3.4 Interreligiöse Erziehung als Herausforderung für die islamische Religionspädagogik Cemal Tosun1 Es ist wahr, dass die interreligiöse Bildung für die islamische Bildung eine Herausforderung darstellt. Wahr ist auch, dass diese Herausforderung nicht nur für den Islam, sondern für alle Religionen gilt. Themen wie „Interreligiöse Bildung“, „Interreligiöses Lernen“ und „Interreligiöser Dialog“ haben in der islamisch-theologischen Sprache wie auch im Christentum oder in den anderen Religionen keine Tradition. Dies erklärt sich dadurch, dass mit der bloßen Anerkennung einer anderen Theologie oft die meist unbegründete Angst einhergeht, die eigene Religion aufzugeben. Trotzdem gibt es in den Grundquellen des Islam (Koran und Sunna) und seiner Geschichte theoretische und faktische Ausgangspunkte und Beispiele, die als Anknüpfungspunkte betrachtet werden können. Ich werde in meinem Referat auf folgende drei Punkte eingehen: Erstens: Die Bedeutung der interreligiösen Bildung für die religiöse Bildung im Allgemeinen und für die islamische Bildung im Speziellen. Die Geschichte der Menschheit ist in Bezug auf religiöse Begegnungen geprägt von positiven wie auch negativen Beispielen. Diese religiösen Begegnungen sind für den heutigen interreligiösen Dialog und die interreligiöse Bildung sehr nützlich. Jedoch unterscheiden sich diese historischen Begegnungen mit den Heutigen in vielen Punkten. So sind heute einerseits die Art und Weise und die örtlichen Begebenheiten und andererseits auch die Ziel- und Zwecksetzungen und Problemstellungen anders als damals und erfordern neue Wege der Problemlösung. Zweitens: Interreligiöse Bildung braucht, neben den gesellschaftlich-politischen und erzieherischen Grundlagen, eine fundierte theologische Basis. Auf muslimischer Seite ist dieses theologische Fundament nicht zufriedenstellend. Es wurde viel darüber geschrieben, jedoch haben die Autoren immer für eine Seite Partei ergriffen und sich somit entweder pro oder contra entschieden, anstatt diese beiden Pole abzuwägen und damit einen neuen Weg der Problemlösung aufzuzeigen. Das Hauptproblem ist, dass das Thema nicht von muslimischen Theologen (Kalamwissenschaftler) und Rechtswissenschaftlern (Fuqaha) bearbeitet wird. So 1 Prof. Dr. für Religionspädagogik. Lehrstuhlinhaber für Religionslehrerausbildung an der theologischen Fakultät der Universität Ankara. werden in der Türkei die Themen „Interreligiöser Dialog“ und „Interreligiöse Bildung“ vor allem von Religionshistorikern untersucht und bearbeitet. Eine umfassende und methodologisch angemessene Annäherung würde ermöglichen, dass die theologischen Grundlagen des interreligiösen Dialogs bzw. der interreligiösen Bildung aus islamischer Sicht mit seinen bzw. ihren Möglichkeiten und Grenzen dargelegt werden. Aus muslimischer Sicht sind hier viele Hindernisse zu bewältigen. Die größte Hürde ist die Vorstellung, Dialog mit Missionierung gleichzusetzen. Die negativen Erfahrungen mit der Missionierung in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart bewirkten eine schwer zu bewältigende Angst. Aussagen des Vatikans, dass der Dialog eine Methode der Missionierung sei, erschweren die Sache ungemein. Drittens: Interreligiöser Dialog braucht eine sachgemäße interreligiöse Bildung. Nur in der Schule interreligiöse Bildung anzubieten, wird bestimmt nicht ausreichen. Wenn die Familie und die Gemeinde diese Erziehung nicht unterstützen, sind jegliche Bemühungen zum Scheitern verurteilt. Die inhaltliche Gliederung ist wie folgt geplant: 1. Interreligiöses Lernen ist ein deutliches Erfordernis in der heutigen Welt. 2. Interreligiöse Erziehung ist in der islamischen Religionspädagogik wie bei allen anderen Religionen auch eine Herausforderung. 2.1. Für den Islam sind die Themen „Interreligiöser Dialog” und „Interreligiöse Erziehung” neu. 2.1.1. Der Begriff „Tabliğ“ und seine Bedeutung für den interreligiösen Dialog 2.1.2. Der Begriff „Davet“ und seine Bedeutung für den interreligiösen Dialog 2.1.3. Der Begriff „Tearuf“ und seine Bedeutung für den interreligiösen Dialog 3. Die Möglichkeiten und Grenzen des interreligiösen Dialogs in Bezug auf die Hauptquellen des Islam. 3.1. Die Möglichkeiten des interreligiösen Dialogs im Islam 3.1.1. Die Möglichkeiten des Dialogs aus Koranischer Sicht 3.1.2. Die Möglichkeiten des Dialogs hinsichtlich der Sunna des Propheten Muhammad 3.2 Die Grenzen und/oder Hindernisse des interreligiösen Dialogs aus Sicht des Islam und der Muslime 4. Wie kann eine interreligiöse Islamerziehung aussehen? Stand: 25.07.2006