrschen, ist das in der beliebig vieldimensionalen Welt der Wirtschaft noch viel weniger möglich. Wie schon gesagt, die Elektronik begann erst ihren Siegeszug, als die stabilisierende Gegenkopplung sich überall durchgesetzt hatte. 108 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 4.2. Sägezahnschwingungen In der Technik und natürlich auch in der Natur gibt es eine Unmenge von Rückkopplungskreisen. Man unterscheidet positive Rückkopplung, bei dem sich ein Prozess durch den Prozess selbst ständig intensiviert und dann am Ende der Energienachlieferung abbricht. Das weit verbreitetste Beispiel ist das Wachsen von Bäumen. Vereinfacht gesagt: Wenn die Wurzeln wachsen, wachsen mehr Blätter, wachsen mehr Blätter, können die Wurzeln mehr wachsen. Und so positiv rückgekoppelt geht es weiter. Irgendwann brechen dann die Bäume zusammen, auch wenn manche seltenen mehrere hundert Jahre alt werden. Der Lebensprozess der positiven Rückkopplung sieht etwa wie ein Sägezahn aus. Ein immer steiler werdender Anstieg des absoluten Zuwachses. Irgendwann stehen nicht mehr ausreichend Nährstoffe zur Verfügung und bald stürzt der Baum um. Etwas exakter kann man auch sagen, dass durch den Prozess die Energiezulieferung zu dem Prozess durch die positive Rückkopplung laufend verstärkt wird. Da aber die Energiequellen im allgemeinen endlich sind, bricht der Prozess gegen Ende der Energievorräte ab. Und das positiv rückgekoppelte System bricht zusammen. Bei günstigen Bedingungen beginnt das Wachstum von neuem - meist in einem neuen Exemplar. Ein einfaches mehr technisches Beispiel für eine solche positive Rückkopplung ist das Anzünden eines Lagerfeuers. Im allgemeinen wird zunächst das Brennmaterial aufgeschichtet. Dann wird das Feuer angezündet. Klassisch legt man unter den Holzstoß Reisig und Papier. Das Papier kann man mit einem Streichholz anzünden. Das Papier 109 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft lässt sich mit einer kleinen Flamme so stark erhitzen, dass es zu brennen beginnt. Das Papier erhitzt das Reisig wieder so stark, dass auch dieses brennen kann und das Reisig erhitzt das gröbere Holz, so stark, dass auch dieses brennt. Das Feuer bewirkt also immer mehr Feuer. Wenn alles Holz kräftig brennt, verbrennt es zügig und vermindert sich dabei. Wird kein neues Holz nachgelegt, geht das Feuer nach einer Weile wieder aus – die Energie im Holz ist verbraucht. Eine ähnliche Sache ist ein Strohfeuer. Hier läuft der gesamte Vorgang schneller ab. Bei so schnell ablaufenden positiv rückgekoppelter Prozessen spricht man daher von Strohfeuern. Es lässt sich auf einem Strohfeuer kein Essen langsam kochen, obwohl das Stroh dazu eigentlich genug Energie enthält. Viel zu viel Energie wird so schnell umgesetzt, dass die Wärme nicht genutzt werden kann, sondern ungenutzt in die Umgebung verschwindet. Eine kräftige positive Rückkopplung führt zu nicht gut nutzbaren Prozessen. Diese Positive Rückkopplung ist auch die Triebfeder von Schadensbränden. Am Ende des 2. Weltkrieges sind so ganze Städte verglüht. 4.3. Die Kerze, die schönste positive Rückkopplung Die Kerze, ein schöner weißer runder Stab aus Wachs mit einem Docht aus einer Art Schnur in seiner Mitte. Er liefert der Flamme am Docht in gleichmäßiger positiver Rückkopplung den Brennstoff nach. Die Flamme macht oben an der Kerze das Wachs flüssig. Das flüssige Wachs wird vom Docht aufgesaugt und zur Flamme empor transportiert, dort verdampft und in der Flamme verbrannt. Bei 110 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft guten Kerzen verbrennt auch noch der überflüssige Teil des Dochtes im heißesten Teil der Flamme. Das geht eigentlich wie bei jedem normalen Feuer. Wenn hier keinerlei Störung von außen erfolgt, brennt die Kerzenflamme ruhig und regt zur Meditation an. Kommt ein seitlicher Luftzug, wird die Flamme nach der Seite umgebogen, das Wachs einseitig geschmolzen, die Kerze brennt schnell herunter und geht früher aus. Wird der Luftzug noch stärker kann die Kerze mit ihrem hohen Schwerpunkt auch umfallen und einen Brand verursachen. So kann die Meditation mit einer Kerze über ein kurzes Schläfchen auch ziemlich direkt in den Feuertod führen. Der positive Rückkopplungskreis der Kerze kann also mit viel Kenntnis in wunderbarer Weise gestaltet werden. Gegen Störungen ist es aber ohne starke Rückstellkräfte extrem anfällig, wie jeder positive Rückkopplungskreis. 4.4. Der Segen Negativer Rückkopplung Thermostat Heute heizt man vielfach mit Öl oder Gas. Wenn bei Gas oder Ölheizungen das System auch (dauernd) mit positiver Rückkopplung arbeiten würde, gäbe es viele Katastrophen statt angenehmer Heizung oder gutes Brot. In der modernen Heizung hat sich der Thermostat durchgesetzt. Er arbeitet mit negativer Rückkopplung auch Gegenkopplung genannt: Steigt die Temperatur, wird weniger Brennstoff zugeführt. Sinkt aber die Temperatur, dann wird mehr Brennstoff zugeführt. Also gerade umgekehrt wie beim Lagerfeuer. Durch Verstellen der Umschlag- oder Vergleichstemperatur, lässt sich so eine vorgewählte 111 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Raumtemperatur oder Backofentemperatur halten. Ein Thermostat ist also ein Gerät, das die Temperatur des Raumes misst. Ist sie niedriger als gewollt, wird der Gashahn aufgedreht, ist sie höher, wird er (mehr) zugedreht. Je schneller und sachter das geht, je weniger Abweichungen von der am Thermostat eingestellten (Soll-)Temperatur sind zu erwarten. Wenn die Einwirkungen auf den Gashahn jedoch kräftiger und langsamer sind, schwingt das System mit sehr kräftigen Ausschlägen um die eingestellte Temperatur. Es ist dann also immer zu warm oder zu kalt, ähnlich wie bei einer Heizung von Hand. Solche starken Schwingungen können manchmal auch katastrophal enden. Ein Thermostat muss also möglichst genau messen und möglichst schnell reagieren können. 5. Wirtschaftswissenschaftliche Bemerkungen 5.1. Inflation – Thermostat frühere Deutsche Bundesbank Ein Prozess in der Wirtschaft mit positiver Rückkopplung ist die Inflation. Die führt natürlicherweise zur Lohn-PreisSpirale. Jedes Einholenwollen der höheren Preise durch höherer Löhne führt positiv rückgekoppelt zu noch höheren Preisen. Das ist eine gute Methode, hohe Staatschulden und die Geldvermögen wertlos zu machen. Die gesetzliche Ausstattung der früheren deutschen Bundesbank hat auf diesem Gebiet eine Art Thermostat zur Geldwertstabilisierung über negative Rückkopplung geschaffen. Die Bundesbank hat ständig sehr genau den Geldwert und Geldum112 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft lauf gemessen und bei einer Preissteigerung sofort letztlich entsprechende Kredite verteuert. Dadurch ging die Nachfrage zurück und damit auch die Preise. Fielen aber die Preise zu weit bzw. war der Geldumlauf zu gering, wurde der Kredit wieder verbilligt und damit die Nachfrage gesteigert, damit zogen auch die Preise wieder an. Ganz wesentlich war hier, dass die Leitung der Bundesbank sehr schnell und unabhängig reagieren konnte. Müssten z. B. die Kreditkosten durch Gesetz geändert werden, wie heute die Beiträge der gesetzlichen Versicherungen, kämen die Maßnahmen der Bundesbank immer zu spät und die Inflation käme in immer größere Schwingungen bis sie davon galoppierte. 5.1.1. Monetarismus Eine Wirtschaftspolitik, die als einzigen negativen, stabilisierende Rückkopplungskreis die Geldwertstabilisierung über Preise und Geldmengen enthält, nennt man auch Monetarismus. Der Neoliberalismus glaubt, dies sein die einzig erlaubte Beeinflussung des alles sonst regelnden Marktes von Seiten des Staates. Frau Thatcher hat diese Politik am meisten verfolgt. Dieser Regelkreis wirkt aber bezüglich der Arbeitslosigkeit wie eine Thermostatheizung in einem Zimmer mit offenem Fenster. Möglicherweise kann man damit die Temperatur auf 21 Grad halten, aber man wird arm dabei. In England waren das weniger die Reichen sondern eher die Armen. Wenn man durch die Geldmenge in die Wirtschaft eingreifen will, ist das wie die Geschwindigkeitsregelung eines Autos mit der Ölkanne. Man kann sich neben das Getriebe setzen. Soll das Auto schnel113 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft ler fahren leert man mehr Öl ins Getriebe. Zum Bremsen verweigert man mehr Schmieröl und die wachsende Reibung im Getriebe bremst das Auto. Ob diese Fahrweise schon patentiert ist, das ist nicht bekannt. 5.2. Finanzmärkte scheinen keine echten Märkte zu sein – positive Rückkopplung über zu viel Optimismus Die Finanzmärkte scheinen keinen funktionierenden Märkte wie Warenmärkte zu sein. Im Spektrum der Wissenschaft vom Mai 2004 schreibt Bernard Ruffeux, Professor für Volkswirtschaftslehre, einen Artikel über „Märkte im Labor“. In diesem Artikel schreibt er, dass reale Warenmärkte fast unter allen Bedingungen auch im Labor funktionieren, z. B. noch mit vier Teilnehmern und ähnlich schlechten Bedingungen. Finanzmärkte, so optimal, man sie auch gestaltet, würden aber im Labor nie funktionieren. Die Ursache vermutet er im Bereich der Psychologie, da sich alle Menschen bezüglich ihres Geschickes und ihres Glückes überschätzen, zumindest solche, die in einer schon laufenden Hausse ihre Papiere halten, oder noch neue zukaufen. Es gibt immer Blasen, die dann aus irgendeinem Grunde zusammenbrechen, weil der Markt Panikverkäufe nicht aufnehmen will und so die Kurse einbrechen. Ein wesentlicher Unterschied zu einem Warenmarkt besteht schon darin, dass es keinen Endverbraucher gibt und fast immer eine Hoffnung und nicht ein realer Wert gekauft wird, denn selbst wenn der heute bekannt ist, z.B. als bezahlte Dividende, so kann er doch morgen schon anders sein. 114 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Wenn dem wirklich so ist, erscheinen die freien Finanzmärkte nicht geeignet zu sein, ihre wirtschaftliche Aufgabe ausreichend zu erfüllen. Die Politik, die Finanzmärkte immer regelloser zu gestalten, ist daher wohl höchst kontraproduktiv, denn seine Eigenschaft, Zusammenbrüche notwendigerweise zu produzieren, wird mit kleinen Pausen zu immer größeren Blasen führen. Die Blasenbildung ist eine typische positive Rückkopplung, ähnlich wie die Lohn-Preis-Spirale und die RatioArm-Spirale. Auch hier ist es notwendig, ein System ähnlich der früheren Deutschen Bundesbank zu etablieren, das den Preis von größeren Fonds in der Nähe eines vernünftigen Preis zu Ertragverhältnisses regelnd zu stabilisieren. Auch hier kann es nicht um Festsetzungen gehen, sondern eher darum, regelnd variierende Spekulationskosten zu erzeugen, welche die Spekulation in einem notwendigen Maß halten, ähnlich wie über lange Zeit die deutsche Inflation, denn ganz ohne spekulativen Anreiz wird wohl niemand sein Geld in eine riskante Investition stecken. Momentan sollen die Analysten diesen Part übernehmen, diese sind aber, wenn sie genügend technische und, wirtschaftliche und psychologische Kompetenz besitzen würden, aber nicht unabhängig genug, und auch nicht genügend darauf verpflichtet, Spekulationsblasen so weit als wirtschaftlich zu vertreten zu verhindern. Hier zu glauben, der Markt würde das schaffen, dürfte nach dem Stand der Wissenschaft eher grob fahrlässig sein. 115 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 5.3. Das deutsche Wirtschaftswunder Die Wirtschaftswunderzeit war eine vollständige wirtschaftliche Sonderlage. In Europa war der Markt für alle Dinge beliebig aufnahmefähig. Jeder technische Fortschritt führte über höhere Löhne oder niedrigere Preise zu mehr Umsatz und Gewinn. Es war eine Zeit in der die liberale Wirtschaftstheorie - mit dem positiven Rückkopplungskreis über das Preis/Nutzenverhältnis und die Anfänge der regelnden Bundesbank - auch in der Praxis funktionierte. Marktsättigungen traten nur in einzelnen Sparten auf. Freigesetzte Arbeitskräfte konnten anderweitig wieder Arbeit finden. Wie oben schon erwähnt war der Arbeitsmarkt horizontal völlig durchlässig. Der erlernte Beruf konnte in sehr verschiedener Produktion weitgehend weiterverwendet werden. Der technische Fortschritt war noch so langsam, dass er nicht große Teile des Humankapitals vernichtet hat, wie das heute zwangsläufig ist. Im Gegensatz zu Entwicklungsländern war das notwendige Humankapital in dem weitgehend vernichteten Land, praktisch sofort einsetzbar. In einem Entwicklungsland fehlen praktisch hundert Jahre Arbeitskulturentwicklung, die auch nicht verkürzt nachgeholt werden können, weil schon oft die klimatischen Bedingungen der Lebensführung völlig verschieden von den europäischen sind. Aus Europa importierte Arbeitskultur lässt sich auch nicht überall einpflanzen, insbesondere nicht ohne Zwang. Amerika, insbesondere Nordamerika kann hier schon deshalb nicht als gelungenes Beispiel gelten, weil dort das Leben von den Einwanderern geprägt ist und die Urbevölkerung, bzw. deren Nachkommen schon zahlenmäßig eine sehr kleine Rol116 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft le spielen. Außerdem hat das deutsche Wirtschaftswunder nicht in einer globalisierten Welt stattgefunden und der politisch festgelegte Wechselkurs zum Dollar hat über viele Jahre billige Importe z.B. aus Amerika verhindert und somit die deutsche Produktion geschützt. Erst weiteres Wachstum, das nur bei gesteigerten Export möglich erschien, hat mit der Einsetzenden Liberalisierung der Wechselkurse zum Ende des Florierens beigetragen. Die Aufnahme von Gastarbeitern für geringer bezahlte Arbeiten, hat auch an vielen Stellen früher vorhandene Bescheidenheit beseitigt. 5.4. dert Gleichgewichte im 18. und 19. Jahrhun- Die sehr langsame technische Entwicklung im 18. und 19. Jahrhundert führte dazu, dass man in den Wirtschaftswissenschaften praktisch nur Gleichgewichtszustände betrachten musste. Die wirtschaftlichen Aktivitäten der einzelnen Akteure waren um Größenordnungen schneller als die technischen Änderungen in der Praxis (nicht in der Theorie). Damit waren solche Gleichgewichtsbetrachtungen sinnvoll und oft auch erfolgreich. Aus dieser Zeit stammt auch die Forderung nach einem freien internationalen Markt, wobei der Handel zwischen einigermaßen gleichberechtigten Partnern gemeint war. 5.5. Überfluss- und Wegwerfgesellschaft Gegen Ende der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es in der westlichen Welt eine weitgehende Marktsättigung für lebensnotwendige Güter. Es bestand praktisch eine 117 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Überfluss- und Wegwerfgesellschaft. Eine solche Gesellschaft lässt sich aber ökologisch nicht halten oder gar noch steigern, denn sie ist an sich eine Art Leerlauf und kann nur durch intensive Werbung am laufen gehalten werden. Wirkliche Neuigkeiten gab es außer dem Handy nicht mehr. Das führte auch zu dem Kreislaufwirtschaftsgesetz in Deutschland, das den Verbrauch von Materialressourcen und die Produktion von Abfall eindämmen soll. 5.6. Schwer erkennbare Warenqualität Prinzipiell wäre bei gleichbleibenden Gerätearten ein Trend zu immer höheren Qualität möglich und ist in der Wirtschaftstheorie auch so vorgesehen. Für den Endverbraucher ist die höhere Qualität aber nicht mehr gut erkennbar, da sie nicht mehr sofort ins Auge fällt. Das PreisLeistungsverhältnis, das den Wirtschaftsfortschritt weitertreiben könnte und sollte, ist im Bereich der Konsumgüter zu einer reinen Preisbetrachtung verkommen. Das begann schon sehr früh bei den Waschmittelmarken. Die Qualitätsunterschiede der einzelnen Waschmittel konnte der Verbraucher nicht mehr erkennen. Dafür versuchten die Marken mit psychologischen Mitteln Pseudoqualitäten zu erfinden. Das ging aber nur so lange gut, als die Verbraucher das noch nicht merkten. Für den Verbraucher ist dieser Markt nur noch insofern ein Markt, als sich die Preise noch etwas unterscheiden. Es kommt also nur noch darauf an, dass man einen Markenartikel irgendwo – in einem Discountgeschäft - billiger bekommen kann. Diese Entwicklung zum Discounter hin, vernichtete aber nicht nur Arbeitsplätze in der Produktion über größerer 118 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Maschinendurchsätze, sondern insbesondere die als Ausweg gedachten Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich, den man als neuen Nachfrager nach Arbeitskräften gesehen hat. Die Discountidee führte zur kontinuierlichen Verdrängung der Dienstleistungen durch Selbstdienstleistung. Das fing beim Verschwinden der „Tante-Emma-Läden“ an und ist nun schon beim Homebanking angelangt. Dieses Wegrationalisieren der Dienstleistungen führt aber auch zum Wegfall der Kundenberatung. Dabei könnte nur eine qualifizierte Kundenberatung das Erkennen eines Preis-Leistungs-Verhältnisses aufrecht halten, oder wie es notwendig wäre, steigern. Das Qualitätserkennen und das Berücksichtigen des PreisLeistungs-Verhältnisses funktioniert nur noch in der Investitionsgüterindustrie in einigermaßen ausreichendem Maße. Das führt aber hier zu weiterem technischen Fortschritt und damit zu mehr Arbeitslosigkeit auch in diesem Bereich. Das einzige Ventil ist hier noch der Export. Steigende Exporterfolge führen aber wieder zu mehr kaum noch absetzbarem Billiggüterimport, was im Inland zu weiterer Arbeitslosigkeit führt. 5.7. Die Leute wollen nicht zu wenig oder uneffektiv arbeiten, sondern können nichts mehr interessantes kaufen Wenn man die Wirtschaft sieht, wie sie heute dasteht, leidet sie nicht an zu wenig effektiver Arbeit, sondern zu wenig Absatzmöglichkeit. Das legt den Schluss nahe: wenn die Waren billiger würden, könnte mehr gekauft werden. Das ist aber nur der Fall, wenn die Kaufkraft erhalten 119 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft bleibt und wenn der Optimismus ebenfalls erhalten bleibt. Jede Rationalisierung führt aber in der jetzigen weitgehenden Marktsättigung zu Arbeitslosigkeit und daher zu Kaufkraftschwund. Wachsende Arbeitslosigkeit zerstört aber auch den Optimismus und damit werden nicht notwendige Waren noch weniger gekauft. Die Wirtschaft wie sie heute ist, die Dinge produziert welche nicht unbedingt zum Leben gebraucht werden, kann also nicht wachsen, sondern muss daher zwangsweise schrumpfen. 5.8. Derzeitig diskutierte Sozialreformen und Steuererformen - Förderer der Arbeitslosigkeit Dieselben Effekte haben aber auch die derzeitigen Sozialreformen. Sie führen zu weniger Geld im Geldbeutel und die Steuerreform, soweit sie nicht durch Kredite finanziert ist, führt auch direkt zur Arbeitslosigkeit, denn der Staat gibt dann weniger Geld aus. Denn was der Staat ausgibt, wird in Arbeit oder Konsum gesteckt. Gibt er nichts aus, entfällt diese Arbeit und über den ausfallenden Konsum entfällt dann ebenfalls weitere Arbeit. Das alles mindert nur die Kaufkraft und den Optimismus. Das kann also keinesfalls zu Wirtschaftswachstum führen, sondern fördert kräftig die Arbeitslosigkeit. 5.9. Rentenreform Dass das momentane Rentensystem nicht mehr funktioniert ist nicht verwunderlich. Die hier vorhandene Solidarität ist nur auf die immer weniger werdenden Arbeitnehmer beschränkt. Die Umlage kann also die Renten nicht finanzieren. Und die Menschen werden immer älter und 120 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft gehen dafür früher in Rente. Wollte man das über Ersparnisse finanzieren müsste die gesamte Versorgung trotzdem von der laufenden Produktion abgezweigt werden. Das dafür notwendige stünde dann den Arbeitenden auch nicht zur Verfügung. Für den Kaiser war es seiner Zeit einigermaßen einfacher eine funktionierende Rentenversicherung zu installieren. Das Rentenalter war bei 65 Jahren, die Lebenserwartung aber eher bei 64 Jahren in den betroffenen Kreisen 5.10. Weitere Wirtschaftliche Regelkreise sind notwendig Der Rückkopplungskreis im freien Markt – praktisch nur noch über den Preis - ist also ähnlich wie eine Heizung ohne Thermostat, in der derzeitigen Globalisierung mit vielen dauernd offenen Fenstern. Hier kann sich keine vernünftige Raumtemperatur einstellen. Erst wenn hier die Lüftung vernünftig geregelt ist, gibt es dafür auch im Winter eine vernünftige Chance. Wie einleitend bemerkt muss eine thermostatähnliche Regelung für weitere Wirtschaftsgrößen installiert werden, das sind mindestens: 1. Eine die Gesellschaft stabilisierende Verteilung der durch die Marktwirtschaft erzeugten Güter bzw. des Reichtums 2. Eine nachhaltig ökologisch verträgliche Verwendung der Ressourcen. 121 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 3. Eine gesellschaftlich verträgliche und damit stabilisierend wirkende Verteilung der noch verbliebenen Arbeit 4. Das Stoppen des Auseinanderdriftens von Kinderwunsch und Erfüllen des Kinderwunsches in weiten Teilen Europas und damit die Stabilerhaltung der Rentensysteme 5. Eine Erhaltung der kulturellen Werte auf dieser Erde Die erste Aufgabe ist wohl die schwerste, alle bisher verwendeten Mittel haben das nicht erreicht. Wahrscheinlich ist diese Aufgabe aber nicht die dringlichste, jedenfalls um sie direkt lösen zu wollen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass sich die weitere Steigerung der Ungleichverteilung mildert, wenn man die Ungleichverteilung oder das Wegfallenlassen der Arbeit und die Verschwendung der Ressourcen bekämpft. 5.11. Politik der Grünen – mehr Beachtung der Ökologie Die ökologisch ausgerichtete Politik z.B. der Grünen in Deutschland glaubt, dass „mehr Ökologie“ automatisch zu mehr Arbeit führt – Stichworte Recycling, Reparatur, Energiesparen, sind einleuchtende Beispiele. Recycling erfordert wirtschaftliche Aktivitäten auf allen Gebieten, ohne dass über die Werbung ein neuer Markt erschlossen werden muss, oder neue Güter auf dem Markt durchgesetzt werden müssen. Staatliche Randwerte und eine ausreichend starke Ökosteuer bewirken hier Stellkräfte auf mehr 122 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Arbeitsnachfrage und damit auch gleichzeitig auf eine weitere Verbreiterung der Kaufkraft und besserer Verteilung des Geldes auf die Menschen. Ein zu einem bestimmten Preis nachgefragtes Produkt lässt ohne ökologische Zwänge höhere Gewinne der Besitzenden zu. Entstehen hier weniger Gewinne und mehr Lohnkosten ist dies auch eine Verbesserung der Reichtumsverteilung. Die Reparierbarkeit von Produkten vermindert ebenfalls bei nachfragebedingtem Preis die Gewinne und erhöht die Löhne. Dazu kommen die lohnintensiven Reparaturen mit einem gleichgerichteten Effekt. Energiesparen hat die gleichen Effekte. Dagegen könnte man einwenden, ohne Ökologie könnte man alles billiger haben. Darin liegt natürlich der Denkfehler. Neue Produkte in der Überflussgesellschaft sind natürlich auch überflüssig, sie würden aber die Wirtschaft beleben. Mehr Wirtschaft bringt mehr Geld in Umlauf und mehr Arbeit. Ohne die Produktion unnötiger Sachen kann man das Leben auch billiger haben. Mehr Ökologie bringt aber mehr Lebensqualität, mindestens für nachfolgende Generationen. Hier würden also echte Werte geschaffen – vielleicht unter Verzicht auf derzeitige Bequemlichkeiten. Aber diese Werte müssen ja nicht durch Askese der Menschen bezahlt werden, sondern durch Beseitigen des ständigen Hinauswerfens von Menschen aus einem lebenswerten Leben in menschlicher Würde. Wenn man das so betrachtet, sind diese Nebenregelkreise in dem Freien Markt nötig um die heutige Wirtschaftsstagnation zu überwinden. In der klassisch denkenden Wirtschaftstheorie ist das natürlich Unsinn, denn es entstehen 123 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft unnötige Kosten, die den zu erarbeitenden Reichtum schmälern. Nimmt man jedoch dieses Argument ernst, so verkommt das menschliche Leben ja die Erde zu einem Sklaven der Wirtschaft und diese dient nur dem Reicherwerden der schon reichen und eben dem Ärmerwerden der schon armen und sie zerstört die Grundlagen den menschlichen Lebens. 5.12. Ansätze für Wege aus der Krise Ludwig Erhard hat in Deutschland die soziale Marktwirtschaft erfunden, die Konkurrenz des Ostblocks hat sie über viele Jahre konserviert. In der Überflussgesellschaft der reichen Länder muss eine soziale Marktwirtschaft durch stabilisierende Regelkreise vor ihrer Entartung oder dem Zusammenbruch geschützt werden. Alle unvermeidbaren Soziallasten müssen wahrscheinlich über Steuern finanziert werden. Die Einseitige Belastung der Arbeitskosten mit den Soziallasten ist mangels Arbeit nicht mehr sinnvoll und dreht die Ratio-Arm-Spirale weiter. Eine ökologische und auch eine kulturelle Leitschiene für die Wirtschaft muss diese vor dem Absturz durch Instabilitäten bewahren. Der rechtliche Halt oder Rahmen der Wirtschaft darf sich nicht auf die Garantie der Bezahlung beschränken, sondern muss auch das Leben und die Würde des Menschen und seiner irdischen Ressourcen mit beinhalten. Das hat überhaupt nichts mit Planwirtschaft zu tun. Diese würde versuchen, solche Ziele durch Steuerungsversuche ohne Rückkopplung zu erreichen. Das ist wie eine geplante Heizung. Am Vormittag ein Liter Öl am Nach124 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft mittag ein halber Liter Öl oder auch etwas feiner nach Jahreszeiten oder noch feiner nach Wetterbericht. In der heutigen Zeit ist aber nur eine rückgekoppelte Regelung sinnvoll, welche die Abweichung von den Sollzuständen misst und eine rasche Öffnung des Ölhahns bewirkt, wenn es zu kalt wird und ungekehrt das Öl automatisch drosselt, wenn es zu warm ist. Mit der Wertstabilisierung der DM hat eine solche Thermostatfunktion über 50 Jahre sehr gut funktioniert und sie scheint für den Euro ebenfalls gut zu funktionieren. Diese anderen Regelkreise müssten natürlich ebenfalls mindestens auf europäischer Ebene installiert werden und bei Erfolg müssten sie auf die ganze Welt entsprechend übertragen werden, denn eine Insel der Reichen in einer verarmten Welt hat keine ernsthafte Überlebenschance. 6. Generelle Betrachtung von Wirtschaftssystemen und ihrer Theorien Allgemein üblich wird zwischen 2 Wirtschaftsprinzipien unterschieden einem marktwirtschaftlichem mit dezentraler Planung und Eigeninteresse als Antrieb und einem sozialen planwirtschaftlichen mit zentraler Planung und dem Wohl der Allgemeinheit als Antriebskraft. In Wirklichkeit gibt es und gab es beide nie in Reinkultur. Das hat vor allem darin seinen Grund, dass beide Systeme in Reinkultur gar nicht lebensfähig sind. Beide Systeme verlangen Eigenschaften der in ihnen lebenden Menschen, die in notwendigen Maße nicht vorhanden sind und der Erfahrung nach auch nicht erreicht werden können. 125 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Die einst real existierenden sozialistischen Systeme sind an diesen nicht genügend vorhandenen aber für das System notwendigen Eigenschaften der Menschen bereits weitgehend gescheitert. Die zentrale Planung der Wirtschaft übersteigt schon die wissenschaftlichen Fähigkeiten der zentralen Planer. Die Pläne lassen sich daher prinzipiell nicht optimal gestalten. Ihre vernünftige Umsetzung scheitert schon an ihren Unzulänglichkeiten. Erkenntnis des Machbaren wird durch Durchsetzungsdruck für unmögliches ersetzt. Der Mensch kann darauf nur mit Passivität und sich Durchmogeln reagieren. Es fehlt an einer ausreichenden positiven Rückkopplung des Markerfolges auf die entsprechenden Wirtschaftseinheiten. Die Zentralsteuerung als Grundstruktur fördert naturgemäß große Wirtschafts-Kombinate, welche die positive Rückkopplung aus dem Markt zusätzlich schwächen und das Gehen von Irrwegen über längere Zeiträume nicht erkennen lassen. Um das System irgendwie am Leben zu erhalten, wird die Freiheit des einzelnen möglichst stark beschnitten und die Angst vor Sabotage führt auch zu einem entsprechend umfangreichen Spitzelsystem. Ein wichtiges Grundprinzip wäre, wenn der Mensch die Wohlfahrt der Gemeinschaft wesentlich höher bewerten würde als seine eigene Wohlfahrt. Genau diese Eigenschaft verlangt der freie Markt nicht. In einem freien Markt schließen zwei Wirtschaftseinheiten nur dann einen Vertrag, wenn beide Seiten davon einen Vorteil haben. Durch die Addition dieser Vorteile, ergibt sich für die Gesellschaft eine ständige Verbesserung der Gesamtwohlfahrt. Diese Eigenschaft des freien Marktes ist 126 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft seine Legitimation. Damit die Sache funktioniert bedarf es also nicht die Zurückstellung der eigenen Interessen, sondern gerade deren Verfolgung ist der Antrieb ständiger Wohlstandssteigerung. Die Frage erhebt sich, welche Eigenschaften braucht der Mensch in einem freien Markt außer seinem angeborenen Egoismus. Zunächst muss er grundsätzlich damit einverstanden sein, dass es eine ganze Menge Leute gibt, denen es weitaus besser als ihm geht. Diese momentane Ungleichheit im Ergehen, darf er aber nicht als ungerecht ansehen, denn nicht die gleichen Lebensumstände muss ihm die Gerechtigkeit bringen sondern nur die gleichen Chancen, bei entsprechendem eigenen Einsatz zu diesen besseren Lebensumständen zu kommen. Diese Sicht wird für ihn noch günstiger, wenn er genügend egoistisch fühlt, um nichts dabei zu finden, wenn er für sich ein so gutes Leben erreichen kann, das für alle gleichverteilt überhaupt nicht zu erreichen wäre. Diese anderen Menschen brauchen ja auch nicht den Wohlstand, sondern nur die Chance dazu. Diese Gedanken führen zur sogenannten Leistungsgesellschaft. In der Wirtschaft geht es gerecht zu, wenn jeder entsprechend seiner Leistung belohnt wird. Hat er die gleiche Chance die gleiche Leistung zu erbringen, so braucht er das nur freiwillig auch zu tun, um zu gleichem Wohlstand zu kommen. Diese Vorstellung von Gerechtigkeit findet in Amerika wahrscheinlich mehr Anhänger als in Europa. Die Leistung wird in der Wirtschaft mit dem Erfolg am Markt gleichgesetzt. Es wird dabei in Kauf genommen, 127 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft dass der leistungsgerechte Erfolg gar nicht ausbleiben kann, da der Erfolg ja die Leistung misst. Für den einzelnen wäre aber eher interessant, was er für die in eine Sache eingebrachte menschliche Energie eine Belohnung erhält. Ein Straßenkehrer steckt fünf Stunden seine ganze Energie in seine Arbeit und der Besitzer eine gut gehenden Ladens steckt fünf Stunden seiner ganzen Energie in sein Geschäft. Die dabei erreichte Belohnung für die eingebrachte menschliche Energie kann beliebig voneinander abweichen. Die vielleicht denkbare Ungerechtigkeit dabei ist leicht unwirklich zu machen: Der Straßenfeger hat einfach seine Chance nicht genutzt, erfolgreicher Kaufmann zu werden. Kein Gesetz hat ihm das verwehrt. Eine Eigenschaft eines freien Marktes muss offensichtlich auch sein, dass eine wirtschaftliche Einheit im Falle eines Bedarfes mehrere Anbieter findet, die versprechen, diesen Bedarf zu decken. Die Freiheit besteht also darin, sich das beste Angebot auszusuchen und sich für dieses zu entscheiden mit dem Maßstab Preis für Nutzen. Soll dies Freiheit wirklich einen Vorteil bringen, muss der Nutzen sowie der Preis eingesehen werden. Das war vielleicht zu Zeiten von Adam Smith noch einigermaßen meist gegeben. Heute ist meistens nur noch der Preis zu sehen und der nicht immer z.B. bei Kreditgeschäften. Das Vorwissen der Marktteilnehmer ist nicht gegeben. Vieles ist zu kompliziert um den Nutzen abschätzen zu können. Die Werbung hilft hier nicht, sondern erschwert eher den klaren Blick. Im Falle der Berufswahl wird weder der Beruf richtig gesehen, noch die realen Möglichkeiten ihn erfolgreich zu lernen. Fremdbestimmtheit oder Glückspiel ist hier eher 128 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft maßgebend als das rationale Ergreifen einer wirklich gesehenen Chance. Leistung im Maßstab Erfolg am Markt setzt sich also aus zwei Anteilen zusammen: In die Sache eingebrachte Energie und Glück im Leben – zurückreichend bist zur Geburt. Als weiteres Problem kommt hier hinzu, dass Erfolg am Markt die Haupttriebfeder ist, weitere Energie in die Arbeit zu stecken. Also auch hier der positive Rückkopplungskreis, der aber dann zum Teufelskreis wird, wenn der Erfolg relativ zu Vergleichspersonen negativ beurteilt wird. Funktionierende sozialistische Systeme erfordern also Menschen mit einem relativ großen Gemeinsinn und wenig Egoismus und eine ausreichende Menge sehr genialer Planer. Funktionierende freie Märkte kommen mit egoistischeren Menschen aus, dafür müssen diese aber ziemlich wissend sein. Die Planer dürfen etwas weniger genial sein, entsprechend der Größe der wirtschaftlichen Einheiten. Beide Wirtschaftssysteme sind also für reale Menschen nicht brauchbar und das um so weniger, je näher sie an ihrem Ideal konstruiert sind. Beide System haben auch große Machtverlockungen, da die Steigerung von Macht die mächtigen immer erfolgreicher macht. Die Macht ist also in beiden Systemen eine positiv rückgekoppelte Größe, die aber bei genügender Größe jeweils das System in sich kollabieren lässt. Die Wirtschaftspolitik hat heute die Aufgabe, inhärende oder angeborene Fehler des herrschenden Wirtschaftsystems durch wirtschaftpolitische Maßnahmen zu korrigie129 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft ren. Eine Möglichkeit dazu wird darin gesehen, gewisse Bestandteile des anderen Systems zu integrieren. Prinzipiell hat dieses Verfahren die große Schwierigkeit, dass man über das Maß solcher Beimischungen öffentlich nicht rational diskutieren kann. Da man immer etwas dem bösen System zugestehen müsste, was man ja nicht darf. Es kommt hier eher auf Macht als Vernunft hinaus. Ein dauerhaftes Gleichgewicht lässt sich prinzipiell nicht finden, da der technische Fortschritt ständig alle Parameter verändert und meistens das, was gestern richtig war, heute falsch sein lässt. Da Wirtschaft ist - wie gesehen – immer von positiven Rückkopplungen durchzogen. Daher bestünde die Aufgabe einer vernünftigen Wirtschaftspolitik und einer dazu hilfreichen Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaft, nicht darin, ständig an Symptomen herumzudoktern. Das geschieht mit allen Förderungsgesetzen. Schon wegen der sofort einsetzenden Kompensation durch aufgespürte Schlupflöcher und den langen Reaktionszeiten des Gesetzgebers sind sie wirkungslos. Im Gegenteil, es wäre notwendig, wenn möglich zusätzliche Rückkopplungen einzubauen, die wünschenswerte Tendenzen verstärken und nicht wünschenswerte zurückdrängen. Einige Größen, hauptsächlich aber die Vollbeschäftigung, müssten durch dem Thermostat ähnliche Regegelkreise stabilisiert werden, ohne dass Zahlen in politische Streitigkeiten geraten. 130 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 6.1. Wirtschaftspolitik hat etwas von dem Steuern eines Schiffes über den Atlantik Aus dem Stand der Sterne haben die Kapitäne Jahrhunderte lang abgelesen wie sie ihr Schiff über den Atlantik steuern mussten. Zunächst hatten da die Astrologen da noch ein gewichtiges Wort mitzusprechen. Ihre Aussagen sind aber bei genauerer Betrachtung wegen zu vieler Falschvorhersagen aus der Mode gekommen. Dafür wurde der Sixthand bemüht. Mit ihm wurde der Genaue Ort des Schiffes auf der Seekarte bestimmt und dann der weitere Kurs bestimmt. 6.2. Die Möglichkeit, Form und Grenzen der neuen Regelkreise muss erforscht werden Diese kurze Betrachtung kann die anstehenden Probleme nicht durch ins einzelne gehende Vorschläge einer baldigen Lösung näher bringen. Es sollten sich aber genügend Wirtschaftswissenschaftler finden, die ihre Forschung auf diese Zielrichtung einstellen. So müssten sich in relativ kurzer Zeit Konzepte für solche Regelkreise finden. Wichtig sind: 1. Die Schaffung rascher Beobachtungsmöglichkeiten für aussagefähige Zustandsgrößen. 2. Gesetzliche Mittel zum Eingreifen in Form von Hebesatzänderung z.B. einer Umsatzsteuer, welche die Waren mit Steuerklassen nach ihrer ökologischen Qualität – auch z. B. in Richtung Reparierbarkeit bewertete. Die Hebesätze sollten veränderbar sein, ähnlich wie heute bei der Gewerbesteuer. 131 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Die Steuerklassen müssen im Einklang mit dem technischen Fortschritt durch intensive Untersuchungen gestützt für längere Fristen festgeschrieben werden. Die Steuerklassen müssen auch einen Parameter enthalten, der höhere Personalkosten begünstigt Die Hebesätze müssten jedoch von einer Art „Ökobank“ und einer „Arbeitsbank“ entsprechend den anstehenden Messwerten sehr kurzfristig und genügend stark zu ändern sein. Da das ganze als Regelsystem funktioniert, sind die Größen der Parameter ziemlich unwichtig. Die Eingriffswirkung muss nur stark genug gemacht werden. Bei laufender rascher Beobachtung der Werte, lässt sich bei zu geringer Wirkung noch zulegen, bei zu großer Wirkung wieder abschwächen. Und das natürlich ohne lange Diskussionen in einem Parlament oder gar einer ganzen Reihe von Parlamenten. Damit sind Fehlentwicklungen im Gegensatz zu starren Vorschriften erst gar nicht möglich, denn sie werden schon in ihren Ansätzen von der „Ökobank“ und der „Arbeitsbank“ über die feinen Messwerte schnell erkannt und durch sofortige Änderung der Hebesätze korrigiert. Der Alltag zeigt, dass der Thermostat funktioniert. Die DM hat 50 Jahre gezeigt, dass so ein wirtschaftlicher Regelkreis ebenfalls funktioniert. Und das in einem Land, das die Inflation von 1923 erlebt hat. Wichtig bei einem Regelkreis sind eigentlich nur zwei Dinge, dass die Einwirkungsrichtung meistens stimmt und vor allen Dingen schnell genug erfolgen kann. Hätte eine relevante Zins132 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft satzänderung der Bundesbank erst vom Parlament oder auch nur der weitgehend fachfremden Regierung beschlossen werden müssen, so hätte die Stabilisierungspolitik für die DM nie Erfolg haben können. 6.3. Moral in der Wirtschaft und Staat ─ zu einem Interview mit dem Präsidenten des deutschen Bundesverfassungsgerichts, Hans Jürgen Papier In der Zeitschrift „Stern“ Nr. 20 vom 12. 5. 2005 ist ein Interview mit dem Präsidenten des deutschen Bundesverfassungsgerichts, Hans Jürgen Papier, abgedruckt unter der Überschrift: „Politiker seid mutiger! Im Zusammenhang mit der momentanen Kapitalismusdiskussion wird er befragt zu den Themen Gerechtigkeit, Globalisierung und wozu Eigentum verpflichtet. Aus den Antworten geht in etwa hervor, dass im Rahmen des Grundgesetzes die Wirtschaft sehr viel freien Gestaltungsraum besitzt. Das ist auch historisch zu verstehen, da zur Zeit der Abfassung des Grundgesetzes die spätere soziale Marktwirtschaft noch nicht sehr ausgeprägt war und die vorgesehene soziale Bindung des Eigentums unter diesem Grundgesetz entweder über mehr Marktwirtschaft oder über mehr Planwirtschaft gestaltbar sein sollte. Nach Papier hat das Bundesverfassungsgericht schon in den 50er Jahren festgestellt „das Menschenbild des Grundgesetzes sei nicht der eines isolierten souveränen Individuums. 133 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Freiheit ohne Bindung, Freiheit ohne Verantwortung ist nicht vorstellbar.“ Diese Vorstellung beruht irgendwo auf der Christlichen Nächstenliebe. Diese Vorstellung kann man auch mit dem Kant’schen Imperativ verbinden. Hier weniger als ein göttliches Gebot, sondern mehr in der Erkenntnis, dass auch andere sich so verhalten könnten wie ich. Will ich das nicht, so sollte ich es auch bleiben lassen. Wenn diese Idee sich durchsetzt, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass zu schlimmes Verhalten unterbleibt. Das Gebot „Du sollst nicht stehlen“ hat sich durch die Kraft der Religion oder kraft der Kant’schen Philosophie nicht ausreichend durchgesetzt. Daher gibt es entsprechende Strafgesetze und ihre juristischen Anwendungen. Um das Eigentum als Voraussetzung des Geldwirtschaftssystem zu sichern sind solche Gesetze notwendig. Ein Politiker kann zwar in seiner Funktion als Publizist ethische Forderungen aufstellen. Neues kann er aber wohl nicht vorbringen, sondern nur altes wiederholen. Als Abgeordneter z.B. des Bundestages ist er aber laut Hans Jürgen Papier, befugt und verpflichtet - im Rahmen des Grundgesetzes - für Gesetze zu sorgen, die geeignet sind, ethisch nicht vertretbares zu verbieten. Das ist seine Aufgabe als gewählter Politiker. Im Bereich des Steuerrechtes und des Sozialrechtes hat er viel Spielraum und muss ihn nutzen. Allgemeine Erörterungen kann er Publizisten, Journalisten, Wissenschaftlern und Philosophen überlas134 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft sen. Bei Ärzten ist auch das Gesundbeten weitgehend aus der Mode gekommen. Papier sagt da auch: “Man kann nicht erwarten, dass eine Gesellschaftsordnung, die auf Privateigentum basiert, von den Bürgern dauerhaft akzeptiert wird, wenn der ganz überwiegende Teil der Bevölkerung von dieser Eigentumsordnung ausgeschlossen ist.“ Auch Papier sieht die Arbeitslosigkeit und die Verarmung als ein Felsenufer im Fahrwasser der Wirtschaft, an dem sie mit größtem Bedacht vorbeigeleitet werden muss. Hier ist Kybernetik gefragt. Hier ist die Wissenschaft aufgefordert Wege zu finden, durch neue Steuer- und Sozialgesetze in Anwendung von Kybernetik die drohende Instabilität der Gesellschaft zu umschiffen. Die Globalisierung führt in der Tendenz dazu, jede Art der Wirkung von Grenzen zu beseitigen. Die Globalisierung kommt aber nicht vom Himmel, sondern sie wird geschaffen von Staatsverträgen, welche die Politiker nicht einfach durchwinken dürfen sondern aktiv mit gestalten oder durch Veto verhindern müssen. Hier ist deshalb ein Schwerpunkt, weil sich die Weltwirtschaft als ganzes sich kybernetisch nicht steuern lässt. Die Umschiffung tödlicher Klippen und Eisberge in einem Staat lassen sich aber nur kybernetisch umschiffen. Zu weit geöffnete Grenzen verhindern dies aber. Das Maß für eine erträgliche Globalisierung lässt sich aber nicht aus der Zahlungsbilanz eines Staates ableiten. Die Globalisierung ist nicht schon deshalb noch in vernünftigen Grenzen, wenn momentan mehr 135 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Waren exportiert werden als man importiert. Es kommt darauf an, ob man in naher und mittlerer Zukunft die Klippen und plötzlich auftauchende Eisberge umschiffen kann. Globalisierung hat genau gesehen zwei Komponenten. Die Nachrichtenübermittlung auf der einen Seite und die Beweglichkeit von Geld, Waren und Menschen. Die Nachrichtenübermittlung ist heute fast beliebig rasch und durch Grenzen kaum aufzuhalten. Funk und Internet sind sehr schwer an Grenzen zu hindern. Waren sind leichter zu erkennen, Menschen können an Grenzen ─ teilweise unter unmenschlichen Bedingungen ─ aufgehalten werden. Zahlungen werden schließlich vom Staat erzwungen, ohne seine Mitwirkung geht hier fast nichts. Es dürfte wohl ein Irrtum sein, wenn der Staat die Globalisierung nicht beeinflussen könnte, sie beruht praktisch vollständig auf Staatsverträgen. 136 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Rückkopplungskreise in der Wirtschaft im Blickwinkel der Systemtheorie von Luhmann 6.4. Kurzcharakteristik des Systems Wirtschaft bei Luhmann Nach Luhmann8 ist die Wirtschaft ein Untersystem des Systems Gesellschaft. Bei Luhmann ist ein System definiert durch eine Unterscheidung von System und Umwelt. Jedes System wird durch eine Aktion beschrieben. Beim System Wirtschaft ist diese Aktion die Zahlung. Jede Zahlung ermöglicht eine neue Zahlung und ist von anderen Zahlungen abhängig. Die entscheidende Größe, ob eine Zahlung stattfindet oder nicht, ist der Preis. Liegt er im Rahmen der Bereitschaft zur Zahlung, wird die Zahlung getätigt, ist der Preis zu hoch, unterbleibt die Zahlung. Die Zahlungen erzeugen so immer neue Zahlungen. Das System Wirtschaft erhält sich also selbst und ist in gewisser Weise abgeschlossen. Dieses System muss aber gleichzeitig auch offen sein, denn der konkrete Anlass einer Zahlung liegt nicht in diesem System Wirtschaft, da nicht alle Zahlungen, die durch vorhergehende Zahlungen möglich sind, ausgeführt werden, sondern nur relativ wenige ausgesuchte, deren Aus8 Niklas Luhmann, die Wirtschaft der Gesellschaft 1. Auflage 1994, Frankfurt a.M. Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 1152); ISBN 3-518-28752-4 137 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft wahl nur aus der Umwelt dieses Systems Wirtschaft stammen kann. Die Tatsache, dass ein Zahlungsakt den nächsten erzeugt und diese Zahlungsakte ihren Anlass aber in der Umwelt haben, bedingt, dass die Wirtschaft im allgemeinen ein positiv rückgekoppeltes System ist. Nur Erfolg, veranlasst durch ein Urteil in der Umwelt, kann auch weiteren Erfolg bringen, das heißt weitere Zahlungseingänge verursachen. Misserfolg bringt zwangsläufig weiteren Misserfolg. Es sind dann nur weniger Zahlungen möglich, die weitere Zahlungen nach sich ziehen können. Wenn man das sehr verallgemeinernd sieht, erscheint in dieser Hinsicht Wirtschaft etwas überraschend als eine Art Lebensbremse. (Das Wort Bebensbremse kommt bei Luhmann nicht vor.) Die Wirtschaft schränkt die Möglichkeiten des praktischen Lebens gegenüber der sich in der Umwelt anbietenden Lebensmöglichkeiten auf eine verschwindend geringe Auswahl ein. Gegenüber den denkbaren Lebensakten sind die wirtschaftlich möglichen Lebensakte von sehr kleiner Anzahl. Es herrscht also prinzipiell immer ein Mangel an Zahlungsmitteln. Daher strebt jeder Teilnehmer an der Wirtschaft nach einer größeren Menge ihm zu Verfügung stehender Zahlungsmittel. Das ganze wird noch dadurch verstärkt, dass man Zahlungsmittel auch aufbewahren und zur Bezahlung späterer Lebensakte verwenden kann. Es gibt also grundsätzlich keine obere Grenze, die das Streben nach noch mehr eigenen Zahlungsmitteln beschränken würde. 138 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Wenn dieses Wirtschaftssystem in die reale Welt eingefügt wird, ergibt sich schon aus dem Energieerhaltungssatz ein wahrscheinlicher innerer Wiederspruch, da die Energie fast immer endlich ist, die Zahlungsmittel mindestens nicht dieselbe Grenze haben müssen. Da der die Zahlung leistende aus der Wirtschaft nur die Preise entnehmen kann, alle Informationen, die ihn zum Zahlen bewegen können, aber aus der Umwelt der Wirtschaft entnehmen muss, ist die Wirtschaft nie sich selbst überlassen, und hat ohne die Umwelt weder Antrieb noch Sinn. In dieser Abhängigkeit von der Umwelt, kann die Wirtschaft eigentlich nie frei sein, sie ist immer fremd bestimmt. Es ist also eher so, wie oben schon bemerkt, dass die Wirtschaft selbst eine wesentliche Schranke der freien Lebensgestaltung ist. Diese Beschränkung wird aber nach Luhmann in der derzeitigen Gesellschaft akzeptiert, wohl deshalb, weil sie eine gewisse Freiheit des Handelns zumindest ohne Lebensgefahr und wie Luhmann betont auch ohne Dankbarkeitspflicht ermöglicht. Die Schuld ist durch die Zahlung beglichen. 6.5. Eigentum – Fundament der Wirtschaft – Staat unerlässlicher Stützpfeiler Die Wirtschaft braucht außer den Zahlungen als momentane kurzzeitige, sich immer neu ermöglichenden Akte noch 139 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Zustände von einer gewissen Dauer, nämlich das Eigentum in seinen verschiedenen Ausformungen, angefangen von Grund und Boden über Sacheigentum bis zum Urheberrecht. Offiziell gehört die Leibeigenschaft nicht mehr dazu, aber die persönliche Freiheit ist durch Abhängigkeiten verschiedener Abstufungen vom Geschäftspartner über Arbeitnehmer bis zur Insassin eines Freudenhauses fast kontinuierlich abgestuft und mehr Freiheit muss auch im persönlichen Bereich durch Zahlung oder Nichtzahlung erkauft werden. Man kann also auch sagen ─ was Luhmann nicht explizit aussagt ─ Eigentum ist heute die wesentliche Quelle von Unfreiheit. Die Wirtschaft ist eine Möglichkeit damit umzugehen. Luhmann erwähnt auch, dass die Sklaverei erst nach einer gewissen Selbstversklavung der Menschen abgeschafft wurde, die sich selber zwingen, mehr oder weniger unangenehme Arbeit zu verrichten, um diese dann verkaufen zu können. Der professionelle Sklavenhalter konnte damit eingespart werden. Damit vereinbarte Zahlungen überhaupt stattfinden, braucht man aber noch die „Tugend“ der Vertragstreue. Da man heute auch ohne Tugend leben kann, oder doch zu können glaubt, braucht es hier den Staat und zwar auch seine Gewalt zumindest als Gerichtsvollzieher, wenn auch nicht mehr als Betreiber eines Schuldturms. Aber die Justiz lebt heute weitgehend von Eigentumsdelikten, die deshalb verfolgt werden, weil man Störungen von dem System der Zahlungen fernhalten will und muss. Ebenfalls braucht man den Staat, um das Zahlungsmittel (Geld) zur Verfügung zu stellen ─ in der richtigen Menge und ausrei140 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft chender Fälschungssicherheit. Auch muss der Staat die Form von Zahlungsversprechen und von bargeldlosen Zahlungsformen festlegen und sichern. Insofern ist das System Wirtschaft ohne das System Staat und Politik gar nicht lebensfähig. Wenn die Wirtschaft jetzt die Forderung erhebt, dass sich der Staat nicht in die Wirtschaft einmischen darf, so ist das von den Systemabgrenzungen her vielleicht eine denkbare Forderung. Sollte der Staat aber ernsthaft dieser Forderung nachgeben, wäre die Wirtschaft sehr schnell nicht mehr vorhanden, denn es gäbe bald keine geordneten, der Zeit angepassten Zahlungen mehr. Man kann aber auch feststellen, je weiter man das Privateigentum ausdehnt, um so mehr Handlungsfreiheit des Menschen geht verloren. Das Ausdehnen der Freizeitindustrie ist dafür ein sehr deutliches Indiz. Es gibt beinahe nur noch Restbereiche der Freizeit, die außerhalb der Unfreiheit durch wirtschaftliche Zwänge lebbar sind. Ganz markant ist dazu ein Vorschlag aus der Regierung Berlusconi, die italienischen Strände zu privatisieren. In Deutschland gibt es eine ähnliche Diskussion über die Nutzung von Waldwegen, da der Wald hier auch vielfach Privateigentum ist. Öffentliche Plätze und Gehwege werden mehr und mehr gastronomisch „bewirtschaftet“, das Ausruhen auf einem Sitzplatz praktisch mit einer Stuhlmiete belastet, für die als Zugabe etwas ess- und drinkbares vorgesehen ist. 141 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 6.6. Positiv rückgekoppelte Schleifen ─ Teufelskreise Nach den gängigen Forderungen der Wirtschaft, sollte der Staat nur die Rahmenbedingungen der Wirtschaft festlegen. Will er die Freiheit der Wirtschaft, was immer das auch sei, erhalten, muss er damit diese Rahmenbedingungen so gestalten, dass diese Freiheit nachhaltig erhalten werden kann. Es dürfen also keine Rückkopplungsschleifen entstehen, welche die Wirtschaft zerstören. Als positiv rückgekoppeltes System verstärkt die Wirtschaft jeden Systemfehler in einem Untersystem so lange, bis das Untersystem zerstört ist oder beizeiten entscheidend geändert wird. Als Untersysteme sind alle Einrichtungen und Organisationen von der Einzelperson über Firmen bis zu Staaten gemeint. (Die gefährlichste Rückkopplungsschleife in Deutschland im 20. Jahrhundert war die Inflation von 1923, als die Lohn-Preis-Spirale nicht zu bremsen war.) Für größere Untersysteme wie z.B. Staaten wäre das vorausschauende Vermeiden solcher Systemfehler grundsätzlich denkbar in einer strengen Planwirtschaft, denn da könnte man ─ zumindest theoretisch ─ die Strukturen so planen, dass solche Schleifen ausgeschlossen sind. Ob reale Planwirtschaften das je geschafft haben, ist aber fragwürdig. Freie Marktwirtschaft in der gewachsenen Form kann das keinesfalls schaffen, da freie Marktwirtschaft im Grunde ein positiv Rückgekoppeltes System darstellt. Wirtschaftlicher Erfolg ─ wie gesagt ─ fördert weiteren wirtschaftli142 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft chen Erfolg. Das ist ja der erlebte Erfolg der freien Marktwirtschaft. Wirtschaftlicher Misserfolg ─ das müssen wir im Auge behalten ─ führt aber zu weiterem wirtschaftlichen Misserfolg. Letztlich ist das auch die Ursache des von den meisten beteiligten empfundene Gefühl des Zwangs zu ständigem Wachstum. Ist Wachstum nicht mehr zu schaffen, folgt unweigerlich der Ruin. Nach dem ersten Weltkrieg gab es z.B. in Deutschland zunächst eine ungebändigte Inflation und dann später über die Börsenblase (Inflation nicht für Waren sondern für Wertpapiere) die Weltwirtschaftskrise als extreme Folgen dieser positiven Rückkopplung. (An der Börse wird die positive Rückkopplung noch verstärkt, da die Akteure in diesem Bereich der Wirtschaft als Beobachter wenig Durchblick haben und hauptsächlich nur sich ändernde Börsenkurse beobachten, die sie selbst erzeugen. Die Gründe für die Zahlungsakte stammen dann noch weit weniger als normal aus der realen Umwelt sondern weitgehend aus unreflektierten psychologisch verursachten Gefühlen oder Pseudotheorien.) In Deutschland ist es gelungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Inflation auf ein nützliches Maß zu bändigen durch den vom Staat erzwungenen Einbau einer negativen Rückkopplungsschleife über eine weitgehend unabhängige Deutsche Bundesbank. Also über den wirksamen Einsatz von Kybernetik mit der Deutschen Bundesbank als Steuermann. 143 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Der freie Markt neigt dazu ─ wie gesagt ─ als positiv rückgekoppeltes System bei jeder Gelegenheit, sogenannte Teufelskreise wie die Inflation zu bilden. Heute tut er das hauptsächlich mit einer RationalisierungsArbeitslosenspirale, die sich praktisch als Rationalisierungs-Armutsspirale (Ratio-Arm-Spirale) auswirkt. Rationalisierung setzt Arbeitskräfte frei. Die Kaufkraft der Konsumenten geht zurück. Schwindender Gewinn erzwingt neue Rationalisierung und so immer fort. Da man auch in Zukunft überleben will, wird auch bei hohen Gewinnen panisch weiter rationalisiert und freigesetzt, wie derzeit der Skandal um die Deutsche Bank zeigt9. Deshalb muss der Staat auch an anderen Erscheinungen solche negativen Rückkopplungen (kybernetische Konstrukte) einbauen, sonst zerstört sich das Wirtschaftssystem durch für die Gesellschaft unerträgliche Folgen selbst. Der Markt kann solche Dinge grundsätzlich nicht regeln, eben weil er selbst positiv rückgekoppelt ist. 9 Die früher vorhandene relative Beweglichkeit der Arbeitskräfte ist heute zu klein, nicht nur wegen der relativ hohen Sesshaftigkeit der Menschen, sondern vor allem auch wegen des gescheuten Aufwandes zur Erringung und Vermittlung neuer fachlicher Kompetenzen. Die verschiedenen Ansätze zur Weiterbildung waren und sind nicht erfolgreich genug. Die schon vorgeschlagene Absenkung von Löhnen würde die Kaufkraft ebenso schmälern und diese Spirale weiter in Gang halten. 144 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 6.7. Kybernetik ─ Leistung und Grenzen in der Wirtschaft, Evolution, Globalisierung Luhmann sieht die Kybernetik10 außerstande, die Wirtschaft ─ als Ganzes ─ zu steuern. Nach seiner Systemtheorie ist die Wirtschaft – wie fast alle Systeme in seinem Sinn mit positiver Rückkopplung – durch einen Steuermann nicht steuerbar, da die Kybernetik (negative Rückkopplung), nur Abweichungen von einer vorgegebenen Richtung verkleinern kann. Die Wirtschaft ist aber ein System, das durch seine Struktur (der positiver Rückkopplung) ─ wie auch das Leben in der Biologie ─ der Evolution11 unterliegt. Evolution ist aber durch positiv rückgekoppelt verstärkte zufälliger kleiner Abweichungen vom alten Zustand bestimmt und daher grundsätzlich nicht vorhersehbar. Kein Kapitän sagt hier dem Steuermann, wohin er fahren sollte, das könnte nur Gott tun. Der Steuermann könnte natürlich aus eigenem Antrieb sich ein sinnvolles Ziel aussuchen und das mit Hilfe der Kybernetik ansteuern. Das aber versucht jeder Teilnehmer am Wirtschaftsleben. Welche Richtung könnte z.B. ein solcher „Firmen-Steuermann“ einschlagen? Er beobachtet seine Umwelt, analysiert seine Chancen möglichst rational 10 Aus dem griechischen Abgeleitete Begriff etwa Kunst des Steuermanns, aus der Datenverarbeitung stammend, seit den 50er Jahre des 20.Jahrhunderts Grundlage der Regelungstechnik, verbreitetstes Anwendungsbeispiel: Thermostat 11 Monika S. Friedrich-Nishio, Einfluss verhaltensbasierter Faktoren auf die Innovationsleistung: Eine evolutionsökonomische Betrachtung am Beispiel von IT-Unternehmen in Japan und Deutschland: Universität Karlsruhe, Fak. f. Wirtschaftswissenschaften, Diss. v. 15. 02 2005 145 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft und schlägt dann die Beste Richtung ein. Die Präferenzen, die er vergleicht sind wohl aber nicht alle rational sondern nur teilrational. Er wird zwar nicht sagen, das haben wir schon immer so gemacht, das machen wir deshalb weiter so. Genau genommen übernimmt er wohl aus seiner Historie eine Reihe von Vorurteilen, die er als solche nicht erkennt. Es sind das für ihn bewährte Erfolgsrezepte, die bisher wirksam waren. Er wird sie daher nur ablegen, wenn er wirklich erkennt, dass sie jetzt nicht mehr wirksam sind. Wegen seiner endlichen Erkenntnisfähigkeit werden unweigerlich einige der alten Urteile jetzt in der neuen Situation als Vorurteile überleben. Für einige Zeit kybernetischen Steuerns in die als richtig eingeschatzte Richtung bleibt das so. Irgendwann lässt die weitere Entwicklung die Vorurteile als solche erkennen und Korrekturen werden vorgenommen. Jedoch die Kräfte der Evolution wachsen häufig lange unbeschränkt an und überholen auch das gut gesteuerte Unternehmen. So endet faktisch jedes Unternehmen früher oder später im Ruin. Je größer eine wirtschaftliche Organisation ist, um so länger kann sie das aushalten. Das führt auch dazu, dass größere Organisationen die kleinen von der Evolution überholten übernehmen oder zumindest überleben können. Man kann das auch so sehen (Luhmann), dass größere Unternehmen sich mehr Fehler im Einzelnen erlauben können, ohne ihre Liquidität einzubüßen. Kleinere Unternehmen müssen bei gleich hohen (absoluten) Verlusten zum Konkursrichter. Die wirtschaftlichen Fehler liegen aber oft nicht daran, dass die kybernetischen Werkzeuge falsch oder schlampig eingesetzt wurden, sondern dass die Evolution eine andere 146 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Richtung einschlug als die Firmenleitung als Steuermann einzuschlagen versuchte. So ist letztlich auch der frühere sehr große Ostblock wirtschaftlich gescheitert. Luhmann sagt, man könne die Konjunktur der Weltwirtschaft auch deshalb nicht kybernetisch regeln wie die Zimmertemperatur mit einem Thermostat im Ofen, da eine leicht änderbare Größe, welche die Konjunktur sicher und merklich in eine gewünschte Richtung verändern könnte, nicht bekannt ist. Der Thermostat muss auch nicht das Weltall heizen, sondern nur ein mehr oder weniger zugfreies Zimmer. Man muss also die Wirtschaft ihrer eigenen Evolution überlassen ist daher Luhmanns Ansicht. Dieser Schluss aus der Unmöglichkeit, das Weltall mit einem Thermostat geregelt zu heizen, gilt aber nur für die Gesamtwirtschaft, d.h. der Weltwirtschaft. So sieht das auch Luhmann. Mehr oder weniger abgeschlossene Teilsysteme lassen sich durchaus mit kybernetischen Mitteln verbessern, ganz ähnlich wie die Geldwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland in der 2. Hälfe des 20. Jahrhunderts. Eigentlich funktioniert das in Grenzen in jeder Firma, sonst würde die moderne Wirtschaft gar nicht existieren. Firmen sind aber keine Gebilde ohne Grenzen. Auf die Gestaltung der Grenzen kommt es wesentlich an. Ganz abgeschlossen funktioniert das nicht, ganz offen aber genau so wenig. Hierher gehört die Diskussion der Globalisierung. Sie darf keinesfalls so weit getrieben werden, dass 147 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft notwenige kybernetische Steuerungen nicht mehr möglich sind. Wären die Menschen nicht mit Haut und Haaren von der Wirtschaft abhängig und wäre durch die Evolution zumindest ihr Überleben gesichert ─ dass es nicht zu menschlichen größeren Katastrophen kommt ─ könnte man auch guten Gewissens von der doch nicht alles regelnden Kybernetik die Finger lassen. 6.8. Geldwirtschaft als Friedensstifter Luhmann hat auch beschrieben, dass die funktionierende Geldwirtschaft die Menschen weitgehend zu friedlichen Zuschauern des Wirtschaftsgeschehens gemacht hat. Das hat m. E. wohl darin seinen Grund, dass die Geldwirtschaft schon wegen der notwendigen Zurschaustellung des Angebotes weitgehend öffentlich ist, und sie so für alle Menschen einen sehr beträchtlichen Unterhaltungswert hat, der ihr Verhalten relativ weit domestiziert. Das Beobachten der Versuchung zum Kaufen und das Drama über Kaufen und Nichtkaufen kann die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, da die Zuschauer sich mit einer ausreichenden Anzahlt von Akteuren so weit identifizieren können, dass die Aktionen der anderen die eigenen Aktionen – ähnlich wie in einem spannenden Film - ersetzen können. (Da übernehmen die Konsumtempel die Rolle der Filmpaläste ─ auch als späte Nachfahren der Zirkusbauten im alten Rom). 148 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Die bei diesem Schauspiel notwendige Identifikation darf aber nicht verschwinden, sonst stellt sich das Schauspiel als großer Betrug dar: Die Bühne wird dann nicht mehr beklatscht, sondern gestürmt und in Brand gesetzt, wenn das Polizeiaufgebot nicht groß genug ist. Was ist nun die Bedingung für die Identifikation der Zuschauer mit den Zahlern. Der Zuschauer muss sich vorstellen, dass er das auch tun könnte, sich frei entscheiden, ob er zahlen, d.h. kaufen will oder nicht. Hat der Zuschauer aber immer nur so viel Geld als er zum bloßen Leben braucht, oder noch ein bisschen weniger, dann kann er mit der Zeit diese Identifikation nicht mehr leisten. Das wird dann zur Ursache von Depression oder offener bzw. heimlicher Rebellion, letzteres in der Erscheinungsform steigender Kriminalität. 6.9. Wirtschaft als Schiff „Wellness“ ─ Klippen, Riffe und Eisberge im Fahrwasser fordern Steuermann zu ihrer Umschiffung Man kann sich die Wirtschaft auch als ein Schiff vorstellen in dem die Gesellschaft durch den Ozean der Zeit segelt. Die Gesellschaft des reicheren Teils der Welt hat sich in das Schiff „Wellness“ gesetzt. Der Kapitän gibt dem Steuermann die Richtung vor: „Fahre in schönes Wetter“. Auf dem Mast wird die See nach schönem Wetter abgesucht, die Richtung bestimmt und mit voller Kraft oder vollen Segeln voraus gefahren. So lange man sich auf hoher See im gemäßigten Klima mit moderaten Segelflächen 149 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft oder gemächlichem Motor bewegt, ist das die Ideale Fahrerei. Ein späterer Logbuchleser stellt fest, das war eine ideale Evolution ─ und Evolution ohne Kybernetik ist offensichtlich die sinnvollste Fahrweise: Weiter so! Aber die Gesellschaft auf dem Schiff langweilt sich. Sie baut sich ein schwimmendes Dock namens wissenschaftlich fundierte Technik, setzt gelegentlich das Schiff in dieses Dock und verbessert es. Dabei wird es nicht nur massiger und bequemer sondern vor allem auch schneller. Unverhofft tauchen Riffe und Eisberge auf. Man kann eigentlich immer noch hinfahren wo man will, sogar sehr viel schneller. Aber eines darf man nicht. Man darf nicht auf diese tödlichen Hindernisse fahren. Man muss jetzt weiter blicken und mit Hilfe der Kybernetik also mit der Kunst des Steuermanns ─ und wenn möglich auch mit Hilfe eines Lotsen ─ sich von diesen tödlichen Hindernissen fernhalten. Allerdings mit der Erschwernis, dass in der Nähe dieser tödlichen Hindernisse die Strömung jedes Schiff auf dieses Hindernis zutreibt und ähnlich wie die Loreley wirkt, die Schiffe mit Mann und Maus im Rhein versinken ließ. Im Übrigen kann man sich weiterhin dem Ziel Wellness überlassen. Was sind heute in der Wirtschaft diese tödlichen Hindernisse. In Deutschland früh erkannt die Inflation. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde hier die Kybernetik ─ praktisch im Vorgriff auf ihre Verbreitung in der Technik ─ durch das Gesetz für die Deutsche Bundesbank eingeführt. Sie hat die deutsche Wirtschaft immer ausreichend von der Inflation ferngehalten ─ über 50 Jahre und besser als in allen 150 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft vergleichbaren Ländern. Daher wurde der Vertrag über die Europäische Zentralbank in Frankfurt, entsprechend diesem bewährten Muster gestaltet. Zu den tödlichen Hindernissen gehört auch ─ schon länger erkannt ─ die Problematik der Ökologie und ganz sicher auch die Arbeitslosigkeit. Das beides sind in der Bundesrepublik Deutschland natürlich neuere Zustände. Die katastrophal wirkende positive Rückkopplung von Störungen des ökologischen Gleichgewichtes sind früher nicht so aufgefallen, da erst der technische Fortschritt die Wirtschaftstätigkeit so angeheizt hat, dass deren Nebenwirkungen als gefährlich aufgefallen sind. Dazu gehört ─ wie gesagt ─ neuerdings auch durch den technischen Fortschritt die Arbeitslosigkeit. Früher brauchte die Wirtschaft die menschliche Arbeitskraft unbedingt. Die Menschen werden zur Produktion in der Wirtschaft heute jedoch täglich weniger gebraucht. Um eine auch ökologisch vertretbare endliche Produktionsmenge mit der heute möglichen Technologie zu verwirklichen, werden nur noch relativ wenig Menschen gebraucht und täglich weniger. Gebraucht werden die Menschen aber nach wie vor und sogar noch viel mehr als Konsumenten. Dann müssten sie aber zahlen können. Sie erhalten aber aus wirtschaftlichen Gründen keine Zahlungen mehr, da ihre Arbeitskraft unverkäuflich ist. Zwischenzeitlich kam die Hoffnung auf, die freigesetzten Produktionskräfte könnten in den Dienstleistungen beschäftigt werden. Die Entwicklung der Computer hat hier 151 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft aber die menschliche Arbeit noch radikaler unrentabel gemacht. Im Sinne eines nachhaltig funktionierenden Systems nach Luhmann ist die Wirtschaft in Deutschland heute schon nicht mehr vorhanden. Die notwendige Kaufkraft wird nicht mehr solide in der Wirtschaft entstehen lassen, sondern hier in Deutschland von der öffentlichen Hand über eigentlich nicht mehr funktionierende veraltete Systeme und über wachsende Schulden in immer weniger ausreichendem Maße bereitgestellt. Die Rettung des Staatshaushaltes könnte man im Absenken der Ausgaben sehen. In positiver Rückkopplung wäre das ein noch schnellerer nicht aufzuhaltender Ruin der Wirtschaft in Deutschland. Das aber wäre auch das Ende der Stabilität der Gesellschaft. Da das niemand wagt, geschieht fast nichts. 6.10. Weitere Notwendigkeit von Kybernetik in der Wirtschaft ─ Gesetzgeber gefordert Wenn man aus dieser Situation herauskommen will, braucht man außer der Geldwertstabilisierung weitere negative Rückkopplungskreise, ähnlich wie sie hochentwickelte Lebewesen auch benutzen, um im an sich auch positiv rückgekoppelten Leben, eine längere Lebensdauer zu erreichen. Dazu gehören dort z.B. die Körpertemperatur der Warmblütler über eine Art Thermostat, der PH-Wert des Blutes und der Zuckergehalt des Blutes. Wachstum 152 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft ohne Bremse gibt es beim Menschen auch: Das ist der Krebs. 6.11. Gefahr der Spaltung in einen realen und einen eher virtuellen Geldkreislauf Die Luhmann’sche Systemtheorie der Wirtschaft suggeriert durch ihre Struktur, in der jede Zahlung eine Zahlung voraussetzt und neue ermöglicht, dass das Geld nicht aus der Wirtschaft verschwinden kann, und wenn die Notenbanken die richtige Geldmengen zur Verfügung stellen, die Wirtschaft auch sicher funktioniert. Wenn aber im Armuts- bzw. Reichtumsbericht der deutschen Bundesregierung Jahr für Jahr festgestellt wird, dass die Reichen immer reicher, die Armen aber immer ärmer werden und dabei die Wirtschaft und damit das Steueraufkommen eher notleiden als florieren, scheint Luhmann einen Effekt nicht beachtet zu haben. Außer dem „realen“ Teil der Wirtschaft mit Waren und Dienstleistungen gibt es auch einen mehr virtuellen Teil mit Wertpapieren aller Art und besonders deren Derivaten, deren Deckung im realen Teil nicht eigentlich messbar ist und an den eher spielbankähnlichen Börsen bestimmt wird. So ist es möglich, dass das Geld der Reichen nicht mehr in den realen Kreislauf gelangt, da es einerseits den Reichen immer weniger möglich ist, ihren Reichtum in der realen Wirtschaft direkt zu nutzen. Es gibt für sie andererseits keine überzeugende Begründung mehr, in diesen langsamen und auch nicht unspekulativen Bereich von Arbeit schaffenden Produktionsanlagen eine Zahlung zu leisten. So zirkuliert eine große Menge des 153 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Geldes in diesem virtuellen Bereich der Wirtschaft und kommt nicht mehr in den reellen Bereich zurück. Dies ist aber gleichbedeutend mit einer Deflation im reellen Bereich der Wirtschaft mit ihren Folgen und zusätzlich einer Inflation im Bereich der Wertpapiere. Das Geld, das zu viel im virtuellen Bereich der Wirtschaft eingeschlossen ist, hat so nicht mehr die Eigenschaft von Kaufkraft, sondern eher die Eigenschaft von Macht, die wenn sie die Macht des Staates infrage stellt, illegal ist. Mit anderen Worten, die Besitzer dieser virtuellen Werte unterliegen mit Ihren Handlungen nicht mehr den Regeln der im Realen wirkenden Geldwirtschaft. Auch das ist ein auftauchender Eisberg, von dem wohl erst eine kleine Spitze zu sehen ist. Auch er kann nur kybernetisch umschifft werden, was wohl eine starke Rücknahme der Globalisierung voraussetzt. Wenn behauptet wird, das ginge nicht mehr, dann ist das entweder falsch, oder die Wirtschaft muss nach Luhmann zusammenbrechen, da sie von der Änderbarkeit der Politik lebt. Die Geldwirtschaft, und das sieht Luhmann als selbstverständlich an, braucht aber auch Beschränkungen aus ethischen Gründen. Das beginnt bei käuflicher Liebe über Menschenhandel bis zur Bestechlichkeit. In diesen Zusammenhang gehört auch die Diskussion über Nebeneinnahmen von Abgeordneten. Das Verbot von Betrug ist auch eine notwendige Randbedingung für die Wirtschaft. Betrug ist wohl auch das Zustandekommen einer Zahlung aufgrund falscher Angaben des Anbieters. In diesen Bereich fallen auch Teile der 154 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Werbung. Für ihn offensichtlich falsche Angaben der Werbung waren für den Bundesgerichtshof kein Betrug, da die Falschheit der Behauptung erkennbar war. Der Gerichtshof war aber nicht der Betrogene. Er hätte sich fragen müssen, warum die falsche Angabe gemacht wurde. Zumindest war doch vorgesehen, dass diese Werbung den Absatz fördert. Wenn auch in solchen Fällen der Erfolg nicht nachweisbar ist, so handelt es sich doch mindestens um einen Betrugsversuch. Hier der Kreativität der Werbung völlig freien Lauf zu lassen, dürfte im Sinne von mehr Mut für die Politik, nicht das Optimum sein. Wenn – wie Papier12 wohl richtig feststellt - nur das nicht erlaubt ist, was verboten ist, so muss wohl auch hier eine gesetzliche Grenze gezogen werden. Man kann natürlich auch darauf warten, bis die Werbung ihre Wirkung selbst zerstört hat. Schon auffallende Erscheinungen in dieser Richtung sind aber kein Motor für den stagnierenden Konsum. In einem im ganzen positiv rückgekoppelten System lassen sich mit Vorschriften und Gesetzen, die mit festgesetzten Zahlen, z.B. fixen Steuersätzen und Gebühren arbeiten, keine wirksamen Rahmenbedingungen schaffen. Die in diesem System herrschende Evolution wird solche „Baken“ in kürzester Zeit obsolet erscheinen lassen. Auf diesen Baken stehen quasi Rudereinstellungen. Welchen Effekt die machen, lässt sich nicht voraussehen. Nur eine Beobachtung und sehr rasche Verstellung des Ruders im Sinne der Kybernetik, setzt wirksame Rahmenbedingungen. Es bedarf dafür eine Unabhängigkeit von Weisungen 12 Siehe Kapitel 6.3. 155 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft über die Rudereinstellungen. Nur die möglichen Einstellmaßnahmen und das Ziel kann und muss vom Gesetz vorgegeben werden, genau wie bei der Geldwertstabilisierung durch die Deutsche Bundesbank und die Europäische Zentralbank in Frankfurt. Luhmann meint die Wirtschaft ließe sich kybernetisch nicht steuern, die Gründe sind das unbekannte Ziel und die fehlende Heizquelle für die Konjunktur. Luhmann sieht jedoch auch, dass sich einzelne wirtschaftliche Größen kybernetisch regeln lassen, wie z. B die Geldwertstabilität der DM. Die Arbeitslosigkeit scheint im wesentlichen von der Konjunktur abzuhängen. Das ist aber heute nicht mehr streng gekoppelt, denn die Konjunkturanstiege der letzten Jahre haben die Arbeitslosenanstiege der Konjunkturabstiege fast gar nicht korrigiert. Die Firmen konnten ihren Umsatz mit mehr Rationalisierung erhöhen. Wenn es durch lohnkostenabhängige Umsatzsteuer gelingt, weitere oder schnellere Rationalisierung unrentabel zu machen, wird sie unterbleiben und die Leute werden wieder eingestellt. Dazu müssen diese aber beweglich genug sein, d.h. erfolgreich weitergebildet werden, was wohl nur in den Firmen möglich ist. Auch diese Weiterbildung muss also von der Umsatzsteuer gefördert werden In der Elektrotechnik und insbesondere in der Elektronik war es keinesfalls der Thermostat, der den großen Fortschritt durch negative Rückkopplung ermöglicht hat, sondern die spannungskonstanten Netzgeräte. Alle elektronischen Geräte wurden mit einer (oder mehreren) konstanten Betriebsspannung ausgerüstet. Das bedeutet, dass bei höherem Strombedarf die Betriebsspannung nicht nachgibt 156 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft und bei weniger Strombedarf die entsprechende Betriebspannung auch immer konstant ist. Dies garantiert ein optimales Funktionieren der Elektronik. Da die menschliche Arbeit sowohl für den Menschen wie auch für die Wirtschaft die Grundlage der Existenz ist, entspricht die Vollbeschäftigung sehr weitgehend der Versorgungsspannung der elektronischen Geräte. Arbeitslosigkeit ist weitgehend dadurch definiert, dass Menschen, die in Abhängigkeit arbeiten wollen, eine Arbeit finden oder nicht. Die Zahl dieser Menschen wird wohl im Laufe der Zeit zurückgehen und die selbständig arbeitenden werden zunahmen. Das ist aber ein Prozess, der noch jahrzehnte andauern kann. Da nach Luhmann die freie Wirtschaft im wesentlichen ein System von einander bedingenden Bezahlungen ist, gibt es auch nur den Weg über den künstlichen (staatlich erzwungenen) Preisanstieg des Wegfallenlassens von Arbeitskräften. Andere Wege Arbeit zu schaffen, kann es in einem solchen System nicht geben. Das Problem entsteht aus der Langsamkeit des menschlichen Lebens. Der Mensch braucht 20 Jahre, bis er produktiv ist. Dann will er noch 50 Jahre produktiv sein und noch weiter 10 Jahre leben. Eine sich schnell ändernde Wirtschaft kann also gar nicht für den Menschen taugen. Daher ist eine kybernetische Regelung der Steuer, die das Rauswerfen der Menschen unrentabel macht, die freiheitlichste Lösung dieses lebensentscheidenden Problems. Jede Firma kann sich beliebige Wege aussuchen ihre Leute besser zu beschäftigen, oder aber so gut zu werden, dass sie die höhere Umsatzsteuer bezahlen kann. 157 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 7. Weitere Anregungen zur Abschaffung der Teufelskreise 7.1. Solidarsystem der gesamten Gesellschaft - Weg aus der Ratio-Arm-Spirale Folgender Denkansatz würde das System wahrscheinlich stabilisieren: Alle Soziallasten werden staatlich finanziert, dazu gehören Alters- und Invalidenrenten, das Gesundheitswesen und alle Dinge, deren Kosten vom Schicksal abhängen. Personennahe Dienstleistungen dürfen nicht teuer sein, sonst haben sie am Markt keine Chancen, weil man sie sich nicht leisten kann. Hier findet naturgemäß wenig technischer Fortschritt statt. Er kann sinnvoller weise von kleinen Betrieben geleistet werden. In diesem Bereich gehören alle direkten Steuern und Abgaben abgeschafft. Damit erledigt sich das Problem der sowieso nicht zu verhindernden Schwarzarbeit. Jede Arbeit gegen gute oder schlechtere Bezahlung ist legal. Wo bekommt nun der Staat seine Mittel her? 7.2. Umsatzsteuer personalkostenabhängig finanziert die Sozialkosten Wie oben schon erwähnt, sollte sich der Staat mehr von der Umsatzsteuer finanzieren, die beim Handel erhoben wird, wobei an den Endverbraucher liefernde Hersteller 158 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft über eine bestimmte Betriebsgröße - in der Gegend von 100 Mitarbeitern - als Handelsbetrieb mit gelten. Diese Umsatzsteuer könnte in ca. 10 Steuerklassen eingeteilt sein und etwa von 10% bis 200 % reichen, in Abhängigkeit davon, wie viel Personalkosten in den Preisen stecken und wie gut die Ökobilanz der Waren oder Dienstleistungen ist. Man könnte meinen, das wäre kompliziert, ist aber nur eine Frage der Pflege der Computerprogramme. Die Bezahlungen erfolgen jetzt schon vielfach unbar meistens mit Scannerkassen. Dabei sind mit dem europäischen Barcode die Waren einzeln ohne Probleme zu identifizieren und in die verschiedenen Umsatzsteuerklassen einzuordnen. Man kann jetzt den Markt beobachten und ständig - ähnlich wie heute die Bundesbankzinsen - die Steuersätze (Hebesätze) leicht anheben oder absenken, so daß die Staatsquote sich den notwendigen Staatsaufgaben automatisch anpasst. Das würde wie an anderer Stelle schon gezeigt wird, selbst für den Extremfall von 90% Staatsquote die kapitalistische Marktwirtschaft der Industriegüter nicht berühren. Bei so einer hohen Staatsquote wären ja auch nur noch wenige Menschen in der Industrie beschäftigt. Auch in der Landwirtschaft sind heute nur noch wenige Menschen beschäftigt, obwohl für eine schlechtere Versorgung wie heute vor 150 Jahren noch 80% der Leute in der Landwirtschaft arbeiteten. Und das heutige Problem ist ja das dauernde Schrumpfen der industriellen Arbeit. Der Anteil dieser Güter im Wirtschaftsgeschehen würde dann auch 10 % betragen. Die Arbeiter können dann bei entsprechender Rationalisierung genügend hoch bezahlt werden, da der Personalanteil dieser Güter ziemlich klein ist. 159 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Da die exportierten Güter ohne Mehrwertsteuer verkauft werden, ist ein Ansteigen der Mehrwertsteuer dabei nicht sehr schädlich. Es könnten also auch Volkswirtschaften existieren, bei denen der Anteil der in der kapitalistischen Industrie beschäftigten Menschen sehr verschiedene Höhen hat. 7.3. Personalkostenabhängige Umsatzsteuer verlangsamt den technischen Fortschritt – Ist das für den Wirtschaftstandort gefährlich oder eher günstig? Zunächst ist noch einmal zu betrachten, warum der technische Fortschritt in den 50er und 60er Jahren nicht so massiv die Arbeitslosigkeit gefördert hat wie er es heute tut. Damals hat auch eine Produktionsweise die andere abgelöst, aber die Arbeitnehmer waren so beweglich, um in den neu aufkommenden Produktionen Fuß zu fassen. Ausländisches Kapital ließ in Deutschland produzieren. Betriebsverlagerungen nach Asien oder Afrika oder auch nur Südeuropa gab es praktisch nicht. Also fast das genaue Gegenteil von heute, obwohl der heutige Sozialstaat, die Tarifautonomie und fast alles was heute als Wachstumshemmnis angesehen wird, damals schon vorhanden waren. Man sagt, diese Dinge hätten sich so vermehrt, dass sie heute stark abgebaut werden müssen. Das deutsche System galt damals als vorbildlich, weil es ein viel stabileres soziales Netz hatte und daher von großen Streikwellen und sonstigen Unstabilitäten frei war. Die Sozialpolitiker glaubten das System noch verbessern zu können, denn es gab im160 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft mer noch starke Ungerechtigkeiten, die zu beseitigen waren. Fast von den meisten Bürgern und noch mehr von den Politikern wurden die technischen Fortschritte kaum als Problem erkannt, da sie diese im einzelnen nicht verstanden und aus diesem Grunde ihre Folgen nicht im geringsten ahnen konnten. Was hat der technische Fortschritt denn so verändert? Die Mobilität der Arbeitnehmer ist geschrumpft, da die von diesen ausgeübten erlernten und beherrschten Berufe nicht mehr ausreichten, die neuen technischen Anforderungen zu erfüllen. Gleichzeitig hat die elektronische Datenverarbeitung eine immer weitergehende Automation erlaubt, die am Markt nicht vorhandenen Arbeitskräfte mit neuen Fähigkeiten mit erschwinglichen Investitionen ersetzen konnten. Diese beiden Dinge geschahen sowohl in der Produktion als auch im Handel. Die einfachen elektronischen Hilfen in der Produktion konnten die handwerklich ausgebildeten Arbeitnehmer nicht optimal einsetzen und so entstand ein Sog nach weiteren elektronischen Steuerungen. Und dies machte dann einen großen Teil der Arbeitsplätze überflüssig. Der Freihandel, also die Ausfuhr hochwertiger Investitionsgüter und die Einfuhr billiger Massenware vernichtete darüber hinaus ganze Wirtschaftszweige. Dazu kam die Einfuhr billiger japanischer Imitate z.B. im Photobereich, welche die deutschen Traditionsbetriebe so schwächte, dass sie auch technologisch von den Japanern schließlich überholt werden konnten. 161 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Viele Wirtschaftswissenschaftler schließen daraus, dass die Deutschen eben wieder so bescheiden werden sollten, dass sie auch für niedrigere weltmarktgerechte Löhne und auch Arbeiten unter ihrer Qualifikation annehmen sollten. Eine Förderung personalintensiver Produkte werde die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte weiter schmälern. Man glaubt hier an immer mehr Export hochwertiger Güter und den Import billiger Massenwaren. Das führt aber schließlich dazu, dass etwa 2/3 der Deutschen ohne sinnvollen Arbeitsplatz im heutigen Sinne sein werden. Wenn das arbeitende eine Drittel bereit ist, die übrigen an ihrem Leben teilnehmen zu lassen, könnte das gehen, wobei aber die Arbeit nicht mehr allein dazu taugt, das Selbstbewusstsein der Menschen zu begründen oder zu stützen. Arbeit muss dann eher als Hobby angesehen werden und andere Lebensformen müssten ohne Arbeit ein erfülltes Leben ermöglichen. Das ist natürlich nicht unmöglich. Früher waren ein sehr großer Teil der Frauen Hausfrauen und nicht irgendwie in einen kommerziellen Prozess eingebunden. Ob man das wieder erreichen kann, erscheint allerdings fragwürdig. Eine andere Richtung informeller Arbeit ist heute dagegen im Wachsen, die sogenannte Schwarzarbeit. Diese zu entkriminalisieren und in vernünftige Bahnen zu lenken erscheint eher möglich und sinnvoll. Die Hauptursache der geschilderten relativen Unbeweglichkeit der Arbeitnehmer im heutigen Deutschland die einen sozialen Abstieg verhindern soll, liegt aber nach der einen Seite, in der Tatsache, dass die Anforderungen an die berufliche Kompetenz der arbeitssuchenden schneller 162 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft steigt, als diese sie erringen. Ausreichende berufliche Weiterbildung und entsprechende Verlangsamung der technischen Entwicklung sind die einzigen Wege, die dies Mobilität in ausreichendem Maße ermöglichen. Letzteres zu erreichen, sollte durch eine thermostatähnliche Regelung einer vernünftigen Annäherung an Vollbeschäftigung möglich sein. Eine solche beinahe Vollbeschäftigung wäre nämlich auch eine äußerst notwendige Voraussetzung für eine ausreichende Motivation sich berufliche neue Kompetenzen anzueignen. Die bisherigen Maßnahmen in dieser Richtung haben diese Motivation nicht gefördert. Niemand wusste, warum er das lernen sollte. Und wenn er es halbwegs gelernt hatte, bekam er auch keine damit zu bewältigende Stelle. Wie schon an anderer Stelle erwähnt, muss wohl die berufliche Weiterbildung in den Firmen geschehen, in denen die Leute später arbeiten sollen. Erstens sehen sie da täglich, für was das zu lernende gut sein soll. Zweitens, und das ist mindestens genau so wichtig, wird hier nicht eine praxisferne mehr allgemeine Bildungsmaßnahme eingesetzt, sondern eine zielstrebige Vermittlung des Wissens und Könnens, das auch wirklich gebraucht wird. Jedenfalls ist Erfolg nur so möglich und nur das sollte daher gefördert werden. Da dies die Personalkosten erhöht, senkt es dann überproportional eine lohkostenabhängige Umsatzsteuer. Diese Eigenweiterbildung in den Firmen schafft auch so viel Kompetenz am oberen Rand des notwendigen, dass hier die eigenen Leute den technischen Fortschritt weiter treiben und man nicht von auswärtigen Unternehmensbe163 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft ratern abhängig wird, die den Betrieb nie so gut kennen, dass ihre Vorschläge optimal sein könnten. Die Abhängigkeit von solchen Beratern drängt gerade in Entscheidungen, welche die eigenen Leute übermäßig inkompetent werden lässt, sodass sie ihre Kompetenzlücke nicht mehr auffüllen können. Neue und entsprechen motivierte Leute zu finden, wird dann schwer. Dieser dann nicht sinnvoll gewachsenen technische Fortschritt mit teuren Investitionen führt dann auch nicht selten in den Ruin. Zudem kann es auch der Firmenleitung schwer fallen, ihre eigene Kompetenz ausreichend hoch zu halten. Im Bereich des Handels hat die Rationalisierung durch Einführung von Technik eine doppelte negative Seite. Einerseits gilt auch hier das oben gesagte. Auf der anderen Seite wird durch die Personaleinsparung auch die für die Marktwirtschaft überhaupt wichtige Warenkunde bei den Verbrauchern weitgehend zu Verschwinden gebracht, so dass hier die Preise allein regieren und die Qualität der absetzbaren Waren immer weiter sinkt. Importwaren aus den billigsten Niedriglohnländern verdrängen anspruchvollere Waren, mit denen die Wirtschaft wachsen könnte, völlig aus dem Markt. Eine personalkostenabhängige Umsatzsteuer könnte auch diesen Arm der Ratio-Arm-Spirale entscheidend hemmen. Das Ziel einer erfolgreiche Wirtschaftspolitik muss also sein, die Steuergesetze so zu gestalten, dass durch die Kräfte des Marktes in diesen Randbedingungen bei Arbeitslosigkeit kein wirtschaftliches Gleichgewicht entstehen kann, sondern dieses immer nahe der Vollbeschäftigung liegt. Erfolgreiche firmeninterne Weiterbildung sollte 164 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft also überproportionale Steuertarifvergünstigung bewirken. Dann und nur dann, wenn berufliche Weiterbildung und technischer Fortschritt genügend synchron verlaufen, kann die Wirtschaft und damit auch die Gesellschaft stabil bleiben. 7.4. Ist eine Verlangsamung des technischen Fortschritts nicht gerade tödlich für eine Volkswirtschaft? Diese Behauptung wird auch sehr gerne aufgestellt. Deutschland hat angeblich viel mehr technisches Knowhow als hier eingesetzt wird. Vor Jahren gab es mal eine Untersuchung, warum japanische Firmen z.B. in der optischen Industrie, die deutschen überholt hatten. Dabei war in etwa herausgekommen, dass japanische Firmen den Fortschritt in viel selteneren und aber längeren Schritten vollzögen als die deutschen. Wie weiter oben gesagt macht jeder ausgeführte Fortschrittsschritt vorhandenes Gerät sowie Wissen und Können der Mitarbeiter weitgehend wertlos. Je häufiger also solche Schritte ausgeführt werden, je häufiger wird also das vorhandene materielle und menschliche Kapital entwertet. Wenn der Markt zwingt, Preise zu senken, kann man nach einer solchen Umstellung nicht etwas schneller arbeiten, sondern hat neue Anlaufschwierigkeiten. Auf der anderen Seite haben lange Entwicklungszeiten bis zur Produktionsumstellung - und möglichst auf ein viel besseres Produkt hin - haben aber zur Folge, dass dieses Produkt dann am Markt zu einem viel höheren Preis abgesetzt werden kann, als ein nur wenig verbessertes. Etwa die gleichen Umstellungskosten fal165 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft len seltener an und die Marktpreise liegen länger über dem üblichen. Die Entwicklungskosten sind ungefähr gleich hoch, denn in beiden Fällen wird dauernd weiterentwickelt. Das Verfahren seltenerer und längerer Entwicklungsschritte spart also Kosten und führt zu höheren Einnahmen. Das heute in Deutschland vielfach vorhandene Desinteresse der Arbeitnehmer an der Firma liegt auch vornehmlich daran, dass die Mitarbeiter sich nicht mehr als die Firma betrachten, sondern davon überzeugt sind, dass die Interessen der Eigner weit über denen der Mitarbeiter eingestuft werden. Shareholder Value ist das zugehörige Schlagwort. Es spricht sich jetzt erst langsam wieder herum, dass ohne ausreichende Motivation der Mitarbeiter eine Firma nicht florieren kann. 7.5. Personalkosten im Handel Eine Möglichkeit bei personalkostenoptimierter Fertigung, die auch preisgünstig exportiert werden kann, lässt sich die hier vorgeschlagenen Umsatzsteuer für den Handel dadurch in eine günstige Steuerstufe bringen, dass der Handel sein bisheriges Konzept, seine eigenen Personalkosten beliebig klein zu halten wieder aufgibt. Wenn die großen Handelsgesellschaften heute nur noch eine sehr niedrige Umsatzrendite erwirtschaften, liegt das vor allem darin, dass sie die eigentliche Aufgabe des Einzelhandels, nämlich das intensive Kundengespräch, das ihre wichtigste Aufgabe wäre, sukzessive wegrationalisieren und dafür Erlebniseinkaufen propagieren, was zwar auch Geld kostest 166 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft aber eigentlich meist sinnlos ist. Der moderne Mensch wird mit Unterhaltung, Werbung, Musik von den Medien ausreichend versorgt. Die Medien bieten darüber hinaus auch noch eine sehr weitgehende Auswahlmöglichkeit an. Musiklärm, Geruchsbelästigung, Lagerhausatmosphäre ist sicherlich nicht das, was der moderne Mensch erleben will. Ein Gespräch von Mensch zu Mensch, wobei der Partner aus dem Handel ein kompetenter Berater und kein Werbeplapperer ist, das würden sich die meisten Menschen wünschen. Da sie aber auch schauen, wo sie etwas billig bekommen können, würden sie sich gerne in einem Fachgeschäft beraten lassen, aber dann beim Discounter kaufen. Diese Möglichkeit hat meist zum Ende der Fachgeschäfte geführt. In der Zeit des Wirtschaftswunders haben Hersteller von anspruchsvollen Waren diese nur an fachlich ausgewählte Fachgeschäfte geliefert. Die Liberalisierung mit dem Verbot des Nichtlieferns hat schließlich zum Tode des Fachgeschäftes geführt und den Kunden zu dem geschilderten Verhalten verleitet. Die klare Folge dieses Verlusts des Gesprächs mit einem kompetenten Partner, ist aber auch eine wichtige Ursache der heute zu beobachtenden Kaufzurückhaltung. Die heute meist eher alberne als aufklärende Werbung kann technischen Fortschritt bei den angebotenen Gütern nicht vermitteln. Da wird ein Gerät nach der Farbe gekauft und schlimmstenfalls nach der Verpackung. Dann kommt hier noch dazu, dass es immer noch Geräte gibt, die man falsch bedienen kann. Der Kauf führt dann immer weniger zu einer Begeisterung über den neuen Besitz sondern eher zu einer Frustration. Auch wird so auch oft das billigste Gerät gekauft, 167 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft das die durch die Werbung versprochene Leistung gar nicht erfüllen kann und so zu weiterer Unlust führt. Bisher macht die Autoindustrie in Deutschland noch einigermaßen gute Geschäfte, aber das wird hier auch bald zu Ende gehen, denn Autos wird es auch bald beim Aldi geben. Wenn der Einzelhandel aus seiner Krise finden will, muss er wieder echte Leistung für den Kunden bieten. Das ist zunächst vom Hersteller unabhängige Beratung. Diese muss sachlich und fachlich kompetent sein. Insbesondere müssen die Qualitätsunterschiede dem Kunden klar werden, sodass er auch die Preisunterschiede würdigen kann. Weiter muss er so in die Benutzung des gekauften Produktes eingewiesen werden, dass die versprochenen Eigenschaften vom Käufer auch erlebt werden können. Zu Zeiten des Wirtschaftswunders waren diese Dinge noch einfacher, so dass in einzelnen Fällen auch sinnvoll darauf verzichtet werden konnte. Heute bei dem vielfältigen und viel komplizierten Angebot, geht dieser Service des Einzelhandels statt wegen der größeren Notwendigkeit zu steigen, aber sukzessive zurück und der Einzelhandel wundert sich über fallende Umsätze. In dieser Situation, in die er sich gebracht hat, müsste er sich eher wundern, dass der Umsatz nicht noch weiter gefallen ist. Man redet vom Kaufen als Erlebnis. Da aus den genannten Gründen dieses Erlebnis meist in einer Enttäuschung endet, statt in einem Erfolgserlebnis, kann mit einem anhaltenden Konjunkturaufschwung kaum gerechnet werden. Die von der weiteren Personalfreisetzung im notleidenden Einzelhandel zu erwartenden neuen Arbeitslosen und die 168 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft gesteigerten Angst vor Arbeitslosigkeit drehen die RatioArm-Spirale kräftig weiter. 7.6. Beweglichkeit der Arbeitssuchenden Wie allgemein bekannt, hat die betriebsfremde Weiterbildung z.B. von Arbeitslosen bei weitem nicht den erwarteten Erfolg gehabt. Bildungserfolge hängen in erste Linie von der Motivation der zu bildenden Menschen ab. Motivation zur beruflichen Weiterbildung kann nur die Erwartung von irgendwie befriedigender Arbeit in naher Zukunft sein. Je größer diese Erwartung ist, je höhere Bildungshindernisse können überwunden werden. Momentan steigen die Bildungshindernisse schon durch die höher werdenden Ziele und die Hoffnung auf die Arbeit sinkt mit wachsender Arbeitslosigkeit. Aus diesen Gründen ist nicht anzunehmen, dass in Zukunft der Erfolg dieser Bildungsmaßnahmen steigt, sondern er wird ohne ernstliche Umgestaltung weiter sinken. Das führt zu weiterer Hoffnungsminderung und dreht ganz real die Ratio-Arm-Spirale weiter. Eine ausreichende Motivation ist um Größenordnungen eher bei einer innerbetrieblichen Weiterbildung zu erreichen. Als nicht arbeitsloser hat man ein wesentlich besseres Selbstbewusstsein und hofft eher den weitgehend bekannten Arbeitsplatz behalten zu können als einen völlig ungekannten zu erringen. Man kann auch echt erfahren, dass man das zu lernende auch brauchen wird. Das ist einer der entscheidenden Punkte für eine Motivation. Hier ist das Motiv klar zu sehen und nicht nur nebulös. Leute, die aus purer Freude am Lernen lernen, für die braucht man keine Weiterbildung, denn die sind die Pioniere, die 169 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft z.B. die Technik weitertreiben und so eher die Ursache sind, dass die anderen weitergebildet werden müssen. Außerbetriebliche Weiterbildung mit dem Ziel höherer Beweglichkeit, kann kein klares Ausbildungsziel haben. Wenn es für unbekannte spätere Arbeit richtig sein soll, muss es dafür genügend breit angelegt sein. Diese Tatsache führt aber dazu, dass relativ viel gelernt werden muss, was man später gar nicht braucht. Außer dass hier zu viel Kosten entstehen, spricht sich diese Tatsache noch herum, was die Motivation stark sinken lässt. Will man den Lehrstoff aber entsprechend beschränken, läuft das unter diesen Umständen darauf hinaus, einiges vordergründige zu lehren und vielleicht zu lernen. Das führt aber keineswegs zur Fähigkeit einer neuen Arbeit erfolgreich auszuführen. Eine Arbeit ist immer mit unvorhergesehen Schwierigkeiten verbunden, die ein richtig ausgebildeter eigenständig überwinden kann. Je flacher aber sein Wissen und können ist, umso weniger wird er sich so in den Arbeitsprozess einfügen können, dass er nicht dauernd die Ursache von Störungen ist. Die normale Ausbildung hat eine Pyramidenform, sehr breite Grundlage und eine schmale Spitze. Wenn die vorhandene breite Grundlage, nicht bis kurz unter die benötigte Spitze reicht, hängt die aufgesetzte Spitze bildlich gesehen in der Luft. Der Mitarbeiter ist zu eigenem Denken nicht fähig und muss ständig versagen. Bei innerbetrieblichen Ausbildung lässt sich, da die Anforderungen weitgehend bekannt sind, unter der aufzusetzenden Spitze mit erschwinglichem Aufwand eine viel schmälere aber tragfähige Plattform bauen, die das neue 170 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Wissen und Können mit der vorhandenen Bildung fest verankert, sodass auch in dem neuen Bereich die normal übliche denkende Verhaltensweise möglich ist und unwillkürlich stattfindet. Bei der innerbetriebliche Weiterbildung hat man auch die Chancen entsprechende Know-how-Träger zu finden, die das notwendige Wissen und Können auch liefern können. Bei irgendwelchen Schulungsunternehmen ist das eher unwahrscheinlich. Das heißt die fachliche Kompetenz der Lehrenden ist dann nicht optimal. Bei einer nach Personalkosten gestaffelten Umsatzsteuer bei welcher der Aus- und Weiterbildung besonderes Gewicht beigelegt wird, lassen sich auch mindestens ausreichende Anreize schaffen, die Ausbildung wirklich zu betreiben. Volkswirtschaftlich gesehen, werden durch eine solche optimierte Weiterbildung bedeutende Kosten eingespart und die Maßnahmen um Größenordnungen effektiver. Eine solche Förderung der Weiterbildung über die personalkostenabhängige Umsatzsteuer beseitigt auch schädliche Hemmnisse beim technischen Fortschritt. Insbesondere kann man den Anteil an Weiterbildungskosten an den gesamten Personalkosten auch überproportional bei der Festlegung der Umsatzsteuerstufen berücksichtigen und damit vermeiden, dass veraltete Produktionsweisen sich staatlich gefördert gesamtwirtschaftlich betrachtet zu lange halten und vielleicht ganze Zweige dauerhaft subventioniert werden müssen. Es muss hier das Regelziel Vollbeschäftigung mit der Nebenbedingung größter Beweglichkeit der Arbeitskräfte im 171 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Regelprozess gekoppelt werden. Ohne Vollbeschäftigung mit einer kleinen Arbeitslosenquote und ausreichender Beweglichkeit der Arbeitskräfte ist keine gesunde Marktwirtschaft möglich. Die Beweglichkeit ist aber nicht durch zu große Arbeitslosigkeit zu vermehren sondern sie sinkt wie oben gezeigt dadurch noch weiter ab. Gesunde Marktkräfte können nicht mehr wirken und der Teufelskreis Ratio-Arm-Spirale dreht sich bis zur Instabilität des Systems weiter. 7.7. Gibt es eine Chance z.B. über Umsatzsteuerformen sich sozial vom Weltmarkt abzukoppeln Die klassische Form einer Abkopplung vom Weltmarkt sind Zölle. Aufgrund verschiedener Handelsabkommen werden diese immer mehr verschwinden. Deutschland wehrt sich auch deshalb nicht dagegen, da es zumindest Rohstoffe einführen muss und deshalb Export benötigt. Wenn man wie bisher die Soziallasten dem Faktor Arbeit auflastet, gefährdet dies den Export. Mit diesem Argument versucht man die Soziallasten zurückzufahren. Da grundsätzlich zumindest einfachere Arbeiten im Exportbereich wegen des technischen Fortschritts immer weniger benötigt werden, muss wie oben gezeigt die Bevölkerung in Europa wegen der Ratio-Arm-Spirale immer ärmer werden. Die Sozialsysteme werden also nicht überflüssiger sondern notwendiger. Wenn man nun zur Verbesserung der Gesundheitswesens die Mehrwertsteuer erhöht, zum Beispiel um eine Milliarde, dann wird diese Milliarde nicht für anderes ausgegeben 172 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft werden können. Die Staatquote wird um diese Milliarde erhöht, die neoliberale Wirtschafttheorie hält dies für schlecht. Wenn man das aber näher betrachten will, muss man sich überlegen, was mit dieser Milliarde geschehen wäre, wenn sie nicht in das Gesundheitswesen fließt. Ein Teil davon wäre in Konsumgüter geflossen, ein anderer Teil auf Sparkonten aller Art. Wenn diese zusätzliche Umsatzsteuer aus den unteren Einkommensschichten kommt, wäre der konsumierte Anteil sehr groß gewesen, bei den sogenannten Besserverdienenden wäre jedoch ein großer Teil auf die Sparkonten geflossen. Dieser Teil geht nun in das Gesundheitswesen. Die Frage ist, was geschieht dort damit. Werden die Arzthonorare höher, wandert das Geld auf andere Sparkonten, Steigt der Umsatz der Apotheken geht ein Großteil an amerikanische Pharmakonzerne. Wird das untere Krankenhauspersonal besser bezahlt, fließt dieses Mehrgeld in den Konsum und belebt die Wirtschaft. Wird mehr Pflegepersonal eingestellt, geht auch die Arbeitslosigkeit zurück. Wenn man hier aber den heutigen freien Markt wirken lässt, ergibt sich wohl folgendes Ergebnis: 1. Der Pharmaumsatz steigt 2. Die Arzthonorare steigen 3. Das Pflegepersonal kommt weiter ins Abseits und wird teilweise entlassen 4. Das Geld kommt also von den Sparkonten der einen besserverdienenden Gruppe auf die einer anderen und gelangt zu einem beträchtlichen Teil zu amerikanischen Aktionären. 5. Die deutsche Wirtschaft geht damit zurück. 173 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Es scheint also nicht möglich, über eine solche Maßnahme dem Niedergang des Sozialsystems zu steuern, sondern diese staatliche Maßnahme ist wie die klassische Wirtschaftslehre sagt, nur negativ. Diese Überlegung zeigt aber auch, dass in einem Freien Markt staatlich Maßnahmen grundsätzlich unterlaufen werden, wenn sie nicht wie eine Thermostatregelung gestaltet sind. Diese ganzen Probleme mit dem Gesundheitswesen entstehen natürlich nur deshalb, weil man es nicht dem freien Markt überlassen kann, da sich Krankheiten nicht nach dem Einkommen richten und das Gesundheitswesen so eine der wichtigsten staatlichen Aufgaben darstellt. Es gibt aber auch Länder, da ist das Gesundheitswesen weitgehend verstaatlicht und auf der anderen Seite z.B. in Amerika ist das öffentliche Gesundheitswesen sehr viel weniger entwickelt als hier. Im Gesundheitswesen scheint es folgende Probleme zu geben: 1. Die Krankheiten fragen nicht nach dem Einkommen der Kranken 2. Die Therapie- und Heilungskosten können leicht die Zahlungsfähigkeit der unteren Einkommen übersteigen 3. Das Verhältnis Arzt Patient ist Vertrauenssache, daher der Ruf nach freier Arztwahl 4. Nicht jeder Arzt kann alles behandeln 5. Bei Neuerkrankungen kennen die Patienten oft nicht den geeignetsten Arzt 6. Die Medizin macht laufend Fortschritte 174 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 7. Das führt zu im Mittel längerem Kranksein da vollständige Heilungen seltener sind als Verzögerungen des gesundheitlichen Abstiegs 8. Das führt auch zu höheren Behandlungskosten weil die Behandlung meist komplexer wird 9. Der Fortschritt im pharmazeutischen Bereich verursacht hohe Forschungskosten 10. Ärzte und Apotheker sind an relativ hohe Einkommen gewöhnt 11. Einfaches Pflegepersonal ist immer noch relativ schlecht bezahlt 12. Es ist leichter austauschbar 13. Es leidet - oder zumindest noch – an vorhandenen Nachwirkungen der jetzt allerdings schwindenden Konkurrenz z.B. durch Nonnen, die eher für Gotteslohn arbeiten als für mehr Geld 14. Der Fortschritte im apparativen Bereich führt zu hohen Investitionskosten 15. Das steigert die Behandlungskosten 16. Das zwingt zur Auslastung der Geräte Daraus ergibt sich folgendes Dilemma: Wenn hier nicht die Menschenwürde und die Ethik den Anspruch jedes Menschen auf bestmögliche Gesundheit begründen würde, wäre dieser Bereich ebenso wie andere Lebensbereiche ein klassisches Feld für den Freien Markt. Mit dem Ergebnis, wer arm ist, wird früher sterben und relativ größerer Teile seines Lebens im Leid verbringen. In einer Gesellschaft, die sehr stark von der Nächstenliebe geprägt ist und weniger vom Egoismus, könnten durch Bescheidenheit aller beteiligten die Kosten für das Gesund175 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft heitssystem auch in einem bescheidenen Rahmen bleiben, was immer das zahlenmäßig auch bedeuten mag. Die Problematik des Gesundheitswesens liegt nun darin dass der 1. Weg nicht gangbar ist und für den 2. Weg die Voraussetzungen fehlen. Eine komplette Verstaatlichung des Gesundheitswesens führt in diesem Bereich zu einer staatlichen Planwirtschaft, was wie auch sonst die Planer überfordert und einem relativ schlechten System führt. Praktisch bleibt also nur eine Mischung aus staatlichen Vorgaben und Regelkreisen und freier Entwicklung sinnvoll. Eine sehr schwierige Frage ist hier die Gestaltung von sinnvollen Regelkreisen. 7.8. Regelkreise im Gesundheitswesen Der einzige zur Zeit funktionierende Regelkreis in der Wirtschaft ist der Geldwertstabilisierung durch die Notenbanken insbesondere die ehemalige Deutsche Bundesbank. Man muss also untersuchen, welche Größen im Gesundheitswesen durch eine Regelung stabilisiert werden sollten, um eine vernünftige Entwicklung zu erzielen. Diese Ziele sollten gelten: 1. Nicht den wissenschaftlichen Fortschritt blockieren, 2. Die meisten Menschen davon profitieren lassen 3. Die Gesamtkosten in einem bezahlbaren Rahmen halten 4. Es gibt da in etwa 3 Anbietergruppen, die miteinander konkurrieren: a. Die Ärzte 176 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft b. Die Pharmazeuten c. Die Krankenhäuser 5. Die drei Gruppen agieren aber nicht selbständig nebeneinander sondern sind auf vielfältige weise miteinander verschränkt: Der Patient ist großteils unmündig und hat den Arzt an seiner Seite: Dieses Team trifft letztlich die meisten Entscheidungen z. B. über Medikamente oder Krankenhausbehandlungen. Die Pharmazie wird von den Pharmazeuten weiterentwickelt, von ihnen muss der Arzt lernen, welche Möglichkeiten er überhaupt hat. Die Krankenhäuser sind als Team dem Arzt in ärztlicher Hinsicht überlegen aber auch weniger beweglich und teurer. Um dieses System einigermaßen zu entwirren und staatlich zu regeln und gewisse Sicherheiten zu gewährleisten , gibt es heute: 1. Die Approbation von Ärzten 2. Die Auskunftspflicht der Arzte über Risiken von Behandlungen 3. Die strafrechtliche Ahndung von Kunstfehlern der Ärzte 4. Die Zulassung von Arzneimitteln 5. Die Apothekenpflichtigkeit von Arzneimitteln 6. Die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln 7. Approbation von Apothekern 8. Die Beipackzettel für Medikamente 9. Staatliche Zulassung von Krankenhäusern bzw. die Gewährung staatlicher Zuschüsse 177 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 10. Die Bauartzulassung von medizinischen Geräten 11. Und noch eine ganze Reihe von Erlaubnissen und Überwachungen z.B. Strahlenschutzvorschriften und dergleichen. 12. Wichtig ist auch die Einschränkung der Werbefreiheit für Ärzte und für pharmazeutische Produkte 13. Auf der Seite der freien Entwicklung gibt es aber auch eine weitgehende Behandlungsfreiheit der Ärzte. Im Gesundheitssystem sind also bereits eine ganze Reihe von Regelkreisen eingebaut, welche die freie Entwicklung in vernünftige Bahnen lenkt und den Patienten schützen. Die diversen Gesundheitsreformen waren die verschiedenen Versuche dieses System über das vorhandene System der Krankenversicherungen bezahlbar zu halten. In dem oben kurz erwähnten Konglomerat von sich widersprechender Interessen und miteinander konkurrierender Behandlungsmöglichkeiten gibt es zunächst nur die gemeinsame Tendenz laufender Kostensteigerungen und endlicher Zahlungsmöglichkeiten der Patienten. Hier gab es schon die verschiedensten Lösungsvorschläge und Gesetzesänderungen, ohne dass das Problem bisher befriedigend gelöst erden konnte. Aus rein philosophischer Sicht kann man hier wohl sagen: Da die weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit kranker Menschen eine ethische Aufgabe der Gesellschaft ist, lässt sie sich nur einigermaßen vernünftig lösen, wenn in diesem staatlich geförderten Bereich nur Menschen frei agieren dürfen, die ein Mindestmaß ethischer Gesinnung besitzen. Deshalb sind vor allem solche Menschen von 178 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft diesem System fernzuhalten, deren Streben im wesentlichen auf Wohlstand und Reichtum gerichtet ist. Hier kann im Gegensatz zu weiten Teilen der Wirtschaft der (materielle) Egoismus nicht zu Vorteilen führen, da sich nie Handelspartner mit gleichen Chancen gegenüber stehen. Der Arzt soll die beste Behandlungsart vorschlagen dürfen. Der Patient ist in Not und ihm fehlt zunächst meist die eigene Einsicht. Eine Sache könnte Egoisten weitgehend fernhalten. Die erzielbaren Einkommen müssten deutlich sichtbar unter denen anderer Bereiche liegen. Damit würden Egoisten von Heilberufen fern bleiben. Die Einkommen müssten jedoch so hoch sein, dass eine Art standesgemäßes Leben möglich ist. Die erzielbaren Einkommen müssten also eine geregelte Obergrenze und eine geregelte Untergrenze haben. Das Maß hier festzulegen, dürfte nicht ganz einfach sein. Ganz ohne solche Grenzen wird man vom derzeitigen Zustand nicht ganz frei kommen. Also auch hier wird man wieder mit negativer Rückkopplung auf ein vernünftiges Ergebnis hin regen müssen. Medizin und medizinischer Fortschritt kann nur gedeihlich sein, wenn nicht der persönliche Wohlstand, Einkommen oder sonstiger Vorteil Triebfeder allen Handelns ist, sondern der Wille Menschen zu heilen. (Der Heilwunsch kann aber in seltenen Fällen auch krankhaft übersteigert sein. Auch solche Kranken sind natürlich möglichst aus diese Berufen fern zu halten.) Wie man Einkommensgrenzen irgendwie durchsetzen kann, ist sicher nicht einfach. Krankenkassen dürften jedenfalls nur beschränkte Honorare zahlen, die auch nicht 179 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft durch eine übergroße Zahl von Patienten wachsen dürfen. Frei ausgehandelte Honorare mit Privatpatienten ohne Kontrollmöglichkeit durch irgend eine Versicherung müssten wohl via Finanzamt ebenso beschränkt werden, begründet als Erstattung für das medizinisches Wissen, das ja die Gesellschaft erst ermöglicht hat und nicht allein vom Mediziner oder Pharmazeuten geschaffen wurde. Die pharmazeutische Industrie ist hier ein besonders interessanter Sonderfall. Sie ist heute weitgehend privatwirtschaftlich organisiert. Die Aufsicht des Staates beschränkt sich eher auf die Sicherheitsseite - z.B. die Zulassungspflicht von Arzneimitteln. Die Forschung ist außerordentlich teuer. Auf dem freien Markt kann man nur an genügend Gelder kommen, wenn ein genügend hoher Gewinn möglich scheint. Hier wird es als unabdinglich hingestellt, dass die Gewinne der Pharmafirmen so hoch sein dürfen, wie es irgendwie geht. Da das Wachstum der Pharmafirmen eigentlich wohl keinerlei Grenzen hat, denn es gibt immer neue Krankheiten und potentielle Möglichkeiten besserer Heilung, kann hier wohl nur eine Deckelung helfen, deren Lage mit dem Wohlstand sich heben darf. Sie muss aber irgendwie willkürlich gesetzt sein. Deshalb kann man darum immer streiten. Hier sollte sich im Rahmen der strengen Obergrenze jeweils das beste durchsetzen. In diesem Sinne könnte dieser Markt auch funktionieren, da in den Ärzten einigermaßen kompetente Partner dieser Industrie gegenüber stehen. Auch hier braucht man wohl eine starke Behörde, die Gesamtausgaben für Medikamente beschränken kann. Das dürfte in der Praxis nicht leicht sein. Diese Deckelung müsste zwischen 180 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Staat und Pharmaindustrie ständig neu ausgehandelt werden. Das erlaubt einen bezahlbaren Fortschritt. 7.9. Regionale Märkte und Entwicklungsausgleich – Internationale Treuhänder Die Theorie vom Erfolg freier Märkte beruht auf der Tatsache, dass wenn zwei Partner frei miteinander einen Vertrag aushandeln, niemand abschließen muss, wenn er nicht einen Vorteil hat. Es kann also bei vielen Abschlüssen nur alles immer besser werden. Das ist aber nur dann möglich, wenn beide genügend gute Informationen über die Waren und über den Markt haben. Sind die Partner nicht in etwa gleich mächtig, wird es bei dem schwächeren Partner an Information mangeln, sodass er nur glaubt, einen Vorteil zu haben in Wirklichkeit aber einen Nachteil hinnehmen muss. Von Notlagen des schwächeren Partners ganz zu schweigen. Nach dem Vorstehenden können regionale Märkte eher funktionieren, da die Unterschiede der wirtschaftlichen Macht innerhalb der Teilmärkte jedenfalls kleiner sind. Wenn man die Märkte allerdings streng voneinander abgrenzt, werden sie sich nur sehr langsam einander nähern. Eine strenge Abgrenzung wäre allerdings auch für die reichen Länder und die armen Länder sehr unangenehm, da die reichen Länder vielfach auf Rohstoffe der armen Länder angewiesen sind und letztere oft immer noch nicht viel mehr als Rohstoffe haben. Wahrscheinlich hilft hier nur ein Markt über internationale Treuhänder, die versuchen nach objektiven Kriterien die Unterschiede in der Marktmacht so zu dämpfen, 181 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft daß der freie Markt in einem sinnvollen Warenbereich stattfinden kann und Handelsabschlüsse, die voraussehbar über längere Perioden für den einen Partner zu unverhältnismäßigen Nachteilen führen werden, unterbunden werden. Die Treuhänder müssen natürlich den armen und den reichen Ländern verpflichtet sein. Ein auf längerfristige Wirkungen hin moderierter freie Markt kann nicht wegen kurzsichtig vermeintlicher Vorteile zu externen Spannungen führen. Langfristig bleibt die positive Wirkung des freien Marktes aber erhalten. (Man fährt auch selten Auto ohne Federung und Stoßdämpfer. Man braucht deshalb wegen holpriger Straßen nicht das Auto stillzulegen.) Eine Wirkung solchen moderierten Welthandels müsste sein, Massengütern den Weg über die Regionalgrenzen weitgehend zu versperren. Bei ihrer Lieferung aus den reichen Ländern wird die Entwicklung der ärmeren Regionen gebremst oder verhindert. Bei ihrer Lieferung aus den armen Regionen in die reichen Länder werden die Arbeitskräfte der armen Länder ausgebeutet und die der reichen Regionen arbeitslos gemacht. Diese Arbeitslosigkeit schließt auch große Teile der Menschen als Markteilnehmer aus und behindert so das Wirtschaftsleben insgesamt, bei den Armen und den Reichen. 182 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 8. Warum eigentlich Geldwertstabilisierung 8.1. Geld, Geldwert, Konjunktur Geld lässt jeweils eine geeignete Anzahl von Wirtschaftspartnern zu und überbrückt Zeiten. Wenn das Geld längere Zeiten überbrücken soll, ist auch die Stabilität seiner Kaufkraft wichtig. Letztere ist nur dann gegeben, wenn es nicht zu viel oder zu wenig Geld gibt. Die Aufgabe der Notenbanken ist es, die für die richtige Menge von Geld zu sorgen. Die Wirtschaft kann nur dann optimal funktionieren, wenn auf Seiten der Abnehmer genügend Geld vorhanden ist. Nur was verkauft werden kann, wird (sinnvoller weise) produziert. Man kann behaupten, daß bei nicht ausgelasteter Produktionskapazität auf Seiten der Abnehmer zu wenig Geld oder kein entsprechender Bedarf vorhanden ist. Ist mehr Geld bei den Abnehmern als Waren produziert werden können, steigen allgemein die Preise, der Geldwert nimmt also ab. Wirtschaftswachstum und Inflation liegen also nahe beieinander, Geldwertstabilität und Arbeitslosigkeit ebenso. Eine Politik, die den Geldwert stabil hält aber Arbeitslosigkeit erzeugt hat genau so versagt, wie eine Politik die Vollbeschäftigung und Inflation hervorbringt. (Manchmal tut die Politik auch beides, sie fördert die Arbeitslosigkeit und die Inflation.) Um die Wirtschaft in Schwung zu halten, braucht man immer etwas mehr Geld als wirklich gebraucht wird, damit ist es schwer, den Geldwert stabil zu halten. 183 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Es erhebt sich die Frage, warum und vor allem wie weit die Geldwertstabilität ein wichtiges Ziel ist. Eine Geldabwertung von effektiv 1 oder 2 Prozent pro Jahr geht meist in der Ungenauigkeit der Buchhaltung gegenüber der sachlichen Realität verloren. Die Inflation ist nur über lange Zeiten und bei hohen Raten katastrophal. Die Frage ergibt sich, ob es überhaupt sinnvoll ist, Geld über längere Zeit aufzubewahren. Geld auf dem Sparkonto ist sehr inflationsgefährdet. Dieses Geld wird als Zahl dort aufgeschrieben und dann von der Bank wieder gewinnbringend angelegt. Der Unternehmer, der das Geld leiht, macht dafür Investitionen und macht zu einem späteren Zeitpunkt seine Gewinne. Er verdient bei Inflation nun nominell mehr - entsprechend der inzwischen eingetretenen Teuerung, muss aber nur den alten Nominalwert zurückbezahlen. Der Sparer hat Geld verloren, der Unternehmer hat Geld gewonnen. Bei konstantem Geldwert wäre das nicht passiert. Hätte der Sparer statt das Geld auf die Sparkasse zu bringen eine gute Aktienmischung gekauft, hätte er an der Inflation verdient. Das ganze Problem der Inflation wird also nur ernst, wenn man Geld über lange Zeit aufbewahren will. Es ist sehr die Frage, ob es notwendig ist, Geld sehr lange aufzuheben. Die Altersversorgung auf gespartem Geld zu begründen, ist wahrscheinlich keine gute Idee, auch die ursprüngliche deutsche Rentenversicherung ist an diesem Problem schon gescheitert (endgültig 1945). Bei den Kapitallebensversicherungen gibt es über die Versicherungssumme hinaus noch eine Gewinnbeteiligung. Hier wird zumindest ein Teil auch des Inflationsgewinns 184 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft der Versicherungsgesellschaft an die Versicherten ausgeschüttet. Ein größerer Teil des Inflationsgewinnes bleibt natürlich bei den Firmen, die ihr Geld von der Versicherung geliehen haben. Dieser Gewinnmechanismus für fremdfinanzierte Unternehmen in der Inflation verführt auch leichter zu Preisanhebungen, da diese Firmen bei der Inflation nur gewinnen aber nicht verlieren können. Das wird wohl auch mit ein Grund sein, warum eine kleine Inflationsrate mit Arbeitslosigkeit gekoppelt ist und Vollbeschäftigung mit einer höheren Inflationsrate. Das Kreditwesen an fixe Geldwerte statt an Warenkorbwerte zu koppeln, könnte hier ein entscheidender Konstruktionsfehler sein. Man kann hier einwenden, der freie Kapitalmarkt reguliert über die Zinsanpassung diesen Effekt aber ein gewisser Rest dieser Gesetzmäßigkeit bleibt erhalten. Dem Sparer kommt sie selten zugute. Wenn eine Wirtschaft sehr lange Zeit mit konstanter Technologie betrieben wird, gibt es kein Wirtschaftswachstum und bei Gerechtigkeit auch kein Reichtumswachstum nachdem das System ins Gleichgewicht gekommen ist. Wenn z.B. eine bestimmte Menge Gold als Geld vorhanden ist, spielen sich auch die mittleren Preise ein und man kann Geld auch über lange Zeit aufheben also z.B. während des Arbeitslebens sparen und im Alter ausgeben. Sobald aber ein Technologie-Änderung auftritt, funktioniert dieses System nicht mehr wie vorher. 185 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 8.2. Warum Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Auf die Dauer ist in der Industrie nur noch für wenig Menschen Arbeit möglich. Da sich viele sogenannten Dienstleistungen durch Computer und Roboter ersetzen lassen, werden im Laufe der Zeit auch hier nur noch wenig Menschen zu beschäftigen sein. Die Frage bleibt, wie können 80% der Menschen leben. Man kann sich mal den Extremfall vorstellen, sie täten gar nichts. Von den restlichen 20% können in diesem Modell alle notwendigen Arbeiten ausgeführt werden. Es bleibt dann nur noch die Frage, wie werden die Güter und Dienstleistungen gerecht verteilt. Die derzeitige Praxis zeigt, daß in der heutigen Gesellschaft eine Geldverteilung à la Sozialhilfe nicht funktioniert. Wenn das Geld ohne Anstrengung eingenommen wird, gibt es kein Maß beim Ausgeben, d.h. es kann keinerlei Zufriedenheit auftreten. Eine solche Gesellschaft wäre nicht stabil. Das legt den Schluss nahe, man sollte die noch vorhandenen Arbeit auf möglichst viele Personen verteilen – was noch besser wäre, neue nützliche Arbeit erfinden, statt ständig welche wegzurationalisieren. 8.3. Welche rationalen Wege könnte es langfristig aus der derzeitigen Situation geben? Reservat für die kapitalistische Industrie Vielleicht kann man untersuchen, wie aus dem landwirtschaftlich geprägten System unter Feudalherrschaft die zweihundert Jahre funktionierende Industriegesellschaft entstand, die man auch die „Dampf(maschinen)zeit“ nen186 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft nen könnte. Die Ablösung der menschlichen Muskelkräfte durch den Dampf und seine Derivate wie die elektrische Energie brachte für die Industrievölker einen bis dahin nicht gekannten Wohlstand. Der zuvor mächtige Großgrundbesitzer hat als solcher seine überragende Bedeutung verloren, wobei auch heute viele Nachkommen dieser Leute nicht ganz arm sind. Die Bauern und Landarbeiter machen statt 80% heute nur noch einen marginalen Prozentsatz der Gesellschaft aus und wirtschaften fast nirgends auf der Welt nach der rein kapitalistischen Marktwirtschaft, insbesondere nicht in Europa. Nichts desto weniger gibt es in Europa keine aus der Landwirtschaft stammenden Ernährungsprobleme im Sinne von Hunger. Die alte Landwirtschaft ist also verbessert durch die Errungenschaften der Industriegesellschaft in einer Art Reservat weiter sehr gut gediehen und stellt die Ernährung in den Industrieländern sicher. Wenn man in naher Zukunft keine Arbeitermassen mehr in der Industrie braucht, kann die sehr erfolgreiche kapitalistische Marktwirtschaft ebenfalls in einem Reservat prächtig weiter gedeihen, ohne daß die Kapitalisten einen übermäßigen Einfluss in Gesellschaft und Politik haben müssten - ähnlich wie heute die alten Feudalherren. 187 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 9. Grundsätze einer Wirtschaftsordnung mit freiem Markt. 9.1. Ein freier Markt muss durch eine starke Marktordnung geschützt werden. Da man die Entwicklung eines freien Marktes nicht voraussehen kann, ja sogar die Nichtvoraussehbarkeit die eigentlich nützliche Eigenschaft des freien Marktes ist und ihn einer noch so guten Planwirtschaft überlegen macht, darf die Markt- oder Wirtschaftsordnung nicht starr sein. Sie muss so formuliert werden, daß bei allen möglichen Entwicklungen die Regelungen so greifen, daß der Markt bei jeder seine Struktur gefährdeten Entwicklungen bzw. die seine Struktur gefährdenden Erscheinungen im Sinne eines Regelkreises wieder selbsttätig eliminiert. Ein Beispiel wäre, dass sich durch eine gute Marktstruktur durch einen eingebauten Regelkreis die Marktmacht einzelner Marktteilnehmer auf eine dem freien Markt maximal zuträgliche Konzentration von Marktmacht halten ließe. Denkbar wäre zum Beispiel, zu umsatzstarke Marktteilnehmer zwangsläufig in einer Art Zellteilung in zwei unabhängige zu zerteilen. Dass so etwas gut funktionieren kann, hat die Zerschlagung des amerikanischen Ölmonopols anfangs des 20.Jahrhunderts und die Zerschlagung der deutschen IG-Garben nach 1945 gezeigt. Die Nachfolgefirmen florierten gut und machten einander Konkurrenz. Das heißt, man muss den Umsatz eines einzelnen Marktteilnehmers über eine Art Zellteilung so begrenzen, daß 188 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft seine Macht nicht auf die Freiheit des Marktes störend wirken kann. Die Einfachste Regelung wäre die Beschränkung von Wirtschaftsunternehmen auf schmälere Geschäftsbereiche und auf einen Bruchteil des in diesem Wirtschaftsbereich in einer Region .z.B. Europa umgesetzt wird. Verschachtelungen dieser geteilten Unternehmen müssen untersagt sein. Wirtschaftliches Eigentum einer einzelnen natürlichen oder juristischen Person darf einen festen Bruchteil des Vermögens einer Region nicht überschreiten. Höheres Vermögen ist z. B. wegzusteuern oder vom Eigentümer einer Kulturstiftung zu übertragen, die er selbst leiten kann, in der eine aber anerkannte Kulturinstitution ein Vetorecht über geplante Aktivitäten hat. (Im Streitfall ist das Veto zunächst vor einem unabhängigen Schiedsgericht zu begründen. Eine Zulässigkeit des Vetos kann auch von einem Gericht überprüft werden.) Solche Regelungen beugen unabhängig von allen denkbaren Marktentwicklungen unbeschränkten krebsartigen Machtentwicklungen vor. Nur solche automatischen Regelkreise nach dem Grundprinzip des Thermostaten die Gesellschaften der Staaten und der Welt stabilisieren. Andere flankierende Bestimmungen sind ebenso zu formulieren, daß sie sich den jeweiligen Marktentwicklungen in ihrer Wirkung anpassen. Wenn Kernkraftwerke nicht nach solchen die Prozesse regelnden Prinzipien konstruiert wären, hätte schon lange in jedem ein GAU stattgefunden. solange die heutige Markwirtschaft kaum ihre Existenz erhaltenden Regeleinrichtungen kennt, besteht keine Chance einer erfolgreichen 189 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Wirtschaftspolitik, da diese mit viel zu langsamen und kaum richtig zu dosierenden Instrumenten an auffälligen Symptomen zerrt. Es ist daher nicht zu verwundern, daß dabei jeder Steuerungsversuch misslingt und die Situation verschlimmbessert. 9.2. Arbeitslosigkeit ist vom Kapital zu finanzieren, denn es verdient fast alleine an ihr Eine geradezu kontraproduktiv arbeitende Rückkopplung ist zum Beispiel die Versorgung der Arbeitslosen. Die heutige Arbeitslosenversicherung bzw. -Versorgung belastet nur die noch vorhandenen Arbeitsverhältnisse und macht sie immer unsicherer. Diese Regelung geht davon aus, daß es zwei Sorten von Menschen gibt, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wobei jede Sorte nur für sich selbst solidarisch zu sein braucht. Es ist aber so, daß die Gesellschaft durch die Wirtschaftsgesetze den Arbeitgebern erlaubt, mit ihren technischen Methoden einen Teil des vorhandenen Marktes frei zu bedienen. Da die Arbeitgeber auch die Freiheit eingeräumt bekommen, mehr oder weniger Menschen zu beschäftigen, müssen sie gerechterweise auch für den Unterhalt der nicht beschäftigten aufkommen, denn diese Freiheit der Arbeitgeber ist die Ursache für Arbeitslosigkeit. Sie müssten also in Umlage ähnlich, wie bei den Unfallversicherungen (Berufsgenossenschaften) die Arbeitslosen bezahlen und zwar so, daß sie menschenwürdig und entsprechend ihrer möglichen Leistung für die Volkswirtschaft leben können - mit einem Abschlag, der einen Anreiz zur Arbeitssuche darstellt. Durch diese Unterstützung legitimiert, und um das 190 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Marktsystem in seinem Funktionsbereich zu halten, muss für die Arbeitnehmer die Verpflichtung bestehen, einen zumutbaren Arbeitsplatz zu übernehmen. Auch Formeln für die Arbeitslosenumlage der Betriebe müssen in der Marktordnung enthalten sein. Die Formeln müssen aber auch so beschaffen sein, daß im Falle der Vollbeschäftigung sich die Freistellung von Arbeitnehmern recht gut lohnt, mit steigender Arbeitslosigkeit immer weniger interessant wird und bei einer bestimmten Arbeitslosigkeit, die Umlage so hoch wird, daß der Staat Beschäftigungsgesellschaften ohne Schwierigkeit in großem Ausmaß bezahlen kann. 9.3. Arbeit statt Arbeitslosengeld für länger arbeitslose Grundsätzlich sollte bei längerer Arbeitslosigkeit anstelle der Arbeitslosenunterstützung eine Anstellung in einer Beschäftigungsgesellschaft erfolgen. Wird dies verweigert, kann die Unterstützung auf das menschenwürdige Existenzminimum abgesenkt werden. Gesetzliche Mindestlöhne oder Lohnzuschläge über negative Steuer müssen so bemessen sein, daß ein echter Anreiz zur Arbeit besteht, diese Arbeit also ein Leben in genügenden Abstand von einem menschenwürdigen Existenzminimum erreichen lässt. Das ganze Formelwerk muss so beschaffen sein, daß nicht jedes Jahr der Streit ausbricht, wie niedrig muss ich das Existenzminimum setzen, daß der Anreiz entsteht, sondern die Parameter der Formel müssen sich aufgrund der Messung freiwilliger Arbeitsübernahme automatisch entsprechend einstellen. Die Gesetze sind entsprechend zu 191 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft gestalten. Sie dürfen wie überall bei der Regelung keine Zahlen enthalten sondern Handlungsanweisungen, störende Ausschläge wieder zurückzuregeln. 9.4. Regelkreise und Recht Das derzeitige Recht musste bisher solche das System erhaltende Regelkreise selten unterstützen. Die demokratische Legitimation des Rechtes ging bei quantitativen Bestimmungen lieber von festen Zahlen als von komplizierten Formeln aus. Das hat schon darin seinen Grund, daß Regelsysteme schwerer zu überschauen sind als Steuerungssysteme. Aber gerade das Betriebsunfallrecht und ebenso das lange funktionierende Rentensystem zeigen, daß Umlagen nach einer vernünftigen Formel über lange Zeit funktionieren können und demokratisch legitimierbar sind. Die obengenannte Umlage zur Finanzierung der Arbeitslosenversorgung ist von den Produzenten mit einen Hebesatz ansteigend mit dem Umsatz pro beschäftigtem Arbeiter zu tragen ist, und nicht wie heute proportional der Zahl der Beschäftigten, da die Arbeitslosenversorgung eigentlich hauptsächlich eine Versicherung der Produzenten gegen Absatzschwund und gegen Revolution - also Enteignung ist. Das Rentensystem läuft zur Zeit auch hauptsächlich deshalb aus dem Ruder, weil die Umlage an die Löhne gekoppelt sind. Unter der Randbedingung der Vollbeschäftigung kann das funktionieren und hat auch funktioniert. Bei struktureller Arbeitslosigkeit müssen die alten Formeln versagen. Da die strukturelle Arbeitslosigkeit jedoch ihre tiefe Ursache im technischen Fortschritt hat und dieser in 192 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft einer kultivierten Gesellschaft nicht zu steuern ist, darf die Rentenumlage nicht an die Löhne gekoppelt bleiben. Eine Vernünftiger Quelle für Rentenzahlungen ist sicher eine Art Umsatzsteuer. Das erlaubt den vorhandenen Wohlstand, der eigentlich vom Prinzip her immer langsam wachsen kann, menschenwürdig zu verteilen. Die heutigen sogenannten Leistungsbringer sind in erste Linie auch Glückspilze, denn sie waren durch ihr persönliches Glück dazu in der Lage, aus der Kultur der Gesellschaft die Grundlagen ihrer Leistungsfähigkeit zu schöpfen. Ohne dieses Schöpfen aus der Kultur der Gesellschaft könnten sie auch keine heute bezahlte Leistung erbringen. Ihre eigene Leistung besteht also nicht so sehr in der Lieferung von nützlichem, sondern viel mehr in der optimalen Nutzung der ihnen von der Gesellschaft gegebenen Ressourcen zur Erzeugung dieses nützlichen. Nicht das abgelieferte Gut sondern die darauf verwendete Mühe ist ein Maß für die Leistung des einzelnen. 9.5. Private Altersversorgung und „Generationenvertrag“ Die heute diskutierte dritte Säule der Altersversorgung, nämlich die private Vorsorge löst z.T. auch das Problem der ungleichmäßigen Verteilung des Eigentums an Produktionsmitteln. Die Renten sind dann ein Teil der Kapitalerträge der Wirtschaft, die dann nicht mehr den bisherigen Kapitaleignern sondern den derzeitigen Arbeitnehmern zufallen. Daher ist es erstaunlich, daß die Arbeitgeber die private Vorsorge durchsetzen wollen und die Arbeitnehmer diese verhindern wollen. 193 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Was eine private Vorsorge nicht leisten kann, obwohl sie dafür immer als notwendig angepriesen wird, ist die Lösung der Folgen der stark verzerrten Alterspyramide. Beide Systeme sind notwendigerweise so strukturiert, daß die arbeitenden Menschen für die nicht arbeitenden produzieren müssen. Denn diese beiden Gruppen leben gleichzeitig und den täglichen Bedarf kann man nicht über Jahrzehnte lagern. Im Falle der Rentenversicherung erfolgt dies über die Umlage, im Falle der Privatvorsorge gehören die Alten (Rentner) praktisch zu den Arbeitgebern und leben von Gewinnanteilen der Firmen, die dann nicht als Löhne ausbezahlt werden können. Der Lohnabzug bleibt also im wesentlichen praktisch gleich - nur auf verschiedener Rechtsgrundlage. Es gibt hier auch die vorgetragenen Erklärung eher aber Ausrede, das Kapital der sparenden Arbeitnehmer müsse im Ausland angelegt werden, dann müssen Ausländer für die deutschen Rentner arbeiten. Es scheint aber außerordentlich fragwürdig, ob das auf Dauer funktioniert. Wer könnte das sein, die Amerikaner, die Asiaten, die Afrikaner oder die neuen Beitrittsländer zur EU. 9.6. Schwarzarbeit Das Problem der Schwarzarbeit besteht im wesentlichen darin, daß sie nicht verhindert werden kann. Der Aufwand, sie wirklich zu verhindern, hat prinzipiell keine Obergrenze und führt zum totalen Überwachungsstaat. Der einzige Weg, sie zu beseitigen, ist sie teilweise zu legalisieren. Das bedeutet die Sozialabgaben und die Steuern für Tätigkeiten in Firmen unter einer bestimmten Größe und weni194 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft ger Personen (Handwerksbetriebe) nicht direkt sondern indirekt einzutreiben. Dazu eignet sich z.B. die Umsatzsteuer auf Industriegüter. Dabei wird nicht die Arbeit sondern der Materialverbrauch besteuert. Streicht z. B. jemand ein Zimmer, braucht er dazu Farbe. Wenn dafür die Umsatzsteuer entsprechend hoch ist, ist der Vorgang als solcher versteuert. Macht das ein schlechter Handwerker oder ein unkundiger, verbraucht er übermäßig viel Material und zahlt dafür höhere Steuer. Handwerker könnten zudem noch einen niedrigeren Steuersatz zahlen müssen als ein nicht eingetragener also ein heutiger Schwarzarbeiter (Steuerrückvergütung). So wird der Schwarzarbeiter steuerlich höher belastet als der Handwerker und kann nicht mehr billiger sein. Es sind jedenfalls die Randbedingungen so zu gestalten, daß man nicht nach der Schwarzarbeit suchen muss, sondern daß sie sich in einem freien Markt nicht lohnt. 10. Einfaches Modell einer Minimalgesellschaft bei wachsender technologischer Effizienz - ein Gesellschaftsmärchen Die „Gesellschaft“ besteht aus fünf Personen, einem König, einem Know-How-Besitzer für Getreideanbau, einem Know-How-Besitzer für Gemüseanbau und zwei Arbeitern. Jeder Know-How-Besitzer stellt einen Knecht an, der etwas mehr arbeiten muss als er selbst, und dem er weniger 195 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft zuteilt als er selbst verbraucht. Da man zum Leben aber Korn und Gemüse braucht, entsteht zwischen den Landwirten ein Tauschhandel. Da jeder den gerechten Zustand dann als erreicht ansieht, wenn er selbst die meisten Vorteile hat und die wenigsten Nachteile, könnte diese Gesellschaft ohne den König nicht existieren. Einer muss einen Istzustand als gerecht definieren, dem alle - wenn auch ungern - zustimmen können. Da diese Ordnung aus dem gesagten heraus nicht stabil ist, sondern ein sehr labiles Gleichgewicht darstellt, muss der König sie jeden Tag verteidigen. Es ist für ihn eine große Arbeitserleichterung, wenn es ihm gelingt eine Staatsreligion einzuführen, die einen sehr mächtigen Gott enthält, dessen irdischer Sachwalter er ist und der selbst die notwendigen Ordnungsgebote erlassen hat. Schon das tägliche Dankgebet für das tägliche Brot erinnert, daß es auch Missernten geben kann. Man bleibt sich der Abhängigkeit von Gott bewusst und toleriert königliche Vorratshaltung, auch wenn davon große Teile für das Wohlleben des Königs abgezweigt werden. Bleiben die technologischen Möglichkeiten konstant, dann kann der König mit mehr oder weniger Gewalt dieses System in dem labilen Gleichgewicht balancieren. Setzt nun technologischer Fortschritt ein, so geht es allen Mitgliedern der Gesellschaft besser und jedes Mitglied kann sich ein kleines Polster zur Existenzsicherung zulegen. Damit wird aber das tägliche Gebet um das tägliche Brot mit der Zeit immer weniger inbrünstig. Zunächst bei der königlichen Hofhaltung und dann auch bei den Knowhow-Besitzern wächst der Luxus. Es verschwindet auch das Gefühl der gegenseitigen Abhängigkeit und daher 196 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft werden die Arbeiter weniger schützenswert und werden ärmer als sie früher waren. König und Gott schützt die Arbeiter offensichtlich nicht, also könnte man diese beiden nach Ansicht der Arbeiter auch abschaffen. Aber auch die Know-How-Besitzer finden es lästig, diesen weitgehend unnötigen König so üppig zu ernähren. Alle vier gemeinsam stellen den König vor die Wahl, entweder geköpft zu werden, da er nur ein Schmarotzer sei, oder aber die Rolle eines Nacht-, und eventuell eines Marktwächters anzunehmen. Der König wollte natürlich sein Leben retten und übernahm diese Dienstleistungsrolle. Der technische Fortschritt geht aber munter weiter. Die Know-How-Träger können es sich jetzt erlauben, selbst nicht mehr in der Produktion zu arbeiten und alle diese Arbeit den Knechten zu überlassen und sich selbst nur noch mit der Weiterentwicklung des Know-how zu beschäftigen. Damit wurden sie aber plötzlich wieder von ihren Arbeitsknechten abhängig und erpressbar. Sie schlossen sich daher zu einem Arbeitgeberverband zusammen und gaben dem ehemaligen König und jetzt Nachwächter Anweisung, wie er die Arbeiter in Schach zu halten hätte. Irgendwie kamen aber auch die Arbeiter auf den Gedanken den Zusammenschluss nachzumachen und bildeten eine Gewerkschaft, denn sie hatten jetzt gemerkt, daß wenn sie alle nichts arbeiten und nur von ihren wenigen Vorräten eine weile lebten, die Know-How-Besitzer größere Verluste als sie selbst erleiden würden. So etwas traf die KnowHow-Besitzer auch noch besonders hart, weil sie sich ein hartes Leben wie früher mit weniger Luxus schon gar nicht mehr vorstellen konnten. Damit bildete sich ein neues 197 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Gleichgewicht heraus, bei dem der Zugewinn durch den technischen Fortschritt gerecht verteilt wurde, das meiste bekamen die Know-How-Besitzer, die anderen 3 weniger, aber alle konnten ganz gut leben, und jeder spielte einmal den starken Mann aber man vertrug sich, denn jedem ging es jedes Jahr immer besser. Aber der technische Fortschritt ging immer weiter und ein Sieg nach dem anderen über die Natur wurde gefeiert, wenn es dabei auch größere Unfälle mit ernsthaften Wunden gab. Im Verhältnis zu den frühen Zeiten, an die man sich noch kaum erinnern konnte, lebte man wie im Paradies. Nun kam der technische Fortschritt aber an einen kritischen Punkt. Man hatte solche Roboter erfunden, daß ihnen die Arbeiter den halben Tag im Wege standen. Jeder Know-How-Träger brauchte nur noch einen halben Arbeiter. Da kamen sie auf die Idee, sie könnte auf den einen überzähligen Arbeiter verzichten und den anderen nur noch in Teilzeit beschäftigen. Da sich der Arbeiter, der noch arbeiten durfte, wusste, daß es hätte auch ihn treffen können, teilte nun sein Einkommen eine Zeit lang mit dem anderen Arbeiter. Aber als er merkte, daß auch für ihn weniger Arbeit und nur noch weniger Lohn vorhanden war, wurde ihm der andere Arbeiter sehr lästig. Es gab kein Druckmittel gegen die Know-How-Besitzer mehr, die konnten aber immer damit drohen, den einen Arbeiter gegen den anderen auszuwechseln. So zerfiel die Gewerkschaft, sie hatte keine Macht mehr. Es bildete sich ein neues Gleichgewicht, die Know-How-Besitzer wurden langsam immer reicher, der arbeitslose Arbeiter wurde aufs 198 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Lebensminimum gesetzt und der noch arbeitende - machtlos wie er war - immer ärmer. Bald war die Zeit gekommen, da war auch der zweite Arbeiter überflüssig. Er wurde auch entlassen und auf das Lebensminimum gesetzt. Nun überschritt der technische Fortschritt wieder eine Schwelle. Dem Gemüseproduzent gelang es, die Kohlenhydrate und das Eiweiß gentechnisch auch in seinen Spargel wachsen zu lassen. Damit war aber auch der Kornproduzent in dieser Gesellschaft völlig überflüssig und er sah das Schicksal der Arbeiter auf sich zukommen. Da er aber des Denkens in hohem Maße selber mächtig war, erinnerte er sich daran, daß man früher den despotisch gewordenen König seiner übermäßigen Macht beraubt hatte. Zu viert müsste man es doch durchsetzen, daß der Besitz des Know-Hows, nicht so konzentriert ist, sondern daß dieser Zuwachs gleichmäßig auf alle fünf verteilt wird. Daraus entwickelte sich ein Neues Gleichgewicht, nämlich eine freie Marktwirtschaft, in der alle Marktteilnehmer weitgehend gleiche Chancen hatten und der alte König im wesentlichen die Aufgabe übernehmen musste, daß am Markt niemand eine störende Macht erlangen kann. Man einigte sich darauf, immer wenn ein zu großes Machtpotential erarbeitet wurde, das zugehörige Know-How teilweise zu verkaufen. Übermäßig viel Geld aber in Kunst anzulegen ist und deren Verwaltung dem König zu überlassen, so daß ihr Machtmissbrauch gedämpft ist. Wichtig ist, daß nun auch die Demokratie zum Funktionieren gebracht wurde, die ja auch darauf beruht, daß sich nirgends zu viel Macht ansammelt. 199 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 11. Grundprinzipien eines freien Marktes Ein freier Markt hat nur Chancen auf sein Funktionieren, wenn die Marktregeln nicht an geschichtlich bedingten Strukturen festgemacht werden, sondern so formuliert sind, daß Strukturveränderungen in einem freien Markt, der sie ja gerade fördern und nicht hindern soll, das richtige Funktionieren des Marktes nicht außer Funktion setzen. Es gibt nur wenige Prinzipien, die in einem freien Markt eingehalten werden müssen: Es muss folgendes verhindert werden: 1. Anwachsen der Marktmacht einzelner Teilnehmer über ein erträgliches Maß, 2. Absinken der Information über das Angebot unter ein Maß, das richtiges Marktverhalten eher unwahrscheinlich macht 3. Ordnungsstrukturen, die nicht überwacht werden können 4. Teilsolidaritäten, die so konstruiert sind, daß durch Marktentwicklungen in Bedrängnis geratene Gruppen, durch ihre auf sie beschränkte Solidarität weiter in tiefere Bedrängnis geraten (Beispiel heutige Arbeitslosenversicherung). 5. Keine Wirtschafts- und Geldpolitik, die an irgendwelchen Fetischs ( z.B. „keine Inflation!!“) festhält und sich auf Mittel beschränkt, die dem natürlichen Zeitverhalten des zu regelnden Wirtschaftskreislaufs nicht adäquat ist. 200 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Für letzteres muss ein Reservoir von Maßnahmen geschaffen werden, das jedem Zeitbedarf gerecht wird. Untersuchungen der Wirtschaftspolitik der westlichen Staaten der letzten 50 bis 100 Jahre zeigen, daß die meisten Aktionen zur Marktstabilisierung (im Sinne von Keynes) deshalb nicht wirksam waren, weil die Schwingungszeit der Wirtschaft und das Einschwingen der Maßnahmen zu solchen Unter- oder Überschwingern führte, daß die Erfolge der Maßnahmen sehr bescheiden blieben. Wenn man auf diese Art technische Prozesse regeln wollte, würde ein GAU nach dem anderen stattfinden. 11.1. Gegen Schwingungsneigung des Marktes bei positiver Rückkopplung Es sind also solche Marktordnungen zu schaffen, die nicht zu extremen Schwingungen neigen und bei denen schädliche Entwicklungen sich selbst zurückführen und sich nicht über positive Rückkopplungen selbst verstärken. Auf der anderen Seite sind Instrumente zu entwickeln, deren Zeitverhalten weitgehend variabel gestaltet werden kann. Eine Marktmaßnahme muss und kann heute mit Lichtgeschwindigkeit erfolgen. Sie darf nicht erst beliebig lang im Parlament beraten werden. Bis sie dann beschlossen wird, ist sie bereits wirkungslos oder gar kontraproduktiv. Der Wirtschaftspolitik muss für jede Abweichung in Richtung weg von erträglichen Lebensbedingungen ein Arsenal von Maßnahmen augenblicklich zur Verfügung stehen, wenn ein bestimmter Zustand erreicht ist oder erkennbar erreicht werden wird. Die Dosierung muss ebenso variabel sein, damit auch auf jede Reaktion des Marktes durch Verstär201 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft ken oder Zurücknehmen der Maßnahme reagiert werden kann. Jeder private Marktteilnehmer muss sich so verhalten, also muss es auch der Wirtschaftsminister oder viel besser eine unabhängige Behörde ähnlich der ehemaligen Deutschen Bundesbank. Die parlamentarischen Beschlüsse müssen lange im Voraus so formuliert sein, daß staatliches Geld nur für staatlich sinnvolle Aufgaben ausgegeben werden kann, aber in marktnotwendiger Höhe und im marktnotwendigen Zeitpunkt, so daß Spekulanten auch hier nicht jede beliebige Chance haben, auf den Verlust des staatlichen Marktmitspielers zu setzen. Falsch eingesetzte Mittel oder Nichtstun muss für die zuständigen Minister und Beamten mindestens ähnliche Folgen haben, wie für einen freien Unternehmer. Spekulation gegen die Wirtschaftspolitik. Von einzelnen ist diese Spekulation bei Beschränkung der Wirtschaftsmacht wie oben beschrieben nicht mehr zu bewerkstelligen. Glücksspiel ist auch in anderen Bereichen verboten. Wenn die Ergebnisse solcher spekulativer Wetten auffällig sind, kann man sie auch als Strafe oder Wettsteuer einziehen. 11.2. Private Marktmacht darf nie vergleichbar mit der Macht des Staates werden. Auch im wirtschaftlichen Bereich darf die Freiheit des einzelnen oder der Gesellschaft wesentlich beschränkende Macht nur beim Staate liegen Bei allen Problemen des Marktes, muss es wie im sonstigen Leben sein. Die Macht im Markt über das notwendige Maß seiner dynamischen Lebendigkeit hinaus muss beim 202 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Staate liegen, ähnlich wie das Gewaltmonopol. So wenig wie der Staat bewaffnete Räuberbanden zulassen darf, darf er wirtschaftliche Gebilde zulassen, die den freien Markt des fairen Austausches stören können. Übermäßige Wirtschaftsmacht verführt leicht zu einer Art legalem Piratentum, das nur noch schwer bekämpft werden kann. 12. Einige Bemerkungen am Schluss Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der nicht aufzuhaltende technische Fortschritt und der damit verbundene starke Schwund der Bedeutung des räumlichen Abstandes auf unserer Erde die Gültigkeitsbereiche vieler Aussagen, auf denen unser tägliches Leben aufgebaut ist, sehr genau betrachtet werden müssen, wenn aus bisher Sinnvollem nicht völlig Unsinniges werden soll. Der soziale Markt ist nach wie vor ein sehr erfolgreiches Wirtschaftssystem und es ist noch kein besseres formuliert worden. Der real existierende Freie Markt hat sich aber durch den technischen Fortschritt und die Weiterentwicklung vieler nützlicher Marktinstrumente in einen sehr gestörten freien Markt verwandelt, der teilweise genau das Gegenteil von dem erreicht, was er soll. Ein funktionierender freier Markt ist ein sehr störanfälliges hoch komplexes System, das durch eine starke Staatsmacht vor Marktstörern, z.B. dem organisierten Verbrechen, geschützt werden muss. Marktstörer sind aber nicht nur Kriminelle, sondern auch zu starke und zu schwache Marktteilnehmer und eine Werbung, bei der das Marktgeschrei jede sachliche Infor203 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft mation, auf der jeder freie Marktakt beruht, so weit übertönt, dass sie unhörbar wird und durch völlig unsinnige Aussagen, wie das Versprechen von Glück, Schönheit und Liebe ersetzt wird. Das Stichwort, sollte hier nicht Deregulierung sondern Neuregulierung lauten. Der landläufige Glaube an ein einfaches Kausalitätsprinzip und die Unmöglichkeit in die Zukunft zu schauen führen des weiteren zu vielen unsinnigen Strukturen in unserem Staatsleben. Die Politik ist prinzipiell auf ein zu erreichendes Ziel hin gerichtet. Das Erreichen des Zieles wird meistens mit Hilfe einer Steuerungsmaßnahme versucht, die dann öfter völlig unerwartetes oder das schiere Gegenteil des erhofften erreicht. Das ist das selbe Verfahren, wie wenn ein Steuermann auf einem Ozeandampfer einen Rudereinschlag einstellt, festbindet und erst nach vielen Tagen wieder eine Ortsbestimmung macht. Eine löbliche Ausnahme war hier die Inflationsbekämpfung durch die deutsche Bundesbank. Sie war von Interessenvertretern weitgehend unabhängig und besaß ein Arsenal von möglichen genau dosierbaren Maßnahmen, die praktisch nach Beobachtung ihrer Wirkung jederzeit korrigiert werden konnten. Sie verhielt sich also nicht wie ein unfähiger Steuermann sondern eher wie ein Thermostat also wie ein sehr guter Regelkreis. Ein Rückkopplungssystem, das wie hier Fehlentwicklungen und Störungen von außen weitgehend herausregelt, ist im öffentlichen Leben sehr selten. Es gibt an anderen Stellen zwar häufig ebenfalls Rückkopplungen, die aber gerade umgekehrt jede Störung des System verstärken, das 204 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft System schließlich zerstören oder zu unerträglichen Schwingungen bringen. In der Technik hat man das in den letzten 50 Jahren erkannt. Im Rechts- und Staatsdenken hat sich die Sichtweise auf die immer vorhandene Multikausalität und damit grundsätzliche Unmöglichkeit mit zeitlich zu starren Maßnahmen ein angepeiltes Ziel zu erreichen, noch sehr wenig durchgesetzt. Dafür ist es aber jetzt höchste Zeit, denn die Globalisierung verstärkt diese Multikausalität täglich. Es scheint aber die „wachsende Ohnmacht der Politik“ rührt in viele Fällen davon her, das der Glaube an die einfache Steuerbarkeit der komplexen Dinge noch viel zu weit verbreitet ist. Es besteht hier sehr viel Nachholbedarf im Bewusstsein der Menschen. Im täglichen Leben verhält sich der Mensch meist unterbewusst regelnd. Niemand stellt im Auto das Lenkrad fest und fährt mit verschlossenen Augen über die Landstraße. Es ist vielmehr so: Eine sehr subtil ablaufende Regelung über alle Sinne hält den Wagen immer exakt auf Kurs, es sei denn, die Sinne werden abgeschaltet, das System wird durch Alkohol beeinträchtigt oder die Reaktion auf das Hindernis ist unmöglich, weil die Nachrichtenübermittlung über die Nervenbahnen zu langsam gegenüber dem Auftauchen des Hindernisses ist. Im Staatsleben wird aber beispielsweise das Steuer oder die Steuer nach bestem Wissen oder nach größtem Einfluss irgendwie eingestellt und festgezurrt. Nach einiger Zeit wundert man sich dann, wo man gelandet ist. Es ist eigenartigerweise so, daß man bei der Umverteilung durch den Staat immer das sieht, was er den reicheren Leu205 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft ten wegsteuert und den ärmeren Leuten gibt. Da bei uns heute aber der Staat der Wahrer und Übermittler der Kultur ist z.B. in Schulen und Hochschulen, und der Erfolgreiche viel mehr der Kultur verdankt als der weniger erfolgreiche, so ist das soziale Netz etwas für diejenigen, die bei der Erstausteilung zu kurz gekommen sind. Da die Erfolgreichen zum gesamten Staatsaufkommen aber trotz hoher Steuersätze absolut relativ wenig beitragen, ist die ganze Staatsaktivität doch eher eine Verteilung von unten nach oben als eine Verteilung von oben nach unten. Dessen sollte man sich immer bewusst sein. 13. Zusammenfassung In dieser Schrift wird die Wirtschaft als ein System beschrieben, in dem die Rückkopplungen die wesentlichen Elemente sind. Einfachstes Beispiel einer solchen Rückkopplung ist: In einem freien Markt erweist sich ein Produkt als günstig im Verhältnis von Kundennutzen zum Preis. Rückgekoppelt erhöht der gute Absatz das Angebot. Im umgekehrten Fall verschwindet das Produkt wieder. Das ist eine positive Rückkopplung, Wachstum führt zu weiterem Wachstum, Rückgang zu weiterem Rückgang. Diese positive Rückkopplung geht in der freien Wirtschaft über einen sehr großen Teil der Gesellschaft, nämlich über alle, die am Markt teilnehmen. Dies Rückkopplung ist aber nur erfolgreich, wenn sie über das tatsächliche Preis-zuKundennutzen-Verhältnis läuft und nicht z.B. von irreführender Werbung oder durch Unwissen verfälscht ist. 206 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft In der Planwirtschaft ist die Rückkopplung über den Markt um ein vielfaches schwächer dafür mehr über die staatlichen Organe geführt– sicher ein wesentlicher Grund ihrer Unterlegenheit. Ein ähnliches Rückkopplungsdefizit besteht auch an den Finanzmärkten an der Börse. Die relativ wenigen Teilnehmer beobachten dabei weniger die realen Werte hinter den Wertpapieren sondern mehr den Börsenkurs, den sie selbst erzeugen. Eine negative Rückkopplung findet man in der Technik z. B. bei der Thermostatheizung. Ist die Temperatur aus beliebigem Grund zu niedrig, wird der Ölhahn mehr geöffnet, wird die Temperatur größer als gewollt, drosselt der Thermostat die Ölzufuhr. Heute wird praktisch jede Heizung von einem Thermostat geregelt. Bei einer Heizung mit Thermostat ist es völlig unerheblich woher die nicht gewünschte Temperaturänderung kommt. Unabhängig von ihrer Ursache wird sie vom Thermostat ausgeregelt. Hier entfällt weitgehend das Suchen nach Ursachen und der unnütze Streit darüber. In der Wirtschaft war die Tätigkeit der Deutschen Bundesbank in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Art Thermostatregelung für den Kaufwert der DM. Über 50 Jahre konnte in Deutschland die Inflation besser in Griff behalten werden als sonst wo in der Welt. Das lag daran, dass die Deutsche Bundesbank eine unabhängige Instanz war, die im Grunde die Geldmenge und den Geldpreis so regelte, dass Geld bei steigenden Warenpreisen teurer wurde und damit die preistreibende Nachfrage dämpfte und umgekehrt geliehenes Geld in der Gefahr fallender 207 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Preise billiger wurde. Um die Ursachen von Schwankungen brauchte sich die Bundesbank wenig zu kümmern oder zu streiten, sie hatte die Mittel die Schwankungen auszuregeln. In einem freien Wirtschaftssystem gibt es aber eine ganze Reihe positiver Rückkopplungen zusätzlich zu der die freie Wirtschaft tragenden positiven Rückkopplung über Qualität und Preis. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die gefährlichste positive Rückkopplung, die Rückkopplung zwischen Lohn und Preis. Steigende Preise erzwangen höhere Löhne und diese wieder drückten die Preise nach oben. Die deutsche Inflation von 1923 hat gezeigt, dass diese Rückkopplung zu keinem Vernünftigen Gleichgewicht zwischen Löhnen und Preise führen kann. Der Preis für einen Laib Brot erreichte Billionen Mark. Nur die Einführung von ganz neuem Geld, damals der Rentenmark, machte diesem Teufelskreis ein Ende. Dieses Erlebnis und der Misserfolg der üblichen Bekämpfung von Inflationen in aller Welt führte zur Einrichtung der deutschen Bundesbank anfangs der fünfziger Jahre als eine Art regelnder Thermostat für die deutsche Währung. Diese Regelung hat sich bisher über ein halbes Jahrhundert bewährt und wurde deshalb als Vorbild für die neue Europabank in Frankfurt. Die heute problematischste positive Rückkopplung in der Wirtschaft ist die zwischen technischen Fortschritt und wachsender Arbeitslosigkeit. In einer Gesellschaft in der Wirtschaft im wesentlichen notwendiges erzeugt, kann es diese Rückkopplung gar nicht geben. Technischer Fortschritt führt hier hauptsächlich zu höherem Reichtum. 208 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Zwar ungleichmäßig auf Kapitaleigner und Werktätige verteilt, aber fast nirgendwo verschlechtert sich die Situation ernstlich. Heute in der Überflussgesellschaft, in der Absatz über die Werbung künstlich über die normale Nachfrage gesteigert werden muss um die Produktion aufrecht halten zu können, verlangt die Marktsättigung für eine weitere Absatzmöglichkeit, neue Produkte und niedrigere Preise und daher eine schnelle Umsetzung neuer technischer Möglichkeiten sowohl in der Produktion, als auch in der als Beschäftigungsausweg erhofften Dienstleistung. Um hier im bisherigen Sinn wirtschaftlichen Erfolg produzieren zu können, müssten letztlich die Menschen auf neue Tätigkeiten umgesetzt werden. Der technische Fortschritt vernichtet in diesem Fall einer Überflussgesellschaft nicht nur den Wert materieller Investitionen, die auf den Schrottwert reduziert werden, sondern in immer verstärkteren Masse das vorhandene Humankapital. Aus Werte schaffenden hoch leistungsfähigen Menschen werden unvermittelbare Langzeitarbeitslose. Diese Wertvernichtung wird in keiner offiziellen Statistik ausgewiesen, sondern kann nur indirekt aus den Zahlen des Arbeitsamtes abgeleitet werden. Das früher wertvolle Humankapital besteht aus den Berufskenntnissen der Menschen, aber auch aus ihrer Allgemeinbildung und aus ihrer gesamten Lebenserfahrung. Der rasch umgesetzte technische Fortschritt vernichtet alle drei Bestandteile dieses Humankapitals, da es nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden kann. Aus der Sicht der Gesamtwirtschaft und natürlich auch der von dieser lebenden 209 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Gesellschaft ist das ein gewaltiger Verlust, der nicht genügend erkannt ist. Der technische Fortschritt als Wissen ist aber nicht das eigentliche Problem. Er ist auch gar nicht aufzuhalten. Und wenn mehr Wissen bei den Menschen ankommen würde, würde das Humankapital auch dauernd steigen. Das Problem besteht genau genommen darin, dass die Umsetzung von technischem Fortschritt schneller erfolgt als die weitere Verbreitung technischen Wissens. Das technische Wissen zu verbreiten ist aber deutlich aufwendiger als eine Produktion auf eine neue Technik umzustellen. Hierzu reicht das Wissen des Erfinders der neuen Technik und seine Überredungsgabe gegenüber den Entscheidern, deren Sachkenntnis mit der Größe der wirtschaftlichen Einheiten relativ schrumpft. Im heutigen Zustand der Gesellschaft und der Wirtschaft gibt es hier die positive Rückkopplung zwischen technischen Fortschritt und Freisetzung von Arbeitskräften. Das führt zur Verarmung und damit zu Nachfragerückgang, der dann durch niedrigere Preise verhindert werden soll. Das zwingt zu neuer technischer Rationalisierung und diese wieder zu weiterer Arbeitslosigkeit. Nach Überwindung der Lohn-Preis-Spirale beherrscht heute die Spirale: Technische Rationalisierung steigert Armut durch Arbeitslosigkeit, die weitere technische Rationalisierung stimuliert. Kurz gesagt ist die heutige Wirtschaftslage durch die „Ratio-Arm-Spirale“ gekennzeichnet. Die Globalisierung verstärkt diesen ganzen Effekt, da man die restlichen Arbeiten in ärmere Länder verlegen kann. 210 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Will man diese Ratio-Arm-Spirale bekämpfen, nützt es wenig, irgendwie die Wirtschaft steuern zu wollen durch herumreisen irgendwelcher Steuerungsgrößen, die heute als Sozialreformen verkauft werden. Diese Steuerungsmaßnahmen sind so wenig wirksam wie früher Lohn- oder Preisstops. Sie sind auch so wenig wirksam wie die Steuerungsmaßnamen in der Planwirtschaft des früheren Ostblocks. Hier kann nur eine Regeleinrichtung nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank das ganze einem Crash zusteuernde System sanieren, welches das Freistellen von Arbeitskräften durch Abgaben z.B. über eine variable Umsatzsteuer im Falle steigender Arbeitslosigkeit unrentabler macht aber rentabler bei steigender Vollbeschäftigung. Wenn es billiger wird, im Betrieb vorhandene Arbeitskräfte entsprechend neuer Anforderungen weiterzubilden als sie freizusetzen wird das Humankapital vermehrt statt vernichtet. Dabei wächst entsprechend auch die Entwicklung neuer absetzbarer Angebote. Es wird also ein langsames nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum geben. Hierher gehört auch die Weiterentwicklung des Umweltschutzes. Nicht nur ein besserer Kopfhörer, sondern auch bessere Luft verbessern die Lebensqualität. In der Natur ist die positive Rückkopplung das wesentlichste Lebensprinzip. Wachsen die Wurzeln eines Baumes, wachsen auch neue Blätter und mit neuen Blättern können auch die Wurzeln weiter wachsen. Am Ende seines Lebens bricht der Baum zusammen. Für höhere Lebewesen und deren längeres Leben verwendet auch das Leben negative Rückkopplung zu Regelung bestimmter 211 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft messbarer Werte. Beispiele sind die Körpertemperatur der Warmblüter der Druck und der Zuckergehalt des Blutes. Der Mensch hat im Urwald nur eine kleine Nische für ein kärgliches Leben. Als sehr frühe Kultur entwickelte er die Agrikultur. Sie ist eigentlich die erste Einführung einer negativen Rückkopplung durch den Menschen: Hat eine Rebe wenig Kraft, wird sie durch Hacken und Düngen zum Wachstum angeregt. Entwickelt der Rebstock zu viele Triebe, werden sie zurückgeschnitten. Nur so kann man viele gute Trauben für einen guten Wein ernten. Kultur ist negative Rückkopplung, welche die Auswüchse der positiven Rückkopplung in der Natur zur Verbesserung des menschlichen Lebens beseitigt. 15 Thesen 1. Die soziale Marktwirtschaft ist allen anderen Wirtschaftsformen weit überlegen 2. In der Planwirtschaft sind die Planungseinheiten zu groß und die Rückkopplung über den Verbraucher zu schwach, sie hat große Ähnlichkeiten mit einer Naturwissenschaft ohne Experimente 3. Eine Marktwirtschaft ist nur sozial, wenn sie eine Vollbeschäftigung herstellt, also etwa maximal 2 % Arbeitslosigkeit nicht überschreitet. Auch nur dann ist sie wirtschaftlich gesehen sinnvoll, da sie nur dann alle möglichen Ressourcen nutzt und nicht gar wertvolle vernichtet 4. Eine Marktwirtschaft ist nur sozial, wenn nicht leistungsfähige Menschen durch die Solidarität der ganzen Gesellschaft sicher vor Armut geschützt sind. Auch nur 212 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft dann ist sie auch wirtschaftlich sinnvoll, weil sonst dem Bruttosozialprodukt ein ansehnlicher Teil fehlt 5. Die Marktwirtschaft eignet sich über die positive Rückkopplung über den Verbraucher um Mangel zu beseitigen oder zu bekämpfen. Eine Überflussgesellschaft ist nicht primär durch Mangel, sondern durch Überfluss gekennzeichnet. In einer Überflussgesellschaft können deshalb sehr viele oder die meisten Marktprozesse umgekehrte Wirkung haben als im klassischen Markt. Denn dessen Gesetze und Regeln sind nur innerhalb bestimmter Randbedingungen gültig, die in einer Überflussgesellschaft meist anders oder gar konträr gegenüber dem klassischen Markt beschaffen sind 6. Die klassischen Marktgesetze führen nicht zur Vollbeschäftigung und erhalten diese auch nicht. Deshalb bedarf es dafür eines thermostatähnlichen Regelprozesses ähnlich dem der Geldwertstabilisierung durch die frühere Deutsche Bundesbank 7. Insbesondere dürfen Personalkosteneinsparungen bei Arbeitslosigkeit nicht sehr wahrscheinlich zur Gewinnsteigerungen führen. Entsprechende Abgaben müssen dies verhindern. Nur bei Vollbeschäftigung dürfen und müssen Personalkosteneinsparungen durch technologischen Fortschritt mehr Gewinn bringen. 8. Indirekte Steuern auf bestimmte Warengruppen entsprechend den Personalkosten von der Entwicklung der Waren bis zum Endverbraucher eignen sich für Regelungsvorgänge in der Wirtschaft und sind mit dem Grundgesetz Deutschlands vereinbar, wie das Beispiel Ökosteuer zeigt. 213 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 9. Ähnlich wie die heutige Umsatzsteuer verteuert eine richtig gestaltete personalkostenabhängige indirekte Steuer nicht den Export und ist auch unabhängig vom Ursprungsland der Waren. (Z.B. kann bei Importen ein gemittelter Personalkostenanteil angesetzt werden.) 10. Personalkosten sollten hauptsächlich im Handel entstehen, insbesondere um die Marktkenntnisse der Verbraucher zu stärken 11. Eine besonders steuermindernde Wirkung müssen Personalkosten haben, die durch Forschung und Ausund Weiterbildung entstehen. 12. Eine Unabhängige Behörde ähnlich der früheren Deutschen Bundesbank muss die Regelung der Vollbeschäftigung übernehmen - durch Veränderung von Hebesätzen der oben genannten personalkostenabhängigen indirekten Steuern. 13. Eine Marktwirtschaft kann nur ausreichend funktionieren, wenn keine zu starken und keine zu schwachen Marktteilnehmer vorhanden sind. Koalitionen schwacher Marktteilnehmer sind also zu fördern. Zu starke Marktteilnehmer müssen sich ähnlich einer biologischen Zellteilung in einzelne voll gegeneinander konkurrierende Einzelteilnehmer zerlegen. Die derzeitigen Kartellgesetze sind zu wirkungslos 14. Der Kapitalmarkt ist entsprechend der Erfahrung und neueren experimentellen Untersuchungen kein echter Markt, da dessen Teilnehmer als übermäßig gewinnsuchende Menschen prinzipiell nicht in der Lage zu sein scheinen, genügend rational an diesen Märkten teilzunehmen. Börsen z.B. haben größere Ähnlichkeit mit Spiel214 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft kasinos als mit Markthallen. Auch hier ist eine unabhängige Behörde notwendig, die regelnd wie die frühere Deutsche Bundesbank die Kurse näher am Realwert (real zu erwartender Ertrag in vernünftiger Nähe zum bisherigen Ertrag) hält, und somit größere Kursblasen und damit Crashs nach Möglichkeit zu verhindern sucht. Übermäßige Kurssteigerung ist Inflation der Wertpapiere 15. Leben ist grundsätzlich in Zellen organisiert. In der Wirtschaft ist das ebenso. Zellwände sind schützende Abgrenzungen gegen andere Zellen und die Umwelt, sie müssen aber eine gewisse Durchlässigkeit haben, sonst sind die Zellen nicht lebensfähig. Globalisierung braucht ähnliche Bedingungen, die Durchlässigkeit der Zellwände (Handelsgrenzen) muss Not vermeiden ebenso die Überschwemmung oder die Austrocknung. Anhang A A 1. Ansätze zu einigen Steuerklassen und Hebesätzen die sich zur Regelung eignen A 1.1. Personalkostenabhängige Steuersätze für den Handel Bemessungsgrundlagen sind: 1. Für die mittlere Bemessungszahl die dann durch die einzelnen Steuerklassen angehoben oder gesenkt werden 215 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft 2. Jährlich festsgestellter mittlerer Anteil der Personalkosten von Handelsfirmen in Prozent vom Umsatz, wenn sinnvoll, abhängig von Wirtschaftszweigen 3. Notwendiges Steueraufkommen bei Vereinfachung der Einkommensteuer und Verlagerung der Sozialkosten, die nicht auf Privatkosten umgestellt werden können, da sie nicht durch revidierbare persönliche Entscheidung sondern durch Schicksal bestimmt sind. (Wichtiges Beispiel: echte Krankheitskosten ohne besonderen Komfort) Für die einzelnen personalkostenabhängigen Steuerklassen): 1. Personalkosten weniger als ein Achtel des Mittelwertes, der 8-fache Steuersatz des Mittelwertes 2. Personalkosten weniger als ein Viertel des Mittelwertes, der 4-fache Steuersatz des Mittelwertes 3. Personalkosten weniger als die Hälfe des Mittelwertes, der 2-fache Steuersatz des Mittelwertes 4. Personalkosten gleich dem Mittelwert, der 1fache Steuersatz des Mittelwertes 5. Personalkosten mehr als das Doppelte des Mittelwertes, der 1/2 Steuersatz des Mittelwertes 6. Personalkosten mehr als das 4-fache des Mittelwertes, der 1/4 Steuersatz des Mittelwertes 7. Personalkosten mehr als das 8-fache des Mittelwertes, der 1/8 Steuersatz des Mittelwertes Da die Folgen eines gleichen Hebesatzes für alle Steuerklassen nicht abzusehen sind, müssen die Hebesätze so ständig neu bemessen werden, dass die Arbeitslosigkeit 216 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft soweit als sinnvoll verschwindet und Umsatz ökologisch hochwertiger Waren steigt. Die Hebesätze müssen dann so festgelegt werden, dass sie auch wirken, d.h. Personalsparen nicht per se günstig ist. In der Anfangszeit ist hier sehr viel Fingerspitzengefühl notwendig. Man wird so beginnen müssen, dass sich in der Gesamtsteuerlast kaum etwas ändert, sondern nur die Ursachen. Das wird eine Verhaltensänderung in Richtung auf weniger Arbeitslose bewirken, schon in der Hoffnung, dass sich die Lasten günstig verschieben. Wenn sich die Wirtschaft in Richtung Vollbeschäftigung bewegt, werden die Sozialleistungen, die zur Erhaltung der Würde des Menschen notwendig sind und also über die Umsatzsteuer zu finanzieren sind, bei wachsendem Wohlstand her laufend verringern. Im Gesundheitsbereich werden die Kosten aber wegen des medizinischen Fortschritts immer weiter steigen. A 1.2. Ansätze zu einer Luxussteuer Um eine bessere soziale Komponente in die Umsatzsteuer zu bringen, könnten drei Steuerklassen genügen: Basisklasse Hochwertklasse Luxusklasse Die drei Klassen könnten in etwa so voneinander unterschieden werden. Die Basisklasse beinhaltet alle Waren des normalen Bedarfs, die normale Ansprüche erfüllen. Sie sollen im Endeffekt eher billiger werden, als sie derzeit auf dem Markt 217 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft sind. Sie werden sich in einer unteren Preisklasse bewegen müssen aber ihre Aufgabe voll erfüllen. Die Hochwertklasse liegt preislich über der Basisklasse und verfügt über Merkmale, die besondere Ansprüche erfüllen. Also z. B. technische Daten haben, einen echten Mehrnutzen gegenüber den normalen Ansprüchen erfüllen. Die Luxusklasse bezieht sich auf die höchste Qualität, insbesondere solche die vielleicht ein höheres Prestige bringen aber deren verkaufter Nutzwert schon über eine vernünftige Qualitätsverbesserung hinausgeht, also im wesentlichen Luxus beinhaltet A 1.3. Altersversorgung Eine Grundrente, die ein menschenwürdiges Leben ermöglicht, ist über die Umsatzsteuer zu finanzieren. Ob es sinnvoll ist, eine Besserversicherung verpflichtend zu gestalten, hängt stark von der Höhe der Grundrente ab. Darüber hinaus muss es das Ziel eines Regelkreises sein, die Höhe der Rente in der Nähe der letzten normalen Einkünfte zu halten, ohne z.B. die Arbeitslosigkeit zu fördern, wie es bei dem derzeitigen System der Fall ist, da nur der Faktor Arbeit durch die Rentenfinanzierung belastet ist. Die Möglichkeit, statt die Rente über eine Umlage zu bezahlen aus einem Kapitalstock zu finanzieren bringt nicht unbedingt Vorteil bei rückläufiger Bevölkerungsentwicklung. Wird die Rente aus der Umlage bezahlt, müssen die Jungen diese bezahlen. Werden die Renten aus den Zinsen der Guthaben der Alten bezahlt, müssen die Jungen diese Guthaben verzinsen. Das ist nur technisch verschieden, aber der Effekt ist derselbe, wenn man nicht glaubt die 218 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Amerikaner oder die Afrikaner zahlen die deutschen Renten. Auch hier können nur Regelkreise helfen. Eine entsprechende Steuerentlastung bzw. negative Steuer muss für Gerechtigkeit bezüglich der Kosten für die Kinder sorgen und ein Regelkreis muss für entsprechende Einwanderung sorgen. Aber auch in diesem Bereich kann man nicht mit starren Zahlen arbeiten, sondern braucht eine Behörde, die entsprechend ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Ziele und ihre gesetzlich vorgeschriebenen Eingriffsmöglichkeit auch dieses System ähnlich wie ein Thermostat in vernünftigem Bereich regelt. Wird das nicht so gestaltet, bauen sich nach kurzer Zeit wieder Teufelskreise auf, die das ganze System zum Einsturz bringen können. Anhang B B 1. zum Thema Kultur In einer kultivierten Gesellschaft kann Eigentum nur dadurch entstehen, daß der Eigentum bildende Mensch aus der Kultur schöpft, indem er Möglichkeiten, die diese Kultur bietet, ausnützt. Die Leistung eines Eigentumsbildners besteht zum aller größten Teil darin, daß er in der Lage ist, große Teile der Errungenschaften der Kultur zu nutzen. Ein einzelner Mensch kann relativ zu den Schätzen der Natur nur sehr wenig zu deren Vergrößerung aus eigener Kraft beitragen. Aus diesem Grund geht jede Eigentumsbildung auf Kosten der Gesellschaft. Ein gerechter Anteil ist nicht zu ermitteln, da Erfolg der Bemühungen von Menschen nicht nur von deren Handlungen abhängen, 219 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft sondern weitgehend auch von ihrem Glück. Das Lebensrecht aller Mitglieder der Gesellschaft verlangt am Glück gescheiterte zu unterstützen, ebenso erfordert es, das Glück der Erfolgreichen nach oben hin zu beschränken. B 1.1. Kultur und Marktidee Die Vermarktung der Kultur, wie sie über das durch Werbung finanzierte Fernsehen oder über sich selbst tragende Kulturveranstaltungen versucht wird, funktioniert nicht in dem Sinne, daß sich am Markt das Beste durchsetzt, sondern eher das, was mit der geringsten Vorleistung Unterhaltungswert hat. Da aber für den Lebenserhalt einer Gesellschaft eher die Teile der Kultur notwendig sind, deren Unterhaltungswert sich erst nach ausreichenden und nicht immer kleinen Vorleistungen erschließt, bringt die unsichtbare Hand des Marktes die Kultur auf die Dauer zum Verschwinden, wenn man sie dieser Hand überlässt. Da also die Eroberung der Kultur mit Mühe verbunden ist, scheint es vom Markstandpunkt eher sinnvoll, wenn das sich Aneignen der Kultur wie jede andere Arbeit „marktgerecht“ bezahlt wird. Das Erringen einer genügenden Kultur - oder Bildungsstufe der Einzelnen ist für die heutige Gesellschaft genau so wichtig, wie die Arbeit bei der arbeitsteiligen Herstellung eines Gebrauchsgegenstandes. Im Prinzip ist das auch schon heute so, daß z.B. ein Akademiker mehr verdient als ein Arbeiter. Die Zeitspanne zwischen der Arbeit des Lernens und dem darauf beruhenden Verdienst ist aber heute schon über 20 Jahre. Da in einer so schnelllebigen Zeit wie heute niemand die geringste Ahnung hat, was er in 20 Jahren seinen „Kulturreservoir“ 220 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft entnehmen muss, um ein erträgliches oder besser gutes Leben zu haben, kann man schwerlich erwarten, daß man so hochspekulativ in eine ferne Zukunft investiert. In den Schulen wird immer der fehlende Praxisbezug des Unterrichtes beklagt. Der lässt sich aber schon wegen der heutigen Breite der notwendigen Bildung nur noch relativ sparsam einbringen. Dass die vorhandenen Beispiele auch noch zufällig in den Interessen- und Erfahrungsbereich eines einzelnen Kindes passen, ist wegen der heutigen Vielfältigkeit des Lebens rein zufällig und außerordentlich unwahrscheinlich. Das nicht durchschaute Beispiel macht die Sache noch schwerer als die reine Theorie. Damit ergibt sich für alle Schüler und alle Lehrstoffe von vornherein die Vermutung, daß der entsprechende Lehrstoff im Leben nicht gebraucht wird. Eine Gesellschaft, in der Freiheit ein konstituierender Begriff ist, braucht sich dann nicht zu wundern, wenn das Interesse an der Schule parallel mit dem fallenden Unterhaltungswert der Schule gegenüber den sonstigen Unterhaltungsmöglichkeiten sinkt. B 2. Effektivere Schulstruktur Das Angebot der Schule, könnte auch so gestaltet werden, daß man verschiedene Interessenfelder von Kindern ermittelt und sozusagen Klassen bildet, in denen die Interessenfelder der Kinder und Jugendlichen nahe beieinander liegen. Diese Klassen sollten auch nicht streng nach Jahrgängen getrennt sein. In einer solchen Klasse sollte ein bestimmtes Projekt bearbeitet werden, bei dem jeder seine Teilaufgabe hat und bei dem jeder entsprechend seiner Leistung bezahlt wird, und zwar entsprechend seiner Ar221 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft beitsleistung, die sich aus dem Verhältnis Leistungsfähigkeit zur erbrachten Leistung ergibt. Hier könnten dann Marktkräfte von Tag zu Tag wirken und nicht mit einer Spekulationsfrist von 20 Jahren. Da für praktisch jeden Lebensbereich immer in etwa der gleiche Sockel an „theoretischer“ Bildung notwendig ist, lernt man in allen Klassen weitgehend die gleiche grundlegende Theorie und erhält so die Einheit der Kultur. Aber für jede Klasse bleibt die „Anwendung“ interessens- und lebensnah. Wenn das Lernen in diesen Klassen dann so vor sich geht, daß immer zuerst aus der Praxis sich die Notwendigkeit eines theoretischen Wissens ergibt, entfällt die Frage, wofür das gut sein soll von vorn herein. Dass eine solche Art der Schule aufwendiger ist als der heutige Unterricht, kann schon sein, müsste sich aber in der Praxis erst erweisen. In einer Überflussgesellschaft dürfte dies aber nicht die ausschlaggebende Rolle spielen. B 2.1. Schule ist Kinderarbeit - sie sollte auch so bezahlt werden Das Bezahlen der Schüler ist aber wieder die Einführung der Kinderarbeit. Sie war aber über Jahrhunderte in der Landwirtschaft in der Weise üblich, daß die Kinder hier langsam vom Spielen zur ernsten Arbeit überwechselten. In der Schule konnten die dann benutzen Beispiele aus dem gelebten Leben genommen werden, das in etwa für alle gleich war. Da dieses System noch fast bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts irgendwie vorhanden war, kann es nicht so schlecht gewesen sein, denn die Menschen aus 222 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft diesen Generationen haben die Voraussetzungen des heutigen Wohlstandes geschaffen. Auf diese Weise ließe sich auch die Familienpolitik erträglich gestalten. Kinder würden den Eltern nur noch bis zu 6 oder 7 Jahren voll auf der Tasche liegen. Danach könnten sie selbst immer mehr zum gemeinsamen Haushalt beitragen und würden so langsam für sich selbst verantwortlich und stünden ab etwa 14 Jahren auf eigenen finanziellen Füßen. Da diese bezahlte „Kinderarbeit“ kindgerecht gestaltet werden kann, sind darin keine Nachteile zu sehen. Die leidige Frage, wer soll das bezahlen, ist in einer Gesellschaft, in der die Arbeit ausgeht, eher in die Frage zu verwandeln, wie muss ein „Markt“ gestaltet bzw. strukturiert werden, daß er die Verteilung der Wirtschaftsgüter und die Aneignung der kulturellen Fähigkeit deren Herstellung regelt. Der Markt muss durch seine Kräfte auch dazu führen, daß jeder die Fähigkeit erlangt, sich Unterhaltung zu verschaffen, die auch ohne destruktive Wirkungen nicht langweilt. Da - wie der derzeitige „Großversuch“ zeigt - die Nachfrage nach Wirtschaftsgütern sich irgendwie selbst unterhält, lässt sich hier eine Umsatzsteuer erheben, die mehrere „Luxusstufen“ enthalten sollte. Desgleichen ließe sich auf seichte Unterhaltung eine Art Vergnügungssteuer erheben. Mit den oben genannten Wirtschaftsmechanismen, d.h. einer sehr flexiblen Beteiligung des Staates am Markt, lässt sich auch ein solches System in ein dynamisches Gleichgewicht bringen. 223 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft B 3. Weitere Regelkreise B 3.1. Das Produktionssystem von Toyota Das Produktionssystem von Toyota ist anerkannt sehr gut und wird offenbar mit relativ wenig Erfolg in Teilen vielfach kopiert. Das System lässt sich innerhalb der hier im Westen bei immer noch im klassischen hierarchischen Betriebsaufbau, bei dem weitgehend ohne ernste Rückkopplung wie in der Planwirtschaft nach von oben vorgegebenen Arbeitsplänen gearbeitet wird, auch nicht effektvoll annähern. Wegen der endlichen Kompetenz der Ingenieure und insbesondere der Entscheider können solche Arbeitsverfahren nur mit sehr großen Fehlern behaftet sein, die zu relativ schlechter Qualität und unnötigen Kosten führen muss. In der Weihnachtsausgabe der Stern Heft 53 2004 findet sich ein ausführlicher Artikel von FRANK JANSSEN, JAN BORIS WINTZENBURG und SAMUEL ZUDER (FOTOS); MITARBEIT: KARSTEN LEMM, MIRIAM MÜLLER über das Produktionssystem von Toyota. Vom Standpunkt der Betrachtung von Rückkopplungen aus ist dieses System völlig im Gegensatz zu den westlichen Systemen mit sehr wesentlichen negativen Rückkopplungssystemen ausgestattet. Jede Planung und jeder tatsächliche Ablauf wird ständig darauf „vermessen“ ob es irgendwo Überflüssiges gibt, also ob das vorhandene auch wirklich nötig ist. Wenn Überflüssiges entdeckt wird, wird quasi der Hahn „Grips einschalten zur Beseitigung des Überflüssigen“ umgelegt und 224 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft erst wieder ausgeschaltet, wenn der Überfluss minimiert ist. Das führt zu Kostenminderungen. Das berühmteste Beispiel ist das Liefern von Zubehör „just in time“. Wie in dem Sternartikel steht, lässt sich das so weit treiben, dass beim Lackieren der Karosse die Sitze bestellt werden, die dann automatisch vom LKW abgeladen dem einbauenden Mitarbeiter direkt vor die Arme fährt, der sie dann noch an ihren genauen Platz steuert und festschraubt. Die ganze Produktion wird offensichtlich in ihrem Endergebnis genau beschriebene Teilarbeiten zerlegt. Jede Teilarbeit wird dann betmöglichst geplant, eingerichtet und ausgeführt. Damit ist jederzeit das Ergebnis der Teilarbeit „messbar“. Gibt es Abweichungen, ist also ein Fehler aufgetreten, werden sofort zwei „Hähne“ aufgedreht: Die Untersuchung ist an der Arbeitsplanung etwas falsch? Und ist der Mitarbeiter ausreichend ausgebildet worden? Diese Hähne werden erst wieder zugedreht, wenn die Ursache des Fehlers festgestellt und er endgültig beseitigt ist. Diese negative Rückkopplung bringt den Arbeitsgang immer wieder auf seinen Sollwert zurück, wie der Thermostat die Solltemperatur wieder herstellt. Damit das ganze funktionieren kann, werden mehrere Teilarbeiten zusammengefasst und von einer Mitarbeitergruppe von rund 20 Personen mit einem Gruppenleiter ausgeführt. Dem Gruppenleiter muss als erstem der Fehler gemeldet werden. Er leitet dann sofort die Maßnahmen zur Beseitigung des Fehlers im obigen Sinn ein. Er ist auch verantwortlich für die genügende Ausbildung der Mitarbeiter. „Kommt ein Mitarbeiter mit seiner Arbeit nicht zurecht, so gibt es dafür nur zwei Gründe: Entweder ist die 225 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Arbeit falsch geplant, oder der Gruppenleiter hat den Mitarbeiter nicht genügend geschult.“ Beides muss so schnell als möglich beseitigt werden. Die Mitarbeiterschulung ist also ganz bedeutend. Bei Toyota wird ein Neuling anfangs ca. 380 Stunden geschult. In Europa sind im vergleichbaren Fall 180 Stunden üblich in Amerika unter 50. So ist es auch möglich dass im Mittel jeder Mitarbeiter pro Jahr 10 Verbesserungsvorschläge einreicht. Die Verbesserungen und Weitertentwicklungen werden also nicht weit von der Produktion geplant und entschieden sondern in direkter Beteiligung also Rückkopplung mit den betroffenen Mitarbeitern. Die westliche Produktionsweise ähnelt also sehr stark der Planwirtschaft. Die Produktion von Toyota enthält eine optimale Rückkopplung wie eine optimierte Marktwirtschaft mit entsprechenden negativen Rückkopplungen. Entsprechend ein vernünftiger freier Markt zufriedene Kunden schaffen kann, so werden hier auch zufriedenere Mitarbeiter vorhanden sein, denn sie optimieren ihre Arbeit weitgehend selbst und können auch ein sinnvolles Arbeitsziel erkennen, hinter dem sie auch stehen. B 3.2. Regelkreise in der Kerntechnik Die Kerntechnik wird von Insidern als die Technik gesehen, die den höchsten Sicherheitsstandard erreicht hat. Von Kernkraftgegnern wird sie als die gefährlichste gesehen. Beides hat zunächst einmal denselben Grund. Eine Atombombe ist wohl die Waffe mit den schlimmsten Folgen für die betroffene Bevölkerung. Unkontrollierte Kettenreaktion von Uran setzt außerordentlich große Ener226 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft giemengen und für den Menschen giftig wirkende Stoffe frei. Deshalb war von Anfang die Sicherheit ein wesentlich viel stärker beachteter Bereich als z.B. in der Automobilindustrie. Tatsache ist, dass seit der Einführung der Kernenergie in Deutschland nur sehr wenige Mensche zu Tode gekommen sind, sodass sie in keiner Statistik nennenswert erscheinen. Das Auto wird dagegen als relativ ungefährlich angesehen, fordert aber in Deutschland auch heute noch über 6 000 Tode pro Jahr und es waren schon 14 000. Dies zeigt jedenfalls, dass sich prinzipiell gefährliche Dinge durch ausgefeilte Sicherheitstechnik auch über Jahrzehnte unter Kontrolle halten lassen. Der relativ glimpfliche Unfall von Harrisbourg und der verheerende in Tschernobyl sind beide nicht durch falsche Sicherheitstechnik, sondern durch Fehlverhalten von Menschen verursacht worden, die weit über dem möglichen Fehlverhalten von Autofahrern liegen, und besonders im Falle von Tschernobyl sehr schwer verständlich sind. Wie funktioniert nun ein Kernreaktor. Trifft ein elektrisch neutrales Atomkernteilchen, ein Neutron, auf einen Kern des Urans 235 (eine bestimmte Uransorte), so wird dieser Atomkern gespalten. Es entstehen dabei zwei schwere, schnell davonfliegende Trümmer (andere Atomkerne) und 2 bis 3 Neutronen. Jedes dieser 2 bis 3 Neutronen kann nun wieder einen Uranatomkern spalten, wobei wieder dasselbe geschieht. Eine Kernspaltung verursacht also mindesten 2 weitere Spaltungen und diese dann wieder jeweils zwei also insgesamt mindestens vier Spaltungen. Da von Spaltvorgang zu Spaltvorgang sehr kleine Bruchteile von Sekunden vergehen, ergibt sich über diese Ket227 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft tenreaktion in kürzester Zeit eine atombombenartige Explosion. Wenn man nun einen Atomkernreaktor bauen will, muss man dafür sorgen, dass keine Explosion entsteht sondern ein sehr langsames genau regelbares Feuer. Theoretisch ist das relativ einfach zu bewerkstelligen. Man braucht bei jeder Atomkernspaltung nur einen Teil der bei der Spaltung entstehenden Neutronen wegzufangen, so dass von jeder Spaltung nur ein einziges Neutron übrigbleibt, das eine neue Spaltung verursacht. Wenn also z. B. 1000 Kerne gespalten werden, entstehen im richtig konstruierten Kernreaktor 1000 Neutronen, diese 1000 Neutronen können nun wieder 1000 Urankerne spalten. Das Uranfeuer unterhält sich also durch die Kettenreaktion von selbst und wird weder weniger noch mehr. So kann man mit einer bestimmten Ladung mit Uran ein Kernkraftwerk ein ganzes Jahr Strom erzeugen lassen, ohne neuen Brennstoff nachladen zu müssen. Die technische Frage für das wirkliche Betreiben von Kernreaktoren ist nur, wie kann man immer so genau die richtige Menge von Neutronen wegfangen, so dass bei jeder Spaltung von den entstehenden 2 bis 3 Neutronen nur ein einziges für eine weiter Spaltung übrig bleibt. Das funktioniert praktisch auf keinen Fall so, dass man von Hand sogenannte Steuerstäbe mehr oder weniger in den Reaktor hineinfährt, die aus Material bestehen, das Neutronen einfangen kann. Wie schon erwähnt vergehen von einer Spaltung zur nächsten Spaltung nur sehr kleine Bruchteile von Sekunden, so dass man mit dem Steuerstabschieben nie nachkäme. Hier hätten wir also denselben 228 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Fall, wie in der üblichen Wirtschaftspolitik , nämlich dass die Wirkung dieser Steuerung viel zu spät käme und der Reaktor in kurzer Zeit zerstört wäre. Die wirklich laufende Reaktoren sind nun so konstruiert, dass sie sich weitgehend selbst regeln. Der Reaktor ist in seiner Konstruktion und der Reaktorkern – also das uranhaltige Innere des Reaktors – so aufgebaut, dass beim wärmer werden des Reaktors mehr Neutronen eingefangen werden und beim kühler werden des Reaktors weniger Neutronen eingefangen werden. Ein solcher Reaktor verhält sich also wie ein thermostatgeregelter Ofen, ohne dass jemand etwas daran machen müsste. Bei sogenannten Druckwasserreaktoren wird der Druck im Reaktorkessel durch einen relativ einfach konstruierte Druckhalter konstant gehalten. In diesem Fall kann man verschieden viel Strom aus dem über den Reaktor angetriebenen Stromgenerator (Dynamomaschine) entnehmen - ganz entsprechend dem Stromverbrauch. Durch diese Konstruktion regelt der thermostatartige Kernreaktor sich entsprechend selbsttätig rauf oder runter. Es muss also auch dann niemand nachstellen, wenn mehr oder weniger Strom von den Verbrauchern entnommen wird. Für uns wichtig ist hier nur, dass es den Ingenieuren gelungen ist, einen Reaktor zu konstruieren, bei dem naturgesetzliches Verhalten von Material und Konstruktionen, das man in keiner Weise verändern kann, so kunstvoll so miteinander zu kombinieren, dass das ganze System sich dem willkürlichen Verhalten von ganz realen Verbrauchern augenblicklich und ohne das geringste Zutun eines Heizers oder eines Computers anpasst. Und das Jahrzehnte 229 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft lang. Das funktioniert auch ohne Unfall, wenn nicht im Reaktorbetrieb für grobe Eingriffe z. B. zum Brennstoffwechsel dafür völlig ungeeignete Menschen eingesetzt werden. Reaktorunfälle lassen sich auf ähnliche Weise erzeugen wie man auch Kriege oder ähnliches beginnen kann. B 3.3. Kreditsicherung für Unternehmen Im Mittelalter war wegen des Überwiegens der Landwirtschaft und der Notwendigkeit eines Handels- oder Handwerkshauses für eine wirtschaftliche Tätigkeit, Absicherung eines Kredites durch Verpfänden von Grundstücken sehr sinnvoll. Bei ordentlicher Geschäftsführung war die wirtschaftliche Kraft der Größe, Lage und Nutzung dieser Grundstücke proportional. Bei nicht zu hohem Beleihungssatz, war ein solcher Pfandbrief sehr sicher. Im Regelfall konnte er bedient werden und wenn nicht, konnte man einen Käufer finden, der die Sache erfolgreich übernehmen konnte. Der Hauptvorteil einer Immobilie für einen Gläubiger, nämlich ihre Immobilität kam voll zum tragen, sie konnte nicht wie jede bewegliche Sache abhanden kommen. Aus dieser Zeit stammt noch die relativ hohe Kreditwürdigkeit von Grundstücken. Im heutigen Wirtschaftsleben ist nur noch in sehr wenigen Fällen die wirtschaftliche Kraft eines Unternehmens mit einer Immobile gekoppelt. Da ein gewisser Wert und die Immobilität - heute gekoppelt mit einen kleinflächigen Grundbuch - aber bei den Immobilien auch heute noch vorhanden sind, haben sie wohl vor allem wegen der scheinbaren Einfachheit heute 230 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft noch eine große Bedeutung im Kreditwesen. In einer wachsenden Wirtschaft, in welcher der wirtschaftliche Ertrag eines Unternehmens pro notwendigem Quadratmeter nicht konstant ist und sehr verschieden sein kann, ist die Pfandtauglichkeit von Immobilien problematisch geworden. Um immer mehr Kredit absichern zu können mit einer wenig wachsenden Zahl infrage kommender Immobilien, werden diese immer höher bewertet. Das führt auf der einen Seite zu Spekulationsgewinnen verteuert aber dafür die Sache für den aktiven Nutzer. Die Folge sind notwendig höhere Löhne und Preise, d.h. Inflation. Man gibt also erspartes zur Bank, die leiht es an Unternehmen aus, die es mit Immobilien absichern müssen. Die Spekulationsgewinne bei den dabei ablaufenden Immobiliengeschäften erzeugen Inflation und entwerten so das Ersparte. In einer wirtschaftlichen Krisensituation verlieren die Immobilien ihren Wert und die Absicherung ist auch nicht mehr gegeben. Inwieweit die Immobilie heute noch ein sinnvolles Kreditpfand für Wirtschaftskredite darstellt ist somit sehr fraglich. Die Kreditsicherung ist hier mehr optischer als reeller Natur. Wenn dieses Spiel keine gravierenden Nachteile für die Gesellschaft hätte, könnte man es die Illusion des Geldwertes stützen lassen, die kurzfristige Schwingungen des Geldwertes dämpft. Die nicht sehr sachgerechte Kreditabsicherung durch Immobilien verteuert aber das lebensnotwendige Wohnen des Menschen völlig unnötig. So ist für viele Familien eine vernünftige Wohnfläche nicht mehr zu bezahlen und es wird nach dem Sozialstaat gefragt. Mit diesen staatlichen Hilfen wird auch die Bodenspekulation bezahlt. Bei diesen 231 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Staatsausgaben handelt es sich eher um Spekulantenhilfe als um soziale Hilfe, obwohl sie im Staatshaushalt unter Sozialkosten firmieren. Der staatliche Finanztransfer, wird mit sozialen Verpflichtungen der Gesellschaft gegen ihre schwachen Glieder begründet, ist aber weitgehend ein staatlicher Geldtransfer von unten nach oben. Ein junges Unternehmen hat Kreditbedarf. Kredit kann häufig nur in der Höhe von 80% des in einer Immobile steckenden Eigenkapitals gegeben werden. Das war früher bei einem Landwirtschaftsbetrieb eine kräftige Starthilfe. Für ein modernes High-Tech-Unternehmen ist ein solcher Kredit völlig nutzlos. Da eine Immobilie nicht gebraucht wird - es genügt die berühmte Garage oder das Wohnzimmer - muss mehr Eigenkapital in die Immobilie gesteckt werden als der Kredit ausmacht. Viel interessanter für die Kreditsicherung wäre da ein Pfand auf eine ausgearbeitete von vereidigten und zur Geheimhaltung verpflichteten Sachverständigen geprüften aber gegen unbefugtes Benutzen abgesicherte Geschäftsidee und ein Zweijahresvertrag für die Arbeit in einem Zeitarbeits-Unternehmen mit einen Gehalt, das auch bei Abtretungen noch zum Leben ausreicht. So könnte das Eigenkapital und ein bis 2 hunderttausend Euro in das zu gründende Unternehmen gesteckt werden. Ist die Sache spekulativ aber vielversprechend könnte auch Risikokapital vermittelt werden. Dies würde allerdings bei den Kreditinstituten einigen Sachverstand erfordern, der allerdings auch dort wieder vernünftige Arbeitsplätze schaffen könnte. 232 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Basel 2 ist wohl ein Schritt in die richtige Richtung, da hier die Bonität der Kreditnehmer eher an deren Ertragskraft ausgerichtet ist. Da auf die neuen Regeln die Betroffenen noch nicht genügend eingestellt sind und es sehr unwahrscheinlich ist, dass die Institutionen die das hier notwendige Ranking durchführen mit genügend Sachkenntnis und Erfahrung ausgestattet sind, wird es hier zu sehr viel Reibungsverlusten kommen. Die Blase des neuen Marktes hat gezeigt, dass die oft selbsternannten Analysten bei weitem nicht die technische Situation und die Situation am Markt zutreffend beurteilen können. Die dazu notwendigen Fachleute müssen erst im Laufe der Zeit entstehen. Bei dem geringen technischen Background der Volks- und Betriebswirte und den geringen wirtschaftlichen Background der Ingenieure kann das eine ganze Weile dauern. B 3.4. Fußballmannschaft ein Modell für eine Vernetzte Gesellschaft Ein bekannter Mann hat einmal gesagt, das Verfolgen eines Fußballspieles wäre deshalb so interessant, weil man beobachten kann, wie 11 relativ weit verteilte Menschen jeweils aus einer unvorhersehbaren Situation heraus sinnvoll so zusammenspielen, dass nach einer ganzen Reihe sinnvoller Operationen, der Ball schließlich im gegnerischen Tor landet. Er meinte, so ähnlich müsste auch die Wirtschaft funktionieren. Der gravierende Unterschied besteht aber gegenüber dem Fußballspiel darin: In der freien Wirtschaft wären dann 22 Männer auf dem Spielfeld. Je233 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft der spielt gegen Jeden. Und das Tor ist wohl hinter der gesamten Auslinie. B 3.5. schritt Rolle der Kapitalisten für den Fort- Die Rolle der Kapitalisten im technischen Fortschritt, der den heutigen Wohlstand gebracht hat, wird ständig überbewertet. Der Kapitalist ist heute weniger ein Förderer des Fortschrittes als vielmehr eine träge Masse, die den Fortschritt moderiert. Ein gewisser Moderator des Fortschrittes ist allerdings notwendig, da sonst ein Tohuwabohu entstünde. Bei der heute existierenden Masse von Ingenieuren ist der Neuerungsdrang eher zu bremsen als zu fördern. Völliger Unsinn ist es daher, die Kapitalisten zu hätscheln um den Fortschritt zu sichern. Träge Massen finden sich auch anderswo. Heute ist es Schicksal der meisten Ingenieuraktivitäten, daß sie abgewürgt werden, ehe sie auch nur auf dem so heiligen Markt erschienen wären. Oder sie werden eingesetzt um ein Produkt zu verbilligen und zwar sehr zu lasten seiner Qualität. So etwas nützt aber nur dem gerade handelnden Kapitalisten kurzfristig selbst und bringt keinen echten nachhaltigen wirtschaftlichen Vorteil. Die Rolle der Kapitalisten ist eher mit der Rolle des Früheren Adels zu vergleichen, dessen Macht und Einfluss die Kapitalisten übernommen haben. Das Zusammenleben mit solchen Gruppen ist für die Menschen eine Art von Symbiose mit Schmarotzern. Der Mensch kann ohne Darmflora nicht leben. Diese Bakterien wollen aber nicht dem Menschen nützen sondern sich selbst ernähren. Dem Menschen bleibt nur der Abfall, aber das reicht ihm zum Leben 234 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft aus. Es wird wohl immer eine Schmarotzergruppe Leben in die Menschen bringen müssen. Wenn der Schaden mit der Zeit größer als der Nutzen ist, muss man die Gruppe wieder austauschen, was wegen der positiven Rückkopplung meist in einem Gewaltakt geschieht: Revolution oder Krieg. Auch hier helfen ohne solche Exzesse nur gegengekoppelte Dämpfungsmechanismen mit Strukturen ähnlich der deutschen Bundesbank. Eine wesentliche Voraussetzung des Fortschrittes ist die Freiheit und das Nichtvorhandenseins von detaillierten Plänen, denn diese können im statistischen Mittel nur falsch sein. Diese Regel gilt immer. B 3.6. Wertschöpfungen mancher Manager sind eher heiße Luft Es gibt auch Manager, die zwar eine Aktiengesellschaft leiten und damit Teilfunktionen eines Unternehmers ausüben. Ihr Risiko ist aber um Größenordnungen kleiner als die eines echten Unternehmers. Es liegt eher in der Art des Risikos eines Angestellten. Die Regressmöglichkeiten der Firmen sind auch gegenüber den Managern sehr beschränkt. Wenn solche Leute überhöhte Vergütungen erhalten, wird das auch oft damit begründet, dass sie große Werte schaffen. Ein krasses Beispiel war die Abfindung des Herrn Esser im Zusammenhang mit der Zerschlagung von Mannesmann. Hier wurde behauptet, Herr Esser hätte Wertsteigerungen von Hunderten von Millionen wenn nicht gar Milliarden bewirkt. In Wirklichkeit wurden entsprechende Werte vernichtet, da ganze Werke schließen mussten, Maschinen nur noch Schrottwert hatten und viel 235 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Know-how unwiederbringlich verloren ging. Irgendwelche Wertsteigerungen bei Aktienkursen, die während dieser „Übernahmeschlacht“ aufgetreten sind, waren ja nur Illusionen, die einen späteren hohen Verdienst erwartet haben. Nur Spieler, die rechtzeitig eingestiegen und wieder ausgestiegen sind, haben gewonnen also auch eine Art Schmarotzer. Die nächste Krise im Telekomgeschäft kommt bestimmt und damit sind die Papierwerte wieder verschwunden. B 3.7. Zum Schlagwort der Staatsquote Unter der Annahme, die kapitalistische Marktwirtschaft löst alle Aufgaben besser als der Staat, muss man den Anteil des Staates am Geldkreislauf möglichst klein halten. Das gilt aber nur unter dieser Voraussetzung. Für manche Bereiche ist diese Voraussetzung erfüllt, für manche Bereiche nicht. Der Bereich in dem sie sicher erfüllt ist, ist der industrielle Bereich. Gar nicht erfüllt ist diese Voraussetzung z.B. in der Ökologie, im Gesundheitswesen und in bestimmten kulturellen Bereichen. Eine Randbedingung für die Richtigkeit der Behauptung, die Staatsquote sei klein zu halten, ist, daß die kapitalistische Privatwirtschaft alle vorhandenen Menschen sinnvoller beschäftigen kann als z.B. der Staat oder andere nicht kommerzielle Bereiche. Diese Randbedingung ist bei der heutigen Arbeitslosigkeit offensichtlich nicht erfüllt. Eine Beschäftigung, welche die betroffenen Menschen in eine (relative) Armut bringen, kann nicht als sinnvolle Beschäftigung angesehen werden. 236 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Nehmen wir einmal um die Verhältnisse schlaglichtartig zu beleuchten zwei Extreme Situationen an, nämlich die Staatsquote wäre nur 10% oder aber die kapitalistische Industriequote wäre nur 10%. Da heute der Gesundheitsbereich etwa 10% des Geldkreislaufes ausmacht und der Gesundheitsbereich marktwirtschaftlich nicht funktionieren kann, da Krankheiten nicht nach dem Einkommen fragen, bliebe bei nur 10% Staatsquote z.B. für die Verkehrsinfrastruktur nichts mehr übrig. Es ist leicht einzusehen, daß das nicht funktioniert. Den Medizinbereich zu privatisieren würde eine Menge privater Versicherungen bedeuten, die versuchen würden, die Gesunden zu versichern und die Kranken möglichst los zu werden. Sollte dieser Effekt nicht eintreten, müssten die privaten Versicherungen nach den gleichen Prinzipien betrieben werden wie die öffentlichen. Privatwirtschaftliche Effektivität könnten hierbei nur den Bereich der Gebäudereinigung und den Computerservice der Versicherungen erzielen. Bei einer Industriequote von 10%, die dann sinnvoll wäre, wenn der Anteil der benötigten Menschen in der Industrie auf 10% abgefallen ist, kann es zwei Grenzsituationen geben. Der Staat verhilft allen Menschen zu einer Kaufkraft, die etwas niedriger als die der in der Industrie beschäftigten ist. Damit sind alle Menschen in der Lage, etwa die gleiche Menge Industriegüter zu kaufen, wie die in der Wirtschaft beschäftigten. Damit kann der Umsatz der Industrie 10 mal höher liegen, als in dem Fall, daß der Staat die nicht in der Industrie beschäftigten arm hält. Da die Kapitalisten ihre Umsatzrendite in einem freien Markt 237 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft nicht willkürlich nach oben schrauben können, ist das Einkommen der Kapitalisten stark umsatzabhängig und steigt in diesem Falle mit der Staatsquote an. Die kapitalistische Industrie lebt bekanntlich vom Markt. Bei armen Menschen ist aber kein Markt. B 3.8. Einige Bemerkungen zum Geld Geld bringt man zur Bank. Die Bank leiht es z.B. an Siemens aus. Siemens produziert Waren und macht davon Gewinn. Einen Teil des Gewinns verwendet Siemens um die Zinsen an die Bank zu zahlen und den Kredit zurückzuzahlen. Einen Teil der Zinsen bekommt man für sein Geld von der Bank. Die Bank sorgt dafür, daß man sein Geld zurück haben kann, ohne daß im gleichen Moment Siemens den Kredit zurückzahlen muss. Die Bank bekommt nämlich gerade von einem anderen Kunden neues Geld, so daß die Bank an Siemens langfristige Kredite geben kann. Für den Privatmann hat die Bank den Vorteil, daß er über sie Geld an die gut verdienende Firma Siemens geben kann, ohne sich auf lange Laufzeiten einstellen zu müssen. Leider ist nun Siemens eine Firma, die in ihrer Kasse viel mehr Geld hat, als sie zum Herstellen der Waren braucht. Da sie damit aus der Produktion nichts verdienen kann, macht sie damit Geldgeschäfte und verdient damit auch Geld. Nun ist es bei Siemens oft so, daß die Gewinne aus dem Geldgeschäft höher sind als die Gewinne aus der Produktion. Der Wert des Geldes bemisst sich an dem, was man dafür kaufen kann. Es muss also für alles Geld ein Gegenwert 238 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft existieren. Nach einem Krieg z.B. war das nicht der Fall. Alle Bankkonten werden während eines Krieges ständig so weitergeführt als ob nichts passiert wäre. Auf dem Papier haben also alle Leute viel Geld. Die Fabriken, an die das Geld ausgeliehen war, sind weitgehend zerstört oder wie nach dem ersten Weltkrieg in Waffenfabriken umgebaut, die nicht mehr produzieren dürfen. (Hinzu kommt die Lastenverlagerung vom Sieger auf den Besiegten.) Die Fabriken und auch die Regierung können keine Zinsen mehr zahlen und auch die Kredite nicht mehr zurückzahlen. Das ganze Geld auf der Bank kann also nichts mehr wert sein. Wenn man es abholt und etwas kaufen will, ist nichts da, was man kaufen könnte - also steigen die Preise. Nach dem ersten Weltkrieg in Deutschland so extrem, daß ein Laib Brot am Ende etwa eine Billion Mark kostete. Der Bäcker hatte es gut, der bekam für sein Brot eine Billion Mark und konnte, wenn er schnell war, dafür wieder Mehl kaufen und am nächsten Tag sein Brot für zwei Billionen verkaufen. Aber von dem Geld, das jemand für sein Alter gespart hatte, war bald nicht einmal mehr der winzigste Rest übrig. Nach dem zweiten Weltkrieg wollte man die Sache gerechter lösen und hat die Preise gesetzlich festgehalten. Da war nichts mit Marktwirtschaft. Um diese wieder in Gang zu bringen, wurde die Währungsreform durchgeführt. Man hat abgeschätzt, daß 90% aller Fabriken zerstört waren. Diese konnten also keine Zinsen zahlen oder die Kredite zurückzahlen. Um das zu berücksichtigen, hat man alle Konten 10 zu 1 abgewertet. Jede Mark Guthaben war nur noch 10 Pfennig wert. Diese kleineren Guthaben konnten 239 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft jetzt wieder mit Zinsen und Rückzahlungen bedient werden. B 3.9. Geldstabilität Dieser Abschnitt stammt noch von 1999 Die Stabilität des Geldes hängt auch davon ab, ob hinter den von den Banken ausgegebenen Krediten ein reeller, d.h. heißt zinsenzahlender und rückzahlungsfähiger Kreditnehmer steht. Garant dafür ist die Bank. Das ist ihre Hauptaufgabe. Wie das ausgebildet ist, kann man sehr schnell erfahren, wenn man von einer Bank 10 000 Euro ausleihen will. Da wird man danach gefragt, welchen Beruf man hat, was man verdient, wie groß die Familie ist, wie viel Schulden man hat, wie viel Guthaben man langfristig angelegt hat, ob man eigene Grundstücke hat usw. natürlich auch, wofür man das Geld braucht. Da nun jeder Bankangestellte auch einen eigenen Haushalt hat, kann er aus diesen Angaben sehr kompetent abschätzen, ob der Kreditsucher die Zinsen und die Rückzahlung leisten kann. So kann er kompetent darüber befinden, ob es vernünftig ist, den Kredit zu geben. Die Zahl der faulen Kredite hält sich dadurch in Grenzen, den noch möglichen Verlust kann die Bank aus ihrem Rohverdienst tragen. Wenn die Situation komplizierter wird, wie z.B. im Falle Schneider, ist es mit der Kompetenz der Kreditvergeber nicht mehr weit her, und die Bank kann mit einfachen Tricks reingelegt werden. Man bekommt als Normalbürger heute schon sehr häufig am Telefon Wertpapiere angeboten, die sehr spekulativ sind. Z.B. Warenterminpapiere - also eine Art Wettscheine 240 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft über den Preis irgendwelcher Waren zu einem bestimmten Zeitpunkt. Für Laien ein reines Glücksspiel. Für Fachleute hochriskant und für Insider manchmal narrensicher und daher verboten. Diese Papiere werden gegen reelles Geld oder mit Krediten mit entsprechenden Sicherheiten gehandelt und müssen also zu einem bestimmten Schätzwert (Nennwert abzüglich Risikorücklage) in den Bilanzen z.B. der anlegenden Firmen auftauchen. Diese Bilanzen stehen wieder für die Sicherheit von Bankkrediten. Diese Art Derivatpapiere gibt es in vielfältiger Verschachtelung. Damit werden aber auch die Bilanzen der Kredit nehmenden Firmen in einem weit höheren Maße und auf weitgehend undurchsichtigere Art spekulativ als sie es normalerweise sind. Sicher ist kein Papier, da man die Zukunft eines Kreditnehmers nicht voraussehen kann. Die Bank wirkt hier (Z. B. über Aktienfonds) ausgleichend und im Mittel sind so die Einlagen sicher. Soweit die übliche Theorie. Vor einiger Zeit hat ein Autor behauptet, die Wirtschaftskraft der westlichen Welt wäre in den letzten 10 Jahren etwa um den Wert 1,6 angestiegen. Die diesen Wert repräsentierenden Papiere in Form von Aktien und allen anderen Wertpapieren habe sich aber nominell um den Faktor 10 und noch mehr erhöht. Sollte dies tatsächlich zutreffen, so müssen wohl eine ganze Menge Papiere stark überbewertet sein und auch allgemein eine Art Wertpapierinflation vorhanden sein, von der man aber nicht redet. Viel mehr wird der Anstieg der Börsenindices lautstark gefeiert, obwohl es auch da Stimmen gibt, die vor einem möglichen bösen Erwachen aus einem süßen Traum warnen. Der heute so stark propagierte Einstieg in den Aktienkauf ist 241 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft also sicher mit Vorsicht zu genießen. Manche Firmen haben sicher ein großes geschäftliches Wachstum vor sich. Die oben genannte Diskrepanz deutet aber sehr stark darauf hin, daß der Optimismus der Analysten im Mittel stark übertrieben zu sein scheint. Es wird für den Anleger also sehr darauf ankommen, welchen Anlageberater er sich aussucht. Vor allem die Asienkrise hat gezeigt, daß manches vom Weitem sehr viel solider aussieht, als es in Wirklichkeit ist. Und die Russlandkrise lässt ahnen, daß auch mafiose Strukturen am Geldwert rütteln können. 242 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Literaturverzeichnis Dieses Verzeichnis ist nicht vollständig, es enthält aber die wichtigsten Bücher, deren Studium in den Texten seine Früchte trug. Stehen heute alle in meinem Bücherregal. Afheld, Horst Wohlstand für niemand? Büchergilde Gutenberg 1994, Verlag Anty Kunstmann München ISBN 3-7632-4392-5 Binswanger, Hans Christoph Geld und Magie – Deutung und Kritik der modernen Witschaft 1985, Weitbrecht Verlag in K. Tienemanns Verlag Stuttgart Wien ISBN 3-522-70140-2 Buchheim, Lothar Günter Die Festung – Roman Hoffmann und Campe Hamburg ISBN 3-455-00733-3 Cannetti, Elias Die Blendung – Roman 1935, 1965, 1995, S. Fischer Taschenbuchverlag Frankfurt a.M. ISBN 3-596-20696-0 Csikszentmihalyi, Mihaly Psychologieprofessor in Chicago Flow – Das Geheimnis des Glücks 1992, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 243 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Ekeland Ivar Zufall, Glück und Chaos – Mathematische Expeditionen 1992, Carl Hanser Verlag München Wien ISBN 3- 446-17014-6 Everett Susanne Geschichte der Sklaverei 1998, Weltbild Verlag, Augsburg ISBN 3-8289-0320-7 Feynman, Richard P. Sie belieben wohl zu scherzen Mr. Feynman 1985, 1991, R. Piper GmbH München ISBN 9-783492-113472 Forrester Vivian Der Terror der Ökonomie 1997, Paul Zsolnay Verlag Wien ISBN 3-552-04849-9 Hankel, Wilhelm Gegenkurs – Von der Schuldenkrise zur Vollbeschäftigung 1984 Wolf Jobst Siedler Verlag, Berlin ISBN 3-88680-114-4 Hengsbach, Friedhelm SJ. Prof. für christliche Sozialwissenschaft, Philosophisch Theologische Hochschule St. Georgen Frankfurt a.M. Abschied von der Konkurrenzgesellschaft – Für eine neue Ethik in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft 1995, Droemer´sche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München ISBN 3- 426- 80073-X 244 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Kath, Joachim Ums Eck denken macht klüger Weltbild Verlag ISBN 3-89350-163-0 Martin, Hans-Peter und Schuhmann, Harald Die Globalisierungsfalle – Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand 1996, Rowohlt Verlag, Reinbeck bei Hamburg ISBN 3-498-04381-1 Perler, Dominik René Descartes C. H. Beck´sche Verlagsbuchhandlung, München ISBN 3-406-41942-9 Ratzinger, Joseph Kardinal Salz der Erde – Christentum und Katholische Kirche an der Jahrtausendwende 1996, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart ISBN 3-421-05046-5 Riemann, Fritz Grundformen der Angst – Eine tiefenpsychologische Studie 1987 Ernst Reinhardt Verlag, München Basel ISBN 3-497-00749-8 Rühmkorf, Peter Bleib erschütterbar und widersteh! Rowohlt Verlag Hamburg Rühmkorf, Peter Die Jahre, die Ihr all kennt – Anfälle und Erinnerungen 1972, Rowohlt Taschenbuchverlag, Einbeck bei Hamburg IBBN 3-499-15804-3 245 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Schabedoth Hans Joachim Zukunft ohne Arbeit 1994, Droemer´sche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. München ISBN 3-426-80057-8 Schwarzer, Alice Krieg - Was Männerwahn anrichtet und wie Frauen Widerstand leisten 1992, Fischer Taschenbuchverlag Frankfurt a.M. ISBN 3-596-11135-8 Ulrich Peter o. Professor der Wirtschaftsethik Universität St. Gallen Transformation der ökonomischen Vernunft – Fortschrittsperspektiven der modernen Industriegesellschaft 1993 Verlag Paul Haupt, Bern – Stuttgart – Wien ISBN 3-258-04752-9 Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftpolitik 5. Auflage Band 1 und 2 1992 Verlag Franz Vahlen, München ISBN 3-80006 1676 –9 und 3-80006-1680-7 Watzlawick Paul Wie wirklich ist die Wirklichkeit? – Wahn, Täuschung, Verstehen 1976 R Pieper & Co. München ISBN 3-492-10174-7 Wolf, Fred Alan Körper, Geist und neue Physik –Eine Synthese der neuesten Erkenntnisse von Medizin und moderner Naturwissenschaft 246 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Insel Taschenbuch, Insel Verlag Frankfurt a.M. Leipzig ISBN 3-458-33197-2 247 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Stichwortverzeichnis Aktienfonds 239 Aldi 166 Alterspyramide 192 Altersversorgung 183, 192 Angst vor Arbeitslosigkeit 167 Apothekenpflichtigkeit von Arzneimitteln 176 Approbation von Apothekern 176 Approbation von Ärzten 176 Arbeit 82, 83, 157, 184, 190, 193, 196, 197, 219, 221, 231 Arbeitnehmer 81, 189, 192 Arbeitslosenquote 170 Arbeitslosigkeit 1, 3, 18, 19, 25, 28, 30, 40, 43, 44, 58, 59, 60, 79, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 89, 90, 94, 99, 103, 106, 113, 118, 119, 134, 150, 155, 156, 159, 163, 168, 170, 172, 181, 182, 184, 188, 189, 190, 191, 207, 209, 210, 211, 212, 215, 217, 235 Asien oder Afrika 159 Asienkrise 240 ästhetische Qualität 41 Aufgabe des Einzelhandels 165 Autoindustrie 166 Automation 83 Bank 183, 229, 236, 237, 238, 239 Bauartzulassung von medizinischen Geräten 176 Bedürfnis 37, 42, 95 beruflichen Weiterbildung 168 Betriebsverlagerungen 159 Beweglichkeit der Arbeitskräfte 103, 170 Beweglichkeit der Arbeitssuchenden 167 Bildung 169, 219, 220 Bildungserfolge 168 Bildungshindernisse 168 248 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Bildungsmaßnahmen 168 Börsenindex 240 Börsenkursen 47, 53 Chancen 69, 126, 157, 169, 177, 198 Dankgebet 195 Derivate 185 Derivatpapiere 239 Designer 40 Desinteresse der Arbeitnehmer an der Firma 165 deutsche Bundesbank 53, 57, 203 Egoismus 78, 126, 128, 174, 177 Eigenfrequenzen 46 Eigenkapital 230 Eigentum 88, 187, 218 Einzelhandel 167 Endverbraucher 39, 114, 117, 157, 212 Energieerhaltungssatz 46, 49, 138 Enttäuschung 167 Entwicklungszeiten 164 Erfahrungsbereich 219 Erhard 83, 85, 123 Erhardsche Wirtschaftswundereffe kte. 84 Erlebnis 42, 167, 207 Erlebniseinkaufen 165 Erstausteilung 204 Ethik 174 Europa 186, 187 Exekutive 16 Existensminimum 190 Fabriken 237, 238 Fachgeschäft 166 Familienpolitik 221 Fernsehen 218 Fortschritt 82, 157, 191, 195, 196, 197, 202, 232 Freien Markt 123, 172, 174 freier Markt 56, 225 Freier Welthandel 78 Freiheit 78, 187, 189, 201, 220, 233 Friedmann 17, 61, 63 GAU 188, 200 Geld 181, 182, 183, 184, 185, 198, 200, 236, 237, 238, 239 Geld borgen 44 249 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Geld, Geldwert, Konjunktur 181 Geldmenge 83 Geldpolitik 199 Geldwertstabilisierung der deutschen Bundesbank 5 Geldwertstabilität 182 Generationenvertrag 192 Gerechtigkeit 126, 127, 184, 217 Geruchsbelästigung 165 Gesellschaft 78, 79, 157, 185, 186, 189, 191, 194, 195, 197, 201, 218, 219, 220, 221, 230 Gespräch von Mensch zu Mensch 166 Gesundheitswesen 157, 175, 235 Gewaltmonopol 201 Gewerkschaft 83, 196, 197 Gleichgewichten 4, 53 Globalisierung 18, 35, 68, 73, 77, 78, 81, 120, 132, 134, 144, 146, 153, 204, 209, 214 Glück 202, 218 Gold 184 Gott 195 Grundbuch 229 Handel 73, 78, 82, 157 Handwerker 193 Hebesatzänderung 131 High-Tech-Unternehmen 230 Hochlohnland 84 Hoffnung 114, 168, 216 Homo Ludens 42 Homo Ökonomikus 40, 41, 42 Immobiliengeschäft 229 Industrie 77, 82, 159, 184, 186, 236 Industriegüter 158, 193, 236 Industriequote 235, 236 Inflation 182, 183, 199, 229 Inflationrate 184 Information 78, 199, 202 Instabilität 78, 171 japanische Firmen 164 just in time 223 Kapital 27, 28, 30, 43, 44, 96, 104, 159, 188, 193 Kapitalist 186, 232, 236 250 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Kapitallebensversicherun gen 183 Kapitalmarkt 43, 73, 213 Kaptalmarkt 184 Kaufkraft 26, 29, 31, 40, 43, 44, 60, 61, 62, 83, 84, 86, 90, 91, 92, 119, 120, 122, 143, 151, 153, 182, 236 Kaufzurückhaltung 107, 166 Kernkraftwerke 188 Kerze 110 Keynes 16 Knecht 194 Know-How-Besitzer 194, 195, 196, 197 Kompetenz 239 König 194, 195, 196, 198 Konjunkturausgaben 17 Konjunkturschwankunge n 16 Konsumenten 38, 40, 44, 69, 70, 143, 150 Kopplungsstärke 47 Kreditpfand 230 Kreditsicherung 228, 230 Kreditwürdigkeit 229 Krieg 237 Kultur 204, 218, 220 Kulturstiftung 187 Ladenöffnungszeiten 4 Lagerhausatmosphäre 165 Landwirtschaft 82, 186, 221, 228 Lehrstoffe 220 Leistung 87, 127, 128, 166, 167, 189, 191, 218, 220 Leistung für den Kunden 167 Leistungsgesellschaft 127 Liberalisierung 4, 116, 166 Liebe 202 Löhne 83, 191, 192, 229 Lohn-Preis-Spirale 83 Macht 39, 78, 129, 180, 187, 193, 197, 198, 201, 233 manipuliert 41 Markt 73, 78, 84, 157, 158, 180, 186, 194, 198, 199, 201, 202, 218, 222, 232, 236 Marktinstrumente 202 251 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Marktmacht 36, 39, 98, 180, 187, 199, 201 marktnotwendigen 200 Marktordnung 186, 189 Marktstörer 202 Marktteilnehmer* 187 Marktwirtschaft 158, 186, 198, 234, 238 Maschinen 77 Massen 79, 232 Medizinbereich 235 Mehrwertsteuer 158 Mensch 204, 218 Menschen 84, 159, 181, 184, 188, 192, 204, 218, 221, 230, 235, 236 Menschenwürde 174 menschliche Kapital 164 Minimalgesellschaft 194 Mitarbeiterschulung 224 Mittelalter 228 Motivation 58, 162, 165, 168, 169 Musiklärm 165 Nächstenliebe 78, 174 Natur 196, 218, 230 Nebenbedingung 170 negative Rückkopplungen 5, 23, 143, 225 neoklassischen Wirtschaftstheorien 4 Nichtvoraussehbarkeit 186 Niederlohnland 84 Ökologie 80, 122, 235 Optimismus der Analysten 240 optischen Industrie 164 Ordnungsstrukturen 199 Ozeandampfer 203 Personalfreisetzung 167 Personalkosten im Handel 165 Personalkostenabhängige Umsatzsteuer 159 Pfandtauglichkeit 229 Photo 41 Planwirtschaft 4, 33, 34, 52, 98, 100, 101, 103, 105, 124, 175, 186, 209, 211, 222, 224 positive Rückkopplung 5, 17, 19, 36, 51, 108, 125, 142, 150, 205 Praxisbezug des Unterrichtes 219 252 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Produktion 82, 84, 196, 237 Produktionssystem 222, 223 Produktionsumstellung 164 Qualität 37, 39, 41, 91, 97, 117, 131, 163, 207, 216, 222, 233 Qualitätskenntnis 39 Qualitätsunterschiede 118, 167 Rahmenbedingungen 5, 16, 141, 154 Ratio-Arm-Spirale 62, 80, 82, 83, 84, 86, 92, 94, 96, 97, 99, 102, 103, 105, 114, 124, 157, 163, 167, 168, 171, 209 Ratio-Reich-Spirale 85 Recht 190 Reformen 4, 5, 20, 23, 35, 50, 64, 86 Regelkreis 187, 203 Regelkreise 24, 33, 34, 35, 51, 52, 54, 65, 67, 76, 84, 120, 123, 124, 130, 175, 188, 190, 217, 225 Regelung 187, 188, 204 Regelziel Vollbeschäftigung 170 Region 187 Regionale Märkte 180 Rendite 43, 44, 84 Rentenversicherung 183, 192 Reservat 82, 185, 186 Reservat für die kapitalistische Industrie 185 Roboter 184, 197 Rückkopplung 4, 16, 18, 19, 22, 23, 24, 32, 34, 36, 37, 38, 40, 43, 47, 48, 49, 51, 53, 54, 59, 60, 64, 70, 82, 83, 88, 97, 103, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 124, 125, 178, 188, 200, 205, 207, 209, 210, 211, 222, 224, 233, 257 Rückkopplungen 4 Rückkopplungskreis 32, 34, 51, 79, 110, 113, 115, 120, 128 253 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Rückkopplungssystem 74, 203 Rudereinschlag 203 Rußlandkrise 240 Schlussverkäufe 43 Schönheit 202 Schule ist Kinderarbeit 221 Schulen 219 Schulstruktur 220 schwache Marktteilnehmer 78, 202 Schwarzarbeit 157, 193 Schwingungsneigung 200 Service des Einzelhandels 167 Shareholder Value 165 Shopping 42, 43, 107 Siemens 236, 237 Solidarsystem 81, 157 soziale Netz 204 soziales Netz 159 Sozialkosten 157, 230 Sozialpolitiker 159 Sozialstaat 159, 230 Sozialsystem 81, 82 Sozialsystem in Deutschland 82 Sparer 183, 184 Spekulationsgewinn 229 Staat 16, 17, 30, 65, 70, 88, 89, 100, 119, 132, 135, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 157, 179, 189, 201, 204, 234, 235, 236 Staatsaufgaben 158 Staatsquote 158, 234, 235, 236 Stern Heft 53 2004 223 Steuermann 203 Streikwellen 159 Strukturen 79, 82, 198, 203, 240 Südeuropa 159 Supermarkt 38, 39, 40, 97 Tarifautonomie 159 Tauschhandel 194 technische Entwicklung 18, 44, 82, 116, 161 technische Fortschritt 4, 50, 98, 104, 115, 129, 159, 160, 163, 208 Technologie 44, 96, 150, 184 Technologie-Änderung 184 254 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Teilsolidaritäten 199 Teufelskreis 1, 3, 23, 40, 44, 128, 171, 207 Thermostat 1, 3, 5, 19, 22, 23, 24, 45, 64, 110, 111, 112, 130, 132, 203, 206, 207, 218, 224 Toyota 222, 223, 224 Überflussgesellschaft 94, 122, 123, 207, 211 Überflußgesellschaft 221 Überflüssiges 223 Umlage 189, 191, 192 Umsatzrendite 165, 236 Umsatzsteuer 82, 157, 193, 222 Umsatzsteuer für den Handel 165 Umsatzsteuerformen 171 Umsatzsteuerklassen 158 Umverteilung durch den Staat 204 unabhängige Beratung 167 Unterhaltung 222 Unterhaltungswert 219, 220 Verlangsamung des technischen Fortschritts 164 Verpackung 40, 41, 166 Verstärker 48, 107 Vollbeschäftigung 58, 83, 88, 90, 103, 130, 162, 163, 170, 182, 184, 189, 191, 210, 211, 212, 213, 216 wachsende Ohnmacht der Politik 204 Wahrscheinlichkeit 18, 42, 57, 71, 133, 255 Warenangebot 42 Warenqualität 40 Warenterminpapiere 239 wegrationalisieren 165 Weltkrieg 16, 25, 80, 100, 237, 238 Weltwirtschaft 16, 134, 146 Werbefotos 40 Werbung 47, 61, 117, 122, 128, 165, 202, 207, 218 Wertpapiere 239 Wertpapieren 240 Wertpapierinflation 240 255 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Wirtschaft 1, 3, 4, 5, 16, 17, 18, 19, 20, 22, 24, 25, 26, 30, 31, 33, 34, 35, 43, 45, 46, 49, 51, 52, 56, 57, 58, 60, 61, 70, 71, 74, 79, 89, 93, 97, 98, 100, 101, 102, 103, 104, 108, 112, 113, 119, 122, 123, 124, 125, 127, 129, 132, 134, 136, 137, 138, 140, 141, 142, 144, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 156, 163, 172, 175, 177, 182, 184, 192, 199, 205, 207, 209, 212, 214, 216, 229, 232, 236, 242, 257 Wirtschaftskonzerne 84 Wirtschaftskraft 239 Wirtschaftskrise 16 Wirtschaftsliberalismus 16 Wirtschaftsmacht 201 Wirtschaftsminister 200 Wirtschaftsordnung 16, 71, 186 Wirtschaftspolitik 16, 69, 76, 79, 113, 129, 130, 163, 188, 199, 200, 201, 227, 257 Wirtschaftssystem 60, 202, 206 Wirtschaftswachstum 44, 60, 62, 120, 182, 184 Wirtschaftswunders 166, 167 Wissensfortschritt 18 Wohlfahrtswachstum 44 Wohlstand 18, 32, 34, 43, 71, 73, 82, 87, 90, 127, 177, 178, 179, 185, 191, 216, 232 Wohnen 230 Wohnfläche 230 Zeitkonstante 47 Zeitkonstanten 17 Zellteilung 187, 213 Zulassung von Arzneimitteln 176 Zustandsgrößen 131 Zyklus 48 256 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Der Autor Erich Neuburger, geboren 1929 in Freiburg im Breisgau war nicht mehr Soldat und hat als Flüchtling aus dem Elsass, den Untergang der Stadt und das Kriegsende in Bruchsal erlebt. Mit entsprechend vielen Zeitlücken in seiner Schulzeit einschließlich 8 Monate Tätigkeit als Hilfslandwirt und auch als Unterprimaner Nachhilfeunterricht für Oberprimaner machte er 1949 das Abitur am Realgymnasium in Durlach. Von 1951 bis 1959 studierte er Physik an der technischen Hochschule Karlsruhe. Finanziert hat er das Studium zu einem großen Teil als Werkstudent z. B. als Hilfsarbeiter, Mustermacher, in der Nachkalkulation und als Werbefilmproduzent. Die nächsten 10 Jahre arbeitete er im Kernforschungszentrum Karlsruhe. Das von ihm mit aufgebaute „Labor für Elektronik und Messtechnik“ war eine Dienstleistungsstelle für das ganze Forschungszentrum. Als Mitarbeiter in der Leitung dieser Einrichtung oblag ihm die technische Koordination zwischen den Elektronikingenieuren als Entwickler von Messgeräten und den Wissenschaftlern der verschiedensten Institute des Zentrums als deren Auftraggeber. Eine Hauptaufgabe war dabei das Dolmetschen zwischen den verschiedensten technischen Fachsprachen z.B. von den Elektronikingenieuren zu Kernphysikern, Radiochemikern, Strahlenbiologen, Strahlenmedizinern und wieder zurück. Für größere Aufträge vermittelte er auch zwischen den Wissenschaftlern und der Messtechnikindustrie, die langsam in die entsprechende Gerätetechnik hineinwuchs. 1969 gewann er den ersten Preis eines Kulturpreisausschreibens des Westdeutschen Rundfunks und der Max-PlankGesellschaft für eine wissenschaftliche Hörfunksendung mit dem Titel „Koinzidenz - Zufall und Wahrscheinlichkeit“. Einige weiteren Sendungen wurden auch vom Westdeutschen Rundfunk ausgestrahlt, z.B. zum Thema Kernreaktorstandorte 257 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft und zum Datenschutz. Wesentlich dabei war die Verständlichkeit auch für Laien, jedoch ohne unzulässige Vereinfachungen. Es ergab sich daraus auch eine zeitweilige Mitarbeit in der Redaktion des Schulfernsehens für Mathematik des Südwestfunks. Das Verständlichmachen sehr komplexer wissenschaftlicher und technischer Zusammenhänge wurde dann im eigenen Ingenieurbüro für technische Dokumentation zu einem neuen Arbeitmittelpunkt. Es entstanden da Bedienungsanleitungen und Betriebshandbücher für die kleinsten bis zu den größten Geräten z. B. einem Minirechner von Philipps und einem Schaufelradbagger von Krupp. Hier kam es darauf an, die Fragen der Anwender zu ahnen und die Antworten schnell auffindbar und klar verständlich für den Anwender in dessen Sprache darzustellen. In diesem Zusammenhang ergab sich eine sehr interessante und wichtige Aufgabe. Zum Reinigen wurde in deutschen Kernkraftwerken billige Hilfskräfte eingesetzt, die z. B. ohne ausreichende intensive Schulung in gefährlichen Bereichen arbeiten mussten, was zu einem Skandalbericht im Spiegel führte. Die Aufgabe, Hilfsarbeitern Kernphysik, Kerntechnik und Strahlenschutz so weit verständlich zu machen, dass diese sich relativ frei in einer kerntechnischen Anlage bewegen können ohne durch Unkenntnis mehr als nicht vermeidbar radioaktiv bestrahlt zu werden, führten zu entsprechenden Kursen und der Gründung einer Privaten Schule unter seiner Leitung durch ein befreundetes Unternehmen. Heute ist die „Fachkraft Dekontamination“ ein Fortbildungsberuf der IHK Aachen, der sich aus diesen Aktivitäten entwickelt hat. 258 Erich Neuburger, Rückkopplungskreise in der Wirtschaft Wenn also Erich Neuburger im Laufe seines Lebens eines gelernt hat, so ist es das Lesen und verstehen, was er gelesen hat. Er musste alles sehr genau lesen und aber auch verbinden mit dem Berührenden aus allen Wissens- und Lebensbereichen. Daher hat er sich auch in den 90er Jahren intensiver mit Wirtschaft und Wirtschaftspolitik befasst, nachdem hier immer widersprüchlichere Rezepte zur Besserung der Lage angeboten wurden. Als langjähriger Besucher der philosophischen Erörterungen des Karlsruher Kolloquium Fundamentale unter dem Philosophen Prof. Dr. Simon Moser hatte er sich angewöhnt, allen Fragen auch auf den philosophischen Grund zu gehen. Daraus entstand eine unveröffentlichte Schrift mit dem Titel „Gedanken um die Wende zum 21. Jahrhundert“. In den darin betrachteten wirtschaftlichen Problemen, ergab sich eine große Ähnlichkeit marktwirtschaftlicher Phänomene mit den Rückkopplungserscheinungen in der Technik, vor allem in der Elektronik. Von einigen Lesern der entsprechenden Abschnitte wurde der Autor ermuntert, diese Aspekte der Rückkopplung in einer deutlich verbreiterten Form darzustellen. Das Ergebnis seiner bisherigen Bemühungen dazu ist in dem Vorliegenden Bändchen dargestellt. 259