Erfahrungen auf dem Bergbauernhof „Gschlossl“ Ich wurde am ersten Tag gleich ganz herzlich von der Familie begrüßt. Da am Sonntag Muttertag war, war fast die ganze Familie auf dem Hof und ich konnte gleich die ganze Familie mehr oder weniger kennen lernen. Auf dem Bauernhof leben Maria 70 Jahre, Georg 73 Jahre und der Bauer Markus 35 Jahre. Maria und Georg haben sechs Kinder, somit war das Haus früher immer gut gefüllt. Mit der Zeit sind dann alle Kinder ausgezogen, haben eigene Familien gegründet oder eine Ausbildung in einem anderen Bereich gemacht. Somit ist das jüngste Kind Markus, der einzige, der noch auf dem Hof mit seinen Eltern lebt und die Arbeit bzw. den Hof übernommen hat. Markus hat mit 14 die Schule abgebrochen um die Eltern, die von der Arbeit starke körperliche Schäden bekommen haben, zu unterstützen. Die Familie besitzt ca. vier ha Land und derzeit acht Kühe. Somit ist sie dringend auf Hilfe der Bergbauernhilfe Südtirol vor allem in den Sommermonaten angewiesen. Meine Aufgaben reichten vom Kühe füttern, melken, Gemüse im Garten pflanzen bis zur Pflege der Apfel- und Kirschbäume auf den Feldern. Mein Tag begann mit einem Frühstück um acht Uhr und endete meistens um ca. 20.30 Uhr mit der Stallarbeit. Bei der Arbeit habe ich von meinem Alltag, den man sonst aus der Arbeit kennt abschalten können. Den Druck Leistung zu erbringen und sich ständig unter Beweis stellen zu müssen existiert dort einfach nicht. Die Menschen versorgen sich selbst mit den Lebensmitteln, die sie im Garten anpflanzen. Es gibt jeden Tag frische Milch aus der Käse oder auch Joghurt gewonnen wird. Vom Schlachtvieh gewinnt die Familie Fleisch, die sie in ihrer Kammer im Keller selbst räuchern. Gelegentlich wird im Supermarkt Dinge wie Nudeln oder Reis eingekauft und der Bäcker kommt einmal wöchentlich und versorgt das Dorf mit Brot. Der größte Teil der Nahrung wird also selbst angebaut. Deshalb wir die Arbeit nicht unbedingt da um Geld zu verdienen, sondern um unabhängig zu sein und sich selbst ernähren zu können. Es wird vieles „selbst gemacht“, nicht unnötig Geld ausgegeben um zu konsumieren- dies hat einen hohen Stellenwert. Die größte Abhängigkeit besteht zur Natur, was ich am eigenen Leibe erfahren habe. Die Woche, die ich auf dem Hof verbracht habe war durchsetzt von Regen und Wind. Die Bauersleute leben in einer symbiose mit der Natur und müssen sich nach dieser richten. Es können zwar auch einige Arbeiten im Haus verrichtet werden, aber da meiste fällt doch eher an der freien Luft statt. Somit ist gerade im Frühling wenig planbar. Es wird in den Tag hinein gelebt und die Arbeiten verrichtet, die man machen kann. Ich habe in der Familie eine große Aufgeschlossenheit gegenüber mir selbst erfahren. Ich wurde sofort so akzeptiert, wie ich bin ohne mich groß unter Beweis stellen zu müssen. Somit habe ich mich recht schnell eingefügt und mich sehr wohl gefühlt. Ich konnte viele Erfahrungen um diese andere Lebenswelt sammeln. Die Familie führt ein sehr einfaches und bescheidenes Leben. Trotz der langen Jahre zu dritt verstehen sich Maria, Georg und Markus sehr gut und haben eigentlich immer etwas zu bereden. Scheidungen gibt es in dem Dorf so gut wie keine- die Familien leben gemeinschaftlich zusammen- jeder kennt sich. Die Individualisierung ist hier nicht so deutlich spürbar, wie in den Städten. Auch wird hier nicht so rationalisiert gehandelt und gedacht, wie ich es meinem Alltag kenne. Dies hat alles seine Vor- und Nachteile, die ich hier nicht ausführen kann. Ich konnte viel von der Familie lernen und mitnehmen, denke aber auch, dass ich einiges von meinem Wissen abgeben konnte. Es gab viele Gespräche in denen Markus oder Maria interessiert nachgefragt haben. Nach einer Woche war ich dann trotzdem wieder froh in meine gewohnte Umgebung zurück zu kommen. Ich habe die Zeit sehr genossen, könnte mir aber keinesfalls vorstellen länger auf dem Hof leben zu können Anja