Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger Evaluation für das No-Trouble-Training (Das Anti-Gewalt-Training der Rummelsberger Anstalten) I. Allgemeine Rahmenbedingungen und konzeptioneller Hintergrund 1. 2. 3. 4. 5. Das No-Trouble-Training als Antwort auf Gewalt Zielgruppe und rechtliche Grundlagen des NTT Die pädagogischen Ziele des NTT Arbeitsweisen und Methoden des NTT Der Aufbau des NTT 5.1 5.2 5.3 Die Gruppenleitung Die Gruppenzusammensetzung und die Kursdauer Das Aufnahme und Abschlußgespräch 2 3 3 3 4 4 4 4 II. Die Auswertung der statistischen Ergebnisse 5 1. Die Gruppenzusammensetzung 1.1 1.2 Die Altersstruktur Motive für die Teilnahme Die Straffälligkeit der Teilnehmer 5 6 6 8 9 10 10 13 15 16 1.3 2. 3. 3.1 Die Finanzierung der Maßnahme Die Bewertung der Maßnahme nach Erfolgskriterien 3.1.1 Bedeutung der Sanktionen während der Maßnahme 3.2 4. Die Kursbilanz gemessen an der Straffälligkeit Die Kursbilanz gemessen an den Kursabschlüssen Analyse der Voraussetzungen für den Erfolg III. Fazit KIDO-Der Weg für Kids 19 Berg/Werpel 2002 Seite 1 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger I. Allgemeine Rahmenbedingungen und konzeptioneller Hintergrund 1. Das No-Trouble-Training als Antwort auf Gewalt Nicht zuletzt die Kriminalstatistiken weisen darauf hin, daß die Kinder- und Jugendkriminalität in den letzten Jahren immer mehr zugenommen hat - gerade im Bereich der Gewaltstraftaten ist ein deutlicher Anstieg zu beobachten. Der Ruf nach härteren Strafen, Gefängnis, Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters und die Forderung nach mehr geschlossenen Heimen sind Antworten, die in den Medien die öffentliche Meinung prägen. Trotzdem sind sich Fachleute einig, daß Maßnahmen mit reinem Strafcharakter, anstelle eines sinnvollen Intervenierens, die momentane Entwicklung nicht stoppen werden. Zudem tragen natürlich viele gesellschaftliche Faktoren wie Arbeitslosigkeit, finanzielle Situation, soziale Angebote usw. zum Entstehen von abweichendem und delinquentem Verhalten bei. Deshalb kann nur eine Kombination von politischen, sozialen, strafrechtlichen und Jugendhilfemaßnahmen die Problematik voll erfassen und eine gute Kooperation der verantwortlichen Stellen zur Lösung beitragen. Unter ökonomischen und pädagogischen Gesichtspunkten, ebenso wie für den öffentlichen Nutzen sind außer den bereits existierenden Strukturen weitere Handlungs- und Reaktionsmöglichkeiten zu entwickeln und einzusetzen. Soziale Trainingskurse, im Speziellen ein Anti-Gewalt-Training für aggressive, gewaltbereite junge Menschen sind eine finanzierbare, erfolgversprechende Methode im Sinne von Prävention und Erziehung statt reiner Strafe. Dies gewährleistet eine Auseinandersetzung mit sich selbst, um letztlich eine Verhaltensänderung einzuleiten. Das No-Trouble-Training wurde unter diesen Gesichtspunkten, mit Absprache und Unterstützung des Jugendgerichtes Hersbruck, der Bewährungshilfe Nürnberger Land und dem Verein Justus in Zusammenarbeit mit den Rummelsberger Anstalten und dem Konzept des Gewaltpräventionsprojekts KIDO verwirklicht. Die Maßnahme wurde erstmals im Januar 1999 durchgeführt und steht mittlerweile auch für alle Probanten aus dem Großraum Nürnberg, Fürth, Erlangen zur Verfügung. Die Räumlichkeiten befinden sich seit Ende 2000 zentral in der Nürnberger Innenstadt und wurden somit aus dem direkten Rummelsberger Jugendhilfebereich ausgelagert. Es handelt sich hier um eine offene Maßnahme, welche nicht nur Rummelsberger Jugendlichen, sondern auch anderen Interessierten zugänglich ist. Für den Umzug waren, außer der eher schwierigen Anbindung und Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, auch pädagogische Überlegungen nach ersten Kurserfahrungen vor Ort ausschlaggebend. Mittlerweile ist die Maßnahme auch organisatorisch nicht mehr, wie zu Beginn, dem Auszubildenden Bereich in Rummelsberg zugeordnet, sondern Teil der ambulanten Hilfen der Rummelsberger mit Hauptsitz in Altdorf. Grundlage unserer Arbeit ist ein christliches Menschenbild sowie die Jugendhilfeleitlinien und Qualitätsleitsätze der Rummelsberger Anstalten. KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 2 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger 2. Zielgruppe und rechtliche Grundlagen des No-Trouble-Trainings Die Zielgruppe des No-Trouble-Trainings sind v. a. straffällige junge Menschen ab 14 Jahren bei denen eine Gewaltproblematik vorliegt und die aufgrund einer richterlichen Weisung ein Anti-Gewalt-Training absolvieren müssen. Drogenabhängigkeit, geistige Behinderung, pathologische Krankheitsbilder, eine manifeste Suchtproblematik, sowie einschlägige Sexualstrafdelikte gelten als Ausschlußkriterien für diese Form des Anti-Gewalt-Trainings. Das No-Trouble-Training ist ein sozialer Trainingskurs, der im Rahmen sozialpädagogischer Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Kinder- und Jugenddelinquenz und Gewalt nach §14 SGB VIII, der Hilfen zur Erziehung §§ 27 ff SGB VIII, hierunter die soziale Gruppenarbeit § 29 SGB VIII, aufgrund der Jugendgerichtshilfe §§ 2 Abs. 3 Nr. 8 und § 52 SGB VIII sowie durch richterliche Weisung nach § 10 JGG gesetzlich geregelt ist. Natürlich können weitere strafrechtliche oder ambulante, teilstationäre und stationäre Maßnahmen dem No-Trouble-Training vorausgehen, dieses begleiten oder sich ihm anschließen. 3. Die pädagogischen Ziele des No-Trouble-Trainings Die jungen Menschen sollen sich in erster Linie mit den Ursachen und Folgen ihres gewalttätigen Verhaltens auseinandersetzen. Unrealistische Selbstbilder sollen aufgelöst und eine Umbewertung des Gewaltverhaltens als Ausdruck von eigener Schwäche bewußt gemacht und erreicht werden. Es werden unter anderem der Umgang mit Konflikten, Frustrationen, Gefühlen und neue angemessene Handlungs- und Problemlösungsstrategien erprobt und trainiert, um delinquentes und gewalttätiges Verhalten zu modifizieren bzw. aufzugeben. 4. Arbeitsweisen und Methoden des No-Trouble-Trainings Das No-Trouble-Training basiert auf einem neuen ganzheitlichen Konzept (KIDO-Projekt), welches modernste Medien und Methoden der sozialpädagogischen Gruppenarbeit und Elemente eines auf Erleben und Selbsterfahrung aufbauenden Kampfkunstkonzepts, sowie zusätzliche erlebnispädagogische Einheiten miteinander verbindet. Die fünf Grundideen sind hier: - das ganzheitliche Lernen über Körper und Geist das soziale und gruppendynamische Lernen das handlungs- und erlebnisorientierte Lernen das spielerische Lernen das Lernen am Modell Mit Hilfe von Videoarbeit, Rollenspielen, spielpädagogischen Aufgaben, Einzel- und Gruppengesprächen, konfrontativen Elementen, kreativ-gefühlsbetonten Prozessen (Bilder, Collagen, Musik) und theoretischen Inputs durch den Trainer und die Trainerin werden die einzelnen Themen, wie zum Beispiel eigene Opfererfahrungen in der Biographie, Gründe für persönliches, aggressives Verhalten usw. aufbereitet und bearbeitet. Die dreistündigen Einheiten sind themenbezogen aufgebaut und werden durch modifizierte Elemente aus dem Kampfkunsttraining ergänzt, welches vor allem Meditations-, Konzentrations- und Entspannungstechniken im Stehen, Sitzen und in der Bewegung lehrt. Von Bedeutung ist hierbei das Lernen von Selbstdisziplin, der Aggressionsabbau und das Finden innerer Ruhe, sowie das Bewußtwerden von Körperlichkeit, Gefühlen, Gedanken und KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 3 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger deren Kontrolle. Bei Übungen mit dem Partner wird Respekt, Rücksichtnahme und Empathie geschult. Ziel ist auch, die Teilnehmer nach emotionsreichen Gruppenstunden entspannt zu entlassen. Zwei Freizeitmaßnahmen mit erlebnispädagogischem Charakter sind wichtiger Bestandteil des Gesamtkonzepts. Hier stehen außer einer intensiven Gruppendynamik und den damit verbundenen idealen Bedingungen zum sozialen Lernen und der Gruppenfindung, die individuelle Stärkung des Selbstwertes durch erlebnispädagogische Erfahrungen im Mittelpunkt. Eine sinnvolle Freizeitgestaltung ohne Gewalt und Alkohol, sowie die Möglichkeit eines guten Beziehungsaufbaus zu dem Trainer und der Trainerin soll hier erlebt beziehungsweise gefördert werden. An die Teilnehmer werden Arbeitsaufträge ("Hausaufgaben"), zum Beispiel das Führen eines Ärgerprotokolls, das Ausfüllen und Bearbeiten von Fragebögen und dergleichen verteilt. Außerdem werden die Inhalte der behandelten Themen und der praktischen Übungen in Form einer Loseblattsammlung ausgehändigt. Dies dient dazu Lerninhalte zu vertiefen und transparent zu machen, die Reflexion zwischen den Einheiten zu ermöglichen und um praktische Übungen auch alleine nachvollziehen zu können. 5. Der Aufbau des No-Trouble-Trainings 5.1 Die Gruppenleitung Ein männlich/weibliches Sozialpädagogenteam wechselt sich als Akteur und Beobachter ab. Bei Bedarf werden auch weitere Fachkräfte oder am pädagogischen Prozeß beteiligte Personen hinzugezogen. Das Team reflektiert regelmäßig im Rahmen einer Team-Supervision über den Verlauf der Maßnahme. 5.2 Die Gruppenzusammensetzung und die Kursdauer Die Gruppe besteht aus bis zu sechs, in der Regel straffälligen und gewaltbereiten jungen Menschen ab 14 Jahren. Die Gruppen sind immer geschlechtshomogen. Der Kurs setzt sich aus mindestens 10 dreistündigen Einheiten zusammen. Die Einheiten finden einmal wöchentlich statt, so daß ein Kurs mit Aufnahme- und Abschlußgesprächen ca. vier Monate umfaßt. Zu Beginn und im zweiten Drittel der Maßnahme findet jeweils eine Wochenendfreizeitmaßnahme mit erlebnispädagogischem Charakter statt. 5.3 Das Aufnahme- und Abschlußgespräch Das Aufnahmegespräch dient dem Kennenlernen und der Prüfung einer sinnvollen Gruppenzusammensetzung, sowie zur Planung der individuellen pädagogischen Vorgehensweise und Zielformulierung und flexiblen Gestaltung der Gruppenstunden. Bei Aufnahme in das No-Trouble-Training wird zwischen der Kursleitung und dem Teilnehmer ein Vertrag geschlossen, in dem die grundlegenden Regeln und die Konsequenzen bei Nichteinhaltung besprochen und unterschrieben werden. Herausragend ist z. B. die Teilnahmeverpflichtung, die meist durch eine richterliche Weisung erfolgt. Am Ende des Kurses findet sowohl ein Gruppen- als auch ein Einzelabschlußgespräch mit den Teilnehmern und den Kursleitern statt. Hier wird noch einmal intensiv über den Verlauf und die persönlichen Ergebnisse der Maßnahme reflektiert. Bei regelmäßiger Teilnahme und Mitarbeit bekommen die Teilnehmer ein Abschlußzertifikat als Bestätigung unter anderem für das Gericht oder die Bewährungs- bzw. Jugendgerichtshilfe ausgehändigt. KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 4 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings II. Die Rummelsberger Die Auswertung der statistischen Ergebnisse Die Daten wurden für den Kurszeitraum von Januar 1999 bis August 2002 erhoben. Die Grundlage der Auswertung und aller statistischen Berechnungen bilden neun Kurse mit 43 Teilnehmern. Die Daten wurden mit dem Programm Excel berechnet und dargestellt. Die Evaluation bezieht sich ausschließlich auf harte Daten, d. h. es werden nur offensichtliche Fakten zur Datenermittlung eingesetzt und entsprechende Ergebnisse und Tendenzen von uns kommentiert. Subjektive, also weiche Daten, wie die persönliche Einschätzung der Jugendlichen, über Erfolg und Wirkung werden in dieser Evaluation nicht berücksichtigt. Entsprechende Daten liegen aber vor und sollen noch gesondert ausgewertet werden. Diese weichen Daten, also auch die subjektiven Eindrücke der Leitung und anderer Beteiligten an dem Gruppenprozeß sind allerdings für die pädagogische Bewertung von großer Bedeutung. Fragestellungen, wie "Hat der Jugendliche Fortschritte bezüglich seiner Persönlichkeit gemacht und wie zeigt sich das?" sind letztlich genauso wichtig, wie die leichter zu beantwortende Frage "Ist der Jugendliche erneut mit Gewalttätigkeiten straffällig geworden?". Die Öffentlichkeit und oft auch die Kostenträger orientieren sich natürlich vor allem an zweiter Fragestellung, wenn Sie die Maßnahme bewerten und als Erfolg oder Mißerfolg einordnen sollen. Grundsätzlich ist unsere Einschätzung und auch die Grundaussage, die wir als Ziel, Inhalt und Ergebnis unseres Trainings formulieren, folgende: "Wir garantieren, daß alle Jugendliche die zu uns kommen sich mit ihrer individuellen Gewalt- und Aggressionsproblematik intensiv auseinandersetzen müssen. Dabei können wir keine Verhaltensänderung erzwingen, da vor allem die individuelle Bereitschaft und viele andere persönliche, soziale und gesellschaftliche Faktoren diesen Fortschritt mitbestimmen." Das heißt auch, daß ein Rückfall in alte Verhaltensweisen nicht zwangsläufig ein Scheitern der Maßnahme bedeutet, da der Jugendliche im individuellen Fokus durchaus trotzdem große Fortschritte gemacht haben kann. Um aber möglichst objektiv zu bleiben und nicht nur fachspezifische Sichtweisen zu propagieren, wollen wir uns hier an den harten Daten orientieren, da sie eben leichter zu erheben und nachzuvollziehen sind und letztlich vor allem nach strafrechtlicher und gesellschaftlicher Einschätzung bedeutender und beweiskräftiger sind. 1. Die Gruppenzusammensetzung Zuerst ist natürlich interessant, wie sich die Gruppenstruktur zusammensetzt und unter welchen Voraussetzungen die einzelnen Probanten an der Maßnahme teilgenommen haben. Die Kurse wurden bisher nur für männliche Jugendliche durchgeführt. Es kommt zwar im Schnitt zu ca. drei bis vier Anfragen für weibliche Teilnehmer pro Jahr, aber keine Institution wollte bisher die Organisation für einen Kurs übernehmen. Grundsätzlich ist es möglich bei Buchung eines Gesamtkurses mit sechs Plätzen das NTT auch für weibliche Probanten durchzuführen. Eine Mischung der Kurse kommt aufgrund des unterschiedlichen Aggressionsverhaltens und deren tieferliegenden Ursachen pädagogisch nicht in Frage. KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 5 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger 1.1 Die Altersstruktur Alter der Teilnehmer 17 26% 18 19% 16 Die Hauptaltersgruppe ist noch minderjährig! 21% 20 15 16% 14 23 2% 2% 21 9% 5% Grundsätzlich steht der Kurs für alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 14 Jahren, also Strafmündigkeit, bis Ende des jugendhilferelevanten Alters von höchstens 27 Jahren offen. Natürlich ist die Aufnahme von der Altersstruktur des jeweiligen Kurses abhängig, d. h. es wird kein 25-jähriger in eine Gruppe mit 14- und 15-jährigen aufgenommen werden. In der Praxis gab es bisher noch keine so starken Altersunterschiede, die Masse der Jugendlichen ist in der Altersklasse zwischen 15 bis 18 Jahren. Die Altersklassen über 23 Jahre spielen in den Kursen bisher keine Rolle. Trotzdem sind vermehrt Anfragen für ältere Teilnehmer, teilweise auch über 27 Jahren im laufenden Jahr eingegangen, welche diese Auflage meist vom Gericht zugesprochen bekommen. Bisher gibt es aber kein entsprechendes Angebot zur Umsetzung im Großraum Nürnberg und zudem ist die Finanzierung meist ungeklärt. Dies könnte ein Hinweis sein, daß auch im Erwachsenenstrafrecht nach alternativen Möglichkeiten zur Bestrafung bzw. für Bewährung und Resozialisierung gesucht wird und solche Maßnahmen in Zukunft mehr Bedeutung gewinnen könnten. Grundsätzlich ist anzumerken, das eine Mischung der Altersstruktur mit Minderjährigen und Volljährigen in der Regel positiv für die jüngeren Teilnehmer ist, da die Eigenmotivation bei älteren oft höher erscheint und auch der Austausch von Negativerfahrungen heilsam sein kann. 1.2 Motive für die Teilnahme Für den Erfolg der Maßnahme, Haupterfolgskriterium ist hier zuallererst die regelmäßige Teilnahme am NTT, sind nicht zuletzt die Motivationsfaktoren ausschlaggebend. KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 6 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger Motiv für die Teilnahme Eigenmotivation/ Eltern 5% Auflagen/ Jugendhilfe 9% So gut wie alle Jugendlichen haben eine Auflage zur Teilnahme! 86% gerichtliche Auflage Hier fällt auf, das 95 % der Teilnehmer nicht freiwillig an der Maßnahme teilnehmen, sondern überwiegend wegen einer richterlichen Auflage oder auch über eine Verpflichtung eines Jugendhilfeträgers bzw. des Jugendamtes, zum Beispiel als Voraussetzung zum Verbleib in einer stationären Maßnahme, angemeldet wurden. Im Aufnahmegespräch äußerten sich zwar fast alle Jugendlichen positiv über die Eigenmotivation zur Teilnahme, es wurden die meisten auch im Gericht gefragt, ob sie die Bereitschaft haben an solch einer Maßnahme teilzunehmen, aber Fakt ist, daß sich nur 5% der Teilnehmer wirklich freiwillig und aus Eigenmotivation um eine Aufnahme bemüht haben. Man kann also davon ausgehen, daß die Hauptgruppe der Teilnehmer einen gewissen Zwang zum Absolvieren des Kurses hat und dieser Zwang auch sehr hilfreich sein kann. Für den einen oder anderen stellt er gar die Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Abschluß dar. Betrachtet man die richterlichen Weisungen noch näher, ist festzustellen, daß alle Jugendlichen vom Gericht eine zusätzliche Auflage, wie Arbeitsstunden oder Arrest in Kombination mit der Teilnahme am NTT bekommen haben. Interessant ist zudem der mit 30 Prozentpunkten relativ hohe Anteil Jugendlicher die eine Bewährungsauflage erhalten haben. Anteil Jugendlicher mit Bewährungsauflage ja 30% Fast ein Drittel der Jugendlichen hat eine Bewährungsauflage! nein 70% KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 7 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger Ein Teil der Bewährungsauflagen und oft auch die Voraussetzung für die Gewährung einer Bewährungszeit statt der Inhaftierung, ist hier der erfolgreiche Abschluß der Maßnahme. Die Jugendlichen mit Bewährung sind gemessen am Erfolg der Maßnahme allerdings nicht unbedingt motivierter oder erfolgreicher als die restlichen Teilnehmer. Dieser Aspekt wird später noch ausführlicher erläutert. 1.3 Die Straffälligkeit der Teilnehmer Verteilung der Teilnehmer nach Gewaltstraftaten Intensivtäter nicht straffällig 9% 12% Der Großteil der Teilnehmer ist mindestens einmal wegen einer Gewalttat straffällig geworden! 44% 35% Mehrfachtäter Ersttäter Bei dem obigen Diagramm wird nur die Straffälligkeit im Bereich der Gewaltstraftaten erfaßt, d. h. das Personen unter der Rubrik "nicht straffällig", durchaus wegen Diebstahl oder Leistungserschleichung und anderer Vergehen, vor Gericht verhandelt und eventuell auch verurteilt wurden. Allgemein kann gesagt werden, das viele der Ersttäter und fast alle Mehrfach- und Intensivtäter auch in anderen Bereichen bereits aktenkundig wurden. Der Gewaltbereich ist vielfach nur ein dominierender Aspekt in einer Gesamtproblematik mit vielschichtiger Ausprägung, auch im Bereich der Delinquenz. Wir möchten hier aber den Gewaltbereich herausheben, da dieser das Hauptthema unserer Maßnahme ist. Alle Jugendlichen besuchen den Kurs wegen aggressiven, gewalttätigen Verhaltens, wobei eine Verurteilung nicht Voraussetzung ist, um am Kurs teilnehmen zu dürfen. Eine häufigere einschlägige Verurteilung läßt aber auf eine massivere Aggressionsproblematik schließen und damit auf eine erhöhte individuelle Gewaltbereitschaft. Unter Mehrfachtätern, die größte Gruppe im Kurs, sind Jugendliche mit zwei bis drei Verurteilungen wegen Körperverletzung, Raub, Nötigung oder Totschlag, zusammengefaßt. Die Intensivtäter haben vier oder mehr einschlägige Verurteilungen im Gewaltbereich. Die Auswertung bezüglich des Erfolgs der Teilnehmer abhängig von ihrer Straffälligkeit ist ein sehr signifikanter Bereich im dritten Teil der Erhebung. KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 8 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger 2. Die Finanzierung der Maßnahme Grundsätzlich ist die Finanzierung der Maßnahme nach wie vor nicht gesetzlich geregelt, d. h., es ist unklar, ob das Jugendamt nach dem Paragraphen der Jugendhilfe, hier insbesondere § 29 SGB VIII oder das Amtsgericht beim Aussprechen einer Auflage für die Kosten zuständig ist. Es gibt zum Teil unterschiedliche regionale Absprachen bzw. Regelungen. Eindeutig ist die Sachlage, wenn es sich um eine reine Jugendhilfemaßnahme handelt. Da die Maßnahme auch auf freiwilliger Basis angetreten werden kann ist auch eine private Finanzierung bzw. auch eine Verurteilung zum Absolvieren bei eigener Übernahme der Kosten für finanziell besser gestellte Probanten möglich. Verteilung der Kostenträger privat 7% Kinderarche Jugendamt 29% 42% 11% Justus Die Kosten werden zur Hälfte von der Justiz und zur anderen Hälfte von Jugendämtern oder privat getragen! 11% Gericht Wie man sieht wird die Maßnahme zum geringsten Teil privat finanziert. Auf den ersten Blick zum Großteil über Gelder der Jugendämter. Unter der Rubrik Kinderarche verbirgt sich allerdings eine Organisation die auch mit der Jugendgerichtshilfe zusammenarbeitet und für spezielle Bereiche über Gelder des Amtsgerichts finanziert wird und dafür entsprechende richterliche Auflagen umsetzt und u. a. ein festes jährliches Platzkontingent beim NTT reserviert. Unter Justus versteht sich ein Verein der von der Justiz über Bußgelder getragen wird und eben auch für die Umsetzung richterlicher Auflagen, angefangen von Arbeitsweisungen bis zum NTT, zuständig ist. Dieser Verein war auch finanziell beim Start der Maßnahme 1999 maßgeblich beteiligt und hilft gelegentlich aus, falls die Finanzierung von NTT-Auflagen über das Jugendamt oder andere Stellen nicht möglich ist. Außerdem werden vom Gericht einzelne Plätze, oft von älteren Probanten ohne großes Einkommen und mit Bewährungsauflage, direkt finanziert. Zählt man diese drei Bereiche zusammen, werden letztlich 51% der Kurse über Gelder der Justiz finanziert, also sogar etwas mehr als über die Jugendämter. Da die Maßnahme mit rund 2000,- Euro pro Teilnehmer kalkuliert ist, ist klar, daß die Masse der meist sozial benachteiligten Probanten, die Kosten nicht privat tragen kann. KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 9 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger 3. Die Bewertung nach Erfolgskriterien 3.1 Die Kursbilanz gemessen an den Kursabschlüssen Die Teilnehmer welche die Maßnahme voll absolviert haben, bekommen am Ende ein Teilnahmezertifikat ausgehändigt. Dies ist gleichzeitig das Hauptziel der Probanten und erstes meßbares Erfolgskriterium. Die Grundvoraussetzung zur Erteilung dieses Zertifikats ist die regelmäßige Teilnahme. Es müssen alle Einheiten, einschließlich der Freizeitmaßnahmen absolviert worden sein. Das Konzept verfolgt ein aufeinander aufbauendes Programm, welches in jeder Einheit wichtige Themen behandelt. Damit der Zeitraum für die Teilnehmer gut zu überschauen ist, ist der Kurs zeitlich relativ kurz, dafür aber inhaltlich sehr straff organisiert. Damit ist jede Einheit und eben Fehlzeit von Bedeutung. Auch bei Krankheiten, welche mit ärztlichem Attest belegt werden müssen, muß die Einheit nachgeholt werden, bzw. in Ausnahmefällen eine Alternativleistung erbracht werden (Einzelsitzung, schriftliche Arbeitsaufträge usw.). Grundsätzlich führt unentschuldigtes Fehlen zum Ausschluß aus der Maßnahme. Ein weiterer Auschlußgrund sind Regelübertretungen während der Maßnahme, hierzu gehören z. B. Verweigerung von Arbeitsaufträgen, d. h. mangelhafte bis gar keine Bereitschaft zur Mitarbeit, aber auch Verstöße gegen das Alkohol- oder Drogenverbot. Außerdem können neue Gewalttaten zum Ausschluß oder der Verlängerung der Maßnahme führen. Diese Kriterien werden von uns insgesamt rigide gehandhabt und setzen eine gute Zusammenarbeit mit der Jugendgerichts-, der Bewährungshilfe und den jeweiligen Richtern voraus. In der Regel führt die zweite unentschuldigte Fehlzeit zum Ausschluß. Zuvor ist meist eine richterliche Anhörung, eine Arrestandrohung oder eine Geldbuße vorgeschaltet. Nach dem Ausschluß steht eine weitere Zwangsmaßnahme, oft Dauerarrest an. Gerade zu Beginn des Trainings, wo oft wenig Eigenmotivation vorherrscht und noch kein echter Beziehungsaufbau gelungen ist, sind Androhungen von Konsequenzen und notfalls auch deren Durchführung, auch als Signalwirkung für die Gruppe, zum Durchhalten von größter Bedeutung. Nun sind natürlich die Zahlen interessant, wie hoch der Anteil der Ausschlüsse ist. Vorzeitiger Ausschluß aus der Maßnahme ja 23% Knapp ein Viertel der Teilnehmer muß vorzeitig vom Kurs ausgeschlossen werden! nein 77% Wie man im Diagramm erkennen kann durchlaufen 77 % den Kurs komplett, rund ein Viertel der Teilnehmer wird aufgrund von Fehlzeiten oder anderer oben genannter Verfehlungen frühzeitig aus dem Kurs entlassen. Es wird also mindestens ein Jugendlicher pro Kurs vorzeitig ausgeschlossen, die Verteilung liegt im Schnitt bei 1,38 Personen bei 6 KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 10 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger Jugendlichen. Diese Verteilung ist aber in Wirklichkeit natürlich nicht gleichmäßig. Es gibt Kurse in denen alle Teilnehmer ohne größere Probleme den Kurs komplett durchlaufen und andere Kurse, in denen bis zur Hälfte der Teilnehmer ausscheiden. Dies hängt stark von der jeweiligen Gruppenzusammensetzung und individuellen Problematik ab, aber auch von der Kooperation mit den genannten Stellen, die möglichst eng und zeitlich schnell auf Verfehlungen reagieren müssen, um eine Motivationslage zum Weitermachen zu schaffen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß ein rigiderer Umgang mit den vertraglich festgelegten Regeln die Gesamtgruppe stabilisiert und Entgegenkommen und Nachsicht sich eher pädagogisch kontraproduktiv auswirken. Es ist für das Selbstverständnis der Teilnehmer durchaus wichtig zu wissen, daß sie etwas geschafft haben, was man nicht geschenkt bekommt, sondern das nur durch Eigenverantwortlichkeit, Zuverlässigkeit und Arbeit an sich selbst, der Erfolg möglich geworden ist. Zuviel Nachsicht und das "Durchziehen" völlig motivationsloser, verweigernder Teilnehmer auf Kosten der Restgruppe, führt zu einer Entwertung der Leistung positiv gestimmter Jugendlicher und wirkt letztlich demotivierend für die Gesamtgruppe. Deswegen ist das Fordern und Fördern in der richtigen Waage zu halten, aber es müssen nicht nur Brücken gebaut, sondern auch klare, manchmal schmerzliche Entscheidungen getroffen werden. Hier spielen natürlich auch die Erwartungshaltungen von außen, d. h. der zuweisenden Stellen und deren Wünsche eine Rolle. Um der Gesamtgruppe gerecht zu werden, muß aber die Vorgehensweise für alle transparent sein und es muß möglichst unabhängig vom Druck der am Prozeß beteiligten Menschen, pädagogisch sinnvoll und geradlinig gehandelt werden. Nun werfen wir noch einen Blick auf die Verteilung der Gründe, welche zum vorzeitigen Auschluß geführt haben. Verteilung der Gründe bei vorzeitigem Ausschluß Nichtantritt 6% Regelverstoß 38% Fehlzeiten 43% Hauptgrund für einen vorzeitigen Ausschluß aus der Maßnahme sind zu viele unentschuldigte Fehlzeiten! 13% neue Gewalttat Hauptursache für die vorzeitige Entlassung waren also zu viele unentschuldigte Fehlzeiten, bzw. Nichtantritt der Maßnahme mit fast 50%, gleich gefolgt von anderweitigen Regelverstößen, welche im Teilnehmervertrag geregelt sind. Hauptgründe sind hier die Verweigerung von Arbeitsaufgaben und mangelnde Mitarbeit, aber auch untragbares Verhalten während der Gruppenstunden oder Freizeitmaßnahmen (z. B. Drogenkonsum, ständiges Widerstandsverhalten usw.). Vor dem kompletten Ausschluß stehen, wie oben beschrieben noch andere Zwischenschritte innerhalb des Kurses, wie Einzelgespräche, KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 11 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger Auszeiten, Zusatzaufgaben, Zusatzeinheiten oder eben Zwangsmaßnahmen von außen bzw. dessen Androhung. Die meisten Jugendlichen wurden in den ersten drei Einheiten ausgeschlossen (70 %) und zwar überwiegend wegen unentschuldigter Fehlzeiten, bzw. Nichtantritt der Maßnahme, gefolgt oder in Kombination mit massiven Regelverstößen, die restlichen 30% erst nach Mitte bis zum letzten Drittel der Maßnahme, entweder wegen gehäufter Fehlzeiten und/oder neuer Gewalttaten. Man kann also Herauslesen, daß sich grundsätzlich sehr früh die Spreu vom Weizen trennt, d. h., Jugendliche, welche keinerlei Bereitschaft haben am Training teilzunehmen, schnell auffallen und mit ihrem Verhalten Tatsachen schaffen. Um die Abbrecherquote noch weiter zu senken ist deshalb die Auswahl der Jugendlichen von Bedeutung. Diese liegt in der Regel beim Gericht oder anderen zuweisenden Stellen. Es muß eine gute fachliche Einschätzung erfolgen, ob die Maßnahme für den Jugendlichen wirklich in Frage kommt. Hat der Jugendliche bisher sämtliche offenen Angebote, Kurse, Lehrstellen und sonstiges nicht oder nur kurz besucht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß er auch unser ambulantes, aber anspruchsvolles Programm nicht lange besucht, sondern einen engeren Rahmen, bzw. intensivere Betreuung braucht. Außerdem ist das Training nicht geeignet für Jugendliche, welche schon in verschiedensten intensiven stationären Maßnahmen nicht gehalten werden konnten und aufgrund ihrer massiven individuellen Problematik eigentlich andere Hilfen bräuchten. Hierzu gehören natürlich auch Jugendliche mit Suchtproblematik. Könnte man die Auswahl zukünftig noch weiter verbessern, wäre die Ausschlußquote noch weiter zu senken, was die insgesamt sehr positive Kosten-Nutzen-Bilanz, hinsichtlich der Abbrecherquote, noch weiter verbessern könnte. Teilnehmer mit Abschlußzertifikat nein 28% Fast Dreiviertel der Teilnehmer schaffen den regulären Abschluß! ja 72% Letztlich haben also von allen Teilnehmern 72% das Abschlußzertifikat erhalten und damit das grundsätzliche individuelle Haupterfolgskriterium erreicht. Ein kleiner Teil der Jugendlichen wurde nicht vom Kurs ausgeschlossen, hat aber auch das Zertifikat nicht erhalten, zum Beispiel weil mehrere Termine für ein Abschlußgespräch bei der die individuelle Kursrückmeldung und die Übergabe des Zertifikats erfolgt, nicht angetreten wurden oder bestimmte Arbeitsaufträge bzw. Auflagen nicht erbracht wurden. KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 12 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger 3.1.1 Bedeutung der Sanktionen während der Maßnahme Sanktionshäufigkeit nein ja 55% 45% Über die Hälfte der Jugendlichen schafft den Kurs ohne offizielle Sanktionen! Im Diagramm wird ersichtlich, daß über die Hälfte der Teilnehmer durchaus motiviert am Kurs teilnehmen und keinerlei größere Sanktionen zum Durchhalten benötigen. Schaut man auf die hier nicht evaluierten Beurteilungsbögen der Teilnehmer, finden die meisten die Inhalte interessant und sehen auch die Möglichkeit für sich persönliche Fortschritte zu erarbeiten. Obwohl sich die Masse der Teilnehmer darin einig ist, braucht doch fast die Hälfte auch Unterstützung in Form von Sanktionen, weil der Geist oft willig, aber das Fleisch doch schwach ist. Setzt man die Zahl der Personen welche vorzeitig entlassen werden mußten (23%) und die Zahl der Personen welche Sanktionen bekommen haben (45%), in Relation, stellt man fest, daß sich von diesem Personenkreis wiederum fast genau die Hälfte, nämlich 22%, mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund der Sanktionen, für die weitere Teilnahme motivieren konnten. Hierunter fallen auch alle, welche einfach nur prüfen wollten, ob es stimmt, was im Teilnehmervertrag steht. Außerdem genügt für viele Zuschauer eine exemplarische Sanktion, um selbst das gleiche nicht ausprobieren zu müssen. Den Sanktionen und der Glaubwürdigkeit kommt also für das Gelingen des Kurses, natürlich außer einer attraktiven Kursgestaltung und einem guten Beziehungsaufbau, eine große Bedeutung zu. Im folgenden wollen wir noch die Verteilung nach Sanktionsarten näher betrachten. KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 13 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger Verteilung nach Sanktionsarten gerichtl. Anhörung Wochenendarrest 12% 5% Verwarnung 44% Man kann unterscheiden zwischen Sanktionen der Kursleitung und Sanktionen von außen! Zusatzaufgaben 22% Verlängerung 17% Betrachtet man das Diagramm so kann man die Sanktionen in zwei Kategorien unterteilen, nämlich offizielle Sanktionen die von uns direkt verhängt werden, z. B. die Zusatzaufgaben und die Verlängerung der Maßnahme und Sanktionen die von außen (JGH, BWH, Gericht) zusätzlich verhängt werden, also Verwarnungen, wie Arrestandrohungen und andere Strafandrohungen, Anordnung einer richterlichen Anhörung oder eben auch Wochenendarrest. Natürlich gibt es innerhalb des Kurses noch viele kleine Sanktionsschritte, bis es zu "offizielleren Sanktionen", welche auch immer schriftlich mitgeteilt werden, kommt. Unter dem Begriff offizielle Sanktionen fallen die von uns verhängten schriftlich formulierten Sanktionen, z. B. Kursverlängerung wegen Fehlzeiten und alle Sanktionen die von außen kommen. Alle mündlichen und gruppeninternen Maßnahmen und Interventionen fallen nicht darunter. Im Diagramm sind also nur die offiziellen Sanktionen berücksichtigt. Wenn wir selbst offizielle Sanktionen verhängen, werden die zuständigen Stellen informiert, damit diese zusätzlich über Gespräche (Bewährungs- oder Jugendgerichtshelfer etc.) auf die Probanten einwirken können. Natürlich wird alles, was nach außen geht und auch schriftlich formuliert wird, eben als offiziell und damit wirkungsvoller erlebt. Eine Androhung zum Arrest vom Richter, ist bedrohlicher, als eine noch folgenlose Ermahnung der Kursleitung oder "nur" ein Gespräch mit der Jugendgerichts- bzw. Bewährungshilfe. Wenn die kurseigenen Sanktionen, mündlich oder schriftlich, nicht mehr ausreichen, und generell bei allen unentschuldigten Fehlzeiten, werden immer und sofort Maßnahmen von außen eingeleitet. Hier erkennt man auch die Bedeutung der guten Kooperation mit allen beteiligten offiziellen Stellen und natürlich auch mit wichtigen Bezugspersonen der Teilnehmer (Eltern, Heimpädagogen, etc.). Für die Zukunft erscheint es wichtig, einen Abgleich der Sanktionen, die noch teilweise je nach Richter oder anderen zuständigen Stellen, unterschiedlich ausfallen können, zu bekommen. Dies ist notwendig, damit die Sanktionen mit noch größerer Gerechtigkeit, Sicherheit und Effektivität eingesetzt werden können. Insgesamt hat die Zusammenarbeit aber bisher gut funktioniert und diese ist, um es nochmals zu betonen, von größter Bedeutung für das Gelingen einer derartigen Maßnahme. Nun wollen wir noch einen Blick auf die Gründe für Sanktionsmaßnahmen werfen. KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 14 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger Verteilung nach Sanktionsgründen Regelverstöße 23% Offizielle, schriftliche Sanktionen wurden in erster Linie wegen Fehlzeiten verhängt! Fehlzeiten 77% Der Löwenanteil für die Gründe der offiziellen Sanktionen liegt also bei den Fehlzeiten, somit ist auch das regelmäßige Erscheinen die höchste Hürde für problematische Teilnehmer, die im Alltagsleben vielleicht keine Regelmäßigkeit haben, um nicht zu sagen eher chaotisch strukturiert sind. Hier ist das regelmäßige und pünktliche Erscheinen, Alltagstraining und Lernziel zugleich. So ist auch die Pünktlichkeit ein wichtiger Punkt im Kursgeschehen, der auch schon im Fünfminutenbereich registriert und eventuell zu Nachholzeiten kumuliert wird. Nur knapp ein Viertel der verwarnten Jugendlichen haben Probleme im allgemeinen Regelbereich, also verweigern zum Beispiel die Mitarbeit oder übertreten andere, der im Vertrag festgehaltenen, Regeln. Wer es also schafft, regelmäßig in das Training zu kommen, kann sich zum Großteil auch auf die Maßnahme einlassen und damit seine Auflage erfüllen. 3.2 Die Kursbilanz gemessen an der Straffälligkeit Da wir nur harte Daten berücksichtigen wollen, ist es für die Öffentlichkeit und für die großteils amtlichen Stellen natürlich nicht das Hauptkriterium, ob der Jugendliche erfolgreich sein Abschlußzertifikat bekommen hat, bzw. ein wichtiger persönlicher Prozeß eingeleitet wurde, sondern die Frage: Ist er nach der Maßnahme erneut mit einer Gewalttat straffällig geworden? Vom pädagogischen Gesichtspunkt aus, ist diese Tatsache natürlich anders zu bewerten und ein Rückfall in alte Verhaltensmuster nicht gleichzusetzen mit einem Scheitern der Maßnahme, die auf jeden Fall zur Eigenreflexion und Auseinandersetzung mit dem eigenen Gewaltverhalten geführt hat. Dies wäre bei herkömmlichen Strafen und Auflagen, wie Arbeitsstunden oder Arrest sicher nicht zum Tragen gekommen. Also die Maßnahme unterstützt so oder so, die Weiterentwicklung der Persönlichkeit. Leider wirkt oft Pädagogik nicht zeitgleich, sondern eher langsam und was im Kopf grundsätzlich angekommen ist, muß in der Streßsituation nicht unbedingt sofort positiv umgesetzt werden können. Eingeschliffene Verhaltensweisen zu verändern kann ein langwieriger Prozeß sein und geht oft nur in kleinen Schritten vor sich. Doch nun zu den Zahlen, die für sich sprechen, aber ohne Vergleichszahlen natürlich keine repräsentative Aussage über die Wirksamkeit bzw. Überlegenheit des NTT zu herkömmlichen Strafen machen kann und will. KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 15 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger Gewaltdelinquenz nach erfolgreichem Abschluß Unbekannt 3% ja 10% Die Gewaltdelinquenz ist nach erfolgreichem Abschluß des Kurses sehr signifikant gering! 87% nein Unter dem Kriterium Rückfälligkeit bzw. aktenkundige Gewalttat nach der Maßnahme ist die Erfolgsbilanz sehr erfreulich und überproportional hoch. Natürlich sind hier nur offizielle Straftaten erfaßt und es ist nicht gesagt, daß die Teilnehmer nun völlig gewaltfrei gehandelt haben. Trotzdem ist ein offensichtlicher Trend sichtbar, der für die Sinnhaftigkeit und den Erfolg der Maßnahme spricht. Ein erfolgreicher Abschluß korreliert also sehr eng mit der aktenkundigen Gewaltfreiheit. Interessant ist nun noch zu sehen, ob bestimmte Merkmale des Klientels einen erfolgreichen Abschluß begünstigen oder hemmen, um auch Rückschlüsse auf das Kurskonzept ziehen zu können. 4. Analyse der Voraussetzungen für den Erfolg Natürlich ist von großer Bedeutung, welche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen einen erfolgreichen Abschluß der Maßnahme begünstigen. Zuerst kommen wir zu dem schon erwähnten Faktor der Bewährungsauflage, welche einen massiven Druck von außen auf den jugendlichen Probanten bedeutet. Erfolgreicher Abschluß mit Bewährungsauflage Nicht abgeschlossen 46% KIDO-Der Weg für Kids Abgeschlossen 54% Berg/Werpel 2002 Knapp die Hälfte der Jugendlichen mit Bewährung schließen den Kurs nicht erfolgreich ab! Seite 16 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger Dieses Ergebnis ist überraschend, da die Jugendlichen mit Bewährung natürlich den meisten Druck von außen haben, nämlich letztlich den Bewährungswiderruf und damit Gefängnisstrafe bei Abbruch oder Ausschluß riskieren. Trotzdem ist die Bewährungsauflage als Motivationsmittel nur begrenzt wirksam. Bevor wir dies noch näher betrachten, schauen wir noch auf die Zahlen der Teilnehmer ohne Bewährung. Erfolgreicher Abschluß ohne Bewährungsauflage Nicht abgeschlossen Die Jugendlichen ohne Bewährungsauflage haben eine deutlich höhere Erfolgsquote als jene mit Bewährung! 20% abgeschlossen 80% Es wird deutlich, daß Jugendliche mit Bewährungsauflage deutlich schlechter abschneiden, als die restlichen Jugendlichen. Wie erklärt sich das? Die meisten Jugendlichen mit Bewährung sind auch Mehrfachtäter bzw. Intensivtäter, d. h. die Problematik der Jugendlichen ist sehr massiv ausgeprägt und oft über Jahre hinweg kultiviert. Die Bereitschaft zur Änderung, also die Eigenmotivation, ist oft begrenzt und die Abwehrmechanismen zum Schutz des eigenen Selbst- und Weltbildes stark ausgeprägt. Die individuelle Problematik ist bereits so verfestigt und internalisiert, das auch eine Haftandrohung als Motivation nicht mehr ausreicht. Abweichendes Verhalten oft von Kindheit an, Heimkarrieren, soziale Ausgrenzung und natürlich mangelnde Zukunftsperspektiven mit einhergehenden Phänomenen, wie fehlender Schulabschluß, keine Chance auf eine Lehrstelle, Suchtgefährdung, falscher Freundeskreis, keine Bezugspersonen, niederer Selbstwert bis zur Persönlichkeitsstörung usw., lassen eine Verhaltensänderung oft nicht zu. Das heißt auch, daß für diese Jugendlichen ein ambulantes soziales Training oft zu niederschwellig ist und letztlich nicht die geeignete Maßnahme darstellt. Der Zusammenhang zwischen Ausprägung der Problematik und Kurserfolg zeigt sich auch deutlich in der Statistik. KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 17 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger Erfolgsquote der Intensivtäter erfolgreich abgeschlossen 25% Nur ein Viertel der Intensivtäter schließt den Kurs erfolgreich ab! nicht erfolgreich abgeschlossen 75% Setzt man diese Zahlen in Relation zu den Mehrfachtätern sieht die Verteilung folgendermaßen aus: Erfolgsquote der Mehrfachtäter nicht erfolgreich abgeschlossen 32% Über zwei Drittel der Mehrfachtäter schließt den Kurs erfolgreich ab! 68% erfolgreich abgeschlossen Die Abschlußquote ist bei den Mehrfachtätern schon deutlich höher als bei den Intensivtätern und dieser Trend setzt sich auch bei den Ersttätern fort: KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 18 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger Erfolgsquote der Ersttäter nicht erfolgreich abgeschlossen 14% Die Ersttäter sind gemessen an den Kursabschlüssen die erfolgreichste Gruppe! 86% erfolgreich abgeschlossen Die Quote der Ersttäter liegt sogar drei Prozent über der Quote der Nicht-Straffälligen-Gruppe und noch einmal deutlich höher als die der Mehrfachstraftäter, darüber hinaus auch signifikant über der Gesamtquote (72 %). Man kann also einen eindeutigen Trend ablesen, daß die Maßnahme um so erfolgreicher abgeschlossen wird, je präventiver diese ansetzt. Je massiver die Gewaltdelinquenz und je später die Auflage in der Gewaltkarriere erfolgt, desto geringer die Erfolgsquote. Daraus läßt sich vor allem ableiten, daß für Intensivtäter die Maßnahme nur bedingt geeignet erscheint und ein engerer Rahmen (z. B. Sozialer Trainingskurs während einer Haftstrafe) notwendig ist, um eventuell auch inhaltlich und methodisch andere Schwerpunkte setzen zu können. Auch Repressalien wie Haftandrohung verbessern hierbei nicht grundsätzlich die Motivationslage, sondern es ist anzunehmen, daß die individuelle Problemlage mindestens genauso ausschlaggebend für die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Teilnahme ist. Umgekehrt ist feststellbar, daß die Maßnahme besonders gut bei Jugendlichen greift, die noch kein so langes, auch aktenkundiges Gewaltregister im Lebenslauf haben. Man könnte also ableiten, daß je früher, gemessen an der Gewaltproblematik, eine Kursteilnahme erfolgt, desto erfolgreicher können die Kursinhalte transportiert und aufgenommen werden. Dies sollte ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl zukünftiger Teilnehmer für den Kurs sein. 5. Fazit Insgesamt läßt sich festhalten, daß die Ergebnisse der Evaluation hinsichtlich der Effizienz und Sinnhaftigkeit der Maßnahme, sehr positiv und zufriedenstellend ausgefallen sind. Der Aufbau und die Methodik haben sich also bewährt. Insbesondere die individuelle Arbeit in kleinen Gruppen und der intensive Austausch mit allen Beteiligten hat wohl zu dem positiven Ergebnis beigetragen. Hauptproblem im Kurs sind vor allem Jugendliche mit zu vielen Fehlzeiten und mangelnder Eigenmotivation. Jugendliche, welche den Kurs erfolgreich absolvieren, bleiben, wie oben ausgeführt, bisher mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch im Gewaltbereich straffrei. Um die Ausschluß- bzw. Abbruchquote weiter zu senken, muß die Auswahl der Teilnehmer noch genauer erfolgen. Ein deutliches Ergebnis zeigt hier die Analyse nach Straffälligkeit. KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 19 von 20 Evaluation des No-Trouble-Trainings Die Rummelsberger Hieraus kann man entnehmen, daß die Maßnahme erfolgreicher eingesetzt werden kann, wenn die Straffälligkeit im Gewaltbereich noch nicht verfestigt ist, d. h. je früher präventiv eingegriffen wird, desto besser die Erfolgsaussichten. Wichtig erscheint hierbei auch eine Kombination zwischen Strafe (z. B. Geldstrafe, Arbeitsstunden, Arrest etc.) und dem AntiGewalt-Training als Verhaltenstraining. Also nicht Therapie statt Strafe, sondern Verhaltenstraining und (niedrigere) Strafe, scheinen, außer dem eigenem Leidensdruck und hoher Eigenmotivation, die besten Ergebnisse zu bringen. Eine Mischung aus innerer Eigenmotivation (Schubtheorie) und äußerer sozialer Motivation (Zugtheorie) ist somit das ideale Erfolgsrezept. Ist die Eigenmotivation gering, müssen die äußeren Anreize erhöht werden. Die Jugendlichen, die zu den ersten Einheiten regelmäßig kommen, schaffen meist auch den ganzen Kurs, da oft über die Inhalte und die wachsende Beziehung, auch die Eigenmotivation gesteigert werden kann. Die äußeren Motivationsfaktoren haben aber auch ihre Grenzen, wie man im Bereich der Bewährungsauflagen sieht. Trotzdem wäre natürlich ohne diese Auflagen gar keine Auseinandersetzung mit der Problematik erfolgt. So wird man insgesamt immer mit einem gewissen Prozentsatz an Aussteigern rechnen müssen, da man manchen Jugendlichen kurz vor dem Gefängnisaufenthalt, einfach auch die Chance geben muß, es auszuprobieren. Allerdings sollte bei sehr problematischen Jugendkarrieren wirklich eine hohe Eigenmotivation vorhanden sein, damit auch wirklich die Chance auf einen erfolgreichen Kursabschluß besteht. Eine reine Zwangsverpflichtung mit Widerstand des Teilnehmers wird ab einer bestimmten Delinquenzschwelle mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen, um einen positiven Verlauf zu gewährleisten. Als Fazit ist unserer Meinung nach festzuhalten, daß eine Kombination Strafe und Verhaltenstraining, für die individuelle Problematik im Gewaltbereich im Jugendalter, in jedem Fall einer reinen Strafmaßnahme mit Sühne- oder Abschreckungscharakter vorzuziehen ist. Denn die Auseinandersetzung mit den Gewalttaten, der eigenen Lebenssituation und Zukunftsperspektive wird letztlich nur über eine pädagogisch-therapeutische Arbeit gewährleistet und nur bedingt über Haft oder Arbeitsstunden. So kann das NTT im richtigen Moment, nämlich frühzeitig eingesetzt, vielleicht die eine oder andere Knastkarriere verhindern, da es letztlich um eine Einstellungs- und Werteänderung geht, welche nicht über reine Strafe erreicht werden kann, sondern nur im direkten Austausch und Dialog mit den Jugendlichen. Hierzu gehört außer der Konfrontation und dem Eingestehen ihres Fehlverhaltens, natürlich auch die Planung und das Entwerfen neuer Zukunftsperspektiven. So soll in der Zukunft die Vernetzung mit anderen Hilfsangeboten noch weiter vorangetrieben (Psychologen, Beratungsstellen, Heime, Ausbildungsbetriebe usw.) werden, um diesen wichtigen Bereich noch besser abdecken zu können. Denn die Chance auf eine gesicherte Existenz und soziale Zukunft ist für ein gewaltfreies Leben ebenso wichtig, wie die Fortschritte in der individuellen Persönlichkeitsentwicklung. Auch die Rückmeldungen der Jugendlichen, welche nicht Gegenstand dieser Untersuchung waren, ermutigen uns in dieser Richtung. KIDO-Der Weg für Kids Berg/Werpel 2002 Seite 20 von 20