Weltbilder Naturwissenschaftliche Grundlagen von der Antike bis zur Neuzeit Vortrag und Diskussionsrunde im Projekt „Brückenschlag“ Geisteswissenschaften - Naturwissenschaften Weltbilder – Ihre geistesgeschichtlichen und naturwissenschaftlichen Grundlagen von der Antike bis zur Neuzeit. 25. September 2004, Fachbereich Physik, Philipps-Universität Marburg Priv. Doz. Dr. Andreas Schrimpf Fachbereich Physik Philipps-Universität Marburg Renthof 5 35032 Marburg Tel: 06421/2821338 Email: [email protected] Leitgedanken 1) Die Entwicklung des Weltbildes ist getragen von der Entwicklung und Verbesserung der Beobachtungs-/Messtechnik. 2) Eine naturwissenschaftliche Hypothese steht solange, bis sie durch neuere Erkenntnisse verfeinert, verändert, möglicherweise auch verworfen werden muss. Kurzfassung Ausgangspunkt waren die Grundlagen, die Aristoteles formulierte: Eine ideale Bewegung ist eine gleichförmige Kreisbewegung um ein Zentrum herum. Die Erde ist das Zentrum aller Bewegungen der Himmelssphären. Die Erde und alles, was darauf ist, unterliegt der Veränderung, der Vergänglichkeit, die Sphären ab dem Mond sind ewig, dort gibt es keine Vergänglichkeit. sowie die Beobachtung: die Sonne durchläuft eine ungleichförmige Bewegung, die Planeten mit ihren Schleifenbahnen gelten als die „umher irrenden“ Gestirne, ihre Bewegungen sind komplizierter, als die der Sonne. Ptolemäus konstruierte aus reinen Kreisbahnen (Deferenten und Epizyklen) ein Modell, ein Weltbild, welches die beobachteten Bewegungen recht gut erklären konnte. Er konnte dies aber nicht in völligem Einklang mit den Grundlagen des Aristoteles tun; um z.B. die Planetenschleifen zu erklären, brauchte er eine Bewegung um einen konstruierten Punkt, den Äquanten, der nicht die Erde zum Zentrum hatte. Nikolaus Kopernikus suchte vor allem nach einer einfachen Deutung für die beobachteten Planetenbewegungen. Das Bild des Ptolemäus schien ihm zu kompliziert. Er fand eine wesentliche Vereinfachung darin, dass er die Sonne in den Mittelpunkt der Bewegungen stellte. Die Planetenschleifen ließen sich so zwanglos erklären. Er blieb allerdings auch noch den Grundlagen des Aristoteles verbunden, in dem er nur Kreisbahnen benutzte. Da die Planetenbahnen jedoch in Wirklichkeit Ellipsen sind, benötigte auch er noch Epizyklen, um eine ausreichende Vorhersagegenauigkeit zu garantieren. Verbessert hat er die Genauigkeit gegenüber der des Ptolemäus (bzw. der in der Zwischenzeit in den Alfonsinischen Tafeln neu angepassten Version) nicht. Tycho Brahe ist der große Beobachter, derjenige, der in der Zeit vor Erfindung des Fernrohrs die ausführlichsten und genauesten Daten über die Planetenbewegungen sammelte. Er nutzte dazu zwei große Observatorien, die ihm von seinem Sponsor Frederick II finanziert wurden. Fasziniert ergriffen wurde er durch die Beobachtung einer Supernova, eines Sterns, der plötzlich sichtbar wurde und in den folgenden 18 Monaten an Helligkeit wieder verlor, bis er nicht mehr zu beobachten war. Dies stand in Widerspruch zu den Grundlagen des Aristoteles. Tycho Brahe versuchte auch, mit seinen großen Quadranten die Entfernung zu den Planeten und zu einem Kometen mittels Parallaxe zu bestimmen. Dazu reichte, wie wir heute wissen, die Genauigkeit seiner Beobachtungen nicht aus, dazu benötigt man in jedem Falle ein Fernrohr. Tycho Brahe sah keinen Grund, mit dem Weltbild des Ptolemäus zu brechen; aber er hinterlies eine Sammlung von Beobachtungen von unschätzbarem Wert. Johannes Kepler war zu der Zeit schon als Mathematiker, Astronom und Verfechter des Kopernikanischen Weltbildes bekannt. Tycho Brahe lud ihn zu sich nach Dänemark ein. Dort kamen also ein brillanter mathematischer Verstand und das Geschick eines exquisiten Experimentalphysikers zusammen. Tyche Brahe hinterlies Kepler seine Daten und Kepler wertete die Beobachtungen der Bewegung des Mars aus. Sein entscheidender neuer Gedanke zum kopernikanischen Weltbild war, dass er die Planeten auf Ellipsenbahnen anordnete. Damit brach er einerseits mit Aristoteles, andererseits vereinfachte er die Beschreibung kolossal, er benötigte keine Hilfskreise mehr und konnte eine geschlossene mathematische Formulierung der Planetenbahnen angeben. Mit seinem 3. Gesetz fand er auch einen Zusammenhang zwischen Umlaufzeit und Abstand von der Sonne, ein wichtiger Schritt zur physikalischen Erklärung der Kraft, die das Planetensystem zusammenhält. Galileo Galilei ist ein sehr glücklich forschender Experimentalphysiker. Er hörte vom holländischen Fernrohr und erkannte die neuen Möglichkeiten dieses Instruments. In akribischer Fleißarbeit verbesserte er mehrmals die Konstruktion und Qualität des Fernrohrs und nutze es als erster für astronomische Beobachtungen. Damit gelangen ihm viele neue Entdeckungen, die das alte Weltbild nun endgültig zum Einsturz brachten. So fand er, dass Planeten sich als Scheibchen zeigen und nicht, wie die anderen Fixsterne als funkelnde Punkte. Er entdeckte je nach Stellung des Mondes unterschiedliche Schattenlängen der Berge und Kraterränder und folgerte, dass der Mond eine Oberfläche mit solchen strukturellen Eigenschaften hat, wie sie auch auf der Erde gefunden werden – eine zweite „Welt“ sozusagen. Desgleichen fand er die Größenänderung der Venus und synchron dazu eine Phasenänderung, die der des Mondes sehr ähnlich ist. Also auch die Venus ist eine „neue Welt“. Die synchrone Größen- und Phasenänderung ist eine starke Stütze für ein heliozentrisches Planetensystem. Und er entdeckte die sogenannten 4 mediceischen Monde des Jupiter, die sich auf Keplerbahnen um den Jupiter bewegen – ein kleines eigenes kopernikanisches System. Dies durfte es nach den Grundlagen des Aristoteles gar nicht geben. Isaac Newton überzeugte zu Beginn seiner Wirkenszeit durch fundierte Kenntnisse in Mathematik und er entwickelte große Teile der Integral- und Differentialrechnung. Dies war ihm später dann extrem hilfreich bei der Analyse der Physik der Bewegungen. Es geht die Legende um, dass ein fallender Apfel, der ihn zufällig auf den Kopf traf, als er unter einem Baum saß, ihn zum Nachdenken über die Kraft brachte, die diesen Apfel nach unten zog. Er fand schließlich die Erklärung in der Gravitationskraft: alle Massen ziehen sich gegenseitig an; die Sonne ist die große zentrale Masse des Planetensystems und zieht alle Körper an. Da diese nicht direkt auf die Sonne zulaufen, sondern einen Bahndrehimpuls besitzen, werden sie Keplerbahnen (Ellipsen, Parabeln oder Hyperbeln) folgen. Das Gravitationsgesetz liefert die Proportionalitätskonstante im dritten Keplerschen Gesetz. Zum vollen Verständnis eines Planetensystems, welches von der Gravitationskraft zusammengehalten wird, gehörten noch zum einen die Bestimmung der absoluten Größe der Bahnen und zum zweiten die Bestimmung der Größe der Gravitationskonstanten. Beides ist für eine verbesserte Berechnung der Bahnen notwendig, denn die Bewegungen der Planeten werden nicht nur durch die Sonne sondern auch durch die anderen Planeten bestimmt: die gegenseitigen Gravitationskräfte sind nicht vernachlässigbar. Dies führte im 19. Jahrhundert zur Entwicklung der Störungstheorie und fand seine große Bestätigung in der Wiederentdeckung des Kleinplaneten Ceres (Bahnberechnung von F. Gauss) und der Vorhersage der Bahn des Neptun, berechnet aufgrund der Störungen der Bahn des Uranus. Das Weltbild selber ist natürlich damit alles andere als abgeschlossen, sondern es ist als Hypothese immer wieder auch Veränderungen unterworfen. Das Gravitationsgesetz von Newton gilt heute als Näherung für große Entfernungen und ist nach Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie in der Nähe der Massen zu modifizieren, ein Effekt der sich schon bei der Navigation auf der Erde mit GPS bemerkbar macht. Auch ist durch die Entdeckungen der modernen Astronomie unser Sonnensystem aus dem Zentrum des Universums an den Rand einer von Milliarden von Galaxien gedrängt worden, deren Geschichte und Entwicklung Gegenstand aktueller Forschungen sind. Literatur Allgemeine Bücher zur Astronomie, mit Einführung in die Geschichte der Astronomie Sehr empfehlenswert: Universe William.F. Kaufmann, Roger A. Freedman W.H. Freeman and Company, mittlerweile in 7. Auflage erschienen (Juli 2004) 2 gute Schulbücher: Astronomie – Grundkurs Friedrich Gondolatsch, Siegfried Steinacker, Otto Zimmermann Ernst Klett Schulbuchverlag Astronomie Gymnasiale Oberstufe Grundstudium Klaas De Boer, Dietmar Fürst, Dieter B. Herrmann, Jörg Lichtenfeld, Oliver Schwarz, Klaus Ullerich, Bernd Zill Paetec Verlag für Bildungsmedien Spezielle Bücher zum Thema Entdeckung des Planeten Neptun Morton Grosser, suhrkamp wissen, Suhrkamp Verlag Internet Webserver mit Biographien und weiteren Links zu den vorgestellten Wissenschaftlern http://www-gap.dcs.st-and.ac.uk/~history/Mathematicians/Aristotle.html http://www-gap.dcs.st-and.ac.uk/~history/Mathematicians/Ptolemy.html http://www-gap.dcs.st-and.ac.uk/~history/Mathematicians/Brahe.html http://www-gap.dcs.st-and.ac.uk/~history/Mathematicians/Copernicus.html http://www-gap.dcs.st-and.ac.uk/~history/Mathematicians/Kepler.html http://www-gap.dcs.st-and.ac.uk/~history/Mathematicians/Galileo.html http://www-gap.dcs.st-and.ac.uk/~history/Mathematicians/Newton.html Weitere Arbeitsmaterialen und Angebote Vortrag als Powerpointpräsentation als pdf-Datei zum Ausdrucken Planetarium FB Physik Darstellung des Sternenhimmels der Nord- und Südhalbkugel Bahn der Sonne durch den Tierkreis Planetenbahnen (Schleifen, Venus als Morgen- und Abendstern) weitere Infos unter www.physik.uni-marburg.de/Astronomie Führungen mit bis zu 20 Personen im Lehrplanetarium des Fachbereichs Termine mit A. Schrimpf verabreden Sternwarte FB Physik Planetenbeobachtung Sonnen- und Mondbeobachtungen Ausstattung: 20cm Teleskop mit elektrische Nachführung, digitale Kameras weitere Infos unter www.physik.uni-marburg.de/Astronomie Beobachtungstermine mit max. 15 Personen mit A. Schrimpf verabreden