E. Krankentagegeldversicherung I. Rechtsgrundlagen, Rechtscharakter und Schutzzweck II. Versicherungsfähigkeit III. Einkommen des Versicherungsnehmers und Höhe des versicherbaren Krankentagegeldes IV. Versicherungsfall V. Örtlicher Geltungsbereich VI. Ausschlüsse VII. Obliegenheiten VIII. Ende des Versicherungsschutzes IX. Prozessuales und Beweislast I. 1. Rechtsgrundlagen, Rechtscharakter und Schutzzweck Rechtsgrundlagen 1# Die Vorschrift des § 192 Abs. 5 hat unverändert § 178 b) Abs. 3 VVG a. F. übernommen. Der Gesetzgeber hat also bei der Krankentagegeldversicherung keinen Reformbedarf gesehen, sondern sich dafür entschieden, die Krankentagegeldversicherung weiterhin nicht näher zu kodifizieren. Die Ausgestaltung der Krankentagegeldversicherung ist damit der AVB-Ebene überlassen. 2# Für nahezu alle Krankentagegeldversicherungsverträge in Deutschland gelten – soweit es sich nicht um besondere Erscheinungsformen wie etwa die 1 Restschuldversicherung handelt – die MB/KT, und zwar in Form der MB/KT 1978, der MB/KT 1994 oder der MB/KT 2008, die sich jeweils nur geringfügig unterscheiden.1 Obwohl eine einheitliche Verwendung als Mindeststandard seit der Deregulierung 1995 nicht mehr aufsichtsbehördlich vorgegeben werden kann, halten die Versicherer auch heute noch ganz weitgehend an den bewährten MB/KT fest und ergänzen diese lediglich durch unternehmens- und tarifspezifische Tarifbedingungen. 2. Rechtscharakter und Schutzzweck 3# Die Krankentagegeldversicherung ist Verdienstausfallversicherung. Sie bietet nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 1 MB/KT „Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall als Folge von Krankheiten oder Unfällen, soweit dadurch Arbeitsunfähigkeit verursacht wird“. Auch die gesetzliche Regelung spricht ausdrücklich davon, es sei der „als Folge von Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachte Verdienstausfall durch das vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen“. Die Zweckbestimmung des Krankentagegeldes liegt darin, die dem Versicherungsnehmer durch den Ausfall seiner Arbeitskraft entstandenen Verdiensteinbußen auszugleichen.2 Entsprechend dieser Zweckbestimmung hat die Versicherungswirtschaft auf verschiedene berufliche Situationen zugeschnittene Tarife entwickelt. So sehen Tarife für Arbeitnehmer regelmäßig vor, dass erst nach Ablauf von 42 Karenztagen geleistet wird, also nach dem Ende der Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers gemäß EntgeltfortzG. Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer, die im Anschluss an diesen Zeitraum einen Krankengeldanspruch gegen ihre gesetzliche Krankenkasse haben, können i. d. R. nach den tariflichen Vorgaben der VU (nur) die Differenz zwischen Krankengeld und Nettoeinkommen durch eine private Krankentagegeldversicherung absichern. Hingegen gibt es für Selbständige und Freiberufler Tarife, nach denen das Krankentagegeld schon nach geringeren Karenzzeiten gezahlt wird, wobei die Mindestkarenzzeit in der Regel drei Tage beträgt. 4# Vor dem Hintergrund dieser Zweckbestimmung liegt es nahe, das Entstehen von Verdienstausfall als eine Anspruchsvoraussetzung in der 1 2 Die MB/KT 94 sind mit Hinweisen auf Abweichungen zu den MB/KT 78 abgedruckt bei Bach/Moser, Seite 569 ff.; zur Einbeziehung der MB 2008 in laufende Verträge vgl. Einführung vor § 192 Rdn. $$ Bach/Moser-Wilmes § 1 MB/KT Rn. 1 mit weiteren Nachweisen. 2 Krankentagegeldversicherung anzusehen. So heißt es in einer älteren Entscheidung des OLG Köln, dass Sinn und Zweck der Krankentagegeldversicherung der Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall als Folge von Krankheit sei und sich daraus ergebe, dass für eine Versicherungsleistung kein Bedürfnis bestehe, wenn dem Versicherungsnehmer durch seine Krankheit keinerlei Verdienstausfall entsteht.3 Im dort entschiedenen Fall waren Arbeitslosengeld und eine Verwaltervergütung unverändert weitergezahlt worden. Allerdings berücksichtigen derartige Erwägungen nicht hinreichend, dass die Krankentagegeldversicherung nach den MB/KT als Summenversicherung ausgestaltet ist.4 Regelmäßig ist nämlich nicht die Berechnung der Versicherungsleistung nach Maßgabe eines konkreten Verdienstausfalls vereinbart, sondern ein von vornherein vereinbartes Tagegeld in einer bestimmten Höhe, also eine abstrakte Bedarfsdeckung.5 Zwar orientiert sich diese – jedenfalls bei Vertragsabschluss – zumeist möglichst eng am kalendertäglichen Nettoeinkommen und somit am konkreten Bedarf. Eine ständige und automatische Anpassung an Einkommensschwankungen sehen die MB/KT aber gerade nicht vor. Vielmehr soll pauschal ein Bedarf gedeckt werden, von dem angenommen wird, dass er bei durch Arbeitsunfähigkeit eintretendem Verdienstausfall entstehen könne.6 Die vom Versicherer im Versicherungsfall zu erbringende Leistung ist also bereits vorher fest bestimmt.7 Es handelt sich deshalb bei der Krankentagegeldversicherung um eine nach den Grundsätzen der Schadensversicherung betriebene Summenversicherung.8 Diese Ausgestaltung ist dabei nicht etwa vom Gesetzgeber vorgegeben, sondern Folge der gängigen versicherungsvertraglichen Vereinbarungen. Es wäre rechtlich zulässig, die Krankentagegeldversicherung auch als Schadensversicherung auszugestalten.9 5# Konsequenz der Ausgestaltung als Summenversicherung ist, dass dem VN im Versicherungsfall nicht entgegengehalten werden kann, das vereinbarte Krankentagegeld gehe über den konkreten Bedarf hinaus oder es bestehe überhaupt kein konkreter Bedarf bzw. es sei ihm kein konkreter Schaden entstanden. In Betracht kommen kann in derartigen Fällen allerdings eine Leistungsfreiheit oder 3 4 5 6 7 8 9 OLG Köln VersR 88, 593. BGH VersR 01, 1100. BGH a. a. O. BGH a. a. O. Bach/Moser-Wilmes § 1 MB/KT, Rn. 4. Amtliche Begründung des Entwurfs von § 178 b) VVG, Bundestagsdrucksache 12/6959. BGH a. a. O. 3 Leistungskürzung wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen (vgl. dazu die Kommentierung zu § 21), Verletzung nachvertraglicher Anzeigeobliegenheiten (vgl. dazu unten Rn. $) oder des Wegfalls der Versicherungsfähigkeit (vgl. dazu unten Rn. $). Die bloße Tatsache, dass kein Schaden oder kein Schaden in Höhe des versicherten Tagegeldes entstanden ist, rechtfertigt hingegen keine Leistungseinschränkung. In Einzelfällen kann auch eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen.10 6# Aus der Konstruktion als Summenversicherung folgt, dass die Vorschriften des VVG zur Schadensversicherung grundsätzlich nicht anwendbar sind. Denn nach § 194 Abs. 1 Satz 1 sind die Bestimmungen der §§ 74 bis 81 und 83 bis 88 nur anwendbar, soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt wird. Vgl. zu den Einzelheiten die Kommentierung zu § 194 Rdn. 9ff. II. Versicherungsfähigkeit 7# In den tariflichen Regelungen ist regelmäßig die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe als Voraussetzung der Versicherungsfähigkeit in dem jeweiligen Tarif statuiert. Schon wegen der unterschiedlichen Karenzzeiten (vgl. dazu oben Rn. $) gibt es für Selbständige und abhängig Beschäftigte zumeist eigenständige Tarife, in denen jeweils die selbständige bzw. angestellte Erwerbstätigkeit Voraussetzung der Versicherungsfähigkeit ist. Manche Tarife sehen darüber hinaus die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe als Voraussetzung der Versicherungsfähigkeit vor. Die verschiedenen Tarife sind als Folge der mit der Berufszughörigkeit typischerweise verbundenen Risikolagen unterschiedlich kalkuliert. Dem liegen Erfahrungen und Auswertungen zu Grunde, wonach die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts in der Krankentagegeldversicherung je nach Berufsgruppe unterschiedlich ausgeprägt ist. Dabei spielen nicht nur Erwägungen zum subjektiven Risiko eine Rolle. Das subjektive Risiko soll etwa bei Selbständigen in der Regel geringer sein als bei Arbeitnehmern.11 Hinzu kommen objektivierbare Umstände, wie etwa unterschiedlich ausgeprägte Anforderungen an die körperliche und geistige 10 11 Prölss/Martin-Prölss § 4 MB/KT Rn. 4. vgl. hierzu Bach/Moser-Hütt § 2 MB/KT Rn. 4 4 Leistungsfähigkeit, die zur Folge haben, dass eine bestimmte Erkrankung in einem Beruf mit hohen Anforderungen zur Arbeitsunfähigkeit führt, während einem Beruf mit niedrigeren Anforderungen mit derselben Erkrankung noch teilweise nachgegangen werden könnte. Ebenfalls eine Rolle bei der Kalkulation spielen mit bestimmten Berufen verbundene erhöhte Krankheits- und Verletzungsrisiken. 8# Aus diesen Erwägungen folgt, dass die im Tarif vorausgesetzte Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe regelmäßig gefahrerheblicher Umstand im Sinne des § 21 ist.12 9# Gingen beide Parteien beim Vertragsabschluss von falschen Umständen hinsichtlich der Berufstätigkeit aus, kommt eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 2 BGB (Fehlen der Geschäftsgrundlage) in Betracht.13 Dies gilt allerdings nur, soweit die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nicht unter den gewählten Tarif fällt. 14 Rein interne Annahmerichtlinien haben dabei außer Betracht zu bleiben.15 10# Zu nach Vertragsschluss eintretenden tarifrelevanten Änderungen der beruflichen Tätigkeit vgl. unten Abschnitt VIII. 11# Da die Krankentagegeldversicherung im Regelfall nicht als Schadensversicherung ausgestaltet ist (oben Rn. $), ist § 75 (Überversicherung) nicht unmittelbar anwendbar, wenn der VN fälschlich zu einem Tarif versichert worden ist, der Berufsgruppen vorbehalten ist, die typischerweise einen höheren Verdienstausfall erleiden.16 III. Einkommen des Versicherungsnehmers und Höhe des versicherbaren Krankentagegeldes 12# Nach der Gesetzesformulierung ist der „Verdienstausfall durch das vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen“. Das Gesetz überlässt die Ausgestaltung der 12 13 14 15 16 Prölss/Martin-Prölss § 2 MB/KT Rn. 2; ein Rücktrittsrecht bejaht auch Versicherungsrechts-HandBuch-Tschersich § 45 Rn. 18 Prölss/Martin a. a. O.; vgl. auch OLG Köln VersR 90, 769 Prölss/Martin a. a. O. OLG Köln a. a. O. OLG Köln a. a. O. lehnt auch eine analoge Anwendung (damals § 51 VVG) ab. Dafür Prölss a. a. O. unter Hinweis auf Sieg, VersR 85, 1110. 5 Krankentagegeldhöhe also der Disposition der Vertragsparteien, geht aber zugleich von der Annahme aus, dass Schutzzweck der Ausgleich von Verdienstausfall ist. Die MB/KT stellen in § 4 Abs. 2 bis 4 Abs. 4 eine Bindung des Tagegeldsatzes an das Nettoeinkommen her. Anlass hierfür ist die durch Erfahrungswerte belegte Annahme, dass das subjektive Risiko und damit die Wahrscheinlichkeit des Versicherungsfalls ansteigen, wenn das Krankentagegeld das aus der beruflichen Tätigkeit herrührende Nettoeinkommen übersteigt.17 Es soll namentlich vermieden werden, dass der Versicherungsnehmer im Fall des Krankentagegeldbezugs finanziell besser gestellt ist als in Zeiten der beruflichen Tätigkeit. 1. Ermittlung des Nettoeinkommens 13# Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 MB/KT ist für die Berechnung des Nettoeinkommens der Durchschnittsverdienst der letzten zwölf Monate vor Antragstellung bzw. vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit maßgebend. Beim Arbeitnehmer lässt sich das Nettoeinkommen in der Regel unproblematisch durch Abzug von Steuern und Sozialabgaben vom Bruttoverdienst ermitteln. Größere Schwierigkeiten bereitet in der Praxis die Ermittlung des Nettoeinkommens beim Selbständigen, soweit sich nicht in den Tarifbedingungen genauere Definitionen finden. Während beim Arbeitnehmer das Nettoeinkommen zuverlässig anhand des Einkommenssteuerbescheides ermittelt werden kann, ist die Aussagekraft des Steuerbescheides beim Selbständigen begrenzt. Insbesondere stellt sich hier die Frage, ob steuerlich absetzbare Unkosten oder Investitionen verdeckte Nettoeinkünfte sein können. Dies lässt sich nicht pauschal bejahen oder verneinen. Ausgangspunkt ist in jedem Fall zunächst der Steuerbescheid (soweit vorhanden), von dessen Aussagekraft grundsätzlich auszugehen ist.18 Für etwaige Abweichungen ist im Streitfall der Versicherungsnehmer darlegungsbelastet. 19 Strittig ist in diesem Zusammenhang häufig, ob die dem Selbständigen entstehenden Betriebskosten bei der Bemessung des Krankentagegeldes zu berücksichtigen sind. Dagegen spricht, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zum Nettoeinkommen die Betriebskosten nicht gehören, Nettoeinkommen vielmehr 17 18 19 Bach/Moser-Wilmes, § 4 MB/KT, Rn. 6 In diesem Sinne LG Berlin, Urteil vom 23.09.2003, 7 O 596/02; LG Koblenz, Beschluss vom 14.04.2003, 15 O 728/02 LG Koblenz und LG Berlin a. a. O. 6 derjenige Betrag ist, der dem Selbständigen nach Abzug der Betriebskosten (sowie Abgaben und Steuern) übrig bleibt. Es wäre deshalb verfehlt, allein darauf abzustellen, dass der Selbständige mit seiner Arbeitskraft auch die laufenden Betriebskosten erwirtschaftet und diese deshalb von der Krankentagegeldversicherung umfasst sein müssten. Soweit es nach den MB/KT allein auf das Nettoeinkommen ankommt und Erweiterungen sich weder aus den Tarifbedingungen noch sonstigen Umständen ergeben, sind die Betriebskosten des Selbständigen nicht zu berücksichtigen. Eine Zuordnung solcher Kosten zum Einkommen oder gar zum Nettoeinkommen des Selbständigen würde die Bedeutung des Wortes „Nettoeinkommen“ verkennen. Anders ist es, wenn der Tarif das Nettoeinkommen als einen bestimmten Prozentsatz des Bruttoeinkommens definiert. Zum Bruttoeinkommen soll nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt20 die Gesamtheit aller Einnahmen ohne Abzug der Betriebsausgaben gehören. 2. Minderung des Einkommens während der Vertragslaufzeit 14# Ist das Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers während der Vertragslaufzeit unter das bei Vertragsabschluss zu Grunde gelegte Einkommen gesunken, folgt hieraus – bei der üblichen Ausgestaltung der Krankentagegeldversicherung als Summenversicherung – nicht automatisch die Begrenzung der Versicherungsleistung auf den tatsächlichen Einkommensverlust.21 Die Bestimmung des § 4 Abs. 2 MB/KT steht dem nicht entgegen. Diese Regelung ist keine Anspruchsbegrenzung, sondern lediglich ein programmatischer Grundsatz.22 Möglich ist eine Anpassung des versicherten Tagegeldes an das gesunkene tatsächliche Einkommen unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 MB/KT. Danach kann der Versicherer, der Kenntnis von einem gesunkenen Nettoeinkommen erlangt, das Krankentagegeld und den Beitrag mit Wirkung vom Beginn des zweiten Monats nach Kenntniserlangung entsprechend dem geminderten Nettoeinkommen herabsetzen, und zwar unabhängig davon, ob der Versicherungsfall bereits eingetreten ist oder nicht. Bis zum Zeitpunkt der Herabsetzung wird die Leistungspflicht im bisherigen Umfang für eine bereits eingetretene Arbeitsunfähigkeit nicht berührt (§ 4 Abs. 4 Satz 2 MB/KT). Wirksam wird die 20 21 22 VersR 01, 318 BGH VersR 01, 1100; Bach/Moser-Wilmes, § 4 MB/KT, Rn. 11 mit weiteren Nachweisen Bach/Moser-Wilmes, § 4 MB/KT, Rn. 8 mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstandes 7 Herabsetzung durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Versicherers.23 3. Von Anfang an zu niedriges Einkommen 15# Die Herabsetzungsbefugnis des § 4 Abs. 4 MB/KT greift nicht, wenn das Nettoeinkommen nicht gesunken ist, sondern von Anfang an niedriger als das versicherte Krankentagegeld war. Auch eine Kürzung nach § 4 Abs. 2 MB/KT ist nicht möglich (oben Rn. $). In einem solchen Fall kommen Arglistanfechtung oder Rücktrittserklärung in Betracht.24 Liegen die Voraussetzungen für Anfechtung oder Rücktritt – z. B. wegen fehlenden Verschuldens des Versicherungsnehmers – nicht vor, kann eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) in Frage kommen.25 Eine solche Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage wird von der Rechtsprechung dann für möglich gehalten, wenn im Vertrag keine Regelung getroffen worden ist.26 Eine Regelung für den Fall des von Anfang an zu niedrigen Einkommens treffen die MB/KT aber gerade nicht, jedenfalls dann nicht, wenn man – mit der herrschenden Rechtsprechung – § 4 Abs. 2 MB/KT als bloßen Programmsatz begreift. Dann aber steht der Anwendung des § 313 BGB für den Fall, dass das zu Grunde gelegte Nettoeinkommen von Anfang an zu niedrig war, nichts im Wege. Bei einer vertraglichen Regelung, die nicht speziell auf den fraglichen Umstand zugeschnitten ist, ist die Berücksichtigung dieses Umstands unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsgrundlage nicht ausgeschlossen.27 4. Unpassender Entgeltfortzahlungsanspruch, sonstige Tagegelder 16# Auch bei einem nicht zum Versicherungsschutz passenden Entgeltfortzahlungsanspruch – sei er von Anfang an unpassend oder nachträglich verändert – kommt aufgrund der gerade dargelegten Erwägungen (Rn. $) entgegen OLG Karlsruhe a. a. O. eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB in Betracht.28 Eine Anwendung von § 313 BGB ist auch möglich, wenn von Anfang an ein anderweitiger 23 Bach/Moser-Wilmes, § 4 MB/KT, Rn. 11 und 14 mit weiteren Nachweisen; zu den inhaltlichen Anforderungen an eine Herabsetzungserklärung vgl. OLG Stuttgart VersR 99, 1138 24 Bach/Moser-Wilmes, § 4 MB/KT, Rn. 15 25 Die Anwendung im dort entschiedenen Sachverhalt abgelehnt hat OLG Köln VersR 90, 769. 26 OLG Karlsruhe VersR 90, 1340 27 Roth in Münchener Kommentar zum BGB, § 313, Rn. 35 28 ebenso Prölss/Martin-Prölss, § 4 MB/KT, Rn. 4 8 Krankengeldanspruch bestand und hierdurch das insgesamt versicherte Krankentagegeld über dem durch das Nettoeinkommen bestimmbaren tatsächlichen Bedarf liegt. Allerdings werden in einem solchen Fall zumeist auch die Voraussetzungen eines Rücktritts bzw. einer Vertragsanpassung wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung vorliegen (vgl. dazu oben Rn. $). Zum nachträglichen Abschluss anderweitiger Krankentagegeldversicherungen vgl. unten Abschnitt VII Rn $. IV. Versicherungsfall 17# Nach § 1 Abs. 2 MB/KT ist Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Was unter „Arbeitsunfähigkeit“ zu verstehen ist, regeln die MB/KT näher in § 1 Abs. 3. Danach liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehen in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht. 1. Medizinisch notwendige Heilbehandlung 18# Erste Voraussetzung eines Versicherungsfalls ist nach § 1 Abs. 2 MB/KK das Vorliegen einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Begriff der medizinischen Notwendigkeit ist ebenso zu verstehen wie in § 1 Abs. 2 MB/KK (vgl. dazu oben Rn. $).29 2. Ärztliche Feststellung 19# Anders als in der Krankheitskostenversicherung, in der vielfach auch Heilpraktikerbehandlungen unter Versicherungsschutz stehen, fordert § 1 Abs. 2 MB/KT für die Krankentagegeldversicherung die ärztliche Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit. Dementsprechend verlangen die Regelungen in den §§ 4 Abs. 5 und 4 Abs. 7 MB/KT (vgl. dazu unten VI. Rn. $), dass der VN durch einen approbierten und niedergelassenen Arzt oder Zahnarzt bzw. im Krankenhaus 29 ebenso Bach/Moser-Wilmes, § 1 MB/KT, Rn. 8; a. A. Prölss/Martin-Prölss, § 1 MB/KT, Rn. 2 9 behandelt wird und dass er Eintritt und Dauer der Arbeitsunfähigkeit durch Bescheinigung des behandelnden Arztes oder Zahnarztes nachweist. Aus dem Erfordernis der ärztlichen Feststellung folgt, dass eine durch einen Heilpraktiker festgestellte Arbeitsunfähigkeit schon nicht zu einem Eintritt des Versicherungsfalls führt.30 3. Begriff der Arbeitsunfähigkeit 20# Die oben (Rdn. 17) zitierte Definition der Arbeitsunfähigkeit in § 1 Abs. 3 MB/KT ist primäre Ausgestaltung der Leistungspflicht des Versicherers und damit nicht kontrollfähig im Sinne des AGB-Rechts.31 Wäre die Regelung kontrollfähig, wäre sie aber auch unbedenklich.32 21# Der Bundesrat forderte in seiner Stellungnahme zum VVG-Reformentwurf33, § 192 Abs. 5 folgenden Satz anzufügen: „Vereinbarungen, nach denen der Versicherer bei einer nur teilweisen Arbeitsunfähigkeit oder einer nur teilweisen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zur Leistung nicht verpflichtet ist, sind insoweit unwirksam, als der aus der teilweisen Arbeitsunfähigkeit resultierende Einkommensausfall 50 Prozent des Einkommens unterschreitet, das bei vollständiger Arbeitsfähigkeit erzielt worden wäre.“ Zur Begründung hieß es, Verdienstausfall müsse unter besonderen Bedingungen auch bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit oder teilweise wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit gezahlt werden. Die Wiederaufnahme von Arbeit bei teilweise wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit liege im Interesse von Versicherungsnehmern und Versicherern und müsse gefördert werden und solle keinesfalls wegen der Gefahr des Verlustes von Leistungen verzögert werden. Die Bundesregierung griff diesen Vorschlag nicht auf. Sie wies in ihrer Gegenäußerung vom 11.12.2006 zutreffend darauf hin, dass eine zwingende Regelung entsprechend dem Beschluss des Bundesrates Probleme aufwerfen und weitere Regelungen erforderlich machen würde: Insbesondere bei Selbstständigen sei die Bestimmung des Einkommensausfalls aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit oft schwierig. Auch mit relativ geringem Arbeitseinsatz und bei Konzentration auf Aufgaben mit hoher 30 Bach/Moser-Wilmes, § 1 MB/KT, Rn. 8 BGH VersR 93, 297; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.11.2006, I-4 U 234/05 32 Prölss/Martin-Prölss, § 1 MB/KT, Rn. 7 mit weiteren Nachweisen 33 BR-Drucksache 707/06 vom 24.11.2006 31 10 finanzieller Relevanz könne z. B. ein hoher Teil des Einkommens erzielt werden. Eine prozentuale Begrenzung erscheine deswegen nicht sachgerecht. Nähme man sie vor, müsse zur Vermeidung von Fehlanreizen sichergestellt werden, dass die Gesamteinkünfte nicht über 100% der früheren Arbeitseinkünfte lägen. Ein erhöhter Verwaltungs- und Kontrollaufwand würde sich ergeben. Neben diesen von der Bundesregierung angesprochenen praktischen Gesichtspunkten hätten dem Vorschlag des Bundesrats auch verfassungsrechtliche Bedenken entgegengestanden, soweit damit auch in bestehende Vertragsverhältnisse eingegriffen worden wäre.34 22# Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit in § 1 Abs. 3 MB/KT hat drei Voraussetzungen: 23# a) Erste Voraussetzung ist, dass die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann. 24# Die Tatbestandsvoraussetzung „ihre berufliche Tätigkeit“ ist nach inzwischen wohl einhelliger Meinung dahingehend auszulegen, dass auf die konkrete berufliche Tätigkeit bei Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen ist.35 Dabei kommt es auf die ganz konkrete Art der bisherigen Berufsausübung an, unabhängig davon, ob der Beruf als solcher auch weitere Tätigkeiten umfasst und der Versicherte zu diesen imstande ist.36 25# Die versichte Person darf ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben können. Nur wenn die bisherige Tätigkeit zeitweise überhaupt nicht mehr – ohne Verschlimmerung der Krankheit – ausgeübt werden kann, ist Arbeitsunfähigkeit gegeben.37 Arbeitsunfähigkeit muss somit grundsätzlich zu 100 % bestehen.38 Dies ist insbesondere bei Selbständigen praktisch bedeutsam, wenn diese noch leitende, aufsichtsführende oder kaufmännische Tätigkeiten ausüben können, sofern solche Verrichtungen zu ihren 34 Zutr. weist bereits Prölss a.a.O. darauf hin, dass der Zwang zu einer Quotenregelung ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Privatautonomie wäre. 35 Bach/Moser-Wilmes, § 1 MB/KT, Rn. 12; Prölss/Martin-Prölss, § 1 MB/KT, Rn. 6 36 BGH VersR 93, 297 37 BGH VersR 93, 297; OLG Koblenz VersR 00, 1532; OLG Karlsruhe VersR 00, 1007 38 Bach/Moser-Wilmes, § 1 MB/KT, Rn. 13; Versicherungsrechts-Handbuch-Tschersich, § 45, Rn. 95 11 bisherigen Aufgaben gehörten.39 Lediglich die Fähigkeit zur Ausübung unbedeutender oder untergeordneter Hilfstätigkeiten schadet nicht, wenn damit keine Wertschätzung verbunden sein kann.40 26# Bei lediglich konfliktbedingter Arbeitsplatzunverträglichkeit („Mobbing“) liegt keine bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit vor; die Lösung derartiger Probleme hat auf arbeitsrechtlichem Wege und/oder durch Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber zu erfolgen, nicht aber durch Zahlungen der privaten Krankenversicherung. 41 27# Den Beweis bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit hat der Versicherungsnehmer im Streitfall durch Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen noch nicht geführt.42 Daraus folgt, dass auch das Zeugnis des behandelnden Arztes kein geeignetes Beweismittel ist; der Beweis kann vielmehr nur durch Gutachten eines neutralen Sachverständigen auf der Grundlage der erhobenen und dokumentierten Befunde geführt werden.43 Der behandelnde und die Arbeitsunfähigkeit attestierende Arzt ist nicht als Zeuge zu vernehmen, weil von ihm schlechthin keine objektive Bewertung zu erwarten ist; die Begutachtung dient gerade der objektiven Überprüfung der Einschätzung des Behandlers.44 Voraussetzung einer gerichtlichen Beweisaufnahme ist ein schlüssiger Klagevortrag mit substantiierten Ausführungen zur bisher ausgeübten Berufstätigkeit, den gesundheitlichen Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit.45 28# b) Weitere Voraussetzung ist, dass die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nicht ausübt. Zumeist wird es in derartigen Fällen schon an vollständiger Arbeitsunfähigkeit im gerade unter a) dargestellten Sinne fehlen, es sei denn, es würde auf Kosten der Restgesundheit gearbeitet. Nach früher z.T. vertretener Auffassung sollte die gelegentliche kurzzeitige Erledigung untergeordneter 39 Bach/Moser-Wilmes, § 1 MB/KT, Rn. 16; Versicherungsrechts-Handbuch-Tschersich, § 45, Rn. 96 Versicherungsrechts-Handbuch-Tschersich, § 45, Rn. 96; vgl. aus der Rechtsprechung auch OLG Koblenz VersR 05, 968; OLG Koblenz r+s 00, 213; OLG Karlsruhe NVersZ 00, 133; OLG Düsseldorf VersR 90, 646 41 so ausdrücklich OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.05.2006, 3 U 110/05; vgl. auch OLG Celle NversZ 00, 272 42 BGH VersR 00, 841 43 OLG Köln, Verfügung vom 06.09.2004, 5 U 93/04 44 OLG Köln a. a. O. 45 Versicherungsrechts-Handbuch-Tschersich, § 45, Rn. 105 40 12 Hilfstätigkeiten unschädlich sein46, während (nur) die Erledigung von Tätigkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum beruflichen Aufgabenbereich gehören, den Leistungsanspruch entfallen ließ.47 Zutreffend weist Prölss darauf hin, dass insoweit aber äußerste Zurückhaltung geboten ist, da andernfalls die Risikobegrenzung entwertet werde.48 Insbesondere kann von einer Nichtausübung der beruflichen Tätigkeit keine Rede mehr sein, wenn die versicherte Person wertschöpfend tätig ist, wie beispielsweise bei anweisenden und delegierenden Tätigkeiten eines Geschäftsinhabers.49 Durch Urteil des BGH vom 18.07.200750 ist nunmehr höchstrichterlich geklärt, dass die „Ausübung jedweder auch geringfügiger Tätigkeiten, die dem Berufsfeld des VN zuzuordnen sind“, den Anspruch auf Krankentagegeld entfallen lässt. Der Versicherer habe mit § 1 Abs. 3 MB/KT hinreichend erkennbar Versicherungsschutz nur für denjenigen Fall versprochen, dass einer Erwerbstätigkeit nicht nachgegangen wird, der Versicherte also insoweit gänzlich untätig ist.51 29# Das Erfordernis des Unterlassens einer Tätigkeit ist Merkmal der primären Risikobegrenzung.52 Die Beweislast für die Nichtausübung der beruflichen Tätigkeit liegt daher beim Versicherungsnehmer.53 30# c) Schließlich darf die versicherte Person auch keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Auch diese Tatbestandsvoraussetzung ist Merkmal der primären Risikobegrenzung, so dass auch hier die Beweislast im Streitfall beim Versicherungsnehmer liegt. 4. Beginn und Ende des Versicherungsfalls 31# In § 1 Abs. 2 Satz 2 MB/KT ist bestimmt, dass der Versicherungsfall mit der Heilbehandlung beginnt und dass er endet, wenn nach medizinischem Befund keine Arbeitsunfähigkeit und keine Behandlungsbedürftigkeit mehr bestehen. Eine während 46 OLG Hamm VersR 91,452 OLG Hamm VersR 97, 302 48 Prölss/Martin-Prölss § 1 MB/KT Rn. 11 49 zu weit gehend daher OLG Hamm VersR 91, 452 50 VersR 07, 1260 51 BGH a.a.O. Rdn 27 52 Prölss/Martin-Prölss § 1 MB/KT Rn. 10 53 Prölss a.a.O.; a.M. Bach/Moser-Wilmes § 1 MB/KT Rdn. 26 47 13 der Behandlung neu eingetretene und behandelte Krankheit oder Unfallfolge, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, begründet nur dann einen neuen Versicherungsfall, wenn sie mit der ersten Krankheit oder Unfallfolge in keinem ursächlichen Zusammenhang steht, § 1 Abs. 2 S. 3 MB/KT. 32# Wann der Versicherungsfall beginnt, ist im Hinblick auf die §§ 37 Abs. 2, 38 Abs. 2 VVG von Bedeutung. Die Frage, wann der Versicherungsfall endet, ist für die Anrechnung der Karenzzeit bei erneutem Eintritt von Arbeitsunfähigkeit bedeutsam. Zwar endet die Leistungspflicht des Krankentagegeldversicherers bereits, wenn keine vollständige Arbeitsunfähigkeit mehr besteht (siehe oben Rn. $), jedoch ist damit nicht auch automatisch der Versicherungsfall beendet, vielmehr besteht der gedehnte Versicherungsfall fort, solange Behandlungsbedürftigkeit noch besteht (§ 1 Abs. 2 Satz 2 MB/KT). Wird der VN dann wegen derselben behandlungsbedürftigen Erkrankung nochmals vollständig arbeitsunfähig, handelt es sich nicht um den Eintritt eines neuen Versicherungsfalls. Soweit Tarifbedingungen die Karenzzeiten an den „Versicherungsfall“ knüpfen, sind in einem solchen Fall die Karenzzeiten nicht erneut in Ansatz zu bringen.54 Anders ist es, wenn in Tarifbedingungen die Karenzzeit nicht auf den Versicherungsfall, sondern auf den Leistungszeitraum bezogen wird, etwa durch eine Formulierung, wonach die Karenzzeit ab dem „Beginn der völligen Arbeitsunfähigkeit“ zu laufen beginnt. Mit einer solchen Regelung ist in ausreichender Weise klargestellt, dass Anknüpfungspunkt für das Eingreifen der Karenzzeit eben nicht der Versicherungsfall im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 MB/KT ist, sondern allein der Leistungszeitraum mit der Folge, dass innerhalb nur eines Versicherungsfalles die Karenzzeit mehrfach zum Tragen kommen kann, wenn innerhalb des Versicherungsfalles wegen zwischenzeitlicher Teilarbeitsfähigkeit keine durchgängige Leistungspflicht des Versicherers bestand.55 33# Der Versicherungsfall endet stets, wenn vollständige Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr bestehen, so dass nach abgeschlossener Behandlung stets die Karenzzeiten in Ansatz zu bringen sind. Auf einen etwaigen ursächlichen Zusammenhang zu der früheren Erkrankung kommt es dabei nicht an.56 54 55 56 OLG Stuttgart VersR 95, 524; Bach/Moser-Wilmes § 1 MB/KT Rn. 29 LG Berlin, Urteil vom 15.02.2005, 7 O 568/02 Bach/Moser-Wilmes a. a. O.; OLG Hamm VersR 91, 915 14 Liegt ein Dauerleiden vor, ist zunächst danach zu fragen, ob und inwieweit nach Abschluss der letzten Behandlung noch konkrete Behandlungsbedürftigkeit vorlag. Steht bereits fest, dass in kurzer Zeit weiter behandelt werden muss, wird man den Versicherungsfall in der Regel nicht als beendet ansehen können.57 Besteht hingegen ein Grundleiden, bei dem der Eintritt der nächsten Behandlungsbedürftigkeit ungewiss ist (zum Beispiel eine degenerative Wirbelsäulenveränderung, die gelegentlich, aber in unregelmäßigen und nicht vorhersehbaren Abständen zur Arbeitsunfähigkeit führende Rückenschmerzen hervorruft), wird der Versicherungsfall in der Regel abgeschlossen sein, wenn die Behandlung der akut aufgetretenen Beschwerden abgeschlossen ist. 58 V. Örtlicher Geltungsbereich 34# Gemäß § 1 Abs. 6 MB/KT ist der Versicherungsschutz in der Krankentagegeldversicherung regelmäßig – anders als in der Krankheitskostenversicherung – auf Deutschland beschränkt. Bei Aufenthalten im europäischen Ausland wird für im Ausland akut eingetretene Krankheiten oder Unfälle das Krankentagegeld nur für die Dauer einer medizinisch notwendigen stationären Krankenhausbehandlung gezahlt, § 6 Abs. 1 Satz 2 MB/KT. Diese Regelung ist AGB-rechtlich nicht zu beanstanden.59 Der Versicherer hat ein berechtigtes Interesse daran, im Fall geltend gemachter Arbeitsunfähigkeit Kontrollen durchzuführen.60 Die Ausübung der Kontrollbefugnisse durch den Versicherer ist erheblich erschwert, wenn sich der Versicherungsnehmer im Ausland aufhält und nur eingeschränkt erreichbar ist.61 VI. Ausschlüsse 35# Ebenso wie in der Krankheitskostenversicherung ist auch in der Krankentagegeldversicherung nach den Musterbedingungen (§ 5 Abs. 1 a), b) und c) 57 58 59 60 61 vlg. OLG Köln VersR 90, 963, zu einem dialysepflichtigen Patienten Prölss/Martin-Prölss § 1 MB/KT Rn. 4 bejaht den Abschluss des Versicherungsfalls nach Behandlungsende der akuten Beschwerden auch dann, wenn das Dauerleiden für sich betrachtet ebenfalls behandlungsbedürftig ist vgl. OLG Düsseldorf, r+s 98, 124; OLG München, VersR 88, 1146, zu einer entsprechenden Klausel in der Restschuldversicherung OLG Düsseldorf a. a. O. OLG Düsseldorf a. a. O. 15 MB/KT) ein Leistungsausschluss für Folgen von Kriegsereignissen, Wehrdienstbeschädigungen, auf Vorsatz beruhenden Krankheiten und Unfällen einschließlich deren Folgen sowie wegen Entziehungsmaßnahmen einschließlich Entziehungskuren vorgesehen (vgl. hierzu die Kommentierung zur Krankheitskostenversicherung oben Rn. $ sowie § 201 und die Kommentierung hierzu). 1. Alkoholbedingte Bewusstseinsstörung 36# Die Regelung des § 5 Abs. 1 c) MB/KT, wonach für Krankheiten und Unfallfolgen, die auf eine durch Alkoholgenuss bedingte Bewusstseinsstörung zurückzuführen sind, keine Leistungspflicht besteht, geht über die Einschränkungen des § 5 MB/KK hinaus. Praktische Bedeutung hat die Regelung vor allem bei unter Alkoholeinfluss entstandenen Unfällen. Zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs gelten die zur Unfallversicherung entwickelten Grundsätze einschließlich der Regelvermutung, wonach in allen Fällen alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit auch eine Bewusstseinstörung vorliegt.62 Zu den Einzelheiten vergleiche § 178 VVG Rn. $$. 2. Schwangerschaft 37# Nach § 5 Abs. 1 d) MB/KT besteht keine Leistungspflicht bei Arbeitsunfähigkeit ausschließlich wegen Schwangerschaft, ferner wegen Schwangerschaftsabbruch, Fehlgeburt und Entbindung. Auch der Gesetzgeber hat in § 192 Abs. 5 Leistungen hierfür – anders als in der Krankheitskostenversicherung, § 192 Abs. 1 – nicht vorgesehen. Der Leistungsausschluss greift nach seinem Wortlaut nur ein, wenn die Arbeitsunfähigkeit allein auf die Schwangerschaft und deren normale Begleiterscheinungen zurückzuführen ist, wobei der Versicherer die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen trägt.63 3. 62 63 Gesetzlicher Mutterschutz Bach/Moser-Wilmes, § 5 MB/KT, Rn. 3 OLG Saarbrücken, VersR 1999, 479; Bach/Moser-Schoenfeldt/Kalis, § 5 MB/KT, Rn. 7 16 38# Darüber hinaus statuiert § 5 Abs. 1 e) MB/KT einen Leistungsausschluss für Zeiten der gesetzlichen Beschäftigungsverbote für werdende Mütter und Wöchnerinnen in einem Arbeitsverhältnis (Mutterschutz). Gemäß § 5 Abs. 1 e) Satz 2 MB/KT gilt diese befristete Einschränkung der Leistungspflicht sinngemäß auch für selbständig Tätige, es sei denn, dass die Arbeitsunfähigkeit in keinem Zusammenhang mit der Schwangerschaft (oder einem Schwangerschaftsabbruch, einer Fehlgeburt und einer Entbindung) steht. AGB-rechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht.64 4. Kuren 39# Gemäß § 5 Abs. 1 g) MB/KT besteht keine Leistungspflicht für Kuren und Sanatoriumsbehandlungen sowie Rehabilitationsmaßnahmen der gesetzlichen Rehabilitationsträger. Die Regelung entspricht § 5 Abs. 1 d) MB/KK. Vgl. hierzu zunächst oben Rn. $$. Anders als in der Krankheitskostenversicherung, wo die Wirksamkeit der Regelung einhellig anerkannt ist, werden hiergegen in der Krankentagegeldversicherung Bedenken erhoben. Teilweise wird die Regelung für unwirksam gehalten, weil die Leistungspflicht gemäß § 1 MB/KT unabhängig von der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung allein vom Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit abhänge und eine Kurmaßnahme gerade der raschen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit dienen könne.65 Dem ist entgegen zu halten, dass die Definition des Versicherungsfalls in § 1 Abs. 2 MB/KT an die medizinisch notwendige Heilbehandlung anknüpft und hier Abgrenzungsprobleme entstehen, wenn der VN sich einer Kur unterzieht.66 Überdies ist die Gefahr, dass dem Versicherungsnehmer, der sich einer Kur- oder Sanatoriumsbehandlung unterzieht, die Arbeitsunfähigkeit zu Unrecht attestiert wird, größer als sonst.67 Die Annahme, der Versicherer sei hiergegen durch das Verfahren nach § 9 Abs. 3 MB/KT (Untersuchung des Versicherungsnehmers durch einen vom Versicherer beauftragten Arzt) hinreichend geschützt, ist nicht stichhaltig, da der Versicherer in der Regel faktisch gar nicht die Möglichkeit haben wird, noch während der Kur eine vertrauensärztliche Untersuchung durchführen zu lassen. 64 65 66 67 Prölss/Martin-Prölss, § 5 MB/KT, Rn. 1 in diesem Sinne OLG Oldenburg, VersR 98, 174; Versicherungsrechts-Handbuch-Tschersich, § 45, Rn. 14 Wilmes/Müller-Frank, VersR 90, 345, 354 Prölss/Martin-Prölss, § 6 MB/KT, Rn. 5 17 5. Gemischte Anstalten 40# Umstritten ist auch die Wirksamkeit des in § 4 Abs. 9 MB/KT enthaltenen Leistungsausschlusses für Behandlungen in gemischten Anstalten, der § 4 Abs. 5 MB/KK entspricht (vgl. hierzu oben Rn. $$). Auch § 4 Abs. 9 MB/KT wird – anders als § 4 Abs. 5 MB/KK, dessen Wirksamkeit einhellig anerkannt ist – teilweise als unwirksam angesehen.68 Zur Begründung der angenommenen Unwirksamkeit wird angeführt, es spiele für die Tagegeldversicherung keine Rolle, ob der Versicherungsnehmer sich nur medizinisch notwendigen Maßnahmen unterziehe, außerdem könne der Versicherungsnehmer sich auch an „schöneren“ Orten aufhalten, ohne dadurch den Versicherungsschutz in Frage zu stellen.69 Diese Einschätzung ist in einer Zeit, da die Grenzen zwischen Klinikbehandlung und „Wellness-Urlaub“ gerade bei gemischten Anstalten zunehmend verschwimmen, nicht sachgerecht. Es besteht ebenso wie in der Krankheitskostenversicherung auch in der Krankentagegeldversicherung die Gefahr, dass der Versicherungsnehmer sich aufgrund der Annehmlichkeiten einer gemischten Anstalt dort übermäßig lange aufhält und ihm von den – an entsprechend langen Aufenthalten regelmäßig wirtschaftlich interessierten – Kliniken eine entsprechende Arbeitsunfähigkeit attestiert wird, obwohl vollständige Arbeitsunfähigkeit nicht (mehr) vorliegt. Dies gilt maßgeblich dann, wenn der VN sowohl vor als auch nach dem Aufenthalt in der gemischten Anstalt arbeitsfähig ist, also nur für die Dauer der Behandlung in der gemischten Anstalt arbeitsunfähig geschrieben wird.70 Jedenfalls ist in solchen Fällen anzuerkennen, dass die Arbeitsunfähigkeitsatteste gemischter Anstalten eine verminderte Beweiskraft haben.71 6. Wohnsitzklausel 41# Gemäß § 5 Abs. 1 f) MB/KT besteht keine Leistungspflicht, wenn sich die versicherte Person nicht an ihrem Wohnsitz in Deutschland aufhält, es sei denn, dass 68 69 70 71 OLG Oldenburg a. a. O., offen gelassen von OLG Hamm, VersR 99, 1138 Prölss/Martin-Prölss, § 4 MB/KT, Rn. 14 Bach/Moser-Wilmes, § 4 MB/KT, Rn. 26 In diesem Sinne OLG Köln, r+s 90, 213; vgl. auch OLG Nürnberg, VersR 96, 49: Einschränkende Auslegung von § 4 Abs. 9 MB/KT, wenn feststeht, dass der Versicherte auch nach Beendigung des Aufenthalts in der gemischten Anstalt noch arbeitsunfähig war. 18 sie sich in medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung befindet, oder wenn die Arbeitsunfähigkeit außerhalb des Wohnsitzes eingetreten ist, solange die Erkrankung oder Unfallfolge nach medizinischem Befund eine Rückkehr an den Wohnsitz ausschließt. Diese Regelung wird zu Recht ganz überwiegend für wirksam gehalten.72 Die Auslegung des Begriffs „Wohnsitz“ wird uneinheitlich vorgenommen. Nach einer Auffassung soll hierunter der „Lebensmittelpunkt“ des VN zu verstehen sein73, nach anderer Auffassung soll der dem Versicherer gemeldete Wohnsitz maßgeblich sein bzw. der Aufenthaltsort des VN, den der Versicherer als Wohnsitz betrachten durfte.74 Die Auffassung, die auf den Lebensmittelpunkt abstellt, stützt sich unter anderem auf die Erwägung, dass der VN seine Ansprüche beim Versicherer anmelden und ein ärztliches Attest einreichen müsse, so dass die Ermittlung des Aufenthalts dem Versicherer keine größeren Schwierigkeiten verursache.75 Damit aber stellt letztlich auch diese Auffassung darauf ab, was dem Versicherer gemeldet wurde, so dass die praktische Relevanz des Meinungsstreits gering ist. VII. Obliegenheiten nach Vertragsschluss 42# Die MB/KT enthalten verschiedene Obliegenheiten, die teilweise vor Eintritt des Versicherungsfalls, teilweise danach zu beachten sind. Vgl. hierzu grundlegend zunächst § 28 VVG und die Kommentierung hierzu. 1. Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalls 43#a) Gemäß § 9 Abs. 5 MB/KT hat die versicherte Person jeden Berufswechsel unverzüglich anzuzeigen. Die berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers ist für die Beurteilung seiner Versicherungsfähigkeit, der Arbeitsunfähigkeit, der Berufsunfähigkeit und für die Höhe des Verdienstausfalls bedeutsam. Gegen die Wirksamkeit von § 9 Abs. 5 MB/KT bestehen keine Bedenken.76 Regelmäßig ist die 72 Bach/Moser-Schoenfeldt/Kalis, § 5 MB/KT, Rn. 14; Versicherungsrechts-Handbuch-Tschersich, § 45 Rn. 13, jeweils mit weiteren Nachweisen; a. A. Prölss/Martin-Prölss, § 5 MB/KT, Rn. 2 73 Tschersich a. a. O. 74 Bach/Moser a. a. O., Rn. 15; Prölss a. a. O., Rn. 3 75 Tschersich a. a. O. 76 OLG Saarbrücken VersR 2007, 52 19 berufliche Tätigkeit vom Versicherungsnehmer bereits bei Antragstellung anzugeben. Sie ist in der Krankentagegeldversicherung gefahrerheblicher Umstand.77 § 10 Abs. 2 MB/KT sieht bei Verstoß gegen diese Obliegenheit ein Kündigungsrecht vor. Zu dessen Voraussetzungen vgl. die Kommentierung zu § 28 Abs. 1 VVG. (noch vertiefen, z.B. auf OLG Saarbrücken VersR 07, 52, eingehen. Außerdem muss das Verhältnis zum Kündigungsverbot nach 206 Abs. 1 idF GKV-WSG geklärt werden) 44# Gemäß § 11 MB/KT ist auch der Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Diese Obliegenheit ist sanktionslos. Gleichwohl besteht im Ergebnis ein gegenseitiger Anspruch auf Rückgewehr der erbrachten Leistungen für die Zeit nach Wegfall der Versicherungsfähigkeit.78 45#b) Gemäß § 4 Abs. 3 MB/KT ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, dem Versicherer unverzüglich eine nicht nur vorübergehende Minderung des aus der Berufstätigkeit herrührenden Nettoeinkommens mitzuteilen. Es handelt sich bei dieser Regelung um eine sanktionslose Obliegenheit.79 Dies ergibt sich daraus, dass die MB/KT Leistungsfreiheit für den Fall des Verstoßes nicht vorsehen. 46# Allerdings gestattet § 4 Abs. 4 MB/KT unabhängig davon dem Versicherer die Herabsetzung des Krankentagegeldes und des Beitrags, wenn er Kenntnis davon erlangt, dass das Nettoeinkommen der versicherten Person unter Höhe des dem Vertrag zu Grunde gelegten Einkommens gesunken ist, und zwar mit Wirkung vom Beginn des zweiten Monats nach Kenntnis an. Erfüllt der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht nach § 4 Abs. 3 MB/KT nicht oder verspätet, verstößt er allerdings gegen Treu und Glauben, wenn er sich darauf beruft, dass der Versicherer das Tagegeld nur mit Wirkung von Beginn des zweiten Monats nach der tatsächlichen Kenntnis von der Einkommensminderung herabsetzen darf.80 Das bedeutet, dass für die Herabsetzung nach § 4 Abs. 4 MB/KT der Zeitpunkt maßgeblich ist, in dem der Versicherer bei pflichtgemäßer Anzeige Kenntnis erlangt hätte, so dass das 77 78 79 80 Bach/Moser-Bach, §§ 9, 10 MB/KT, Rn. 28; vgl. auch oben Rdn $ Prölss/Martin-Prölss, § 11 MB/KT, Rn. 2; Bach/Moser-Wilmes, § 1 MB/KT, Rn. 2; BGH, VersR 92, 477; OLG Köln, VersR 98, 486 Bach/Moser-Wilmes, § 4 MB/KT, Rn. 12; Prölss/Martin-Prölss, § 4 MB/KT, Rn. 6 Prölss/Martin-Prölss, § 4 MB/KT, Rn. 6 20 Tagegeld und der Beitrag mit Wirkung vom Beginn des zweiten Monats nach der fiktiven Kenntnisnahme herabgesetzt werden können.81 47#c) Gemäß § 9 Abs. 6 MB/KT bedarf der Neuabschluss einer weiteren oder die Erhöhung einer anderweitig bestehenden Versicherung mit Anspruch auf Krankentagegeld der Einwilligung des Versicherers. AGB-rechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht.82 Zu den Folgen eines Verstoßes vgl. § 28 Abs. 1 VVG und die dortige Kommentierung. (vgl. aber gerade a) 2. Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls 48#a) Nach § 4 Abs. 5 MB/KT setzt die Zahlung von Krankentagegeld voraus, dass die versicherte Person während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit durch einen approbierten und niedergelassenen Arzt oder Zahnarzt bzw. im Krankenhaus behandelt wird. Es handelt sich bei dieser Regelung nicht nur um eine Obliegenheit, sondern um eine Risikobeschränkung.83 Die hier vorausgesetzte Behandlung durch einen Arzt oder Zahnarzt oder ein Krankenhaus ist Konkretisierung der medizinisch notwendigen Heilbehandlung (§ 1 Abs. 2 MB/KT).84 Fehlt es an einer solchen Behandlung, liegt folglich schon kein leistungspflichtiger Versicherungsfall vor, ohne dass es auf die weiteren Voraussetzungen einer Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzung (§ 28 VVG) ankäme. Nach § 4 Abs. 5 MB/KT muss die Behandlung durch einen Dritten erfolgen, so dass die Selbstbehandlung eines Arztes den Versicherungsfall nicht auslöst.85 49#b) Nach § 4 Abs. 7 MB/KT sind Eintritt und Dauer der Arbeitsunfähigkeit durch Bescheinigung des behandelnden Arztes oder Zahnarztes nachzuweisen. Nach § 9 Abs. 1 MB/KT ist die ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit dem Versicherer unverzüglich, spätestens aber innerhalb der im Tarif gesetzten Frist, durch Vorlage eines solchen Nachweises anzuzeigen. Bei verspätetem Zugang der Anzeige wird das Krankentagegeld erst vom Zugangstage an gezahlt. Fortdauernde Arbeitsunfähigkeit ist dem Versicherer innerhalb der im Tarif festgesetzten Frist 81 82 83 84 85 Prölss/Martin-Prölss a. a. O. Prölss/Martin-Prölss, § 9 MB/KT, Rn. 8 Bach/Moser-Wilmes, § 4 MB/KT, Rn. 19; Prölss/Martin-Prölss, § 4 MB/KT, Rn. 8 Prölss/Martin a. a. O. Prölss/Martin a. a. O., Rn. 9; OLG Köln, VersR 88, 1040 21 nachzuweisen. Die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ist ihm binnen drei Tagen anzuzeigen. 50# Die Anzeigepflicht hat insbesondere den Zweck, dem Versicherer noch während des Versicherungsfalls eine Überprüfung der Voraussetzungen seiner Leistungspflicht zu ermöglichen.86 51#Hier Abgleich mit Kommentierung zu § 28 VVG, insbesondere im Hinblick auf § 28 Abs. 4 VVG; außerdem Abgleich mit § 30 VVG und Kommentierung dazu. 52#c) Zur in § 9 Abs. 2 MB/KT normierten Auskunftsobliegenheit vgl. § 31 VVG und die Kommentierung hierzu. 53#d) Nach § 9 Abs. 3 MB/KT ist die versicherte Person auf Verlangen des Versicherers verpflichtet, sich durch einen vom Versicherer beauftragten Arzt untersuchen zu lassen. Vgl. hierzu oben die Kommentierung Rn. $$. 54#e) Gemäß § 9 Abs. 4 MB/KT hat die versicherte Person für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu sorgen; sie hat insbesondere die Weisungen des Arztes gewissenhaft zu befolgen und alle Handlungen zu unterlassen, die der Genesung hinderlich sind. In erster Linie ergibt sich daraus die Pflicht des Versicherungsnehmers, genesungshemmende Maßnahmen zu unterlassen, namentlich jegliche Erwerbstätigkeit sowie sonstige Anstrengungen.87 Aus der Bestimmung folgt hingegen nicht, dass der Versicherte die von einem Arzt empfohlenen Maßnahmen ungeprüft über sich ergehen lassen muss; ihm stehen eine Überlegungsphase und auch das Recht zur vergleichenden Konsultation eines anderen Arztes zu.88 Mit einem grundlosen Behandlungsabbruch verletzt der VN hingegen die Obliegenheit.89 VIII. 86 87 88 89 Ende des Versicherungsschutzes Bach/Moser-Bach, §§ 9, 10 MB/KT, Rn. 3 Bach/Moser-Bach, §§ 9, 10 MB/KT, Rn. 22 OLG Düsseldorf, VersR 97, 1083 Prölss/Martin-Prölss, § 10 MB/KT Rn. 6 22 55# Die MB/KT sehen in § 15 Abs. a) bis c) drei praktisch bedeutsame Beendigungstatbestände vor. Nach dieser Bestimmung endet das Versicherungsverhältnis hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen a) bei Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit zum Ende des Monats, in dem die Voraussetzung weggefallen ist, b) mit Eintritt der Berufsunfähigkeit, wobei Berufsunfähigkeit vorliegt, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist, c) mit dem Bezug von Altersrente, spätestens nach Vollendung des 65. Lebensjahres zum Ende des Monats, in dem die Altergrenze erreicht wird. Bei den Regelungen unter § 15 a) und b) MB/KT ist zusätzlich bestimmt: „Besteht jedoch zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit, so endet das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherer seine im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, spätestens aber drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit.“ Die Tarifbedingungen der meisten Versicherer sehen zudem vor, dass der Versicherungsnehmer beim Wegfall der Versicherungsfähigkeit oder Eintritt der Berufsunfähigkeit das Recht hat, den Vertrag im Wege einer Anwartschaftsversicherung fortzusetzen. 56# Zur Beendigungsregelung des § 15 c) MB/KT vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 196 VVG. 1. Wirksamkeit von §§ 15 a) und b) MB/KT 57# Mit Urteilen vom 22.01. und 26.02.199290 hat der BGH entschieden, dass die in den §§ 15 a) und b) MB/KT 78 vorgesehene Beendigungsregelung AGB-rechtswidrig sei. Zur Begründung hieß es, dass die endgültige und ersatzlose Beendigung einer einmal begründeten Krankentagegeldversicherung für denjenigen, der künftig möglicherweise wieder einmal Krankentagegeldversicherungsschutz benötige, eine 90 BGH, VersR 92, 477; VersR 92, 479 23 empfindliche Beeinträchtigung seiner Position in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht bedeute. Der VN verliere die Chance, sich erforderlichenfalls wieder sachgerecht in einer Krankentagegeldversicherung versichern zu können, wohingegen die Interessen des Versicherers ausreichend gewahrt seien, wenn für die Dauer des Wegfalls der Versicherungsfähigkeit bzw. der Berufsunfähigkeit dem Versicherungsnehmer die Umwandlung des Versicherungsverhältnisses in eine Ruhens- oder Anwartschaftsversicherung zu ermäßigten Beiträgen angeboten werde. 58# Nachdem die PKV-Unternehmen zwischenzeitlich in ihre Tarifbedingungen das Recht auf Einrichtung einer Anwartschaftsversicherung aufgenommen haben, bestehen Bedenken gegen die Wirksamkeit der Beendigungsregelungen nicht mehr. Vielmehr sind die §§ 15 a) und b) MB/KT in Verbindung mit tariflichen Bestimmungen, die dem VN das Recht auf Einrichtung einer Anwartschaftsversicherung einräumen, wirksam.91 Dabei ist es nicht zu beanstanden, dass die Umwandlung nach den von den meisten Unternehmen verwendeten tariflichen Regelungen nur auf Antrag des Versicherungsnehmers stattfindet.92 Eine automatische Umwandlung würde ggf. dem Interesse des Versicherungsnehmers sogar zuwiderlaufen, denn eine – beitragspflichtige – Anwartschaftsversicherung muss ja nicht in jedem Fall vom Versicherungsnehmer gewünscht sein, insbesondere dann nicht, wenn dieser selbst die Wiedererlangung der Versicherungsfähigkeit oder den Eintritt von Berufsfähigkeit vor Erreichen des Rentenalters gar nicht erwartet. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, wenn tarifliche Regelungen das Recht auf Beantragung einer Anwartschaftsversicherung an eine Frist – in der Regel zwei Monate – knüpfen. Dies dient vielmehr dem beiderseitigen Interesse, klare rechtliche Verhältnisse zu schaffen. Zweifel an der Wirksamkeit eines befristeten Antragsrechts könnten sich allenfalls dann ergeben, wenn die Frist bereits mit tatsächlichem Eintritt der Berufsunfähigkeit zu laufen begänne und somit bereits abgelaufen sein könnte, bevor der Versicherungsnehmer sich über den Eintritt von Berufsunfähigkeit und die rechtlichen Konsequenzen selbst bewusst wird. Die üblicherweise verwendeten tariflichen Regelungen sehen deshalb vor, dass die Frist 91 OLG Karlsruhe VersR 07, 51; OLG Koblenz, VersR 00, 1008; OLG Oldenburg, VersR 00, 752; OLG Köln, Urteil vom 22.12.2003, 5 U 114/03; OLG Köln, Beschluss vom 12.12.2003, 5 U 194/02; OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.08.2002, 12 U 91/02 92 OLG Karlsruhe VersR 07, 51 24 zwar grundsätzlich bei Eintritt des vertragsbeendigenden Ereignisses zu laufen beginnt, bei erst späterem Bekanntwerden dieses Ereignisses jedoch erst ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens. Damit ist den schutzwürdigen Interessen des VN hinreichend Rechnung getragen. 59# Wird der VN nach Einrichtung der Anwartschaftsversicherung wieder versicherungs- oder berufsfähig, so wandelt sich die Anwartschaftsversicherung nicht automatisch in eine Vollversicherung um. Vielmehr bedarf es nach den üblicherweise verwendeten Bedingungen für die Anwartschaftsversicherung eines entsprechenden Antrags des Versicherungsnehmers. Der volle Versicherungsschutz gilt erst wieder ab Antragstellung, hingegen nicht etwa rückwirkend bezogen auf den Zeitpunkt des Wiedereintritts der Berufsfähigkeit oder der Versicherungsfähigkeit.93 Dies folgt nicht nur aus entsprechenden – unbedenklichen – Regelungen in den meisten Bedingungen für die Anwartschaftsversicherung, sondern auch aus der Überlegung, dass der Versicherungsnehmer andernfalls seine Beitragspflichten umgehen könnte, indem er zunächst abwartet und ganz bewusst keinen Antrag auf ein Wiederaufleben des Versicherungsschutzes stellt, solange kein Versicherungsfall eintritt.94 2. Wegfall der Versicherungsfähigkeit 60# Zum Begriff der Versicherungsfähigkeit vgl. oben Rn. $$. Da die Regelung des § 15 a) MB/KT vom „Wegfall“ der Versicherungsfähigkeit spricht, ist sie nicht einschlägig, wenn die Versicherungsfähigkeit von Anfang an fehlt. Hierzu vgl. oben Rn. $$. 61# a) Die tariflichen Voraussetzungen der Versicherungsfähigkeit sind unterschiedlich ausgestaltet (siehe oben Rn. $$); gemeinsam ist aber den meisten Tarifen, dass nur erwerbstätige Personen versicherungsfähig sind. Endet die Erwerbstätigkeit des VN zu einem Zeitpunkt, in dem er nicht arbeitsunfähig ist, sind die Rechtsfolgen streitig. Nach einer Auffassung soll die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in jedem Fall zum Wegfall der Versicherungsfähigkeit führen.95 Nach anderer Auffassung entfällt die Versicherungsfähigkeit nur dann, wenn der VN 93 94 95 a. A Prölss/Martin-Prölss, § 15 MB/KT, Rn. 8 Bach/Moser-Wilmes, § 15 MB/KT, Rn. 7 Bach/Moser-Wilmes, § 15 MB/KT, Rn. 10 für Angestellte und Rn. 11 für Selbständige 25 sich nicht sogleich um eine unter den betreffenden Tarif fallende neue Tätigkeit kümmert.96 Auch nach dieser Auffassung sind allerdings Einkommensminderungen (über § 4 Abs. 4 MB/KT) zu berücksichtigen.97 Zeigt der VN entsprechend seinen Obliegenheiten (dazu oben Rn. $$) die Einkommensminderung bzw. die Beendigung der beruflichen Tätigkeit an, sind die praktischen Auswirkungen des Meinungsstreits folglich gering. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass § 8 Abs. 1 Ziffer 1a SGB V Privatversicherten bei Eintritt von Arbeitslosigkeit in der Regel die Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht ermöglicht und die PKV-Unternehmen in derartigen Fällen die Fortsetzung der Krankentagegeldversicherung zu modifizierten Bedingungen anbieten, die die Besonderheiten bei Arbeitslosigkeit im Hinblick auf Einkommen, Begriff der Arbeitsunfähigkeit und Begriff der Berufsunfähigkeit berücksichtigen, wobei namentlich die Höhe des Tagegeldes dem reduzierten Einkommensumfang angepasst und die Differenz zum ursprünglich versicherten Krankentagegeld im Wege einer Anwartschaftsversicherung abgesichert wird. Der arbeitslos werdende Versicherungsnehmer hat somit die Möglichkeit, den Versicherungsschutz sachgerecht seiner neuen Situation anzupassen. Macht er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch und unterlässt es entgegen seinen vertraglichen Obliegenheiten, den Versicherer über die Änderungen der dem Vertrag zu Grunde gelegten Umstände (berufliche Tätigkeit, Einkommenshöhe) zu informieren, muss er die sich aus § 15 a) MB/KT ergebende Konsequenz hinnehmen. Die Annahme, hierdurch würde „der Versicherungsschutz unter Außerachtlassung der sozialen Schutzfunktion der Krankentagegeldversicherung entwertet“,98 berücksichtigt nicht hinreichend, dass der VN es selbst in der Hand hat, den Versicherungsschutz zu seiner neuen Situation adäquaten Bedingungen fortzusetzen. 62# Mit Urteil vom 15.05.200299 entschied der BGH, dass die Versicherungsfähigkeit eines in abhängiger Stellung tätigen Versicherten nicht schon mit der Eigen- oder Fremdkündigung seines Arbeitsverhältnisses ende.100 Im zu Grunde liegenden Sachverhalt war der VN im Kündigungszeitpunkt bereits arbeitsunfähig und bezog Krankentagegeld. Eine Beendigung der Versicherungsfähigkeit könne nur angenommen werden, wenn sich aus – vom Versicherer vorzutragenden – konkreten 96 Prölss/Martin-Prölss, § 15 MB/KT, Rn. 9 Prölss/Martin-Prölss a. a. O. 98 so Versicherungsrechts-Handbuch-Tschersich, § 45, Rn. 26 99 VersR 02, 881 100 ebenso für einen selbständig Erwerbstätigen bereits BGH, VersR 97, 1133 97 26 Tatsachen ergebe, dass der Versicherte nicht mehr gewillt sei, eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen. Zur Begründung hat der BGH entscheidend darauf abgestellt, dass davon ausgegangen werden müsse, dass der Versicherte „ohne die Erkrankung“ alsbald wieder eine berufliche Tätigkeit aufgenommen hätte und dass er an der Aufnahme „nur durch seine Krankheit gehindert worden“ sei. Das Urteil ist damit nicht auf Fälle übertragbar, in denen die berufliche Tätigkeit während der Arbeitsfähigkeit des Versicherten endet. Hier können diese Erwägungen des BGH nicht greifen. 63# Die Frage, ob der Verlust der Erwerbstätigkeit zu einer Vertragsbeendigung nach § 15 a) MB/KT führt, hängt also entscheidend davon ab, ob der VN im Zeitpunkt des Verlustes arbeitsfähig oder arbeitsunfähig ist.101 Im ersteren Fall führt der Verlust der Erwerbstätigkeit grundsätzlich zu einem Wegfall der Versicherungsfähigkeit, im zweitgenannten Fall kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei Umstände wie etwa Veräußerung des Betriebs oder Insolvenz bei Selbständigen jedenfalls Indizien dafür sind, dass mit einer Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit auch nach Gesundung nicht zu rechnen ist.102 64# b) Viele Tarifbedingungen sehen vor, dass die Versicherungsfähigkeit auch bei Bezug einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit endet. Während des Bezugs einer solchen Rente besteht dann keine Leistungspflicht des Krankentagegeldversicherers, und zwar auch, wenn tatsächlich keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit (dazu nachfolgend 3.) festgestellt ist.103 Es kommt dabei auch nicht darauf an, in welcher Höhe der VN gegenüber dem Berufsunfähigkeitsrisiko abgesichert ist.104 Unerheblich ist auch, ob dem VN eine Berufsunfähigkeitsrente nur befristet oder auf Zeit bewilligt oder aufgrund einer Fiktion für eine nur vorübergehende Berufsunfähigkeit gewährt wird. 105 Wird die Rente rückwirkend gezahlt, entfällt ebenso die Leistungspflicht des 101 102 103 104 105 a. A. Versicherungsrechts-Handbuch-Tschersich, § 45, Rn. 24 a) vgl. Bach/Moser-Wilmes, § 15 MB/KT, Rn. 11; Prölss/Martin-Prölss, § 15 MB/KT, Rn. 12 BGH VersR 89, 392; OLG Karlsruhe VersR 07, 51; OLG Hamm VersR 02, 1138 BGH VersR 89, 392 BGH a. a. O.; BGH VersR 89, 943 27 Krankentagegeldversicherers rückwirkend.106 All dies gilt allerdings nur, wenn der Rentenbezug in den Bedingungen des Versicherers ausdrücklich erwähnt ist.107 65# Neben § 15 a) MB/KT kann auch § 15 b) MB/KT eingreifen, wenn der VN eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht und er zugleich berufsunfähig im Sinne von § 15 b) MB/KT (dazu nachfolgend unter 3.) ist; die Regelungen der §§ 15 a) und 15 b) MB/KT stehen nicht in einem Spezialitätsverhältnis zueinander, sondern sind ohne weiteres nebeneinander anwendbar.108 66# c) Hat der Versicherer in Unkenntnis des Wegfalls der Versicherungsfähigkeit bereits Krankentagegeldzahlungen erbracht, steht ihm ein vertraglicher Rückgewähranspruch zu.109 Der vertragliche Rückgewähranspruch folgt aus § 11 Satz 2 MB/KT. Diese Bestimmung statuiert eine Rückgewährpflicht für in der Zeit nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses empfangene Leistungen. Im Anschluss an die Entscheidungen des BGH aus dem Jahr 1992 (dazu oben Rn. 57) wurde diskutiert, ob die Regelung entsprechend anwendbar sei oder ob auf das Bereicherungsrecht zurückgegriffen werden könne, da das Tatbestandserfordernis der Vertragsbeendigung wegen der vom BGH angenommenen Unwirksamkeit der §§ 15 a) und 15 b) MB/KT nicht mehr erfüllt sei.110 Diese Diskussion ist obsolet geworden, nachdem die Beendigungsregelungen der §§ 15 a) und b) MB/KT inzwischen – durch die Verknüpfung mit dem Recht auf Einrichtung einer Anwartschaftsversicherung, vergleiche oben Rn. 58 – wieder als wirksam anzusehen sind. Die Regelung des § 11 Satz 2 MB/KT ist damit wieder unmittelbar anwendbar. 3. Berufsunfähigkeit 67# Maßgeblich für die Beendigung der Krankentagegeldversicherung und der Leistungspflicht hieraus wegen des Eintritts von Berufsunfähigkeit ist allein die Berufsunfähigkeitsdefinition in § 15 b) MB/KT; auf die Frage, ob Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne oder im Sinne der 106 107 108 109 110 BGH VersR 89, 943; OLG Koblenz VersR 95, 653 BGH VersR 97, 481 BGH VersR 89, 943 BGH VersR 92, 479; OLG Karlsruhe, VersR 07, 51; OLG Celle, VersR 04, 632 Zur Diskussion vergleiche Bach/Moser-Wilmes § 11 MB/KT Rn. 2 28 Bedingungen für die Berufsunfähigkeits(zusatz)-Versicherung besteht, kommt es nicht an.111 Nach § 15 b) MB/KT liegt Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person - im bisher ausgeübten Beruf, - nach medizinischem Befund, - auf nicht absehbare Zeit, - mehr als 50 % erwerbsunfähig ist. 68# a) Die Berufsunfähigkeit muss im bisher ausgeübten Beruf vorliegen. Dieses Tatbestandsmerkmal ist nicht anders zu verstehen als das Tatbestandsmerkmal „ihre berufliche Tätigkeit“ in § 1 Abs. 3 MB/KT (vgl. dazu oben Rn. 24). Es ist also auch hier auf die konkrete berufliche Tätigkeit bei Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen, wobei es auf die ganz konkrete Art der bisherigen Berufsausübung ankommt.112 Ob der VN noch zu anderen Tätigkeiten in der Lage ist, spielt keine Rolle, und zwar auch nicht, wenn es um Tätigkeiten geht, die der Beruf des Versicherungsnehmers umfasst.113 Zutreffend hat daher das OLG Frankfurt einen Chirurgen, der als Homöopath noch tätig sein konnte und als solcher auch tätig war, als berufsunfähig angesehen.114 Eine „Verweisung“ des VN auf eine andere Tätigkeit ist der Krankentagegeldversicherung fremd. Ebenso wenig, wie der Versicherer Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 MB/KT mit der Begründung verneinen könnte, der VN könne noch eine andere als seine ganz konkrete berufliche Tätigkeit ausüben, kann sich der VN umgekehrt beim Eintritt von Berufsunfähigkeit in seinem ganz konkreten Beruf darauf stützen, er könne noch andere Tätigkeiten ausüben.115 69# b) Die versicherte Person muss nach medizinischem Befund auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig sein. Das Tatbestandsmerkmal „nach medizinischem Befund“ soll es nach in der Rechtsprechung teilweise vertretener Auffassung erfordern, dass der Versicherer einen konkreten ärztlichen Bericht 111 112 113 114 115 vgl. Bach/Moser-Wilmes § 15 MKT Rn. 20 ebenso Prölss/Martin-Prölss § 15 MB/KT Rn. 23; Bach/Moser-Wilmes § 15 MB/KT Rn. 23; Versicherungsrechtshandbuch-Tschersich § 45 Rn. 37 Prölss/Martin a. a. O.; OLG Düsseldorf VersR 99, 356 OLG Frankfurt VersR 87, 758 Bach/Moser-Wilmes § 15 MB/KT Rn. 23; Prölss/Martin-Prölss § 15 MB/KT Rn. 24; Versicherungsrechtshandbuch-Tschersich § 45, Rn. 37 29 vorlegt, aus dem sich Berufsunfähigkeit mit Wirkung für die Zukunft ergibt. 116 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, in denen abstrakt die Erwerbsunfähigkeit festgestellt wird, sollen als medizinische Befunde danach nicht genügen.117 Folge dieser Auffassung ist, dass der Vortrag des Versicherers zur Berufsunfähigkeit als nicht hinreichend schlüssig angesehen wird, wenn er keinen hinreichenden medizinischen Befund vorlegt, so dass es im Prozess nicht zu einer Beweisaufnahme über die Berufsunfähigkeit kommt. 70# Diese Auffassung kann schon deshalb nicht überzeugen, weil die Worte „nach medizinischem Befund“ in § 15 b) MB/KT sich ebenso in § 1 Abs. 3 MB/KT wiederfinden. Hier ist aber von der Rechtsprechung, soweit ersichtlich, noch nie die Anforderung an den – hier darlegungs- und beweispflichtigen – VN herangetragen worden, zur Substantiierung seiner Behauptung, nach medizinischem Befund arbeitsunfähig zu sein, ein aussagekräftiges medizinisches Gutachten vorzulegen. Vielmehr genügt der Rechtsprechung hier regelmäßig die Vorlage formularmäßiger ärztlicher AU-Bescheinigungen, ohne dass überhaupt das Tatbestandserfordernis „nach medizinischem Befund“ je problematisiert würde. Es verwundert deshalb, dass dieselben Worte „nach medizinischem Befund“ etwas viel Weitreichenderes bedeuten sollen, sobald den Versicherer die Darlegungs- und Beweislast trifft. Rechtlich begründbar ist eine solche Differenzierung nicht. Folgerichtig fehlt dann auch in der Entscheidung des OLG Hamm vom 26.02.1997118 jede Begründung dafür, warum sich aus einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, in der Erwerbsunfähigkeit vermerkt ist, „schon nicht“ ergeben soll, dass „Berufsunfähigkeit überhaupt nach medizinischem Befund im Sinne des § 15 MB/KT festgestellt worden“ wäre, während im selben Urteil dieselben Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Darlegung bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit durch den VN ausreichen sollen, ohne dass das Tatbestandsmerkmal „nach medizinischem Befund“ in diesem Zusammenhang überhaupt erwähnt würde. Wer sich nicht dem Verdacht aussetzen will, mit zweierlei Maß zu messen, wird anerkennen müssen, dass die Wörter „nach medizinischem Befund“ in beiden Bestimmungen dieselbe Bedeutung haben. Lässt man im Rahmen des § 1 Abs. 3 MB/KT ein ärztliches Kurzattest genügen, in dem regelmäßig 116 117 118 in diesem Sinne etwa OLG Hamm VersR 97, 1087; OLG Oldenburg VersR 91, 649 Prölss/Martin-Prölss § 15 MB/KT Rn. 26a; OLG Hamm r+s 98, 76 r+s 98, 76 30 Arbeitsunfähigkeit ohne nähere Begründung (zumeist durch bloßes Ankreuzen eines Formulars) bescheinigt wird, wird man im Rahmen des § 15 b) MB/KT zur Erfüllung desselben Tatbestandsmerkmals nicht ein „aussagekräftiges Gutachten“ fordern können, sondern ebenfalls eine ärztliche Kurzbescheinigung genügen lassen müssen. Ebenso genügt es, wenn ärztliche Befunde erhoben und niedergelegt sind, aus denen sich die Erwerbsunfähigkeit und die entsprechende Prognose herleiten lassen.119 Es ist dabei auch nicht einmal erforderlich, dass der erhobene Befund zum Zweck der Überprüfung der Berufsunfähigkeit eingeholt wurde, sofern der Befund so gründlich erhoben worden ist, dass er Aussagen über eine Berufsunfähigkeit erlaubt.120 Es ist daher sogar möglich, ein zeitgerecht eingeholtes Gutachten, dass aus gründlich erhobenen Befunden den medizinischen Schluss zieht, eine dauernde Erwerbsunfähigkeit sei nicht gegeben, überprüfen zu lassen mit dem Ergebnis, dass aufgrund derselben medizinischen Befunde, aber anderer medizinischer Wertung, sehr wohl eine dauernde Erwerbsunfähigkeit gegeben ist.121 Im Ergebnis genügt es daher, wenn entweder eine ärztliche Kurzbescheinigung vorgelegt wird, die ausdrücklich Berufsunfähigkeit attestiert, oder aber ein gründlich erhobener Befund vorgelegt wird, der Aussagen zur Berufsunfähigkeit zwar nicht ausdrücklich enthält, aber erlaubt. 71# Eine rückwirkende Feststellung der Berufsunfähigkeit soll nach wohl herrschender Meinung unzulässig sein.122 Dem ist jedenfalls für solche Fälle zuzustimmen, in denen medizinische Anhaltspunkte für einen früheren Eintritt der Berufsunfähigkeit fehlen. Anders ist es jedoch, wenn es beispielsweise frühere medizinische Gutachten gibt, die zwar nicht zum Zwecke der Überprüfung der Berufsunfähigkeit eingeholt wurden und hierzu auch keine ausdrückliche Wertung enthalten, jedoch – und sei es mit sachverständiger medizinischer Hilfe – Rückschlüsse auf den Eintritt von Berufsunfähigkeit zulassen. Davon geht offenbar auch das OLG Karlsruhe123 aus, wenn es darauf abstellt, dass ein zur Frage der Notwendigkeit stationärer psychiatrischer Behandlung eingeholtes Gutachten „eine deutliche Besserung des 119 120 121 122 123 OLG Köln, Beschluss vom 27.09.2004, 5 U 74/04 OLG Köln a. a. O. OLG Köln a. a. O. OLG Karlsruhe VersR 04, 230; OLG Düsseldorf VersR 99, 354 a. a. O. 31 Krankheitsgeschehens prognostiziert“ und diesem Gutachten der Eintritt bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit (folglich) nicht zu entnehmen sei. 72# c) Die mehr als 50 %-ige Erwerbsunfähigkeit im bisher ausgeübten Beruf muss auf nicht absehbare Zeit bestehen. Das Merkmal „auf nicht absehbare Zeit“ stellt klar, dass es sich bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit um eine Prognoseentscheidung handelt.124 Die Prognose erfordert einen Zustand, bei dem erfahrungsgemäß trotz Einsatzes aller medizinischer Mittel mit einem Wiederbeginn der Erwerbsfähigkeit entweder überhaupt nicht zu rechnen ist oder die Heilungschancen so schlecht sind, dass ungewiss bleibt, ob der Versicherte jemals wieder erwerbsfähig wird.125 Berufsunfähigkeit ist damit auch gegeben, wenn der VN sich zur Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit einer gefährlichen Operation unterziehen müsste und unklar ist, ob er dies tun wird.126 73# Die Oberlandesgerichte Hamm, Köln und Koblenz stellen zur Konkretisierung der Prognose auf einen Zeitraum von drei Jahren ab.127 Dieser Zeitraum erscheint recht willkürlich gewählt und ist auch in den Entscheidungen nicht näher begründet worden. Sachgerechter dürfte es sein, anstelle eines festen Zeitrahmens auf die Besonderheiten des Einzelfalls abzustellen, insbesondere etwa das Alter des VN zu berücksichtigen.128 74# Umstritten ist, ob die spätere gesundheitliche Entwicklung, namentlich eine etwaige Wiederaufnahme der Berufstätigkeit, bei der Beurteilung zu berücksichtigen ist.129 Richtigerweise hat die spätere Entwicklung des Zustands als solche unberücksichtigt zu bleiben; sie kann vielmehr allenfalls ein Indiz dafür bilden, dass schon aus früherer Sicht die Beurteilung falsch war.130 Eine andere Wertung würde nicht nur dem Wesen der Prognoseentscheidung widersprechen,131 sondern auch dazu führen, dass die Berufsunfähigkeit ständig in Frage gestellt wäre und weder VN 124 125 126 127 128 129 130 131 BGH VersR 92, 479, 481; OLG Düsseldorf VersR 99, 354, 355; Bach/Moser-Wilmes § 15 MB/KT Rn. 26 OLG Zweibrücken VersR 91, 292; KG VersR 88, 1290; Bach/Moser-Wilmes § 15 MB/KT Rn. 26; Prölss/Martin-Prölss § 15 MB/KT Rn. 25 OLG Köln VersR 95, 284; Prölss/Martin-Prölss a. a. O. OLG Hamm VersR 97, 1087; OLG Köln VersR 95, 285; OLG Koblenz r+s 93, 473 Bach/Moser-Wilmes § 15 MB/KT Rn. 28; gegen den Drei-Jahreszeitraum auch Prölss/Martin-Prölss § 15 MB/KT Rn. 25 dafür OLG Köln VersR 95, 285; OLG Hamm VersR 87, 1233; dagegen OLG Koblenz NVersZ 99, 475; KG VersR 88, 1290; OLG Zweibrücken VersR 91, 292 Prölss/Martin-Prölss § 15 MB/KT Rn. 26 Bach/Moser-Wilmes § 15 MB/KT Rn. 27 32 (Prämienzahlungspflicht) noch Versicherer Planungssicherheit hätten.132 Auch der BGH ist in seinen Entscheidungen aus dem Jahr 1992133 offenbar davon ausgegangen, dass eine spätere Wiedererlangung der Berufsfähigkeit der einmal getroffenen Prognoseentscheidung nicht die Grundlage entziehen kann, denn wenn die Wiedererlangung der Arbeitskraft bedeuten würde, dass der VN nie berufsunfähig war, wären seine Erwägungen zur Beendigung des Versicherungsverhältnisses durch Berufsunfähigkeit gegenstandslos.134 Für die Gegenansicht spricht auch nicht, dass auf den Sachverhalt im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist,135 denn die nach materiellem Recht maßgebliche Tatsache ist eben nicht die Berufsunfähigkeit des VN aus der Perspektive seines gegenwärtigen Zustands, sondern aus der zum Zeitpunkt der Erhebung des medizinischen Befundes.136 75# d) Schließlich muss die Berufsunfähigkeit im bisher ausgeübten Beruf zu mehr als 50 % bestehen. Entscheidendes Kriterium ist, ob der Versicherte noch in der Lage ist, seinen durchschnittlichen Arbeitsanfall zu wenigstens 50 % zu bewältigen.137 Ohne Bedeutung ist es, wenn der Versicherungsnehmer auf Kosten seiner Restgesundheit trotz mehr als hälftiger Erwerbsunfähigkeit noch mindestens 50 % seiner Erwerbstätigkeit nachgeht, da es allein auf die objektive medizinische Fähigkeit zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit ankommt.138 IX. Prozessuales und Beweislast 76# Die Beweislast für den Eintritt eines Versicherungsfalls und damit auch für das Vorliegen bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit liegt beim Versicherungsnehmer. Der Beweis kann nur durch Sachverständigengutachten geführt werden (vgl. oben Rn. $). Zur Schlüssigkeit einer Klage gehört ein substantiierter Vortrag zu den gesundheitlichen Beschwerden, zur bisher ausgeübten Berufstätigkeit sowie deren Beeinträchtigung durch die Erkrankung bzw. Unfallfolgen.139 132 133 134 135 136 137 138 139 Prölss/Martin-Prölss § 15 MB/KT Rn. 26 oben Rn. $ Prölss/Martin-Prölss a. a. O. so aber Versicherungsrechtshandbuch-Tschersich § 45 Rn. 43; OLG Hamm, VersR 92, 225 Prölss/Martin-Prölss a. a. O. OLG Düsseldorf r+s 97, 299; OLG Zweibrücken VersR 91, 292; Bach/Moser-Wilmes § 15 MB/KT Rn. 22 vgl. OLG Düsseldorf VersR 99, 354; Versicherungsrechtshandbuch-Tschersich § 45 Rn. 39 Versicherungsrechtshandbuch-Tschersich § 45 Rn. 105 33 77# Für die Beendigungstatbestände des § 15 MB/KT ist der Versicherer beweispflichtig, was insbesondere für § 15 b) MB/KT (Berufsunfähigkeit) von praktischer Bedeutung ist. Will der VN sich allerdings darauf stützen, dass er seine berufliche Tätigkeit wieder aufgenommen habe (vgl. hierzu oben Rn. $), so trägt er hierfür die Beweislast.140 78# Die Behauptung des Versicherers, der Versicherungsnehmer sei berufsunfähig, enthält nicht zugleich das Geständnis der Arbeitsunfähigkeit.141 Der Versicherer ist also nicht gehindert, Berufsunfähigkeit einzuwenden und gleichzeitig das Vorliegen vollständiger Arbeitsunfähigkeit zu bestreiten. Dies ergibt sich schon daraus, dass sich Berufsunfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit nicht gegenseitig ausschließen. Da bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit regelmäßig vollständige Arbeitsunfähigkeit erfordert (vgl. oben Rn. $), während Berufsunfähigkeit bereits beim Eintritt fünfzigprozentiger Erwerbsunfähigkeit gegeben ist (vgl. oben Rn. $), kann ein VN im Sinne der MB/KT zugleich berufsunfähig und nicht (vollständig) arbeitsunfähig sein. 140 141 OLG Köln VersR 95, 285 Bach/Moser-Wilmes § 15 MB/KT Rn. 32; Prölss/Martin-Prölss § 15 MB/KT Rn. 94 34