Alfred Wegener

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Kontinente in Bewegung
Auf der Suche nach einer "Theorie der Erde"
"Völliger Bödsinn!" - so wie der Präsident der angesehenen
amerikanischen philosophischen Gesellschaft reagierte die Mehrheit
der wissenschaftlichen Welt 1912 auf eine Veröffentlichung des
deutschen Meteorologen und Polarforschers Alfred Wegener.
Alfred Wegener
© Berkeley Universit
Er stellte darin die revolutionäre These auf, dass die Kontinente nicht
unverrückbar an immer der gleichen Stelle der Erkruste bleiben, sondern im
Laufe der Erdgeschichte ihre Lage verändern können.
Damit stieß der junge Forscher in ein Wespennest und löste einen Skandal von fast Galileoschen
Ausmaßen aus. Seine kühne Idee von den wandernden Kontinenten widersprach so ungefähr allem, was
in der damaligen Geowissenschaft als Paradigma galt. Entsprechend heftig waren die Reaktionen.
Doch was war dieser Entdeckung Wegeners vorausgegangen, welche Vorstellungen von der Erde hate
man zu seiner Zeit? Und wie kam er zu seinem visionären Konzept?
Stillstand oder Bewegung?
Ein "Quereinsteiger" sorgt für Aufruhr
Heute ist sie eine Selbstverständlichkeit, gehört zu unserem Bild der Welt: Die Idee, dass die
Erdoberfläche nicht starr und unbeweglich ist, sondern in fortwährender Bewegung. Schon in der Schule
lernen wir, dass Kontinente wandern und miteinander kollidieren, dass dadurch Gebirge wachsen,
Vulkane entstehen und die Erde bebt.
Plattentektonik
© USGS
Doch noch bis vor 40 Jahren waren diese Gedanken geradezu revolutionär.
Sie widersprachen allem, was zu diesem Zeitpunkt als gegeben angesehen
wurde. Als der Meteorologe und Polarforscher Alfred Wegener 1915 sein Buch
"Die Entstehung der Kontinente und Ozeane" veröffentlichte, und darin
erstmals von einer Bewegung der Kontinente ausging, sorgte er für einen
Eklat. Die Reaktion in Wissenschaftlerkreisen glich der Empörung bei der
Veröffentlichung von Darwins "Vom Ursprung der Arten".
Wie Darwin rüttelte auch Wegener an den Grundfesten des zur damaligen Zeit herrschenden Weltbilds,
auch er musste Ablehnung, beißenden Sott und wüste Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Die
Mehrheit der Wissenschaftlerkollegen weigerte sich, Wegeners Theorie überhaupt ernst zu nehmen,
schrieb sie als Ideen eines "inkompetenten Quereinsteigers" der Geowissenschaften ab. Die Vorstellung,
Teile der festen Erdkruste könnten umherwandern, galt als absurd, widersprach allem, was bisher als
richtig und gegeben galt.
Fast ein halbes Jahrhundert sollte es dauern, bis neue Vermessungen und Forschungen Wegener
rehabilitierten und seine Theorie bestätigten - doch der Pionier und Polarforscher erlebt diesen Triumph
nicht mehr. Er lag zu diesem Zeitpunkt bereits 30 Jahre in einem kalten Grab in den Eiswüsten
Grönlands. Doch was machte diese Theorie der "wandernden Kontinente" so revolutionär? Warum wehrte
sich die wissenschaftliche Welt so lange und vehement gegen die doch scheinbar so einleuchtenden
Erklärungen?
Auf der Suche nach einer "Theorie der Erde"
Descartes und die Anfänge eines geologischen Weltbildes
Mit dem Ende des Mittelalters und dem langsamen Entstehen der modernen Wissenschaften im 17.
Jahrhundert begannen Forscher und Gelehrte mehr und mehr, nach einer "Theorie der Erde" zu suchen einer glaubwürdigen Geschichte, die erklären konnte, wie die Erde, und mit ihr Gebirgsketten, Gräben
und andere auffallende Phänomene entstanden sein könnten.
Descartes Theorie des
Erdaufbaus
© Royal Society
Der französische Philosoph René Descartes war einer der ersten, die sich von
einer rein biblisch geprägten Schöpfungsgeschichte zu lösen begannen und
eine eigene Theorie aufstellten. Nach dieser hatte sich die Erde aus einem
Stern gebildet, der durch zunehmende Ansammlung von Sonnenflecken einer Art Schlacke - langsam erkaltete. Dabei bildeten sich verschiedene
abwechselnd flüssige und feste Schichten, in denen auch Hohlräume
vorhanden waren. Brachen solche Hohlräume ein, kollabierten auch die
darüberliegenden Strukturen der Erdkruste und falteten sich dabei auf - ein
Gebirge entstand.
Mit dieser "Hohlraumtheorie" bot Descartes immerhin eine mögliche Erklärung für die Entstehung der
Gebirge und postulierte sogar schon das Vorhandensein von unterschiedlichen Erdschichten. Doch warum
waren die Gebirge dann nicht gleichmäßig auf der Erde verteilt sondern traten gehäuft in Zügen und
Bergketten auf? Und wie war zu erklären, dass die Überreste von einstigen Meeresbewohnern auch auf
dem Festland gefunden worden waren?
Mit diesen Fragen befasste sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts auch der englische Universalgelehrte
Robert Hooke, Zeitgenosse und Gegner des Physikers Isaak Newton. Er war der erste, der erkannte, dass
die Schichten der Erde und die in ihnen enthaltenen Objekte eine Art Chronik der Erde darstellten, dass
aus ihrer Lage und Beschaffenheit Informationen über die Erdgeschichte abzulesen waren. Aus der
Tatsache, dass er auch im Binnenland, Kilometer von jedem Meer entfernt, Fossilien von
Meereslebewesen fand, schloss er, dass sich im Laufe der Erdgeschichte die Verteilung von Land und
Wasser verändert haben musste.
Hooke stellte eine eigene "Theorie der Erde" auf, nach der sich die Pole der Erde großräumig verschoben.
Dabei sollten sich die Äquatorialregionen der Erde langsam in Richtung der Pole und die Pole langsam in
Richtung des Äquators bewegen. Bei dieser Bewegung würden sich die Kräfte, die auf die Landmassen
wirkten, wegen der unterschiedlich starken Zentrifugalkraft schrittweise verändern. Als Folge könnten
Erdschichten sich verschieben oder zusammenbrechen, Erdbeben entstehen und Teile des Landes ins
Meer absinken oder angehoben werden.
Da jedoch auch Hooke, wie noch alle seine Zeitgenossen, glaubte, die Erde sei bestenfalls einige Tausend
Jahre alt, hätten diese umwälzenden Ereignisse in einem unwahrscheinlichen Tempo stattfinden müssen.
Folglich setzte sich die Idee der Polwanderung nicht durch und geriet bald wieder in Vergessenheit. Doch
Hooke hatte mit dieser Idee einer sich wandelnden Erde bereits den Weg beschritten, auf mehr als zwei
Jahrhunderte später auch unser heutiges Weltbild basiert.
Feuer oder Wasser?
Streit um die "Hauptrolle" bei den geologischen Veränderungen
Im 18. Jahrhundert konzentrierte sich die Suche nach einer "Theorie der Erde" vor allem auf die Frage
nach den Entstehungsmechanismen der beobachteten Landschaftsformen und Phänomene. Gelehrte und
Forscher teilten sich dabei in zwei Lager. Die einen sahen in der Kraft des Wassers und der Meere den
ausschlaggebenden Faktor für geologische Veränderungen, während andere eher das Feuer, die Hitze
des Erdinneren, favorisierten.
Die formende Wirkung des Wassers - als Regen, in den Flüssen und
Weltmeeren - war leicht zu erkennen. Aber auch die Macht des Feuers, in
Form von Vulkanen, galt vor allem für die Bewohner des Mittelmeerraums als
ein wichtiger Verursacher dramatischer Umwälzungen. Doch welche der
beiden Kräfte spielte bei der Gestaltung der Erde die Hauptrolle? Oder hatten
doch beide die selbe Bedeutung?
Einer der Wissenschaftler, die zwar den feurigen Ursprung der Erde in den
Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellten, aber auch dem Wasser breiten Raum
gaben, war der deutsche Universalgelehrte Gottfried Willhelm Leibnitz. 1749
veröffentlichte er seine Theorie unter dem Titel "Progaea". Ähnlich wie Descartes nahm auch er an, dass
die Erde aus einem Stern entstanden sei und sich abgekühlt habe. Teile der Erdkruste seien dabei
eingestürzt und die Meere bildeten sich.
Vulkanausbruch
© NASA
Nach seinen Vorstellungen sollte die Wirkung des Wassers das ursprüngliche Material weiter
aufgebrochen und verändert haben, Fossilien in Gesteinen erklärte er mit sintflutartigen Ereignissen. Mit
dieser Theorie war Leibnitz gleichzeitig auch der Erste, der zwischen Gesteinen, die auf die Entstehung
der Erde zurückgingen, und Sekundärgesteinen, die erst durch Verwitterung und Erosion dieses
Urgesteins entstanden, unterschied.
Einer der führenden strengen "Feuer-Theoretiker" war der schottische Geschäftsmann und
Naturwissenschaftler James Hutton. Er interessierte sich in erster Linie für die Hitze des Erdinneren und
ihre Auswirkungen auf die Veränderungen der Erde. Er erklärte 1749 die Entstehung von Vulkanen und
Gebirgen mit einer Ausdehnung des geschmolzenen inneren Erdmaterials. Bräche das geschmolzene
Material dabei durch die darüberliegende Erdkruste, entstünden dort Vulkane, hebe es die Kruste nur in
die Höhe, seien Gebirgszüge die Folge. Im Gegensatz zu Leibnitz war Hutton davon überzeugt, das kein
an der Erdoberfläche gefundenes Gestein echtes "Urgestein" sein könne, da Aufstiegs und
Erosionsprozesse die Erdoberfläche fortwährend veränderten.
Zeitgleich mit Leibnitz und Hutton beschäftigte sich auch ein französischer Naturforscher, der Comte de
Buffon, mit der Frage nach den Ursachen der Geologie. Auch er ging von einer sich langsam abkühlenden
Erde und großen Hohlräumen in der Erdkruste aus, gehörte jedoch eher zu den "Wasser-Theoretikern".
Er sah in Meeresströmungen "unter dem Meer" die ausschlaggebende Ursache für die Veränderungen der
Landmassen. Unter dem Einfluss der Erdrotation und der Strömungen würden sich, so glaubte Buffon,
am Meeresboden die Sedimente zu gewaltigen Gebirgszügen auftürmen. Diese Gebirge traten an die
Oberfläche und wurden zu Festland, wenn Wassermassen in die großen, ab und zu einstürzenden
Hohlräume der Erdkruste eindrang und der Meeresspiegel dadurch absank.
Als einer der ersten beschrieb Buffon auch die Ähnlichkeiten zwischen den urzeitlichen Tieren
Nordamerikas und Eurasiens und schloss daraus auf frühere Landverbindungen zwischen beiden
Kontinenten. Er glaubte, dass in einem der letzten katastrophalen Großereignisse der Erdgeschichte
diese Landbrücke über den Atlantik eingestürzt und abgesunken sei. Die Idee einer solchen Landbrücke
als Erklärung für biogeographische Besonderheiten sollte sich noch bis weit in das 20. Jahrhundert
halten.
Von schrumpfenden Äpfeln und Dodekaedern
Wie entstehen Gebirge?
Eine der immer wiederkehrenden Fragen in allen "Theorien der Erde" war die Entstehung der Gebirge.
Für die Theoretiker des 18. Jahrhunderts wie Buffon oder Leibnitz waren sie urzeitliche Gebilde aus der
Entstehungszeit der Erde. Für Hutton, den Verfechter der Feuertheorie, entstanden sie dagegen
fortwährend neu. Sie waren Teile der Erdkruste, die durch unterirdische Verlagerung von Magma
angehoben worden waren und erst später durch Verwitterung und Erosion ihr heutiges Gesicht erhielten.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erhielt die bis dahin vorwiegend theoretische
Diskussion durch die zunehmende Feldforschung neue Impulse. Im
Mittelpunkt der Überlegungen stand dabei die Frage, wie und warum die
Gebirge der Erde so ungleichmäßig verteilt waren, und zu welcher Zeit sie
entstanden sein könnten. Unter den Gelehrten, die sich mit diesen Problemen
befassten, war auch der Forschungsreisende und Universalgelehrte Alexander
von Humboldt. Auf seiner Südamerikareise 1801 erforschte er nicht nur die
Tier- und Pflanzenwelt dieses Kontinents.
Er erkundete auch die Lage und Ausrichtung von Gebirgsketten und suchte
dabei nach einem übergeordneten Muster, einer Analogie zwischen dem
Verlauf von Küstenlinien und den Gebirgszügen in verschiedenen Ländern. Er
entdeckte Anzeichen dafür, dass Gebirgszüge bevorzugt in bestimmte Richtungen verliefen und dass sie
durch gewaltige, aus dem Erdinneren heraus wirkende Kräfte entstanden sein müssten.
Alexander von Humboldt
© NDR
Basierend auf den Bobachtungen Humboldts und anderer Feldforscher entwickelte der Franzose Elie de
Beaumont, Professor am Collège de France, eine Theorie zur Gebirgsbildung, die für weite Teile des 19.
Jahrhunderts zum tonangebenden Paradigma werden sollte. Schon 1829 hatte de Beaumont festgestellt,
dass die Gebirge nicht alle gleich alt waren, sondern es offenbar mehrere Hauptphasen der
Gebirgsbildung gegeben haben musste. Seine Erklärung dafür war einfach: Als die Erde langsam
abkühlte, zog sie sich zusammen, so dass die feste Kruste sich von Zeit zu Zeit verwarf und verzog wie
die Schale eines Apfels. Im Unterschied zur Apfelanalogie glaubte Beaumont jedoch, dass diese
Verrunzelungsbewegungen plötzlich aufgetreten und mit Flutwellen und anderen Katastrophen
einhergegangen seien.
Doch wie war die ungleichmäßige Verteilung der Gebirge zu erklären? Wie schon Humboldt ging auch de
Beaumont davon aus, dass die Gebirgszüge der Erde nicht willkürlich angeordnet waren, sondern dass
ihrer Entstehung bestimmte zeitliche und räumliche Muster zugrunde lagen. Aus den Berichten und
Karten der Forschungsreisenden und Feldforscher glaubte Beaumont zu erkennen, dass sich die
Gebirgsbildungszonen der Erde in fünfzehn Halbkreisen um den Globus zogen. Aus Kreuzungen dieser
Halbkreise ergab sich wiederum ein Netz aus zwölf Fünfecken, das sogenannte "Pentagonalnetz".
Obwohl diese Hypothese kaum von Fakten untermauert werden konnte, setzte sie sich zunächst durch nicht zuletzt dank der herausragenden Stellung Beaumonts in der wissenschaftlichen Gemeinschaft.
Reste dieser Apfeltheorie blieben, wenn auch in veränderter Form, bis ins 20. Jahrhundert hinein
erhalten.
Faltungen, Eisberge und einseitige Kräfte
Das Rätsel der Gebirgswurzeln
Auch wenn die Theorie des "schrumpfenden Apfels" nach wie vor die Grundlage der meisten geologischen
Überlegungen bildete, im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde immer deutlicher, dass sie zur Erklärung der
Gebirgsentstehung nicht ausreichte. Es musste noch andere Kräfte und Bewegungen geben, die die
merkwürdigen Faltungen und Verwerfungen der Alpen, Anden und Appalachen erklären konnten.
Besonders die komplexen Formationen in den Alpen gaben den Geologen
Rätsel auf. Die gefalteten und teilweise überkippten Gesteinsschichten waren
teilweise auffällig nach Norden gekippt, wie Wellen an einem Strand zeigten
sie in eine Richtung. Diese Beobachtung widersprach der gängigen Annahme,
Gebirge seien durch Stauchung und Zusammendrücken der Gesteine beim
Schrumpfen der Erdkruste entstanden. Stattdessen legten sie den Gedanken
nahe, dass hier einseitig wirkende seitliche Verschiebungen am Werk
gewesen sein mussten.
Und noch eine weitere Beobachtung warf Probleme auf: Im Zuge der
Vermessung Indiens wurde die gewaltige Größe und Ausdehnung des
Himalaya-Massivs immer deutlicher. Wie konnten diese aufgetürmten
Materialmengen nur durch Schrumpfen der Kruste erklärt werden? Und warum blieb ein solcher Koloss
von einem Gebirge auf der nur dünnen Erdkruste, ohne in das glutflüssige Innere der Erde einzusinken?
Entstehung von Gebirgen
© MMCD
Die einzige plausible Erklärung war die, mit der der Geologe und Astronom G.B. Airy aufwartete: Er
verglich die Gebirge mit Eisbergen, und stellte fest, dass sie unter der Oberfläche tiefreichende "Wurzeln"
haben mussten, die sie im Gleichgewicht hielten. Zusätzlich aber müsse es einen Unterschied in der
Dichte des Materials geben, damit die Berge auch wie Eisberge auf dem flüssigen Magma schwimmen.
Tatsächlich schienen die Gesteinsschichten unter den Gebirgen erheblich dicker zu sein, als die dünnen
Ablagerungen auf dem Meeresgrund. Und auch ein Dichteunterschied zeigte sich: Die ozeanischen Böden
bestanden meist aus dunklem basaltischen Gestein hoher Dichte, während in den Gebirgen meist helles
Granitgestein geringerer Dichte überwog. Doch wie waren diese Unterschiede zustande gekommen? Der
"schrumpfende Apfel" allein lieferte dafür keinerlei Erklärung...
Jede Menge ungelöster Rätsel...
Die Situation zur Zeit Wegeners
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das vorherrschende Bild der Erde noch immer von der Idee der
Stabilität geprägt. Viele Wissenschaftler hielten die Aufteilung der Eroberfläche in Meeresbecken und
Kontinente für seit Urzeiten vorhanden und unabänderlich. Veränderungen waren ihrer Ansicht nach nur
durch die Abkühlung des heißen Erdinneren und die damit verbundene Schrumpfung der Erde für
möglich. Andere sahen die Ursache für Gebirgsbildungen, Ablagerungen von Sedimenten und anderen
Phänomenen in einem unregelmäßigen Auf und Ab von Teilen der Erdkruste.
Bei allen Unterschieden war es bisher jedoch keinem dieser Erklärungsversuche gelungen, die immer
neuen Beobachtungen und Erkenntnisse, die die Geoforscher gewannen, zufriedenstellend zu erklären.
Dazu gehörte auch die schon von Humboldt und anderen Forschern gemachte Beobachtung, dass die
Küstenlinien Südamerikas und Afrikas, aber auch die Umrisse anderer Kontinente und Inseln auffallend
gut zusammenpassten. Auch die Tier und Pflanzenwelt einiger Kontinente und Landstriche zeigte
deutliche Übereinstimmungen.
Ein Versuch, dieses Phänomen der Biogeographie zu erklären, stellte die Theorie der "Landbrücken" dar.
So sollten zu unterschiedlichen Zeiten in der Vergangenheit mehr oder weniger breite Landverbindungen
zwischen den Kontinenten das Ein- und Auswandern von Pflanzen und Tieren ermöglicht haben. Durch
Absenken dieser Brücken sei dann schließlich die heutige Trennung der Kontinente entstanden. Diese
Hypothese vermochte allerdings weder die klimatischen Veränderungen, noch die widersprüchlichen
Befunde aus der Struktur der Ozeanböden zu erklären.
Eine andere ungelöste Frage warf die noch junge Wissenschaftsrichtung der
Seismologie auf: Bei der Aufzeichnung von Erdbebenwellen zeigte sich, dass
Erdbeben keineswegs gleichmäßig verteilt auftraten, sondern sich in
bestimmten Regionen häuften. Wie Gürtel zogen sich diese Bereiche
seismischer Aktivität um die Erde und an den Rändern der Kontinente
entlang. Wie war diese Häufung zu erklären?
Erdbebenverteilung
© USGS
Der Geologe Hugo Benioff vom kalifornischen Institute of Technology fand in
seinen Untersuchungen Hinweise auf "abnorme" Verwerfungen und
Bruchflächen, die sich in ozeanischen Regionen und an den Rändern von Kontinenten erheblich
voneinander unterschieden. Außerdem zeigten die seismischen Messungen, dass die Erdkruste nicht, wie
früher angenommen, auf einem glutflüssigen Erdinneren schwamm, sondern dass auch der Erdmantel
weitgehend fest sein musste.
In diese scheinbar so verfahrene und verworrene Situation platzte ein junger deutscher Wissenschaftler,
der sich zwar bereits als Meteorologe und Polarforscher einen Namen gemacht hatte, in den
Geowissenschaften aber höchstens als "Quereinsteiger" gelten konnte - Alfred Wegener.
Die "Bombe" platzt
Wegener präsentiert seine Theorie
Paradoxerweise erhielt Alfred Wegener den Anstoß für die Theorie der Platentektonik ausgerechnet von
der Landbrücken-Theorie, der er später so vehement widersprechen sollte. Wegener hatte gerade seinen
Posten als Dozent für Meteorologie und Astronomie an der kleinen Universität von Marberg angetreten,
als er 1910 in der Bibliothek auf eine Reihe von Veröffentlichungen zu den Landbrücken stieß. In ihnen
wurden ausführlich die Fossilien beschrieben, die beiderseits des Atlantiks gefunden worden waren und
die das Bestehen einer Landverbindung zwischen Südamerika und Afrika beweisen sollten.
Wegener war von diesen Übereinstimmungen fasziniert und suchte nun auch
in anderen Berichten nach weiteren Indizien für Ähnlichkeiten zwischen
beiden Kontinenten. Seiner zukünftigen Frau schrieb der junge Meteorologe
wenig später begeistert: "Passt nicht die Ostküste Südamerikas genau in die
Westküste Afrikas, als wenn sie einmal Teil eines Ganzen gewesen wären?
Dies ist ein Gedanke, den ich verfolgen muss..."
Und genau das tat Wegener. Je mehr er sich mit dem Thema befasste, desto
klarer wurde ihm jedoch, dass die herrschende Lehrmeinung falsch sein
Alfred Wegener
© Berkeley University
musste. Er schrieb seinem zukünftigen Schwiegervater, dem anerkannten
Klimatologen Wladimir Köppen: "Wenn die Geschichte der Erde plötzlich eine
völlig neue und sinnvolle Deutung nahelegt, warum sollten wir dann zögern, die alten Ansichten über
Bord zu werfen?" Zwei Wochen später trat er zum ersten Mal mit einer radikal neuen Sicht der Dinge ans
Licht der Öffentlichkeit.
Auf einer Tagung der Geologischen Gesellschaft in Frankfurt verwarf er die gängige Theorie der
Landbrücken und präsentierte statt dessen seine Vision von wandernden Kontinenten und sich
aufweitenden Meeren. Für ihn war klar, dass allein schon die unterschiedliche Beschaffenheit von
Ozeanboden und Kontinentalplateaus ein längerfristiges Versinken von Landverbindungen extrem
unwahrscheinlich machte. Durch die geringere Dichte der Landmassen hätten die Brücken wie ein Korken
auf dem Wasser immer wieder an die Oberfläche schwimmen müssen. Weil aber Fossilienfunde und
geologische Formationen andererseits eine frühere Verbindung der Kontinente eindeutig belegen, musste
es eine andere Erklärung geben - die Wanderung der Kontinente selbst.
Die Reaktion der Wissenschaftlerkollegen auf diese revolutionäre Idee war ebenso eindeutig wie einhellig
- Ablehnung auf der ganzen Linie. Als "Völliger Blödsinn" bezeichnete sie der Präsident der
amerikanischen Philosophischen Gesellschaft, Rollin Chamberlin, Geologe der Chicagoer Universität
erklärte: "Wegeners Hypothese ist von der eher oberflächlichen Sorte. Sie nimmt sich einige Freiheiten
mit unserem Globus heraus, ohne sich von lästigen Fakten binden zu lassen."
Auf tönernen Füßen....
Ablehnung und Kritik
Doch was war der Grund für diesen fast einhelligen und heftigen Widerstand gegen Wegener und seine
Theorie? Immerhin konnte er mit seiner Theorie nicht nur die erstaunlichen biogeographischen
Übereinstimmungen zwischen den Kontinenten erklären, sondern bot sogar eine dringend benötigte
Erklärung für die Entstehung von Gebirgen im Inneren von Erdteilen an.
Bisherige Theorien deckten zwar die Auffaltung von Randgebirgen ab, griffen aber bei Gebirgszügen wie
dem Ural oder dem Himalaya ins Leere. Wegener dagegen postulierte, dass der Ural Rest einer lange
zurückliegenden Kontinentkollision war, der tektonisch aktive Himalaya dagegen das Ergebnis eines
verhältnismäßig jungen Zusammenstoßes. Heute ist dies eine selbstverständliche und eingängige
Vorstellung, zu Wegeners Zeit aber sorgte sie für einen Eklat.
Dieser Proteststurm und Widerstand war um so erstaunlicher, als dass die Idee von sich bewegenden
Kontinenten ja keineswegs neu war: Schon 1596 hatte der holländische Kartograph Abraham Ortelius
angedeutet, dass Amerika durch "Erdbeben und Fluten" von Europa und Afrika fortgerissen worden sei
und fuhr fort: "Die Spuren dieser Risse enthüllen sich, wenn man eine Weltkarte betrachtet und die
Küsten der drei Kontinente miteinander vergleicht."
Was war also an Wegeners Theorie so skandalös? Ein Problem Wegeners war, dass seine Theorie zwar
eine plausible Erklärung für eine ganze Reihe von Phänomenen der Erdgeschichte bot, sie aber
andererseits auf tönernen Füßen stand: Sie konnte keinen überzeugenden Mechanismus dafür liefern,
wie und warum sich die Erdteile bewegen. Wegener ging davon aus, dass die leichteren Kontinente auf
einer Schicht aus dichterem Material schwammen und sich durch dieses "hindurchpflügen" konnten wie
Eisberge durch dünnes Packeis.
Als Motoren für diese Bewegung konnte Wegener nur Unterschiede in der Zentrifugalkraft und den
Gezeiten benennen - Kräfte, die viel zu schwach waren, um so umwälzende Auswirkungen zu haben. Ein
Wissenschaftler kalkulierte damals, dass eine Gezeitenkraft, die stark genug wäre, um ganz Kontinente
zu bewegen, die Erdrotation in weniger als einem Jahr zum Stillstand bringen würde. Gegner kritisierten
zudem, dass ein Pflügen der Erdteile durch die ozeanische Kruste, wie Wegener sie vorschlug, die
Kontinente bis zu Unkenntlichkeit verformt hätte.
Ein weiterer Schwachpunkt von Wegeners Theorie war der Zeitrahmen, den er für die Wanderung setzte.
Aufgrund von Fehlern in seinen ursprünglichen Daten kam er in seinen Berechnungen zu dem Schluss,
dass Nordamerika und Europa um mehr als 250 Zentimeter pro Jahr auseinander driften - mehr als dem
zehnfachen der schnellsten heute bekannten Plattenbewegung und mehr als dem hundertfachen der
tatsächlichen Wanderungsgeschwindigkeit beider Platten.
Doch trotz aller Schwächen in Teilen seiner Theorie war das, was Wegener den Geoforschern in
Vorträgen und 1915 in seinem Buch "Die Entstehung der Kontinente und Ozeane" darlegte, eine
visionäre und wegweisende Vorstellung. Auch wenn die Mehrheit der Wissenschaftler die Ideen als nicht
ernstzunehmend verwarfen, gab es doch einige Forscher, die Wegener unterstützten und selber
begannen, nach Hinweisen auf die Wanderung der Kontinente zu suchen....
Die Konvektion kommt ins Spiel
Wegener erhält Unterstützung
Einer der ersten Unterstützer Alfred Wegeners war der südafrikanische Geologe Alexander du Toit.
Angeregt durch die Veröffentlichungen Wegeners reiste der Forscher 1923 eigens über den Atlantik nach
Südamerika, um dort Gesteinsformationen und deren Zusammensetzung mit denen Südafrikas zu
vergleichen. Er stieß auf zahlreiche Übereinstimmungen, die ihn zu einem überzeugten Anhänger einer
Kontinentalbewegung machten. In seinem 1937 erschienenen Buch "Our wandering continents"
beschrieb er nicht nur die Grundzüge der Kontinentalverschiebung, sondern setzte sich auch mit den
möglichen Ursachen für die Plattenbewegung auseinander.
Zirkulation im Kochtopf
© MMCD
Schon einige Jahre zuvor hatte der Geologe Arthur Holmes die Vermutung
geäußert, die Bewegung der Kontinente könne auf gewaltige langsame
Konvektionsströmungen im Erdinneren zurückgehen. Ähnlich wie in einem
Topf mit kochendem Wasser steigen dabei heißere Gesteinsmassen aus dem
Tiefen der Erde langsam auf, während kühlere Gesteine langsam absinken.
Im Gegensatz zu heutigen Erkenntnissen ging Holmes jedoch noch davon
aus, dass die aufsteigenden Strömungen des heißen Magma unter den
Kontinenten lagen und die Absinkbewegungen unter den Meeren stattfanden.
Für du Toit war die Idee einer solchen Konvektion eine überzeugende Antwort auf die Frage nach dem
Motor der Plattenbewegung. Sie hatte den entscheidenden Vorteil, dass sich die Erdteile dabei nicht, wie
Wegener es noch vorschlug, mühsam durch die ozeanische Kruste pflügen mussten, sondern auf dem
Rücken der Konvektionsströmungen reiten konnten.
Doch wie schon bei Wegener wurde auch du Toits Theorie zwar zu Kenntnis genommen, aber in der
internationalen Fachwelt noch immer weitestgehend ignoriert. Zu stark waren die Vorbehalte der
althergebrachten statischen Vorstellungen von der Erde, zu dünn noch immer die Beweise.
"Und sie bewegen sich doch..."
Der späte Sieg der Plattentektonik
Der "Bann", mit dem die meisten Geowissenschaftler Wegeners Theorie belegt hatten, sollte noch einige
Jahrzehnte anhalten. Bis in die 60er Jahre hinein favorisierten die tonangebenden Gesellschaften und
Forscher noch immer die Theorie der Landbrücken, trotz aller ihrer Defizite und Mängel. Doch mit immer
neuen Forschungsergebnissen und vor allem der systematischen Erkundung der Meeresböden, begann
sich dies langsam zu ändern.
Mittelozeanische Rücken
© USGS
Den Anstoß gaben schon 1925 die Funde des deutschen Forschungsschiffs
Meteor, das bei regelmäßigen Echolotmessungen in der Mitte des Atlantiks
auf einen langgestreckten Gebirgszug stieß. Dieser mittelatlantische Rücken
erstreckte sich vom Norden bis in den Südwesten Afrikas. Später zeigte sich,
dass solche mittelozeanischen Rücken sich wie die Nähte eines Tennisballs
rings um die Erde ziehen. 1953 entdeckten die amerikanischen Physiker
Maurice Ewing und Bruce Heezen im Zentrum jedes dieser
Unterwassergebirge auf tiefe Gräben, die Rifttäler, entlang derer sich
Erdbeben und Vulkanismus häuften. Schon bald assoziierte man diese
Gräben mit Brüchen in der Kruste der Erde.
Bestätigt wurden diese Annahmen durch die Forschungen des amerikanischen Geologen Harry Hess, der
sich angesichts der neuen Erkenntnisse seiner eigenen, schon kurz nach dem zweiten Weltkrieg
durchgeführten Forschungen erinnerte. Damals hatte er bereits hunderte von seltsamen, vulkanartigen
Bergen mit abgeflachten Kuppen in der Nähe der mittelozeanischen Rücken beobachtet, die er Guyots
taufte. Bis 1960 hatte er eine Hypothese entwickelt, nach der das erdumspannende System der
mittelozeanischen Rücken nichts anderes war, als der Ort, an dem neuer Ozeanboden entstand.
Durch Risse in der Erdkruste gelangte an diesen Stellen heißes Magma an die Oberfläche und drückte
den bestehenden Meeresboden zu beiden Seiten auseinander. In den Tiefseegräben sinke das erkaltete
Material langsam wieder in die Tiefe. Wie ein Förderband könne diese Bewegung ohne Probleme auch die
aus leichterem Material bestehenden Kontinente Huckepack mit sich tragen. Oder wie Hess es beschrieb:
"Die Kontinente pflügen nicht unter Einwirkung unbekannter Kräfte durch die ozeanische Kruste, sie
reiten passiv auf Mantelmaterial, das am Kamm des Rückens an die Oberfläche kommt und sich dann
seitwärts davon weg bewegt."
Wenn sich diese Hypothese noch durch andere Daten bestätigen ließ, war einer der Motoren für
Wegeners Theorie der Plattentektonik gefunden. Und genau diese Daten wurden - von unerwarteter Seite
her - prompt beschafft. Australische Forscher starteten 1956 ein Projekt, in dem sie durch die Messung
des Magnetismus herausfinden wollten, ob sich die Kontinente relativ zueinander bewegten oder die Pole
wanderten. Die von ihnen beobachteten Abweichungen in den Magnetfeldern an verschiedenen Orten
zeigten deutlich, dass die Kontinente in der Vergangenheit ihre Lage verändert haben mussten - ein
weiterer Baustein für die Rehabilitation von Wegeners Plattentektonik.
Und auch die Rolle der mittelozeanischen Rücken und Hess' Hypothese wurden gestärkt: Bei
Magnetfeldvermessungen des Ozeanbodens zeigte sich ein erstaunliches Phänomen. Zu beiden Seiten
der mittelozeanischen Rücken bildeten die unterschiedlich gepolten Gesteine ein symmetrisches
Streifenmuster. Nach Ansicht der Geophysiker Frederick Vine und Drummond Matthews waren diese
auffälligen Symmetrien deutliche Anzeichen dafür, dass in der Mitte dieser Streifen neuer Ozeanboden
gebildet wird. Das heiße Magma steigt auf, fließt zur Seite ab und erkaltet langsam. Dabei "konserviert"
sein Magnetfeld die Ausrichtung, die das Erdmagnetfeld zur Zeit seiner Kristallisation gerade besitzt.
Für viele Geologen war damit zumindest ein entscheidendes Indiz dafür gefunden, dass die Erdkruste
tatsächlich nicht statisch ist, sondern sich in ständiger Bewegung befindet. Mitte der 60er Jahre
schließlich begann sich auch das schon von Wegener angedeutete Konzept der Erdplatten durchzusetzen.
Immer mehr Institutionen und Forscher, die sich bis dahin eher skeptische gezeigt hatten, schwenkten
nun auf das Konzept der wandernden Platten um.
Mit fast einem halben Jahrhundert Verspätung wurden Wegener und seine visionäre Theorie endlich
anerkannt und rehabilitiert - doch der Meteorologe und Polarforscher erlebte seinen Triumph nicht mehr.
Er war bereits 1930 auf einer Grönlandexpedition ums Leben gekommen.
Starre Platten auf einem heißen Magmensee
Litho- und Asthenosphäre
Die Formen der Erdoberfläche mit ihren tiefen Tälern und den riesigen Gebirgszügen erscheint uns
Menschen gigantisch. Und doch ist die Erdkruste nur ein dünner Überzug über dem mächtigen
Erdmantel, etwa vergleichbar mit der menschlichen Haut oder der Schale eines Apfels. Die Grenze
zwischen Kruste und Mantel, die zwischen zehn und 65 Kilometern unter der Erdoberfläche liegt, wird
nach dem Seismologen Mohorovicic-Diskontinuität (oder kurz Moho) genannt. Unter hohen Gebirgen
erreicht die Erdkruste die größte Mächtigkeit, unter den Ozeanen ist sie am dünnsten.
Diese äußere "Haut" der Erde wird in die kontinentale und ozeanische Kruste
gegliedert, die sich deutlich in Dichte, Gesteinsvorkommen, Dicke sowie in
Alter und Herkunft unterscheiden. Ozeanische Kruste wird ausschließlich an
den Mittelozeanischen Rücken gebildet. Sie besteht hauptsächlich aus
basaltischen Gesteinen, die von Tiefseesedimenten überlagert werden. Die
leichtere kontinentale Kruste setzt sich vorwiegend aus Graniten zusammen.
Aufbau des Erdmantels
© MMCD
Die ozeanische Kruste ist deutlich jünger als die kontinentale Kruste. An
mächtigen Unterwassergebirgen treiben die Erdplatten auseinander, dabei
lagert sich stetig aufsteigende Lava an, neue Erdkruste entsteht. In einem fortdauernden
Recyclingprozess verschmelzen die Platten am äußeren Rand wieder mit dem Inneren der Erde, noch
bevor sie ein Alter von über 200 Millionen Jahren erreicht haben. Da haben die Kontinente mit ihren bis
zu vier Milliarden Jahre alten Gesteinen schon ganz andere Dimensionen zu bieten.
Zusammen mit dem oberen Mantelbereich bildet die Kruste die Lithosphäre, die auf der Asthenosphäre
"schwimmt". Die Lithosphäre ist nach dem griechischen Wort lithos (Stein) benannt, weil sie fest ist.
Durch die Nähe zur Erdoberfläche kühlt das Gestein der Lithosphäre ab und wird starr. Im Gegensatz
dazu ist die Asthenosphäre, benannt nach dem griechischen Wort asthenos (weich), verformbar. Hier, in
größerer Nähe zum heißen Erdinneren, liegt die Temperatur nahe am Schmelzpunkt. Zusätzlich ist der
Druck hier sehr viel größer als an der Erdoberfläche.
Die Asthenosphäre umfasst den oberen Bereich des Erdmantels. Dass dieser zumindest teilweise
aufgeschmolzen ist und daher plastische Eigenschaften aufweist, lässt sich mithilfe von Erdbeben
belegen. Beobachtungen der Geschwindigkeiten von Sekundärwellen - den langsameren Erdbebenwellen,
zeigten, dass sie sich in diesem Bereich verringern. Sie werden in aufgeschmolzenem Material absorbiert.
Der Übergang von der Litho- zur Asthenosphäre schwankt. An den Mittelozeanischen Rücken reicht die
Asthenosphäre bis an die Oberfläche, ihre Obergrenze liegt aber sonst zwischen 30 und 100 Kilometern
Tiefe. In 200 Kilometer Tiefe befindet sich die Untergrenze der Asthenosphäre. Auf der plastischen
Asthenosphäre "schwimmen" nun die festen Lithosphärenplatten, die eine geringere Dichte aufweisen,
als die schwerere Asthenosphäre. Diese "Schwimmbewegungen" der festen Lithosphärenplatten sind nun
verantwortlich für eine Vielfalt von Formen auf der Erdoberfläche. Die Platten stoßen zusammen, tauchen
untereinander ab oder gleiten aneinander vorbei. Durch diese Prozesse an den Plattengrenzen entstehen
Gebirge und Gräben, Erdbeben und Vulkanismus können verursacht werden.
Wie aber kommt diese Bewegung zustande? Warum schwimmen die Lithosphärenplatten nicht einfach
unbeweglich auf der Asthenosphäre? Um diese Prozesse der Plattenbewegung genauer zu verstehen,
müssen wir tiefer eintauchen in das Innere der Erde und die Vorgänge im Erdmantel näher betrachten
Wie Wasser in einem Kochtopf
Konvektionsströmungen im Erdmantel
Tief im Innern der Erde, im Erdmantel, kommt das Gestein nie zur Ruhe. Durch die hohen Temperaturen
und einen enormen Druck bleibt es verformbar. Daher kommt es zu sogenannten
Konvektionsbewegungen des heißen Gesteins.
Konvektionsströmung im
Erdmantel
© MMCD
Konvektionsbewegungen treten in fließendem Material auf, das an der
Unterseite erhitzt wird und an der Oberfläche abkühlt. Gerne werden daher
die Bewegungen des Gesteins im Erdmantel mit denen von Wasser
verglichen, das in einem Topf erhitzt wird. Am Boden des Topfes, der Kontakt
mit der heißen Herdplatte hat, sind die Temperaturen am größten. Das
Wasser erwärmt sich dort, dehnt sich aus und steigt nach oben. Dort, an der
Wasseroberfläche sind die Temperaturen am niedrigsten. Das Wasser kühlt
hier wieder ab und sinkt erneut nach unten, in Richtung Topfboden.
Ähnlich laufen die Prozesse im Erdmantel ab. Heiße Magmenströmungen mit geringerer Dichte steigen
nach oben. An der Erdoberfläche herrscht eine sehr viel geringere Temperatur als im Kern. Die
Magmenströme kühlen dort ab und sinken aufgrund ihrer höheren Dichte wieder hinab. Diese
Bewegungen im Erdmantel sind der "Motor" für die Bewegung der Kontinentalplatten.
Unter dem mittelozeanischen Rücken steigt heißes Gesteinsmaterial des Erdmantels auf und breitet sich
nach den Seiten aus. An der Erdoberfläche kühlt es ab und bildet die feste Lithosphäre. Auch die
kontinentalen Platten werden von den Magmenströmungen mitgeschleppt. Absteigende Strömungen
ziehen Platten an den Subduktionszonen in die Tiefe, wo sie wieder aufgeschmolzen werden. Andere
Hypothesen gehen davon aus, dass die an Subduktionszonen absinkenden Platten durch ihr eigenes
Gewicht nach unten gezogen werden ("slab pull" = "Platten-Zug") und ausgehend von Stellen, wo
Magma aufsteigt, seitlich weggeschoben werden ("ridge-push" = "Rückendruck"). ie Formen der
Erdoberfläche mit ihren tiefen Tälern und den riesigen Gebirgszügen erscheint uns Menschen gigantisch.
Und doch ist die Erdkruste nur ein dünner Überzug über dem mächtigen Erdmantel, etwa vergleichbar
mit der menschlichen Haut oder der Schale eines Apfels. Die Grenze zwischen Kruste und Mantel, die
zwischen zehn und 65 Kilometern unter der Erdoberfläche liegt, wird nach dem Seismologen MohorovicicDiskontinuität (oder kurz Moho) genannt. Unter hohen Gebirgen erreicht die Erdkruste die größte
Mächtigkeit, unter den Ozeanen ist sie am dünnsten.
Mehr als Vulkanismus und Erdbeben
Prozesse an Plattengrenzen
Die Erdkruste ist kein zusammenhängendes Gebilde, sondern gliedert sich in
zwölf große Platten, die die ganze Oberfläche der Erde einnehmen. Durch die
Bewegung der Platten durch aufsteigende Magmenströme stoßen sie
zusammen, tauchen untereinander ab oder gleiten aneinander vorbei.
Plattengrenzen
© MMCD
In Abhängigkeit der Plattentypen und der Bewegungsrichtungen der Platten
zueinander werden charakteristische Formen an den Plattengrenzen
unterschieden:
kontinentaler Platten

Kontinent-Kontinent-Kollision: Aneinanderstoßen zweier

Ozean-Kontinent-Kollision:
Subduktion, abtauchen einer ozeanischen Platte unter eine kontinentale

Ozean-Ozean-Kollision: Subduktion

Transformstörung: Zwei Platten gleiten aneinander vorbei

Seafloor-Spreading: Bildung neuer ozeanischer Kruste
Kontinent- Kontinent- Kollision
Aneinanderstoßen zweier kontinentaler Platten
Bei der Kontinent-Kontinent-Kollision kann es zur Bildung von hohen Gebirgen kommen, wie zum Beispiel
den Alpen oder dem Himalaja. Bevor aber die Kollision stattfinden kann, wird ozeanische Kruste
subduziert, denn sie trennt zwei konvergierende kontinentale Krusten. Dieser Vorgang ist eine OzeanKontinent-Kollision, bei dem es zur Bildung von Vulkanen und Intrusionen kommt. Erst wenn die
ozeanische Platte vollständig untergetaucht ist, beginnt die eigentliche Kollision der Platten. Da
kontinentale Krusten eine geringere Dichte als ozeanische haben, werden sie nicht subduziert sondern sie
stapeln sich übereinander.
Dabei kommt es zu komplizierten tektonischen Prozessen mit Überschiebungen und Faltungen. Der
Aufbau der Alpen oder des Himalaja ist auch deshalb so komplex, weil sowohl die Gesteine der
kontinentalen Krusten als auch die Reste der ozeanischen Kruste bei dem Zusammenstoß verformt und
umgewandelt wurden. Die Gebirge werden aus Sedimenten, die auf der ozeanischen Platte abgelagert
wurden, aus von der ozeanischen Platte abgeschürften Gesteinen (Akkretionskeil) und aus den
kontinentalen Gesteinen aufgebaut.
Die Bildung des Himalaja begann vor etwa 60 Millionen Jahren, als die Indische Platte unter der
Eurasischen Platte untergetaucht ist. Etwa 40 Millionen Jahre ist es her, dass der indische Subkontinent
dann mit Tibet zusammenstieß. An zwei großen Störungsflächen wurden die Gesteine
übereinandergeschoben. Heute bilden alte Gesteine, die vor der ehemaligen indischen Küste abgelagert
wurden, die höchsten Erhebungen des Himalaja. Mit fünf Zentimetern pro Jahr dringt Indien auch
weiterhin noch in Richtung Norden, so dass der Himalaja auch weiterhin noch herausgehoben wird.
Ozean- Kontinent- Kollision
Abtauchen einer ozeanischen Platte
An den Subduktionszonen wird ozeanische Kruste entweder unter eine andere ozeanische Platte oder
unter einen Kontinent getaucht oder gedrückt. Diese Zonen bilden sich meist an Schwächezonen
innerhalb von Platten, wie zum Beispiel an langen Transformstörungen, oder an Plattengrenzen zwischen
verschiedenen Plattentypen.
Die subduzierte Platte taucht unter einem bestimmten Winkel unter eine andere Platte, wobei aber
mittlerweile alle Möglichkeiten bis hin zu 90 Grad Abtauchwinkel festgestellt worden sind. Beim
Abtauchen gelangen die Krustenmaterialien in größere Tiefen und damit in Bereiche höherer
Temperaturen. In einer Tiefe von 100 Kilometern herrschen zwischen 1000 und 1500 Grad Celsius, die
zu einem Aufschmelzen der subduzierten Kruste führen.
Als Folge einer Ozean-Kontinent-Kolliosion bilden sich daher auf der nicht abtauchenden Platte
vulkanische Gebirge. Sie sind zum einen durch einen aktiven Vulkanismus aber auch durch
Magmenintrusionen gekennzeichnet. Bei diesen Intrusionen handelt es sich um in die kontinentale Kruste
aufgestiegene aber "steckengebliebene" Magmen, die Batholithe.
Das Zusammenstoßen und die damit verbundene Subduktion der ozeanischen Nazca-Platte unter die
Südamerikanische Platte ist die Ursache für die Entstehung der Anden. Eine Ozean-Kontinent-Kollision
wird danach auch Andiner Typ genannt. Die Ozean-Ozean-Kollisionen sind durch Inselbögen, wie die
japanischen Inseln oder die Philippinen, gekennzeichnet. Auch hier durchdringen Magmen die oben
liegende Platte und bilden langgezogene Vulkaninseln, die aufgrund des Vulkanismus und ihrer Form
auch "magmatischer Bogen" genannt werden.
Sowohl bei der Subduktion des Inselbogen-Typs als auch bei dem Andinen Typ werden extrem tiefe
Tiefseerinnen gebildet. Der Marianengraben zum Beispiel entstand durch die Kollision der Philippinischen
und Pazifischen Platte. Die Tiefseerinnen sind bei der Subduktion die auffälligen Kontaktlinien der
zusammenstoßenden Platten. In dem Becken zwischen den Tiefseerinnen und den magmatischen Bögen,
den Orten, wo der Magmatismus stattfindet, werden Tiefseesedimente abgelagert. Sie werden beim
Abtauchen einer Platte an die nicht abtauchende Platte angeschweißt. Diese fore-arc-Becken
(Inselbogen-Aussenbecken) sind sowohl tektonisch als auch in ihrer Gesteinszusammensetzung äußerst
kompliziert.
Transformstörung
Zwei Platten gleiten aneinander vorbei
An Transformstörungen gleiten zwei Lithosphärenplatten aneinander vorbei. Dabei wird weder
Erdkrustenmaterial vernichtet, wie bei der Subduktion, noch entstehen hohe Gebirge wie bei den
Kontinent-Kontinent-Kollisionen.
Da diese Bewegungen nicht reibungsfrei ablaufen können, sind die Transformstörungen auch immer
erdbebengefährdete Gebiete. Transformstörungen können sowohl auf dem Festland als auch auf dem
Meeresboden auftreten. Die San-Andreas-Störung ist eine kontinentale Transformstörung, bei der die
Pazifische Platte gegen die Nordamerikanische Platte verschoben wird. Die Geschwindigkeit der
Nordamerikanischen Platte, die sich Richtung Süden bewegt, beträgt pro Jahr etwa einen Zentimeter. Die
Versatzbeträge, das sind die relativen Entfernungen zwischen zwei ehemals zusammenhängenden
Punkten, können nach Millionen Jahren mehrere Hundert Kilometer betragen.
Mittelozeanische Rücken verlaufen weder in einer ununterbrochenen Linie noch spreizen sie sich mit
gleicher Geschwindigkeit. Sie werden daher durch Transformstörungen miteinander verbunden, die
gleichzeitig die unterschiedlichen Spreizungsraten ausgleichen. An solchen Transformstörungen wird
Kruste nicht subduziert, sondern ausschließlich seitlich, das heißt relativ zueinander verschoben.
Seafloor-Spreading
Bildung neuer ozeanischer Kruste
Der Vorgang des Seafloor-Spreading (oder Ozeanboden-Spreizung) beschreibt die Bildung neuer
ozeanischer Kruste. Im Bereich der Mittelozeanischen Rücken steigt entlang von Spalten in der
Lithosphäre Magma aus dem Erdmantel an die Erdoberfläche. Die Kruste bricht an diesen Stellen auf und
die Kontinentalplatten werden auseinander gedrückt. Das Magma füllt die Spreizungszone und erstarrt zu
neuer ozeanischer Kruste.
Das Aufbrechen und Auseinanderrücken geht einher mit Erdbeben und Grabenbrüchen an den
Plattenrändern. Auf dem Meeresboden heben sich die Bildungszonen der Kruste als riesige submarine
Gebirge ab. Der Mittelatlantische und der Ostpazifische Rücken sind Beispiele für solche Riftzonen. Die
Geschwindigkeit des Seafloor-Spreadings ist mit 12 Zentimetern pro Jahr am Ostpazifischen Rücken am
größten und mit zwei Zentimetern pro Jahr am Mittelatlantischen Rücken am geringsten.
Die Mittelozeanischen Rücken heißen nicht ohne Grund MITTELozeanisch. Sie liegen etwa in der Mitte
zwischen zwei Kontinenten, da die Lithosphärenplatten genau an diesen Stellen auseinandergedrückt
werden.
Dass die Vorgänge an Mittelozeanischen Rücken für das Auseinanderdriften von Kontinenten
verantwortlich sind, wurde erst in den 60er Jahren durch Altersbestimmungen am Meeresboden
bewiesen. Wenn an den Ozeanrücken Magma gefördert wird, werden die entstehenden Gesteine nach
dem jeweilig herrschenden Magnetfeld der Erde magnetisiert. Da sich das Magnetfeld mehrfach geändert
hat und die Zeiten dieser Umpolungen bekannt sind, konnte das Alter des Meeresbodens bestimmt
werden. Es hat sich ein Streifenmuster des Meeresbodenalters ergeben. Rechts- und links von den
Rücken haben die Gesteine dasselbe Alter.
Je weiter man sich also von den Rücken in Richtung der Kontinente bewegt, desto älter werden die
Gesteine. Es gibt auf der Welt aber keinen Meeresboden, der älter als ungefähr 200 Millionen Jahre ist.
Das bedeutet, dass in dieser Zeit die Kontinente, wie zum Beispiel Südamerika und Afrika, noch
zusammengehangen haben.
Die "Quelle" für das aufsteigende basaltische Magma befindet sich in etwa drei bis sechs Kilometer
tiefliegenden Magmakammern. Von dort dringt es entlang von Aufstiegskanälen an die Oberfläche. Die
aus unterschiedlichen Gesteinen aufgeschichteten Strukturen, die sich nahe des Meeresbodens bilden,
werden Sheeted-Dike-Komplexe genannt. Die oberste Schicht besteht aus der Pillow-Lava. Diesen
Namen hat das vulkanische Förderprodukt bekommen, weil es eine ähnliche Form wie ein Kopfkissen hat
(engl.: pillow = Kissen). Darunter liegen die Gesteine Gabbro und Peridotit.
Die Gesteine in der Grabenzone eines Mittelozeanischen Rückens sind durch die tektonischen Vorgänge
und die großen Temperaturdifferenzen des Magmas und des Ozeanwassers stark zerklüftet. So dringen
große Mengen an Wasser ins heiße Erdinnere und zirkulieren im Grabenbereich. Währenddessen lösen
sich viele Elemente, darunter Metalle und Schwefel in dem aufgeheizten Wasser. Wenn diese Lösungen
später wieder an die Oberfläche gelangen, werden die gelösten Stoffe im Wasser als Sulfide ausgefällt.
Die Austrittsstellen solcher heißen Lösungen nennt man Smoker (engl.: smoker = Raucher), weil sie aus
langen Röhren große Mengen schwarzer Sulfidwolken ausstoßen und aussehen wie Schornsteine.
Lage: Mittelozeanischen Rücken (kurz: MOR). MORs nehmen ungefähr ein Drittel der gesamten
Weltmeere ein. Diese durch das Rifting geprägten Strukturen sind wahre Sedimentquellen, da sie Zonen
der Plattenbildung sind (Sea floor spreading) und demnach auch seismisch wie vulkanisch sehr aktive
Bereiche darstellen. Die Platten entlang eines MORs driften mehrere Zentimeter jährlich auseinander. Die
dadurch entstehenden Lücken werden mit von unten nachdrückenden Magmen gefüllt und so neuer
Tiefseeboden "erschaffen". Die vulkanische Natur spiegelt sich auch in den Sedimenten wieder:
vorwiegend findet man hier Basaltergüsse, sowie klastische Sedimente die von den Talwänden der MORs
stammen. In der näheren Umgebung finden sich auch viele heiße Quellen. Durch unzählige Störungen
dringt Meerwasser in die Spalten und Klüfte ein und heizt sich an heißeren Basaltbereichen auf und tritt teilweise über 380° heiß- wieder in sogenannten "Black Smokers" wieder aus. Auf dem Weg durch die
heißeren Basaltschichten laugt das Meerwasser das Gestein aus. Gerade das Wasser der erst 1979
entdeckten rezenten Hydrothermalsysteme im Bereich ozeanischer
Riftzonen (Black Smoker) enthält sehr viel gelösten Schwefelwasserstoff, eisenreiche Tonminerale (aus
denen die Kamine der Smoker auch aufgebaut sind), sowie Eisen und Manganoxide und einige
Sulfidverbindungen mit Eisen, Zink und Kupfer.
Die hydrothermalen Quellen in der Tiefsee bilden vielleicht einmal wichtige Lagerstätten der Zukunft
wenn es gelingen könnte diese kostendeckend abzubauen, bzw. der Weltmarktpreis die Exploration
erschwinglich macht.
Eigenschaften
Im austretenden Wasser des Smoker sind vor allem Sulfide und andere Salze von Eisen,
Mangan, Kupfer und Zink gelöst. Das heiße mineralreiche Wasser der Thermalquelle trifft
mit dem kalten Wasser des Meeresgrundes zusammen; bei der Abkühlung werden Mineralien
ausgefällt, die die "Rauchfahne", die auf Grund der von Eisensalzen charakteristische
schwarzgraue Sedimentwolke des Black Smoker, oder aber auf Grund von Anhydrit, Gips
oder Siliziumoxid die helle Sedimentwolke des White Smoker und den Schornstein oder
Kegel bilden.
[bearbeiten]
Smoker als Biotope
Hydrothermale Tiefseequellen und ihre Umgebung bilden ein eigenes Biotop, mit vielen
neuen, meist nur in dieser Umgebung lebenden Arten. Basis der Nahrungskette in diesem
Biotop bilden chemosynthetisch aktive Bakterien, die in der heißen lichtlosen Umgebung
Schwefelwasserstoff als Energielieferant nutzen, um Kohlenstoffdioxid in organische
Verbindungen umzuwandeln. Weiter wird das Biotop unter anderem von Spinnenkrabben
ohne Augen, Röhrenwürmern, Venus- und Miesmuscheln und Seesternen bewohnt. Die hier
lebenden Röhrenwürmer besitzen kein Verdauungssystem sondern erhalten ihre Nährstoffe
von den Bakterien, mit denen sie in Symbiose leben.
Felder hydrothermaler Tiefseequellen sind nur ungefähr 20 Jahre aktiv. Dann verstopfen die
ausgefallenen Mineralien die Röhren und Spalten und die Quellen versiegen. Damit stirbt
natürlich auch die Fauna in der nun für sie lebensfeindlich gewordenen Umgebung. Wie das
Leben an neue Felder hydrothermaler Quellen kommt, ist bisher nicht erforscht.
Schwarzer "Rauch" aus heißen Quellen
Geologen schicken stählerne Spinne in die Tiefsee
"Schwarze Raucher" haben nichts mit illegalem Nikotinkonsum zu tun, sondern mit viel
faszinierenderen Dingen: mit fremden Lebensformen in der Tiefsee, Gold und Silber
oder dem Weltklima. Doch wenn Peter Halbach, Professor für Rohstoff- und
Umweltgeologie an der FU, darüber spricht, klingt es nüchterner. Bei seiner jüngsten
Mittelmeerreise wurde ein neuartiges Gerät getestet, das seine Arbeitsgruppe entwickelt
hat. Die Hydro-Bottom-Station (HBS) ist ein sechsbeiniges Gerät zur "Beprobung von
dispersen hydrothermalen Emanationen". Die stählerne Spinne bringt im wahrsten
Sinne des Wortes Licht ins Dunkel der Tiefsee.
An einem Spezialkabel hängend sinkt sie durch absolute Lichtlosigkeit. Dorthin, wo am
Anfang der Nahrungskette der Tod steht. In dauernder Nacht gibt es keine pflanzliche
Produktion. Die meisten Lebewesen sind auf abgestorbene Mikroorganismen angewiesen, die
als feiner "Schnee" auf den Meeresboden rieseln.
Hinab in noch lebensfeindlichere Regionen: Giftige Schwaden dringen aus Klüften. Sie sind
äußerst salzig, stinken nach faulen Eiern oder sind mit dem Treibhausgas Methan
angereichert. Vor allem an Mittelozeanischen Rücken, wo Erdkruste neu gebildet wird und
unterseeische Vulkane brodeln, liegt das heiße Erdinnere so nah, daß sich Meerwasser extrem
aufheizt und es zu vielgestaltigen chemischen Reaktionen in der Gesteinskruste kommt. Dort
entdeckte man vor wenigen Jahren "Archae-Bakterien", die ohne Licht und Sauerstoff quasi
in siedendem Wasser leben. Sie bilden die Grundlage einer eigenen kleinen Nahrungskette damals eine wissenschaftliche Sensation.
Bis zu 4000 Meter tief kann die Hydro-Bottom-Station an einem
Kabel vom Forschungsschiff auf den Meeresboden abgesenkt
werden. Ferngesteuert wird dort unten eine Lanze ausgefahren (im
Foto links), um Wasserproben zu entnehmen. Mit Kameras
verfolgen die Wissenschaftler diese Aktionen (im Foto rechts).
Doch das Umfeld der "hydrothermalen Emanationen" - was soviel bedeutet wie
hervorquellende heiße Lösungen - hat mehr zu bieten als neue Lebensformen. Es erlaubt
einen Blick auf die Entstehung von Erzlagerstätten, auch Gold- und Silbervorkommen, und
könnte von wirtschaftlicher Bedeutung sein. Durch den Austritt von Kohlendioxid und
Methan, einem der aggressivsten Treibhausgase, gewinnen diese Quellen zusätzlich
Bedeutung für das "Global Warming".
Grundsätzlich suchen sich die heißen Lösungen zwei Wege: Entweder schießen sie wie aus
einem Ventil (fokussiert) heraus oder sie dringen aus vielen kleinen Klüften und Poren
(dispers) an den Meeresboden. An den "Ventilen" bilden sich durch rasche Ausfällung von
Elementen Schlote, die quasi "qualmen". Sulfidische Lösungen, die das Salz des so faulig
stinkenden Schwefelwasserstoffs enthalten, sind an schwarzem "Rauch" zu erkennen.
"Qualmt" es weiß, sind entweder Salze der Schwefelsäure (sulfatische Lösungen) oder
Kieselsäure (silikatisch) am Werk; daher auch die Namen "black" oder "white smoker".
Rund zehnmal häufiger als solch spektakuläre Austritte sind freilich die "dispersen
Emanationen", sie wirken wie ein "Flächenbrand" auf dem Ozeanboden. Ihre hydrothermale
Wolke läßt sich über Kilometer hinweg von den Forschern an ihren Ursprung
zurückverfolgen. "Wir kennen außerdem das tektonische Gefüge der Erde so genau, daß wir
mit Tiefseekarten und Echolot recht nah an die untermeerischen Störzonen heranfahren
können", sagt Prof. Halbach. Dann schlägt die Stunde der HBS: Das drei Meter hohe Gerät
wird an einem Spezialkabel auf den Meeresgrund gesetzt. Es steckt voller High-Tech.
Ferngesteuert kann es nun eine Lanze ausfahren, Wasserproben nehmen und sofort einige
Parameter analysieren. Zusätzlich erlauben Kameras den Blick auf den Seeboden, und
insgesamt 60 Liter Proben können nach oben zur Feinanalyse gebracht werden.
Ausgedacht haben sich die Berliner die "Spinne", realisiert wurde sie in Kiel von den Firmen
GEOMAR und THETIS in Zusammenarbeit mit der TU Clausthal. Die FU und ihre
Wissenschaftspartner aus Deutschland und Frankreich nutzen sie. Das Geld, rund 840.000
DM an Drittmitteln für die FU, kam vom Bundesministerium für Forschung und Technologie.
Die nächsten Einsätze führen in den Nord-Atlantik und das Fiji-Becken in der Südsee. In rund
2000 Metern Tiefe existieren dort bis zu einem Kilometer lange Hydrothermal-felder.
Halbach interessiert besonders die Schnittstelle von Geologie, Chemie und Biologie. Mit den
"aktuo-geologischen Beobachtungen können wir viel über fossile Lagerstätten lernen", sagt
der Professor, "das hilft auch bei der Erschließung an Land". Sein Mitarbeiter, DiplomGeologe Thomas Kuhn, ergänzt: "Diese Untersuchungen bringen uns in der Bilanzierung der
Elemente im Ozean weit voran." Wie wichtig ihr Gerät ist, zeigen die Anfragen aus dem
Ausland. Andere Forschergruppen wollen auch mit der "Spinne" arbeiten.
Zur Klimarelevanz der austretenden Gase hat Halbach übrigens gute Nachrichten: "In so
großen Tiefen richten weder Methan noch CO2 Schaden an. Sie bleiben im Wasser der
Tiefsee gelöst und kommen nicht an die Atmosphäre."
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