Resolution

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Resolution
der Gewerkschaften des Handelssektors aus Deutschland, Kroatien, Österreich, Slowenien, der
Tschechischen Republik und Ungarn
verabschiedet am 28. Mai 2002 im Rahmen des Wiener Dialoges 2002
Für faire Arbeitsbedingungen der Handelsangestellten in ganz Europa
Soziale Standards absichern – Gewerkschaftliche Zusammenarbeit ausbauen –
Notwendige gesetzliche und kollektivvertragliche Regelungen schaffen
1. Die beim Wiener Dialog 2002 teilnehmenden Gewerkschaften des Handelssektors aus Deutschland, Kroatien, Österreich, Slowenien, Tschechische Republik und Ungarn stehen voll hinter
der im gesamteuropäischen Interesse gelegenen EU-Erweiterung und begrüßen den zügigen
Fortgang des Beitrittsprozesses. Sie betonen aber zugleich, dass von der Erweiterung nicht nur
einige Wenige profitieren dürfen, sondern dieses Projekt zum Wohl aller Beschäftigten, in den
derzeitigen EU-Staaten wie auch in den Beitrittswerberländern, gelingen muss.
2. In diesem Zusammenhang unterstreichen die Gewerkschaften der beteiligten Länder ihre Sorge,
dass die soziale Dimension im bisherigen Erweiterungsprozess bislang nur untergeordnete Berücksichtigung gefunden hat. Sie stellen auch fest, dass die Gewerkschaften in den Beitrittsländern von ihren Regierungen bislang nur unzureichend in die Beitrittsvorbereitungen einbezogen
wurden. In den Beitrittsländern werden mit dem Hinweis auf den bevorstehenden Beitritt sozial- und arbeitsrechtliche Besserstellung für die Handelsangestellten behindert, während gleichzeitig in den alten EU-Ländern die Aushöhlung von Schutznormen für Beschäftigte mit dem
Argument einer drohenden Wettbewerbsverschärfung nach der Erweiterung gefordert wird.
3. Die Sorge der Gewerkschaften gilt insbesondere zahlreichen sozialen Errungenschaften, die vor
diesem Hintergrund zunehmend unter Druck gelangen. In diesem Zusammenhang treten nahezu
alle Aspekte der Arbeitsbedingungen im Handel ins Blickfeld, wozu Fragen geregelter Arbeitsund Ladenöffnungszeiten ebenso gehören, wie solche des Gesundheitsschutzes, der Beschäftigungssicherung und solche nach akzeptabler Wochenend- und Feiertagsruhe. In diesem Zusammenhang sind insbesondere genaue Bestimmungen hinsichtlich der Ausnahmen von Nacht, Sonntags und Feiertagsarbeit dringend geboten.
4. Unsere deutliche Botschaft lautet: Es darf im Zuge der Erweiterung zu keinem wechselseitigen
Dumping bei den Arbeitsbedingungen im Handel sowie zu Einschränkungen der Rechte der
Beschäftigten kommen. Die Gewerkschaften der beteiligten Länder werden ihre Anstrengungen
fortsetzen, einer „Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft“ entgegen zu treten. Sie werden ihre Stimme
erheben, um in ihren Ländern entsprechende politische Vorstöße hintan zu halten und wirksame
Regelungen im Interesse der Handelsangestellten voranzubringen. Überall dort, wo sich weitreichende Arbeitsmarktflexibilisierungen bereits durchgesetzt haben, werden sie maximale Anstrengungen zu ihrer Beseitigung vornehmen. Die teilnehmenden Gewerkschaften werden dabei
grenzübergreifend kooperieren um sich wechselseitig zu unterstützen.
5. In diesem Zusammenhang kommt auch einer europaweiten Harmonisierung unterschiedlicher
Bestimmungen im Bereich der Beschäftigungsbedingungen im Handel auf einem für die Beschäftigten hohen Niveau besondere Bedeutung zu. Die beteiligten Gewerkschaften werden
sich in Kooperation mit der gewerkschaftlichen Dienstleistungsinternationale UNI-EuropaCommerce verstärkt gemeinsam in diese Richtung engagieren.
6. Darüber hinaus appellieren wir an die soziale Verantwortung internationaler Konzerne und fordern insbesondere die Respektierung bestehender Gesetze und Kulturen in allen Fragen der Arbeitsbedingungen. Die beteiligten Gewerkschaften verurteilen mit Nachdruck die unfairen
Praktiken mancher internationaler Handelskonzerne und werden entschieden gegen vorsätzlichen Rechtsbruch vorgehen. Zu den vordringlichsten Problemfeldern zählen insbesondere
-
Verschlechterungen arbeitsrechtlicher Bedingungen insbesondere die extensive Verlängerung der Arbeitszeiten;
-
unmäßige Flexibilitätsanforderungen an die Beschäftigten
-
die Nichtbezahlung von Überstundenleistungen
-
die Praxis von befristeten Kettenverträgen
-
die Weigerung mit Gewerkschaften über Kollektivverträge zu verhandeln oder mit
ihnen in einen Sozialen Dialog einzutreten
-
die Verletzung von Gewerkschaftsrechten, insbesondere der offene Druck auf Gewerkschaftsaktivisten und -mitglieder mit dem Ziel, sie zu einem Ausscheiden aus der Gewerkschaft zu bewegen und darüber die Etablierung einer betrieblichen Gewerkschaftsorganisation zu verhindern.
7. Dem Handelssektor kommt große Bedeutung im Rahmen der Beschäftigungssicherung in den
Erweiterungsländern zu. Gemeinsam mit seinen vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen
zählt der Handel in allen beteiligten Ländern zu einem jener Sektoren mit der größten Beschäftigtenzahl. Nachhaltiges, beschäftigungsintensives Wachstum wird nicht durch die Absenkung
von Sozialstandards erreicht, sondern nur durch eine Wirtschaftspolitik, die auf eine Stärkung
der kaufkräftigen Nachfrage abzielt. Dazu zählen auch stabile Arbeitsverhältnisse mit gesicherten Einkommen. Die Regierungen und die Vertreter der Wirtschaft fordern wir daher auf, nicht
in einer unkontrollierten Liberalisierung das Heil zum wirtschaftlichen Erfolg zu suchen, sondern vielmehr an Lösungen zu arbeiten, welche die Interessen von Wirtschaft und Konsumenten gleichwertig wie jene der Beschäftigten und deren Familien berücksichtigen. Die Gewerkschaften stehen für solche ganzheitlichen Lösungen als Partner bereit.
8. Als zentrale Mittel zur möglichst flächendeckenden Etablierung fairer Arbeitsbedingungen im
Handel werden neben entsprechenden gesetzlichen Regelungen gesehen:
-
der Aufbau und die Weiterentwicklung von Kollektivvertragssystemen mit dem Ziel,
zu Branchenvereinbarungen im Handel zu kommen;
-
eine zunehmende grenzübergreifende Koordinierung der Lohnpolitik mit dem Ziel,
Dumping im Bereich der Entgeltfindung ebenso wie bei arbeitsrechtlichen Rahmenregelungen, wie etwa Arbeitszeiten, entgegenzuwirken;
-
die volle Einbindung der Gewerkschaften in die Gestaltung sozialer und arbeitsrechtlicher Regelungen, mit dem Ziel ausgewogene Lösungen zu finden, die auch den Interessen der Handelsangestellten und deren Familien entsprechen.
9. In diesem Sinn bekennen sich die beteiligten Gewerkschaften dazu, den sektoralen sozialen Dialog in allen Ländern zu fördern und die dafür notwendigen Kooperationen für die Zukunft einzugehen. In diesem Zusammenhang kommt jenen Ländern, in denen Branchenkollektivverträge
zum fixen Bestandteil der kollektiven Rechtsgestaltung gehören, besondere Bedeutung zu.
10. Abschließend bekunden die Teilnehmer der Konferenz unter den skizzierten Voraussetzungen
den anstehenden Erweiterungsprozess aktiv mitzugestalten und sich dabei wechselseitig zu unterstützen, wenn es darum geht, den Interessen der Handelsangestellten in allen beteiligten
Ländern zum Durchbruch zu verhelfen. Zu diesem Zweck werden die beteiligten Gewerkschaften die mit diesem Wiener Dialog gestartete grenzübergreifende Zusammenarbeit auf Ebene der
Entscheidungsträger gleichsam wie auf Expertenebene aktiv fortzusetzen. Denn es geht um
viel: Es geht um einen fairen Handel in ganz Europa!
Wien, am 28. Juni 2002
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