Das Sozialwort fordert ein Engagement für den Frieden (In unserer

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Das Sozialwort fordert ein Engagement für den Frieden
(In unserer Reihe zum ökumenischen Sozialwort behandelt Franz Sieder Kapitel 6.)
Das ökumenische Sozialwort ruft alle ChristInnen zum sozialen Engagement auf und stellt
moralische Ansprüche an Regierung und Gesellschaft. Das Sozialwort ruft aber im
Besonderen die Kirchen selbst auf oder nimmt sie gleichsam in die Pflicht, diese soziale
Botschaft vorzuleben. Wenn die Kirchen nur verkündigen und nicht zugleich vorleben, was
sie verkündigen, wird diese Verkündigung zur Farce. „Dieses Sozialwort ist auch eine
Verpflichtung für alle kirchlichen Betriebe und Institutionen - wir müssen versuchen, den
Inhalt des Sozialwortes vorzuleben und nicht nur zu verkünden.“ (Bischof Maximilian
Aichern bei der Präsentation des Sozialwortes, 27. November 2003).
Kapitel 6 „Friede in Gerechtigkeit“ des Sozialwortes fordert ein christliches
Friedensengagement, das der heutigen Zeit angemessen ist. Der Einsatz für Friede und
Gerechtigkeit gehört zu den elementaren Aufgaben des Christseins – der Suche nach dem
Reich Gottes. „Das anbrechende Reich Gottes ist die Sache Jesu schlechthin.“ (Walter
Kaspar). Es ist auf dem Hintergrund der großen Menschheitsfragen nach Frieden,
Gerechtigkeit und einem sinnerfüllten und menschenwürdigen Leben für alle Menschen der
Erde zu verstehen.
Das Sozialwort benennt den Frieden als Gabe und Aufgabe. Der Friede ist eine Gabe, die von
Gott geschenkt wird, um die aber die ChristInnen auch beten sollen. Der Friede ist
gleichzeitig eine Aufgabe, die zum Engagement herausfordert. Ziel dieses Engagements ist
Friede in Gerechtigkeit. Verelendung uns soziale Konflikte sind Ursachen für kriegerische
Auseinandersetzungen. Die Armut in der Welt und die Politik des Sozialabbaues sind heute
die größte Gefahr für den Weltfrieden und Hauptgrund für die Militarisierung.
Friede und Gerechtigkeit gehören zusammen. „Gerechtigkeit und Friede küssen sich.“ (Ps
85,11). Der - oft gebräuchliche - negative Friedensbegriff meint nur die Zeit des NichtKrieges. Dieser negative Friede ist unzureichend; ein neuer Friedensbegriff muss um eine
fortschreitende Realisierung aller demokratischen und sozialen Grundrechte der Menschen
ergänzt werden. „Der Friede besteht nicht einfach im Schweigen der Waffen, nicht einfach im
immer schwankenden Gleichgewicht der Kräfte. Er muss Tag für Tag aufgebaut werden mit
dem Ziel einer von Gott gewollten Ordnung, die eine vollkommenere Gerechtigkeit unter den
Menschen herbeiführt.“ (Paul VI., Populorum Progressio Nr. 76).
Wir leben in einer friedlosen Weltgesellschaft, weil deren Strukturen ungerecht sind. Eine
Gesellschaft, die die Schwachen benachteiligt, bleibt friedlos. „Wir sind reich, weil die
anderen arm sind, weil die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen
ungerechterweise so sind, dass wir, Leute der voll entwickelten Länder immer noch reicher
und die anderen in den unterentwickelten Ländern immer noch ärmer werden.“ (Karl
Rahner). Wir stehlen nicht persönlich, wir verstoßen nicht gegen die tradierten sittlichen
Spielregeln, aber die Strukturen unserer Gesellschaft und ihre Spielregeln sind selbst
ungerecht, ausbeuterisch und unsittlich, auch wenn wir vieles auf eine ungewollte, tragische
Entwicklung der Geschichte zurück führen. Unsere Gesellschaftsordnung stiehlt für uns,
macht uns reicher und bewahrt uns dazu noch ein gutes Gewissen. Wenn wir vom
„ungerechten Mammon“ leben, müssen wir einen Teil dieses ungerechten Mammons
zurückgeben.
Neoliberale Wirtschaft ist in ihren Wurzeln unmenschlich und unchristlich. Es zählt nicht der
Mensch, sonder nur der Profit. Der Markt und die Gesetze des Marktes, werden gleichsam zur
Religion erhoben. Wer in diesen Markt nichts einzubringen hat - Millionen von Menschen –
bleibt auf der Strecke. „Frieden in Gerechtigkeit ist eine anspruchsvolle Vision, die auf nichts
weniger abzielt, als die Beziehungen zwischen den Menschen, ethnischen und religiösen
Gemeinschaften, den Völkern und den Staaten auf die Anerkennung der Würde aller, auf die
Achtung der Menschenrechte, auf nachhaltige politische, soziale und wirtschaftliche
Entwicklung zu bauen, unter Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen und in
Verantwortung für die zukünftigen Generationen.“ (Ökumenisches Sozialwort, Nr. 246).
Unterscheidungsmerkmal für einen solchen Frieden (im Sinn des Evangeliums) ist die
Gesinnung der Feindesliebe. „Wirklicher Friede ist erst dann möglich, wenn ich nicht nur die
Leiden des eigenen Volkes in Betracht ziehe, sondern auch die Leiden des Feindes.“ (Johann
B. Metz). Nur auf dieser Basis wäre ein Durchbruch im Israel-Palästina-Konflikt möglich.
Wenn es immer um Vergeltung geht, wird die Spirale der Gewalt nie unterbrochen.
Ein umfassender Friedensbegriff schließt den Frieden mit der Natur und mit den kommenden
Generationen ein. Sie sollen eine Welt vorfinden, in der sie menschenwürdig leben können.
Das Sozialwort betont daher die Nachhaltigkeit des sozialen Handelns und die ökologische
Verantwortung. „Wenn wir wollen, dass die Welt so bleibt wie sie ist, dann wollen wir, dass
sie nicht mehr bleibt.“ (Erich Fried). Das Sozialwort stellt daher Engagement über bloße
Klage und Kritik. „Wir können zwar nicht verhindern, dass diese Welt eine Welt ist, in der
Kinder gemartert werden, aber wir können die Zahl der gemarterten Kinder verringern und
wenn sie als Christen uns dabei nicht helfen, wer soll uns dann helfen?“ (Albert Camus).
Vom Glauben an das Reich Gottes liegt das Motto des internationalen Sozialforums nahe:
„Eine andere Welt ist möglich.“ Viele Menschen bejahen den Einsatz für Frieden,
Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung, aber sie wissen keinen Weg, sich konkret
dafür zu engagieren. Zusammenarbeit mit anderen ist nötig, wenn wir uns engagieren wollen.
Das Sozialwort empfiehlt die Zusammenarbeit mit friedensengagierten Menschen. Es gibt nur
mehr zwei Weltmächte: Die erste Weltmacht ist die USA mit ihrem riesigen militärischen
Potential. Die zweite Weltmacht sind die Friedensbewegungen, die weltweit größer und
stärker werden.
Traditionelle ChristInnen haben eine große Hemmschwelle gegenüber Friedensbewegungen
oder Demonstrationen. Z.B.: Eine Pfarre aus Niederösterreich bucht einen Autobus, um zur
Maria Namen-Feier in der Wiener Stadthalle zu fahren. Könnte die selbe Gemeinde auch
einen Bus organisieren, um zur Demonstration gegen den Irakkrieg nach Wien zu fahren? Für
den Frieden zu beten ist gut und wichtig, aber nur zu beten ist zu wenig. Die offizielle,
weltweite christliche Friedensbewegung Pax Christi Bewegung spürt dieses Manko: Es ist
schwer, Basisgruppen für Friede und Gerechtigkeit zu gründen; zu wenig Unterstützung
kommt von den Pfarren und Pfarrern.
Das Sozialwort weist darauf hin, Initiativen des fairen Handels zu unterstützen – es gibt also
Möglichkeiten. Dazu wird viel von kirchlichen Gruppierungen getan. Es spricht sich ferner
für eine politische und wirtschaftliche Alphabetisierung aus. Viele ChristInnen haben zu
wenig Bewusstsein über politische und wirtschaftliche Zusammenhänge. In Politik und
Wirtschaft wird über Leben und Tod von Millionen Menschen entschieden – wem dies
bewusst wird, dem wird „reine Frömmigkeit“ für ein praktizierendes Christsein zuwenig sein.
Die Angst, dabei als „links“ abgestempelt zu werden, sollte nicht beunruhigen: wenn „links“
bedeutet, sich für mehr Gerechtigkeit einzusetzen und auf Seite der Schwachen zu stehen
(„Option für die Armen“, Johannes Paul II.), dann kann eine christliche Politik eigentlich nur
eine linke Politik sein.
Kriege und Gewalt sollen nicht nach einem Diktat der USA oder der reichen westlichen
Nationen, sondern nach dem Völkerrecht geregelt und behandelt werden. Die Kirchen treten
dafür ein, die Rolle der UNO in der internationalen Friedenspolitik und im weltweiten
Krisenmanagement zu stärken. Die UNO hat die stärkste völkerrechtliche Legitimation für
Maßnahmen der Friedensschaffung und der Schlichtung großer internationaler Krisen ... .
(Ökumenisches Sozialwort, Nr. 260).
Für unser Friedensengagement ist es von Vorteil, dass Österreich ein neutrales Land ist. Eine
aktive Neutralität gibt uns die Möglichkeit, Friedensdienste zu leisten und in Konfliktfällen zu
vermitteln. Es gibt daher Anlass genug, dass in der Kirche Österreichs den Wert der
Neutralität hoch zu halten. Er soll positiv genützt werden zu einem aktiven Friedens- und
Versöhnungsengagement des österreichischen Staates und seiner Menschen. Die Kirchen
fordern die Bundesregierung auf, den Einsatz für die zivile Versöhnungsarbeit zu verstärken.
Der Friedensdienst soll als Projekt gemeinsam mit den Kirchen und anderen NichtRegierungs-Organisationen entwickelt und international zur Verfügung gestellt werden. ...
Die Kirchen fordern Österreich als neutrales Mitglied der Europäischen Union dazu auf, sich
für eine Außen- und Sicherheitspolitik einzusetzen, die auf klaren ethischen und
völkerrechtlichen Prinzipien gründet. (Ökumenisches Sozialwort, Nr. 257 und 259).
Zur politischen Alphabetisierung des Christentums in Österreich fehlt es an globalem Denken
- gegen provinzielle und nationale Engstirnigkeit. Die Globalisierung sollte in den Köpfen
und Herzen stattfinden: „Meine Vision ist, dass der amerikanische Präsident in Zukunft nicht
mehr sagt: Gott segne Amerika, sondern: Gott segne die Welt.“ (Konstantin Wecker).
Christentum zu „praktizieren“, bedeutet nicht einfach Gottesdienstbesuche, sondern muss als
Befreiungskirche für den Aufbau des Reiches Gottes in unserer Welt, d.h. auch als ein
Friedensprojekt angelegt sein, wie es in den Worten eines österreichischen und eines
brasilianischen Befreiungstheologen zum Ausdruck kommt: „Wenn wir das Evangelium ohne
die soziale Botschaft verkünden, ist das eine Häresie.“ (Franz Weber). Und: „In der ganz
traditionellen und unverdorbenen christlichen Theologie hat niemand schon allein deswegen
Glauben, weil der versichert, er glaube an Gott. In biblischer Sicht löst sich die Frage von
Glauben und Unglauben nicht im Tempel, sondern auf dem Gebiet der Aktion, in der sich die
Liebe und die gemeinschaftliche Hoffnung der Menschen konkretisiert.“ (Hugo Assmann).
Praktiziertes Christsein bedeutet, sich mit seinen Möglichkeiten für eine menschlichere,
gerechtere und friedlichere Welt einzusetzen.
Franz Sieder
geistlicher Assistent von Pax Christi Österreich
und der KAB St. Pölten
Betriebsseelsorger
Krankenhausseelsorger
lebt in Amstetten
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