Datum: 13. Juni 2007 Thema: Dickdarmkrebs Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung Referenten: OA Dr. Fritz Wewalka FA Innere Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie, Interne Abteilung, KH der Barmherzigen Brüder Linz OA Dr. Franz Kurz Abt. Allgemeine Chirurgie u. Viszeralchirurgie, KH der Barmherzigen Schwestern Linz OA Dr. Michael Girschikofsky 1. Interne Abteilung, KH der Elisabethinen Linz DGKS Martina Steinbeiß Abt. Allgemeine Chirurgie u. Viszeralchirurgie, KH der Barmherzigen Schwestern Linz Dickdarmkrebs OA Dr. Fritz Wewalka Dickdarmkrebs ist in Österreich der häufigste bösartige Tumor. Jährlich erkranken daran etwa 5.000 Menschen, wobei Frauen und Männer gleich oft betroffen sind. Das Risiko steigt ab dem 50. Lebensjahr steil an. Neben dem Alter spielen vor allem Ernährungsfaktoren in der Entstehung eine bedeutende Rolle. Der zunehmende Genuss tierischer Fette und der Verzehr von roten Fleischsorten bei gleichzeitiger Abnahme der Zufuhr von Ballaststoffen führte in den letzten Jahrzehnten zu einem Anstieg der Darmkrebshäufigkeit. Übergewicht, Rauchen und mangelnde körperliche Aktivität tragen ebenfalls zur Krebsentstehung bei. Ein kleiner Teil der Betroffenen zeigt genetische Veränderungen, die zu familiären Häufungen von Krebserkrankungen führen. Trotzdem kann Darmkrebs sehr einfach vermieden werden. Die Krebsgeschwulst entwickelt sich in der Regel sehr langsam über 7-10 Jahre aus einer gutartigen Vorstufe, dem so genannten Polyp. Über viele Jahre verursachen diese keine Beschwerden und selbst Darmkrebs kann lange Zeit unerkannt bleiben, wenn man nicht gezielt danach sucht. Wenn Alarmsymptome auftreten (Blut im Stuhl, bleistiftförmiger Stuhl, häufige Verstopfung, eine unklare Blutarmut), ist es höchste Zeit, den Dickdarm untersuchen zu lassen. Sinnvoller ist es aber, regelmäßig ab dem 40.Lebensjahr die angebotene Vorsorgeuntersuchung in Anspruch zu nehmen. Sie besteht neben Blutuntersuchungen aus einem jährlichen Stuhltest auf verstecktes Blut, das in kleinen Mengen von Polypen oder Krebsgeschwüren abgesondert wird. Bei Nachweis von Blut im Stuhl muss eine Darmuntersuchung durchgeführt werden. Seit kurzem ist die Darmspiegelung, die endoskopische Untersuchung des gesamten Dickdarms, ab dem 50. Lebensjahr in das Vorsorgeprogramm aufgenommen und wird danach alle 7-10 Jahre empfohlen. Leider nehmen viel zu wenige Menschen die angebotene Gesundenuntersuchung in Anspruch. 2002 waren es weniger als 15% der erwachsenen Bevölkerung. Eine Umfrage im Jahr 2005 ergab, dass ebenfalls nur 15% der Befragten schon einmal eine Darmspiegelung gehabt hatten. Die Darmspiegelung ist aber die einzige effektive Methode, Darmkrebs zu verhindern. Die Videooptik des Endoskops erlaubt die genaue Betrachtung der Darmschleimhaut und das Auffinden von Veränderungen wie Polypen, die gutartige Wucherungen der Darmschleimhaut darstellen. Mit speziellen Instrumenten kann der Arzt schon während der Untersuchung derartige Polypen auf schmerzlose Weise entfernen. Wird ein solcher Polyp entfernt, so ist das Risiko für eine Darmkrebserkrankung für die nächsten Jahre gebannt. Sollte bei der Untersuchung ein Darmkrebs gefunden werden, sind dennoch die Heilungschancen durch eine Operation und eventuelle zusätzliche Behandlungskonzepte sehr gut. Die Darmspiegelung selbst sowie die endoskopische Entfernung eines Polypen ist äußerst risikoarm. Der Großteil der Bevölkerung hat jedoch Angst vor der Untersuchung, da sie mitunter schmerzhaft sein kann. Deshalb wird seit einigen Jahren in vielen Zentren verstärkt die „sanfte Coloskopie“ angeboten. Durch Verabreichen einer schmerzstillenden und beruhigenden Spritze vor der Untersuchung kann die Darmspiegelung für jeden Patienten schmerzfrei gestaltet werden. Darmkrebs ist vermeidbar – aber nur, durch konsequente Inanspruchnahme der angebotenen Vorsorgeuntersuchungen. Chirurgische Therapie bei Dickdarmkrebs OA Dr. Franz Kurz Bis heute ist eine Heilung des Darmkrebses nur durch eine Operation möglich. Dabei kommt es am Entstehungsort zu einer radikalen Entfernung des primären Tumors und, wenn möglich, den Metastasen. Mehr oder weniger große Darmstücke werden mit ihren Blutgefäßen entfernt und die beiden Darmstümpfe nach Mobilisation und Annäherung vernäht. Das Lumen (innerer Hohlraum) und die Magen-Darm-Passage bleiben dabei erhalten. Diese neue Darmverbindung, die durch eine Naht entsteht, nennt man „Anastomose“. Schwierig wird dies bei sehr tief sitzendem Krebs, der sich in der Nähe des Schließmuskels des Afters befindet. Um den Krebs sicher zu entfernen, muss zum After hin ein Sicherheitsabstand von einigen wenigen Zentimetern eingehalten werden. Es kann dabei sehr selten dazu kommen, dass der Schließmuskel nicht zu erhalten ist. In diesem Fall muss der gesamte After mit entfernt und ein künstlicher Darmausgang angelegt werden. In einem sehr frühen Stadium kann in seltenen Ausnahmen ein nahe dem Darmausgang sitzender Mastdarmkrebs auch durch den After ohne Bauchschnitt entfernt werden. Häufigste Standardoperationen (je nach Lokalisation des Tumors): 1. Die Entfernung eines rechten Dickdarmteils (Hemikolektomie rechts) 2. Die Entfernung eines linken Teils des Dickdarms bis zum sog. „Sigma“, dem s-förmig verlaufenden Teil- der letzten Dickdarmschleife vor dem Mastdarm (Hemikolektomie links) 3. Die Entfernung des Mastdarms unter Mitnahme des Schließmuskels mit Anlage eines künstlichen Darmausganges (Rektum- Exstirpation oder –Amputation) 4. Die Entfernung des Mastdarms mit Erhalt des Schließmuskels (Rektum-Resektion) 5. Die Entfernung des sog. Sigmas (Sigma-Resektion) Durch eine Operation kann eine Heilung unter Umständen sogar bei Leber-Metastasen und bei Lymphknoten-Metastasen erreicht werden. Wenn der Tumor allerdings bereits durch die Wand des Darmes gewachsen oder Metastasen erzeugt hat, sinkt die Chance auf eine alleinige operative Heilung. In einem solchen Fall empfiehlt sich zusätzlich eine Chemotherapie oder beim Mastdarmkrebs eine zusätzliche Kombination von Bestrahlung und Chemotherapie. Liegt ein fortgeschrittener Mastdarmkrebs vor, was vor der Operation abgeschätzt werden kann, empfiehlt sich diese Kombination von Bestrahlung und Chemotherapie bereits vor der Operation. Damit kann der Tumor verkleinert und der Schließmuskel in einzelnen Fällen gerettet werden, ebenfalls wird seine radikale Entfernung sicherer. Komplikationen bei der operativen Behandlung des Darmkrebses Selten kommt es zu einer Heilungsstörung der Darmnaht mit Ausbildung eines Lecks (sog. „Anastomosen-Insuffizienz“) mit der Gefahr einer lebensgefährlichen Bauchfellentzündung. Um dem vorzubeugen, empfiehlt der Chirurg manchmal bei besonders gefährdeten Darmnähten in der Nähe des Schließmuskels ein vorbeugendes Anlegen eines vorgeschalteten künstlichen Darmausganges zum Schutz der Darmnaht, der nach Ausheilung der Darmnaht oder eines Lecks wieder beseitigt werden kann. Dickdarmkrebs – medikamentöse Behandlung und Begleittherapien OA Dr. Michael Girschikofsky In Österreich erkranken jährlich etwa 5000 Patienten an Dickdarmkrebs. Ausschlaggebend für die Prognose ist primär das Ausbreitungsstadium zum Zeitpunkt der Diagnose. Davon hängt auch die Entscheidung ab, ob dem Patienten nach der Operation eine medikamentöse Therapie angeraten wird. Nahezu 30 Jahre lang lag der Schwerpunkt der Behandlung in der Substanz 5-FU, einem Chemotherapeutikum (Zytostatikum). Diese Substanz baut sich nach Verabreichung in Form einer Infusion in Tumorzellen ein und führt zum Zelltod. Da Krebszellen dafür nicht immer gleich empfindlich sind wird eine Chemotherapie in regelmäßigen Abständen wiederholt. Meist werden sechs solcher so genannter Zyklen verabreicht. Werden Zytostatika mit unterschiedlichem Wirkmechanismus kombiniert steigt die Chance mehr Tumorzellen zu zerstören. Seit der Jahrtausendwende stehen zwei weitere hochwirksame Substanzen zur Verfügung (Irinotecan und Oxaliplatin). Weiters wurden 5-FU-ähnliche Medikamente entwickelt, die teils auch in Kapselform vorliegen. Seit wenigen Jahren besteht insbesondere für Patienten mit fortgeschrittenem Dickdarmkrebs die Möglichkeit zusätzlich mit einer Antikörpertherapie (Cetuximab und Bevacicumab) behandelt zu werden. Welche Therapie letztendlich angeraten wird hängt wesentlich von den zusätzlichen Erkrankungen des Patienten und dem unterschiedlichen Nebenwirkungsprofil der einzelnen Substanzen ab. Hohes Alter allein spricht nicht gegen eine medikamentöse Tumortherapie. Die bessere Verträglichkeit der Chemotherapie wurde aber nicht nur durch neue Zytostatika, sondern auch durch neue Begleittherapien erreicht. Wirksamere Medikamente gegen Übelkeit und Appetitlosigkeit, effiziente Schmerztherapie und die Behandlung der Blutarmut tragen zu einer deutlich besseren Lebensqualität bei. Therapieprinzipien: Bei einem Viertel der Patienten mit neu diagnostiziertem Dickdarmkrebs sind auch Lymphdrüsen in der Umgebung des Tumors befallen, aber es liegen keine Fernabsiedelungen (Metastasen) vor. Etwa die Hälfte dieser Patienten ist nach der Operation wirklich tumorfrei. Da es keine Messmethode für einzelne, versteckte Krebszellen gibt wird aber allen Patienten mit so genanntem Stadium III eine vorbeugende Chemotherapie empfohlen. Damit bleibt ein weiteres Fünftel dieser Patienten tumorfrei. Etwa bei der Hälfte aller Dickdarmkrebspatienten sind zum Zeitpunkt der Diagnose oder im weiteren Verlauf Fernabsiedelungen feststellbar. Bei ausgeprägtem Befall kann die Krankheit allerdings durch Chemo- und Antikörpertherapie oft für Jahre stabilisiert werden. Bei Vorliegen nur einzelner Metastasen sollte interdisziplinär (medikamentös und operativ) versucht werden Tumorfreiheit zu erzielen. Beim Mastdarmkrebs besteht ein erhöhtes Risiko für einen Krankheitsrückfall an gleicher Stelle (Lokalrezidiv). Dies kann neben einer speziellen Operationstechnik besonders durch eine Kurzzeitbestrahlung vor dem geplanten Eingriff verringert werden. Bei größeren Tumoren sollte allerdings eine Langzeitbestrahlung in Kombination mit Chemotherapie vor der Operation erfolgen, da zusätzlich meist eine Tumorverkleinerung und damit ein besseres Operationsergebnis erzielt werden kann. In Frühstadien mit sehr kleinem Tumor stellt die Operation den ersten Behandlungsschritt dar. Zeigt sich dabei aber doch ein höheres Tumorstadium (z.B. Lymphdrüsenbefall) sollte eine nachfolgende Chemo(radio)therapie durchgeführt werden. Lebensqualität und psychosoziale Auswirkungen bei Dickdarmkrebs DGKS Martina Steinbeiß Nach Operationen im Dickdarmbereich kann es zu Veränderungen der Verdauung und Ausscheidung für die Betroffenen kommen. Diese können in vielen Fällen durch Anpassung der Ernährung positiv beeinflusst werden. Wenn ein größerer Teil des Dickdarms entfernt wurde, z.B. die linke oder rechte Hälfte, dann kann er seiner Funktion, den Nahrungsbrei einzudicken, nur mehr eingeschränkt nachkommen und es werden häufigere und weichere Ausscheidungen die Folge sein. Hier ist eine Einschränkung der Ballaststoffe in der Nahrung sinnvoll, ev. ist eine zusätzliche medikamentöse Unterstützung mit Substanzen, die die Darmbewegungen bremsen, günstig. Dickdarmkrebserkrankung und Stoma Viele Patienten sind verängstigt, wenn im Rahmen einer Dickdarmkrebserkrankung das Schreckgespenst „künstlicher Darmausgang = Stoma“ auftaucht. Die Diagnose Krebs im Kombipack mit Stomaanlage löst bei Betroffenen nicht selten eine Lebenskrise aus und eine sehr intensive, liebevolle Aufklärung und Betreuung wird nötig, um optimistische Perspektiven für das weitere Leben aufzuzeigen. Viele Stomaanlagen dienen dem Schutz der Darmnaht, besonders wenn sie sehr nahe am Schließmuskel liegt, und können nach einigen Monaten wieder verschlossen werden. Diese Aussicht tröstet die meisten Menschen und sie sehen erwartungsvoll der Rückoperation entgegen. Für Patienten, deren Darmschließmuskel bereits vor der Operation schwach war oder bei denen der Tumor sehr nahe am Schließmuskel sitzt, ist es eine große Herausforderung, sich auf ein Stoma für den Rest ihres Lebens einzustellen. Hier ist die professionelle Begleitung und Betreuung durch erfahrene StomatherapeutInnen unverzichtbar. Stoma und Lebensqualität Für die meisten Menschen ist es zu Beginn unvorstellbar, mit einem Stoma wieder mitten im Leben zu stehen, seiner Arbeit nachzugehen und an allen sozialen Aktivitäten wie vor der Operation teilzunehmen. Nach dem ersten Schock beginnt eine intensive Lernphase, in der die Betroffenen den Umgang und die Versorgung ihres Stomas mit Beutelprodukten erlernen. Geduldige Anleitung und Hilfestellung bei der Auswahl der vielfältigen Versorgungsprodukte sind hier wichtig. Die Patienten staunen oft, dass sie so wenig Einschränkungen im alltäglichen Leben haben, sie dürfen alles essen und fast alle Sportarten ausüben. Auch Schwimmen und Sauna sind gut möglich. Nur das Heben von schweren Lasten und Sportarten bei den die Bauchmuskeln sehr beansprucht werden, sollen vermieden werden. Für die Partnerschaft stellt ein Stoma natürlich ebenso eine Herausforderung dar. Die Betroffenen leiden unter der Veränderung ihres Körperbildes und fühlen sich dadurch manchmal nicht mehr so attraktiv und begehrenswert. Partner wissen oft nicht, wie sie mit der neuen Situation gut umgehen und den Patienten unterstützen können. Hilfreiche Gespräche Viele Gespräche mit Ärzten, Pflegepersonen bzw. StomatherapeutInnen, Krankenhaus-psychologen und auch mit anderen Stomaträgern in Selbsthilfegruppen helfen hier mit, die schwierige Situation zu bewältigen und die Betroffenen und ihre Angehörigen zu ermutigen, aktiv an der erfolgreichen Rehabilitation mitzuarbeiten. Eine Stomaambulanz als verlässliche Anlaufstelle bei Problemen im Alltag gibt den Patienten Sicherheit, wenn sie das Krankenhaus verlassen. Dort werden sie auch auf die Rückoperation ihres Stomas vorbereitet, denn der Schließmuskel muss in vielen Fällen speziell trainiert werden, damit er den Anforderungen durch die Veränderungen von Operation und Therapien (z.B. Chemo- und Strahlentherapie) entsprechen kann. Wenn das Stoma bleiben muss, kann das Erlernen der Irrigationstechnik eine nachhaltige Verbesserung für die Lebensqualität der Stomaträger bringen. Sie müssen dann keinen Beutel tragen, sondern können kleine Kappen oder Pflaster verwenden. Das gemeinsame große Ziel ist, Patienten nach Dickdarmkrebsoperationen optimal zu unterstützen, damit sie Veränderungen und Einschränkungen gut bewältigen und wieder zu einem aktiven und erfüllten Leben finden. Weitere Informationen: OA Dr. Fritz Wewalka FA Innere Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie, Interne Abteilung, KH der Barmherzigen Brüder Seilerstätte 2, 4021 Linz Tel: 0732 7897-24305 Email: [email protected] DGKS Martina Steinbeiß Fachschwester für Kontinenz- und Stomaberatung, KH Barmherzige Schwestern Seilerstätte 4, 4021 Linz Tel: 0732 7677-7651 Email: [email protected] OA Dr. Franz Kurz Chirurgische Abteilun, KH der Barmherzigen Schwestern Seilerstätte 4, 4021 Linz Tel: 0732 7677-7300 Email: [email protected] OA Dr. Michael Girschikofsky 1. Interne Abteilung, KH der Elisabethinen Fadingerstraße 1, 4010 Linz Tel: 0732 7676-3440 Email: [email protected]