Evangelische Religionslehre Themenbereich: Klasse: 11 Frieden und Gerechtigkeit Arbeitsblatt Nr. 3 Lau Für einen Frieden in Gerechtigkeit Friedensethische Orientierung zur Diskussion um den Kampf gegen den Terror In der Diskussion um die Mittel im Kampf gegen den Terror haben sich die Kirchen mehrfach zu Wort gemeldet. Die zentrale Botschaft lautet: Frieden kann es ohne Gerechtigkeit nicht geben. Dabei ist aber auch die Frage nach der Legitimation militärischer Gewalt erneut in den Blick gekommen. Die folgenden Gedanken greifen die kirchliche friedensethische Diskussion auf und sind als ethische Orientierungshilfe gedacht. 1. Der Verheißung von Gottes Frieden entspricht in der Bibel die Mahnung, nach einem gerechten Frieden zu suchen. Der menschlichen Geschichte der Gewalt stellt die Bibel die Verheißung des göttlichen Friedens entgegen. Die Urerfahrung menschlicher Gewalt ist der Brudermord Kains gegen Abel (Gen 4). Kain wird zwar als Strafe zum Unsteten, aber selbst für ihn als Mörder gibt es von Gott her Sicherheit spendendes Recht: das Kainsmal. In der prophetischen Tradition wird der Zusammenhang aufgedeckt zwischen dem Ausbruch von Gewalt und dem Fehlen von Recht und Gerechtigkeit. Frieden und Sicherheit kann es nur geben, wo Gerechtigkeit herrscht: „Und der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Ertrag der Gerechtigkeit wird ewige Stille und Sicherheit sein“ (Jes 32,17). Im Leben und Handeln Jesu Christi begegnet uns das vorweggenommene Aufleuchten von Gottes Frieden. Er ist „unser Friede“ (Eph 2,14), weil er Mechanismen der Gewalt durchbricht durch Hoffnung statt Demütigung für die Leidenden (Mt 5,1ff), durch Dienstbereitschaft statt Herrschsucht (Mk 10,43-45), durch Vergebung statt Aggression (Mt 5,43ff) und durch Empathie statt Gleichgültigkeit (Mt 11,28-30). Dem Versuch, Gewalt mit Gegengewalt zu bändigen, entgegnet Jesus: „Steck dein Schwert in die Scheide. Denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.“ (Mt 26,52) So mahnt auch Paulus: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ (Röm 12,21) 2. Friede erwächst da, wo auf Bedürfnisse des jeweils anderen nach Gerechtigkeit, Sicherheit und Frieden eingegangen wird. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock, fordert: „Die Weltpolitik muss auf die Lösung friedensgefährdender Konflikte – wie vor allem in Israel und Palästina – und die Schaffung einer gerechten internationalen Ordnung ausgerichtet werden.“ Dass uns dies erst nach den verheerenden Anschlägen so eindringlich klar wird, ist auch Anlass zur Selbstkritik: Wir haben uns im Westen ein Gefühl von Sicherheit aufgebaut, indem wir die Probleme anderer Teile der Welt vielfach verkannt haben. Frieden kann aber nur wachsen, wo auch das Bedürfnis der jeweils anderen Seite nach Gerechtigkeit, Sicherheit und Frieden für politisches Handeln relevant ist. Es ist deshalb dringend eine neue Gerechtigkeitspolitik notwendig, die dementsprechend handelt. 3. Es gibt keinen gerechten Krieg, sondern nur gerechten Frieden. Keine Form von Gewalt wird die tiefere Ursache des Terrorismus beseitigen können. Deshalb darf es bei der Bestrafung der Terroristen auch nicht um Rache gehen. Die Täter sind nach internationalem Recht zu verurteilen und zu bestrafen. Gerade jetzt wird die Notwendigkeit einer internationalen Gerichtsbarkeit besonders bewusst. Die evangelische Friedensethik kennt die Situation einer „ultima ratio“ für die Anwendung militärischer Gewalt. Entscheidend ist aber, dass es nie einen gerechten Krieg geben kann. Es kann nur gerechten Frieden geben. Krieg bedeutet immer das Scheitern der eigentlichen Aufgabe von Politik, nämlich der Minimierung von Gewalt durch die Vorherrschaft des Rechtes und der Herstellung von Gerechtigkeit. In den Orientierungspunkten der EKD von 1994 „Schritte auf dem Weg des Friedens“ werden als konkrete Kriterien für die Legitimität des Einsatzes militärischer Gewalt genannt, 1. dass „die Entscheidung über ein solches Eingreifen, die nicht der Souveränität einzelner Staaten überlassen bleiben darf, im Rahmen und durch die Regeln der Vereinten Nationen getroffen wird“, 2. dass „die Politik im Rahmen des Schutzes oder der Wiederherstellung einer rechtlich verfassten Friedensordnung über klar angebbare Ziele einer Intervention verfügt“, 3. dass „die an den Zielen gemessenen Erfolgsaussichten nüchtern veranschlagt werden“, 4. dass „von Anfang an bedacht wird, wie eine solche Intervention beendet werden kann“ (S.28). Mit diesen Kriterien wird deutlich, dass der „ultima ratio“ erst ein politischer Prozess internationaler Abstimmung vorausgehen muss. Mit der Entwicklung von politischen Zielen im Vorfeld einer Intervention ist die Hoffnung verbunden, die Intervention selbst obsolet werden zu lassen. Auch diese Kriterien sind nicht unumstritten, da sie – so die Kritiker – gewaltlegitimierenden Charakter haben. Daher muss der „ultima ratio“ militärischer Gewalt die „prima ratio“ konfliktlösender und gerechtigkeitsorientierter Politik vorausgehen. 27.9.2001 Evang.-Luth. Kirche in Bayern Kirchenrat Thomas Prieto Peral Abteilung Ökumene, Kirchliches Leben, Referat Konziliarer Prozess