EUROPÄISCHE WERTE Europäischer Frühling 2003-2005 I) (Chancen)Gleichheit / Gleichberechtigung 2003 Hier behandeln wir nun ein besonders schwieriges Thema: Sind alle Europäer gleich? Ganz sicher nicht. Alle Menschen sind verschieden und der Reichtum an Kulturen sollte eine der Stärken der Europäischen Union sein. Nur wenige Kinder wachsen in reichen Familien auf, die meisten Familien gehören der Mittelschicht an oder sind sogar arm. Wir sind also von Geburt an ungleich. Zudem behaupten wir, dass wir jeden Menschen gleich behandeln, doch wie ist es dann zu erklären, dass in den meisten Ländern die Frauen weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen, obwohl sie den gleichen Job ausüben, und beinahe alle unsere Präsidenten und Premierminister Männer sind? Um gleiche Chancen zu schaffen, müssen wir vielleicht mit 'positiver Diskriminierung' beginnen. Das bedeutet, dass diejenigen, die mit Benachteiligungen aufwachsen (Armut, Geschlecht, ethnische Minderheiten) besondere Unterstützung und bevorzugte Behandlung genießen. Bist du auch dieser Meinung? Stell dir vor, einer deiner Klassenkollege stammt aus einem fremden Land und beherrscht deine Sprache nicht besonders gut. Wie stellen wir sicher, dass dieser Schüler dieselben Chancen in der Schule und im Leben hat wie du? Kannst du diesem Schüler helfen? Diskutiert darüber, weshalb ihr glaubt, Gleichheit sei wichtig und teilt anderen eure Meinung mit. 2004/2005 Geschlecht– Bildung– professionelle Möglichkeiten Die Aussagen, dass Menschen ungleich sind bedeutet, dass einige benachteiligt sind gegenüber ihren Mitmenschen. Die meisten Ungleichheiten in unserer Gesellschaft betreffen den sozialen Stand, das Geschlecht, die Hautfarbe und das Vermögen. "Es liegt in der Natur der Sache.....dass alle Menschen von Geburt an gleich sind, doch sie können diese Gleichheit nicht bewahren. In der Gesellschaft verlieren sie sie und sie kann nur durch Gesetze geschützt werden. " (Charles de Montesquieu, Politischer Philosoph). Das Prinzip der Gleichheit wurde erstmals während der Aufklärung wichtig. In der heutigen Zeit ist es Teil der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Artikel 1 lautet: "Alle Menschen sind von Geburt an frei und besitzen die gleiche Würde und die gleichen Rechten." 1 Eigentlich sind wir alle gleich - und doch sehen wir jeden Tag unzählige Ungleichheiten. Die Aussagen, dass Menschen ungleich sind bedeutet, dass einige benachteiligt sind gegenüber ihren Mitmenschen. Die meisten Ungleichheiten in unserer Gesellschaft betreffen den sozialen Stand, das Geschlecht, die Rasse und das Vermögen. Wie gehen wir mit Ungleichheit um? Wir können wir für alle Menschen gleiche Möglichkeiten schaffen? II) Solidarität 2004/2005 arm/reich – Europa– Erde Mehr als 790 Millionen Menschen in den Entwicklungsländern müssen Hunger leiden, Millionen Kinder werden ausgebeutet und Millionen sind Opfer von Gewalt. Jedes Jahr sterben mehr als zwei Millionen Kinder an Krankheiten, die durch billige Impfstoffe verhindert werden könnten. Im Jahre 1999 verloren Millionen Menschen auf Grund kriegerischer Handlungen ihre Heimat - 1.2 Millionen in Angola, 850,000 im Kosovo, 750,000 in Äthiopien und Eritrea, 550,000 in Osttimor, 200,000 in Tschetschenien - und unzählige Menschen in anderen Konflikten auf der Welt. (Diese Zahlen stammen von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen). Wie reagiert die internationale Gemeinschaft auf Natur- und menschliche Katastrophen? Welche Rolle spielen die Vereinten Nationen? Welche Aufgaben kommen dem Amt für humanitäre Hilfen der Europäischen Gemeinschaft (ECHO) zu? Mutter Teresa sagte, "Was wir machen, ist weniger als ein Tropfen Wasser im Ozean. Doch wäre dieser Tropfen nicht vorhanden, würde dem Ozean etwas fehlen." Was kannst du in deiner Gemeinde unternehmen, um Menschen in Not zu helfen? III) Toleranz 2003 Du bist im Kino und siehst dir einen tollen Film an. Die Spannung steigt, der Held kämpft mit dem Bösewicht, und ... ein Mobiltelefon läutet. Der Mann hinter dir greift geräuschvoll in seine Chipstüte. Wieder ein anderer klettert über deinen Stuhl, weil er das Kino verlassen möchte. Wir wissen alle, dass auch Toleranz ihre Grenzen kennt. Es gibt verschiedenste Verhaltensmuster, die inakzeptabel sind. Niemand kann alles ertragen. Doch wo zieht man die Grenze? Gibt es Regeln, die uns sagen, was wir akzeptieren müssen und was nicht? Im Grunde versucht der Gesetzgeber genau das zu tun. Das 2 'Gesetz' besteht aus einer Reihe von Sätzen die alle mit der Formulierung beginnen: 'Wir werden es nicht tolerieren, wenn du.....' Müssen wir also alles, was im Rahmen des Gesetzes ist tolerieren? Das ist nicht immer ganz einfach. Wir wollen das Beispiel aus dem Kino näher betrachten: Es ist wahrscheinlich verboten, das Mobiltelefon eingeschaltet zu lassen, doch es gibt sicherlich kein Gesetz, das es verbietet, Chips zu essen und sicherlich keines, das besagt, man dürfe nicht zur Toilette gehen. Bis zu einem gewissen Grad entscheiden wir selbst, was wir tolerieren; wir überlassen nicht alles dem Gesetz. Das wichtigste Element einer toleranten Gesellschaft - sei es eine Schule, ein Dorf, ein Fußballclub oder ein Land - ist zu akzeptieren, dass die Menschen verschieden sind. Menschen aus anderen Kulturkreisen sind womöglich völlig anders als die meisten Menschen, die wir kennen. Seien wir ehrlich, ein Mädchen, das aus religiösen Gründen in der Schule ein Kopftuch trägt, bereitet keinerlei Unannehmlichkeiten. Oder vielleicht doch? Wie unterschiedlich dürfen andere Menschen sein? Und wie intolerant darf man selbst sein? Diskutiert darüber, weshalb ihr glaubt, Toleranz sei wichtig und teilt anderen eure Meinung mit. 2004/2005 Beziehungen zwischen Menschen - Krankheit – Immigration "WAS ist Toleranz? Ist es die Konsequenz von Menschlichkeit? Wir haben alle unsere Fehler; verzeihen wir auch unseren Mitmenschen ihre Fehler - das ist das erste Naturgesetz' Diese Aussage über Toleranz trifft Voltaire in seinem "Wörterbuch der Philosophie". Menschen haben verschiedene genetische Vererbungen, kulturelle Identitäten und sind durch ihre Umwelt beeinflusst. Einige Charaktereigenschaften sind positiv, auf andere könnten wir oft gerne verzichten. Wir müssen verstehen, dass wir im sozialen Leben verschiedene Dinge, die uns nicht gefallen, tolerieren müssen. Die einzige Möglichkeit in Frieden mit unseren Mitmenschen zu leben ist, Unterschiede zu akzeptieren. Doch wo liegen die Grenzen von Toleranz? Wenn jemand einen Raum betritt und raucht, sollten wir dann tolerant sein? Wenn wir ein fremdes Land besuchen, müssen wir die lokalen Bräuche akzeptieren auch wenn sie im Gegensatz zu unseren eigenen Prinzipien stehen? In einer Demokratie entscheidet die Mehrheit. Wie stellen Minderheiten sicher, dass ihre Ansichten und Werte respektiert werden? 3 IV) Freiheit 2004/2005 Rede– Glaube– Mobilität Was bedeutet Freiheit? Freiheit umfasst grundsätzlich drei Aspekte: eine Person muss über Wahlmöglichkeiten verfügen, an nichts gehindert werden und fähig sein, selbständig zu handeln. Im Detail kann man von Bewegungsfreiheit, Gedankenfreiheit, Glaubens- und Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit sprechen. Kennst du die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte? Müssen sich alle Länder der Erde daran halten? Wird diese Erklärung von allen Ländern respektiert? In der heutigen Zeit ist Freiheit für uns etwas Selbstverständliches geworden. Bist du in deiner Freiheit in irgend einer Weise eingeschränkt? Kannst du jedes Land besuchen und in jedem Land deiner Wahl leben? Haben manche Menschen mehr oder weniger Freiheiten als andere? Kannst du Gründe für deine Antwort finden? V) Demokratie 2003 In unseren Heimatländern dürfen die Bürger alle drei, vier oder fünf Jahre eine neue Regierung wählen. Sie können auch abstimmen, wer Europa regieren wird. Wahlen sind ein wichtiges Element jeder Demokratie. Gemeinsam entscheiden wir, was wir als wichtig erachten und wem wir zutrauen, diese wichtigen Probleme zu lösen. Doch was bedeutet Demokratie zwischen den Wahlen? Vielleicht seid ihr nicht damit einverstanden, welche Maßnahmen eure Regierung trifft oder vielleicht hält sie ihre Wahlversprechen nicht. Soll man dann bis zu den nächsten Wahlen warten, um dies zu ändern? Demokratie bedeutet mehr, als nur seine Regierung zu wählen. Demokratie ist das politische System, in dem man jeden Tag lebt. Sie bedeutet, dass man seine Meinung frei äußern darf, auch wenn sich die eigene Meinung von der anderer Mitbürger unterscheidet. Sie bedeutet auch, dass man jederzeit eine Demonstration organisieren darf, um sich Gehör zu verschaffen. Demokratie ist etwas Lebendiges, das jeden einzelnen Bürger braucht, um am Leben zu bleiben. Wie stellst du das Überleben der Demokratie sicher? Herrscht in deiner Schule Demokratie? Demokratie bedeutet, dass wir so entscheiden, wie sich die meisten von uns festgelegt haben. Die Mehrheit entscheidet. Doch was passiert mit der Meinung der Minderheit? Müssen diejenigen, die nicht der Mehrheit angehören, schweigen? Wenn sie nicht schweigen, wie gehen wir dann mit ihren Meinungen um? 4 Diskutiert darüber, weshalb ihr glaubt, Demokratie sei wichtig, und teilt anderen eure Meinung mit. 2004/2005 Teilnahme – maßgebliche Institutionen Der Begriff 'Demokratie' bezeichnen eine Art der Gesellschaft und nicht bloß eine Staatsform oder die Möglichkeit, die wir haben, eine Regierung zu wählen. Der frühere US Präsident Woodrow Wilson (1856-1924) sagte: 'Demokratie ist nicht bloß eine Regierungsform sondern viel mehr eine Zusammenstellung von Prinzipien.' Demokratie ist auch eine soziale Vereinbarung, bei der die Rechte und Pflichten der Menschen verstanden und respektiert werden. Der Begriff 'Demokratie' wird oft mit dem politischen Liberalismus gleichgesetzt. So wird er ein Synonym für fundamentale Rechte wie Religionsfreiheit, Redefreiheit, Versammlungsfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz. In einer demokratischen Gesellschaft spielt die Mehrheit der Bevölkerung eine aktive Rolle. Wie sieht diese Rolle aus? Besitzt du ein Wahlrecht? Wie verschaffst du dir Gehör und wie wirst du auf institutioneller Ebene vertreten? VI) Frieden 2003 Europa war der Schauplatz vieler Kriege. Mit Ausnahme des Krieges in ExJugoslawien im Jahre 1990, ist Westeuropa aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Kriegen verschont geblieben. In Europa herrscht Frieden. Oder vielleicht doch nicht? Einige Menschen, zum Beispiel in der Kirche, grüßen sich mit 'Friede sei mit dir'. In vielen Sprachen der Erde ist das Wort 'Friede' der gebräuchlichste Gruß: 'Salaam' auf Arabisch, 'Shalom' auf Hebräisch. Was wünschen sich diese Menschen gegenseitig? Sicherlich meinen sie nicht: 'Mögest du nicht in Krieg ziehen, wenn du von hier gehst'. Ist Friede mehr, als kriegsfreier Zustand? Viele Menschen sind der Meinung, Friede ist das Fernsein von Kampf. Wenn du kämpfen musst um zu überleben, dann hast du keinen Frieden. Wenn du kämpfen musst, um deine Familie zu ernähren, um von den Menschen rund um dich akzeptiert zu werden, um deine Religion ausüben zu können, dann lebst du nicht in Frieden. Wenn das stimmt, dann sind wir alle in der Lage, unseren Mitmenschen Frieden zu bringen. Das erreichen wir auch immer dann, wenn wir jemandem helfen, der in Not ist. Wir bringen Frieden, wenn wir aufeinander Rücksicht nehmen und vor allem, wenn wir Menschen helfen, die von anderen ignoriert oder sogar gehasst werden. Bist du auch der Meinung, dass jeder von uns für den Frieden auf der Welt verantwortlich ist und dies nicht nur Aufgabe der Politiker und der Armeen ist? Wenn ja, wie verhaltest du dich in deiner Straße, deiner Schule, deinem Heimatort? 5 Diskutiert darüber, warum ihr glaubt Frieden sei wichtig, und teilt anderen eure Meinung mit. 2004/2005 Europa– Welt– Sicherheit Ist Frieden nur das Ausbleiben eines Krieges? Daw Aung San Suu Kyi ist Anführerin der gewaltfreien Demokratiebewegung Burmas und Friedensnobelpreisträgerin. Sie sagte: “Es ist mittlerweile offensichtlich, dass Frieden mehr sein sollte als das bloße Ausbleiben eines Krieges: er sollte eine positive Kraft sein, die der Gewalt als Mittel der Problemlösung in der menschlichen Gesellschaft entgegenwirkt. Gerechtigkeit sollte nicht nur auf die Kontrolle negativer Charaktereigenschaften abzielen, sondern für Fairness, Mitgefühl und allgemeine Verbundenheit eintreten.” Wie ist deine Meinung dazu? Weißt du was der Friedensnobelpreis ist? Kannst du herausfinden, was Friedensnobelpreisträger für den Frieden in der Welt getan haben? Weißt du, wie viele Kriege es auf der Welt gibt? Was bedeutet 'Friedenssicherung'? Europa hat seit dem Zweiten Weltkrieg relativ friedlich gelebt - warum? Glaubst du, dass die Schaffung und Weiterentwicklung der Europäischen Union zum Frieden beigetragen hat? VII) Menschenwürde ist Voraussetzung für alle Menschenrechte 2005 In vielen Gesellschaften haben die Menschen das Recht, respektiert und fair behandelt zu werden - unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihrer sozialen Stellung, Sprache, Religion, politischen Ansichten, Alter oder ihrer Gesundheit. Werden die Menschenrechte in der EU respektiert? Wie ist die Situation in anderen Ländern? Sollte die EU in Ländern, in denen die Menschenrechte nicht respektiert werden, intervenieren? Wenn ja, wie? VIII) Rechtsstaatlichkeit bedeutet, Regierungen dürfen ihre Staatsgewalt nur auf Grundlage der Gesetze ausüben. 2005 Dieses Prinzip ist eine Absicherung gegen willkürliche Entscheidungen in individuellen Fällen. 6 "Die Rechtsstaatlichkeit ist heutzutage auf der ganzen Welt in Gefahr. Wir sehen immer wieder, dass fundamentale Rechte - vor allem jene, die unschuldiges Leben, die Zivilbevölkerung, Verletzte oder Kinder schützen sollten - schamlos missbraucht werden." Kofi Annan, Generalsekretär der Vereinten Nationen Kennst du Beispiele, bei denen die Rechtsstaatlichkeit missachtet wurde? Welche Situationen spricht deiner Meinung nach Herr Annan an? Quellen: Die Websites des Projektes Europäischer Frühling (2003-2006) 7