Mein lyrisches Verlags-ABC

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Mein lyrisches Verlags-ABC
Eine Tour de Force
durch das dichterische Delta
deutschsprachiger
Lyrikverlage
mit Theo Breuer
„Auch unsere Dichter sind heute Funktionäre der Dichtung geworden. Sie dichten nicht
mehr, aber sie funktionieren. Jeder hält seinen Nabel für den Mittelpunkt der Welt, um
den sich alles dreht, gräbt in seinen Eingeweiden herum und ist stolz, wenn lauter Dreck
dabei herauskommt. Der Mensch hat sich ausgehöhlt, sich überlebt. Von ihm ist nicht viel
nachgeblieben. Er kann nur die eigenen Exkremente produzieren. Er hält das für Poesie.
Was nicht stinkt, das ist verlogene Romantik. Und was sich noch reimt – ein albernes
Spiel für schwachsinnige Trottel.
Wer etwas auf sich hält, dem genügt ein Gedankenstrich, ein Komma, ein Punkt. Vielleicht auch ein Doppelpunkt. Synthetische Dichtung aus der Retorte, nicht aus dem Herzen. Diese Gehirnakrobaten und Kartoffelkäfer bohren unentwegt in der eigenen Nase und
sind viel zu impotent, etwas Lebendiges hervorzubringen. Sie schließen sich in Gruppen
und Grüppchen zusammen, veranstalten ‚Begegnungen‘, sogar ‚Kongresse‘, heben sich
gegenseitig auf das Schild der ‚Publicity‘, die sie für Unsterblichkeit halten. Natürlich
wollen sie immer an der Spitze sein, und deshalb nennen sie sich auch gern ‚Avantgardisten‘. Armselige Radfahrer, die immer im Kreise rennen, ohne es zu merken! Die wirklichen Dichter sind ausgestorben – wir brauchen sie nicht mehr...“
So schwadroniert der Antiheld in Siegfried von Vegesacks 1967 bei Langen und Müller
erschienenem Roman Die Überfahrt, und es ist am Ende keine Überraschung, daß dieser
Mensch sich heimlich davonstiehlt, indem er sich über Bord wirft, denn das Leben ist für
ihn schon lange vorbei...
Wenn ich mich alltäglich dem stellen muß, was die Engländer ratrace nennen,
kommen mir in mancherlei Hinsicht ähnliche Gedanken wie die eben zitierten,
und ich verfluche – pardon – Gott und die Welt, aber gerade die Dichtung ist für
mich immer schon der Zufluchtsort gewesen, der mich wieder und wieder vor
Melancholie oder Depression bewahrt hat. Und ich bin zuversichtlicher denn je,
daß ich mich auf die Lyrik auch in Zukunft verlassen kann, denn, bitte verzeihen
Sie das Pathos, ich lebe sie mehr denn je, fühle mich mit jedem Tag mehr als kleines, aber festes Bestandteilchen einer Welt, die mir mit ihren Wörtern, Bildern,
Klängen und Rhythmen, mit ihren Formen und Spielen, Gefühlen und Gedanken
realer vorkommt als das, was gemeinhin ‚Realität‘ genannt wird. (Wie sehr ich
damit auch Romantiker bin, beweist dieser Ausspruch von Novalis: „Die Dichtung, das ist das absolut Reale.“ Und bei Philippe Soupault heißt es: „Indessen
spielen diese ungenauen, vernachlässigten, allgemein (nur nicht von den Psychopathen) als wertlos betrachteten Bilder (Traumbilder, Träumereien, Hirngespinste) eine entscheidende Rolle bei der Entdeckung der Welt. Man trifft sie in allen
Lebensbereichen an. Man hört, man sieht sie an jeder Straßenecke und auch in
dem, was man die Kunst der Rede nennt. Sie sind in aller Mund, und es gibt kein
menschliches Wesen, das nicht auf sie zurückgreift, um sich auszudrücken. Die
Volkssprache ist ein Gewebe von Bildern. Sind sie aus den Träumen hervorgegangen, oder gehören sie einer Art mündlicher Tradition an?) Natürlich war unser
Unbekannter, wie er im Roman vom Icherzähler lange Zeit genannt wird, in der
zweiten Hälfte der 60er Jahre nicht der einzige, der das Ende der Literatur konstatierte: Hans Magnus Enzensberger hat sich diesen Unfug ebenfalls geleistet – mit
dem Ergebnis, daß 1999 seine gesammelten Gedichte erschienen sind, die zeigen,
daß gerade er sich am wenigsten daran gehalten hat...
Sicherlich hat die Lyrik im 20. Jahrhundert (wie alle Bereiche von Kultur, Wirtschaft, Gesellschaft usw.) Krisenzeiten durchgemacht, aber gerade das vergangene Jahrzehnt hat
wieder dermaßen viele interessante, originelle, schöne Blüten getrieben, daß so manchem
Leser der Überblick verloren gegangen ist: Ja, viele sehen vor lauter Bäumen den Lyrikwald nicht mehr. Welle auf Welle lyrischer Neuerscheinungen sorgt Woche für Woche,
Monat für Monat, Jahr für Jahr für geistige Überflutungen: Der Leser findet kaum noch
Halt... Selbst der manische Lyrikleser muß sich der Tatsache stellen, daß er nur noch
einen Bruchteil der Lyrik wahrnehmen kann... Mit dem folgenden Verlags-ABC möchte
ich einen kleinen Einblick in meine lyrische Bibliothek vermitteln und Verlage vorstellen,
deren lyrisches Programm Bücher enthält, die ich Ihnen weiterempfehle.
Dabei muß ich den radikal subjektiven Standpunkt des einzelnen Lesers bzw. Schreibers
wieder einmal besonders betonen. Denn meine Vorlieben haben nicht nur mit Qualität
(einem bekanntermaßen äußerst zwiespältigen Phänomen, wenn es um Kunst und Literatur geht) zu tun, sondern natürlich und insbesondere auch mit meinem persönlichen
Geschmack. Allerdings schmeckt mir – als lyrischem Trinker – vieles (höchst Unterschiedliche!), und ich hätte unter so manchem Buchstaben gern zwei, drei oder mehr Verlage vorgestellt (unter H z.B. unbedingt den von mir hochgeschätzten Heiderhoff Verlag,
aus dem ich hier einfach einmal einen der vier Lyrikbände von Ludwig Steinherr (*1962)
empfehle...).
Auf eine Vorstellung von seit Jahrzehnten bekannten (lyrisch mehr oder weniger
renommierten) Verlagsgrößen wie Aufbau, Fischer, Hanser, Piper, Reclam, Rowohlt, Suhrkamp & Co. verzichte ich bewußt – bei aller Wertschätzung der lyrischen Programme der eben genannten Verlage (die ich allerdings ein wenig einschränken muß: Auch wenn die großen deutschsprachigen Verlage so tun, als
würden sie sich wieder für die Lyrik engagieren – es war in den 50er Jahren beispielsweise um ein Vielfaches besser –, führen die lyrischen Bücher in diesen Verlagen doch, von den berühmten Ausnahmen abgesehen, nur ein armseliges
Schattendasein, grundsätzlich in kleinster Auflage produziert, von der Werbung
ignoriert und den Vertretern vernachlässigt), die ich hier bekräftigen möchte: Es
dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, daß es mir im Prinzip gleichgültig ist, welchen Verlags- bzw. Dichternamen ein Buch trägt.
Aber – die kleinen Lyrikverlage, deren es einige Hundert im deutschsprachigen Raum
gibt, sind es, die mir bei meiner publizistischen Arbeit am Herzen liegen, und ihnen
möchte ich mit diesem nunmehr dritten ABC dieser Art zu mehr Bekanntheit verhelfen...
Dabei bemühe ich mich bei aller Subjektivität (Qualität‘, ‚Subjektivität‘, ‚repräsentativer‘
Querschnitt: lauter fragwürdige Begriffe, wie letztlich alle Begriffe fragwürdig sind. Deshalb: Bitte nicht nicken; vielleicht liege ich auch immer wieder irgendwo falsch...) auch um
einen repräsentativen Querschnitt, so daß die hier vorgestellten Verlage zum größten Teil
exemplarisch verstanden werden mögen als Stellvertreter für etliche Verlage ihrer Art.
Daß eine Reihe von Verlagen aus dem Verlagswald herausragen, versteht sich von selbst –
obwohl auch diese nicht unbedingt so bekannt sind, wie man eigentlich vermuten könnte.
(Auf die Kurzvorstellung von Verlagen, deren z.T. recht ausführliche Porträts in Literaturzeitschriften wie FALTBLATT, MUSCHELHAUFEN, TITEL oder auch in OHNE PUNKT &
KOMMA in den letzten Jahren abgedruckt worden sind, habe ich wegen ihres Stellenwerts
bewußt nicht verzichtet: Es sind dies Verlage, deren Bücher in keiner lyrischen Bibliothek
und in keiner guten Buchhandlung fehlen sollten.)
Gleichzeitig will ich mit diesem ABC einmal mehr die Vielfalt der lyrischen Welt hierzulande aufzeigen. In Ohne Punkt & Komma, wo ich u.a. auf immerhin gut 200 Lyrikbände
– aber was ist das schon, wenn jährlich mehrere Tausend erscheinen – hinweise, betone
ich an verschiedenen Stellen, wie prinzipiell abwegig ein Unterfangen ist, daß sich eine
Art Überblick über die Lyrik der 90er Jahre zum Ziel gesetzt hat – ein Überblick kann es
also auch diesmal nicht sein, sondern wiederum nicht mehr als ein lyrischer Appetitanreger – am besten vielleicht in Häppchen zu genießen.
ATELIER VERLAG
Auf die Frage, für wen er schreibe, antwortete Jean Cocteau: „Für die, die auf derselben Wellenlänge sind wie ich.“ Sind Sie – beispielsweise – auf einer Wellenlänge
mit Dieter P. Meier Lenz (Mitherausgeber der Horen) oder Pierre Garnier (u.a. Erfinder der visuell orientierten spatialen Poesie)? Dann sind Sie beim von Fritz
Werf geführten Atelier Verlag richtig. Seit 1966 hat Fritz Werf, selber Dichter und
Übersetzer, eine Vielzahl lyrischer Bücher in den drei Reihen AVA-Lyrik (Auflage
200 – 800), Edition Lyrik + Grafik (99 numerierte und signierte Exemplare mit drei
originalen Grafiken) sowie der Edition 66 Lyrik + Grafik (66 numerierte und signierte Exemplare mit originalen Grafik) in zumeist stilvoller Ausstattung herausgebracht. Dichter, Herausgeber, Übersetzer wie Fritz Deppert, Hilde Domin,
Ludwig Harig, Karl Krolow, Gisela Noy oder Josef Reding haben ihn darin unterstützt, zeitgenössische deutsche Lyrik in Erstausgaben sowie europäische Poesie
(oft zweisprachig) in professioneller Form zu publizieren. Obwohl ich bereits etliche Bücher Pierre Garniers gelesen habe, packen mich seine (kongenial von Fritz
Werf nachempfundenen) naiv-universalen Gedichte aus Die andere Zeit (62 S.,
1993) wie am ersten Tag. Welch großes Bild in einfachsten Wörtern zu Papier gebracht:
Die Schnecke ist mein Totem-Tier:
Auch diese um einen Punkt gerollte Säule
ist die Welt.
Mächtig beeindruckt hat mich aber auch der Band Seestücke (2000) mit stürmischstillen Gedichten von Fritz Werf (die Hommage an Pablo Neruda als crescendoartiger Höhepunkt) und kühlen Montagebildern von Otto G. Altena.
EDITION BAUWAGEN
„Und ein ‚gutes‘ Gedicht, was immer das sonst sei, es ist eine zuschnappende Wortfalle.
Dem Leser bleibt dabei die dankbare Doppelrolle: als Beute und als Jäger.“ Soweit Peter
von Becker in seinem Nachwort zu Wolfgang Bächlers 1988 bei Fischer erschienenen Liebesgedichten Ich ging deiner Lichtspur nach. Als einer, der gerne ‚gute‘ Gedichte jagt und sich anschließend von ihnen umgarnen läßt, habe ich in Zusammenarbeit mit dem Itzehoer Künstler und Kleinverleger Karl-Friedrich Hacker
1999 die lyrische Reihe edition bauwagen ins Leben gerufen, in der lyrische Erstlinge
sowie handgeschriebene Anthologien erscheinen. Seit Hacker vor über 10 Jahren
mit Traktor und Bauwagen nach Spanien reiste, existiert die edition bauwagen, deren künstlerisches Grundkonzept immer mehr die Verbindung von Bild und
Wort geworden ist. So entstehen Künstlerbücher (in Kleinstauflagen von 27 bis 49
Exemplaren) in enger Zusammenarbeit zwischen bildenden Künstlern und Wortakrobaten. Einzeltitel sind bislang von Andreas Noga, Heike Smets, Frank Milautzcki und Jan Röhnert erschienen, beim einmal jährlich publizierten handgeschriebenen Buch (zu dem jeweils 19 Lyrikerinnen und Lyriker eingeladen werden) haben bisher Elisabeth Alexander, Hans Bender, Walter Helmut Fritz, Anna
Gudera, Aldona Gustas, Axel Kutsch, Raphael Urweider, Walle Sayer, Jürgen
Völkert-Marten u.a. mitgewirkt. Originale Graphiken bereichern jedes Künstlerbuch, bei dessen Gestaltung die Autoren ein gewichtiges Wort mitreden. Für
2002 ist zusätzlich eine Anthologie mit visueller Poesie in einer 48er Auflage geplant.
CORVINUS PRESSE
Der von Sabine Fahl übersetzte Lyrikband Schwere Seide (66 S., 2000) von Liljana
Dirjan (*1953) ist zur Zeit der einzige greifbare zeitgenössische mazedonische Lyrikband: ein Glück, daß wir ihn haben. Schwere Seide ist ein in jeder Beziehung
schönes Buch. Ich kann es nicht oft genug betonen: Natürlich ist das Gedicht selbst
das Wesentliche am (im) Gedichtbuch – aber wenn die Verpackung so gelungen
ist wie bei den meisten dieser in limitierter Auflage erscheinenden Bücher der
Corvinus Presse, gewinnt das ganze lyrische Projekt. Als bibliophiler Sammler
schnalze ich mit der Zunge. Doppeltes Kompliment also für Verleger und Buchkünstler Hendrik Liersch (der sich mehr und mehr auf Lyrik aus aller Welt verlegt). Seit 10 Jahren produziert dieser Lyrikliebhaber ein schönes Buch nach dem
anderen: mittlerweile bereits an die 100! Ein rundes dunkelbraunes, in den Um-
schlag genähtes Seidenfenster blickt mich wie ein Dichterauge an, und wenn ich
in diesem japanisch gebundenen und bleigesetzten Blockbuch blättere, gewahre
ich Gedichte, in die ich mich sogleich versenke. Ich sage ja gern schon einmal, daß
mir als lyrischem Trinker jeder Wein schmecke, aber auch für mich ist es natürlich
immer wieder eine feine Sache, auf einen besonders edlen Tropfen zu stoßen. Liljana Dirjan verfügt über eine lyrische Stimme, die so klar ist wie das Meer überall
sein sollte, unweit dessen sie lebt... Dabei tauchen unvermittelt Metaphern auf
wie kleine unbewohnte Inseln. Anschaulichkeit, Empfindung, Natürlichkeit,
Sinnlichkeit sind Begriffe, die mir in den Sinn kommen, während ich diese Gedichte genieße.
DIELMANN VERLAG
Hinter den lyrischen Hügeln des Taunus höre ich Huchel, Bobrowski, Kirsten,
aber auch Brambach, Kühn oder Sayer flüstern, wenn ich die – stilistisch vollkommen eigenständigen – einfache und rätselhafte Bilder, erdige und himmlische
Gefühle evozierenden Verse von Olaf Velte (*1960) lese, dessen mit Bauern, Geschichte, Land, Literatur, Magie, Mythen, Natur und Phantasie vernietete Existenz ich aus jedem Gedicht in Ein Kragen aus Erde herausspüre, das 2000 im
Frankfurter Axel Dielmann Verlag erschienen ist. Der aufsehenerregendste Lyriker
im vielfältigen, kosmopolitisch orientierten, auserlesenen Programm des Dielmann Verlags, dessen Bücher augenfällig liebevoll und sorgfältig gestaltet sind, ist
Paulus Böhmer (*1939), von dem Uve Schmidt in seinem Gedicht Na schön (in
Deutsche Mädels, Maro 1987) behauptet: Deutschlands größter Dichter ist Paulus
Böhmer... (Davon abgesehen, wie das gemeint sein mag (Böhmer ist buchstäblich
ein Hüne!), möchte ich die Gelegenheit beim Schopf packen und einmal zum Ausdruck bringen, daß die Handvoll Dichter, die in aller Munde ist – bei allem Respekt vor dem Werk – eher über- und die Mehrzahl der Dichter, die eben nicht in
aller Munde ist, eher unterschätzt wird – wieso finde ich z.B. kein Gedicht Böhmers in Der Neue Conrady? Auch in dieser Hinsicht setzen wiederum die kleinen
Verlage Zeichen: Das lyrische Ensemble zählt, nicht der einzelne Lyriker: Die
Dichtung muß von allen gemacht werden, nicht von einem, unterstrich bereits Lautréamont.) Lesen Sie sein exorbitantes vierteiliges poem in progress „Kaddish“ in
dem in feines sienarotes Leinen gehüllten Buch Säugerleid (187 S., 1996), und Sie
verstehen, warum ich nicht einmal versuche, einen überwältigenden Eindruck in
kümmerliche Worte zu fassen...
EREMITEN-PRESSE
„Ich will drucken, was die großen Verlage nicht riskieren können oder wollen. Ich suche
keine Bestseller, sondern junge Talente, das Abseitige, das Experiment und auch das inhaltlich Gewagte.“ Soweit das Credo von Victor Otto Stomps (1897 –1970), der 1949
die Eremiten-Presse gründete, das sicherlich auch heute noch zutrifft, auch wenn
die Eremiten-Presse längst in die Hände von Friedolin Reske und Jens Olsson
übergegangen ist. Nicht selten ist das erste Buch eines jungen und unbekannten
Dichters Sprungbrett in die große Literaturwelt gewesen: So feierte Thomas
Kling, mittlerweile ja einer der unumgänglichen deutschen Dichter, 1986 hier sein
Debüt mit erprobung herzstärkender mittel, danach wurde Suhrkamp auf ihn aufmerksam (mittlerweile ist er bei DuMont). Einer meiner Favoriten im umfangreichen Programm der Eremiten-Presse, das Hunderte von meistens in der Form des
Blockbuchs herausgegebenen lyrischen Titel umfaßt (z.B. von Cyrus Atabay,
Marja Krawcec, Gabriele Wohmann, Annemarie Zornack) ist Eckard Sinzigs wie
entfesselt geschriebener, mit prallem Leben gefüllter Band Kopfpunktierer, Herztranchierer (88 S., 1997) mit 8 originalen Offsetlithographien von Klaus Endrikat.
Bildschön ist auch der Band Verwitterungen von Margarete Hannsmann (88 S.,
1995), den Bernard Schultze, der von mir so geliebte Maler, mit originalen Graphiken bereichert hat. Es ist müßig, zu spekulieren, wer denn nun der beste unter
den kleineren Verlagen hierzulande sei, aber die Eremiten-Presse gehört mit einem Lyrikgeschichte schreibenden Programm in bester Verpackung zu den allerersten Anwärtern.
EDITION FUNDAMENTAL
Ich mache mir beim Lesen von Gedichten (Antje Paehler schreibt dazu in einem
vielseitigen Brief als Reaktion auf Ohne Punkt & Komma: „Oft klopfe ich ein entstehendes Gedicht darauf ab, ob allen 5 Sinnen etwas geboten wird.“ Worauf Sie sich übrigens auch in Rolf Perschs witzig-spritzigem mein stuhl und ich (80 S., 1994) absolut
verlassen können.) gern bewußt, ob und wie die Verse meine Sinne ansprechen
und spüre, wie intensiv Hans Benders Vierzeiler aus dessen bei der Kölner edition
fundamental erschienenen fadengehefteter Broschur Nachmittag, Ende September (28
S., numeriert, signiert; 2000) in mich eindringen.
Abiturientenphoto 1939
So ernst, als wüßten wir,
was uns bevorsteht.
Allein
der Klassenlehrer lächelt.
Hans Bender (*1919) ist bekannt als Herausgeber der Akzente, viel beachteter Lyrikanthologien und Verfasser von Kurzgeschichten. Als Lyriker (der sich auf
Czeslaw Milosz beruft: „Im Alter sollen Gedichte sich vereinfachen“) ist er nicht so
vielen Lesern bekannt; dem lyrischen Spurensucher Richard Müller (in dessen
Programm ich einige neue Namen entdecke: Nicola Hinz (*1971) etwa, die mit
Mondvergiftung (24 S., 2001) ein reizvolles Debüt vorlegt) verdanken wir, daß wieder ein Lyrikband Hans Benders lieferbar ist. Ein poetischer Schwerpunkt der edition fundamental, in der sämtliche Editionen als Handpressendrucke erscheinen,
sind die visuellen bzw. konkreten (u.a. K. P. Dencker) oder spatialen Bücher,
worunter das traumschöne Die Fenster (34 S., 2000) von Pierre Garnier (neben dem
Poem Das Dorf; 40 S., 2001) mein gegenwärtiger Liebling ist.
GRUPELLO VERLAG
Während eines Telefonats formulierte Bruno Kehrein, Verleger des Düsseldorfer
Grupello Verlags, Thesen, die ich exakt in einigen meiner Essays aufgestellt hatte:
Wen wundert‘s, unterhielten sich doch zwei Menschen aus der Minderheit derer,
die nicht begreifen, daß es der Popularisation der Lyrik hierzulande derart
schwer gemacht wird: vom Buchhandel als Nadelöhr spricht Kehrein, von rezeptiven Problemen, die Buchhändler und Kritiker äußern: Nicht nur ihnen empfehle
ich die vortrefflich erhellende (lyrisch-essayistische) Anthologie Lyrik lesen (294 S.,
2000). Mit dem ungenierten Genie Alexander Nitzberg (*1969) hat Kehrein einen
Lyriker, Übersetzer und Herausgeber auf dem lyrischen Lager, der ihn darin unterstützt, mit attraktiver, geistreicher, origineller Lyrik Menschen zu überzeugen,
Produkte von Grupello zu erwerben. Kehrein betont: „Wir drucken Bücher, damit sie
gekauft werden.“ Etwa 60/70 Titel bietet die Grupello-Palette, darunter wohlfeile
Broschuren (so Alexander Nitzbergs formstreng-schnoddrige Spagatpoesie Im
Anfang war mein Wort (80 S., 1998), Ulrich Harbeckes Literadatsch mit parodistischen Gedichten zu Brecht, Heine u.a. (80 S., 1999) oder Heinz Czechowskis Die
Zeit steht still (248 S., 2000), aber auch wertvolle Vorzugsausgaben mit Originalradierungen. Gedichtbücher aktueller russischer und deutschsprachiger Lyrik zeigen, wie weit die Lyrikseele des Bruno Kehraus ihre Flügel ausspannt und durch
die stillen Lande fliegt – mit dem Gefühl nach Hause zu fliegen, wenn man z.B.
mit Anna Achmatowas Poem ohne Held (128 S., 2001) einen weiteren Treffer gelandet hat.
HORLEMANN VERLAG
„Als das Schreiben von Gedichten zur Dichtkunst wurde, sind ihm auch die Zähne gezogen worden. [...] Keine Bedrohung der bestehenden Ordnung mehr, kein Werkzeug und keine Waffe.“
Wir müssen, nolens volens, dem südafrikanischen Dichter Breyten Breytenbach
zustimmen, der den lyrischen Finger in eine soziale Wunde legt, die natürlich
nach wie vor schwärt. Und doch gibt es Schriftsteller und Verlage, die wenigstens
den Versuch unternehmen, das Gedicht als Werkzeug und Waffe gegen Ungerechtigkeiten aller Art zu verwenden: Zu diesen Autoren gehören eine Reihe von
Dichtern, die ihre verlegerische Heimat im rheinischen Horlemann Verlag gefunden hat. Für Rendras Lyrikband Weltliche Gesänge und Pamphlete (95 S., 1991) von
lyrischem Weltrang bin ich dem Verlag, dessen Engagement, Lyrik aus Asien und
Afrika deutschen Lesern zugänglich zu machen, nicht genügend gelobt werden
kann, außerordentlich dankbar. Immerhin hat so der deutsch schreibende Afrikaner Jean-Félix Belinga Belinga Eingang in Das große deutsche Gedichtbuch (2000 von
K. O. Conrady neu herausgegeben) gefunden. Ich will nicht versäumen, auf eine
so interessante lyrische Stimme wie die von Manfred Enzensperger hinzuweisen,
der mit Sperrbezirk (104 S., 1999) und Strich und Faden (62 S., 2000) nachweist, daß
er sich mit seinen pointierten, oftmals visuell orientierten Gedichten in die obere
Etage deutschsprachiger Lyrik hineingeschrieben hat. Sein ironischerweise in
englischer Sprache verfaßtes fulminantes Gedicht Köln, Texas aus Sperrbezirk gehört zu meinen absoluten Lieblingsgedichten.
ITHAKA VERLAG
Es gibt noch nicht viele Bücher aus dem 1995 von Sergiu Stefanescu in Stuttgart
gegründeten Ithaka Verlag, der auch die Literaturzeitschrift text. publiziert, aber
allein der von Boris Kerenski und dem Verleger herausgegebene 400 Seiten starke
Reader Kaltland Beat ist von solcher Einmaligkeit – es gibt in der Tat kein aktuelleres Buch dieser Art –, daß sich die Verlagsgründung für diese eine Tat bereits gelohnt hat. Kaltland Beat ist eine Textsammlung der 90er Jahre, die die neue deutsche Szene vorstellt. Herausgekommen ist dabei ein höchst lebendiges Buch, das
einen repräsentativen Querschnitt dessen bietet, was hierzulande in den 90er Jahren literarisch gelaufen ist: Die jungen Wilden der in etlichen Großstädten für Furore sorgenden Social-Beat- und Slam-Poetry-Szene, die mit ihren wilden Gesängen nicht nur verkopften Schreibtischautoren den Kampf ansagen, sind vorrangig vertreten, aber auch Urgesteine und Cut-Up-Spezialisten wie Hadayatullah
Hübsch und Jürgen Ploog demonstrieren nach wie vor ihr subversives Schreibnaturell. Wer wissen will, wie die AutorInnen der 50er, 60er und 70er Jahrgänge
schreiben, findet in Kaltland Beat einen beispielhaften Überblick... Klaus F. Schneider (*1958) reimt und zitiert und verziert und verirrt und verwirrt in den Gedichten seines Buches Eine Kunstpartie (95 S., 1999), einer lyrischen tour de force,
die mich in einen besonders rauschigen Leserausch versetzt. Joachim Kelter
(*1946) überrascht in Der erinnerte Blick (110 S., 2000) mit einfühlsamen Prosagedichten und dem fabelhaften Gedicht Crossings, für das sich der Buchkauf schon
gelohnt hat.
JUNG UND JUNG
Angesehene Dichter wie Alfred Kolleritsch oder Peter Waterhouse als junger
Verlag (der im November 2000 gegründet wurde) zum Auftakt präsentieren zu
können zeugt von weitreichenden lyrischen Verbindungen eines Verlegers. Beide
gehören mit ihren lyrischen und poetologischen bzw. herausgeberischen Erzeugnissen zu den Förderern und Neuerern der deutschsprachigen Lyriklandschaft.
Alfred Kolleritsch (*1931), Herausgeber der manuskripte, legt mit Die Summe der
Tage (86 S., 2001) einen in lautlosen Tönen schwingenden Gedichtband vor, der
auch die Schatten der Nächte nicht verschweigt. Mit Peter Waterhouse (*1956;
„Jedes Gedicht, das ich sagte oder schrieb oder schreiben wollte, kam aus einem: Ich kann
nicht sprechen; ich habe keine Wörter.“) habe ich mich in Ohne Punkt & Komma mit
seiner in Hugo von Hofmannsthal („Die Worte zerfallen mir wie modrige Pilze im
Mund“) und anderen Österreichern wurzelnden Sprachskepsis auseinanderge-
setzt. Nun überrascht er in Prosperos Land (201 S., 2001) mit aus höchstens einem,
zwei oder drei Versen bestehenden Gedichten (Verblüffend – die Autoren kennen
einander nicht – die Affinität hinsichtlich der Struktur etlicher Gedichte (Bildqualität, Duktus, Kürze, Rhythmus, übergreifendes Thema Unterwegssein, Tonlage)
mit dem von mir im April 2001 herausgegebenen Lyrikband von Heike Smets
(*1967) Farben (Lyrische Reihe edition bauwagen, Itzehoe 2001).), über die ich kein
Wort verlieren kann, denn die wenigen Wörter dieser viel(leicht) all(es) umfassenden Einheiten sprechen vollkommen für sich:
Ich?
Dann gehe ich in den Wald
und da bin ich
VERLAG KLÖPFER & MEYER
Der Verlag Klöpfer & Meyer in der DVA ist in Tübingen beheimatet und besticht
durch sein knappes, konzentriertes Programm von derzeit etwa 20/30 aktuellen
Titeln. Hier ist Hubert Klöpfer noch voll und ganz für die Auswahl der Bücher
zuständig: Er ist Verleger – und nicht Verlagsmanager. Der zentral gesetzte Gedanke von Elias Canetti auf dem Titelblatt des Frühjahrsprospekts 2001 spricht
Bände über seine verlegerische Gesinnung: lesen bis man keinen satz mehr versteht, das erst ist lesen. Ein bis zwei Lyriktitel verlegt Klöpfer pro Jahr. Die Bücher sind mit festem Einband versehen und haben kunstvolle Schutzumschläge.
Aktuelle Titel sind die 1997 von Friederike Waller herausgegebene 344seitige
Anthologie Alles ist nur Übergang – Lyrik und Prosa über Sterben und Tod (eine
überwältigende Lektüre), Helmut Zwangers elegisches, epigrammatisches Gedichtbuch Wort. Wo bist du? (129 S., 2000), der Sammelband mit Gedichten, Aphorismen und Prosa Mit der gefiederten Schlange (200 S., 2001) des pazifistischen, subversiven Dichters Richard Salis (1931 – 1988) sowie der Gedichtband Irrläufer (108
S., 2000) des 1960 geborenen Walle Sayer, den ich zu den interessantesten und
originellsten zeitgenössischen Lyrikern hierzulande rechne. In seinem Heimatland Baden-Württemberg hat Sayer bereits eine Reihe von Lyrikpreisen erhalten,
und er steht im Begriff auch bundesweit die Leserschaft zu finden, die seine lakonischen, magischen, pointierten, schönen, traurigen Gedichte unbedingt verdienen. Demnächst wird bei K & M ein weiterer Lyriktitel von Sayer erscheinen.
VERLAG LANDPRESSE
Seit Sabine und Ralf Liebe als Verleger in Zusammenarbeit mit Axel Kutsch als
lyrischem Herausgeber Lyrik in der Landpresse Weilerswist (Rheinland) publizieren, ist im Laufe der 90er Jahre ein Lyrikverlag gewachsen, dessen Programm sich
vor keinem anderen lyrischen Verlagsprogramm verstecken muß. Neben so profilierten, originellen Dichtern wie Volker Demuth, Peter Engel, Pierre Garnier,
Hans-Jürgen Heise, Axel Kutsch u. a., die mit Einzeltiteln vertreten sind, ragen
vor allem die von Kutsch in regelmäßigem Rhythmus herausgegebenen Lyrikanthologien aus der Bücherschar heraus. Wegen der möglichst alle Lyriknischen berücksichtigenden Auswahl, des großzügigen Umfangs, der historischen und
poetologischen Komponente sowie der Themen- bzw. Formvorgabe gehören
diese Lyriksammlungen für mich zum Besten, was hierzulande in dieser Richtung
gemacht wird. Hervorheben und empfehlen möchte ich besonders: Der Mond ist
aufgegangen (1996), Orte. Ansichten (1997), Das große Buch der kleinen Gedichte
(1998), Unterwegs ins Offene (2000) und Blitzlicht, die im Herbst 2001 erschienene
Sammlung mit Kurzgedichten, die nicht länger sein dürfen als das größte deutsche
Kurzgedicht, das mit den Versen Über allen Gipfeln / Ist Ruh einsetzt. Axel Kutsch
hat die 100 wichtigsten Kurzgedichte von den Anfängen bis zur Gegenwart (1100
Jahre!) ausgewählt und stellt diesen die neuesten Gedichte deutscher Sprache als
Erstveröffentlichungen entgegen – ein dramatischer Wettstreit erwartet den Leser:
Wie schneidet das zeitgenössische Gedicht gegen Kanon bzw. Weltliteratur ab?
MAROVERLAG
1974 machte Benno Käsmayr („Ich betrachte das Verlegen von Gedichten noch nicht als
Eintrittskarte zur Nervenheilanstalt“) mit der ersten deutschen Veröffentlichung der
Gedichte von Charles Bukowski Schlagzeilen. Weitere Poeten aus Übersee (z.B.
der wunderbare Al Masarik) folgten. Es mag etwas ruhiger um den MaroVerlag
geworden sein, die lyrische Richtung sich geändert haben, wer jedoch annimmt,
Maro sei nur Druckerei, irrt. Nein, von der Publikation von Büchern kann Käsmayr nicht lassen: Allen voran Uli Becker (80 heitere Haiku: Dr. Dolittles Dolcefarniente, 2001), gehören Uve Schmidt und Christoph Derschau (1938 – 1995), dessen
Gedichte ich ganz besonders mag (1999 erschienen die gesammelten Gedichte So
hin und wieder die eigene Haut ritzen als Neuausgabe bei Maro), u.a. zum lyrischen
Personal. Mit Susanne Neuffer (*1951) gibt Käsmayr einer forsch-frechen lyrischen Stimme in Männer in Sils-Maria (127 S., 1999) eine Chance: „mein gedicht ist /
ein kondom das / mich glänzend umschließt / transparent aber hermetisch / so dass ich
niemanden mit meinen ansprüchen / unzulässig schwängern kann“ oder: wo der dichter
nicht schreiben kann / kann der himmel nicht sein, während in den kurzen (vorzüglichen!) Gedichten von Philip Luidl (*1930) der lakonische Ton vorherrscht. Gedichte heißt der 2000 erschienene 64seitige Band, von dem Michael Krüger meint:
„Genauere Exerzitien des Auges gibt es in der deutschen Poesie dieser Zeit nicht.“ Lieferbar ist auch wieder Jörg Fausers von ihm selbst als „abgefuckt“ etikettierter Gedichtband Die Harry Gelb Story – wer es gern heftig hat, sollte sich diesen „Klassiker“ bestellen!
NEUES LITERATURKONTOR
poesie dreht die
kulissen der gewohnheit
hundertachtzig grad
So lautet ein holzschnittartiges Bildgedicht von Claus Bremer (1924 – 1996), neben
Eugen Gomringer der eigentliche Begründer der konkreten Poesie, das ich in seinem posthum erschienenen Buch wir sind andere ( orte-Verlag, 1997) fand. Bremer faßt eines der Hauptanliegen der Lyrik zusammen und führt es uns im Bildgedicht direkt vor Augen: An diesem Kriterium muß Lyrik sich messen lassen.
Klaus Rudolf Schell drückt sich in Wasser in der hohlen Hand (Autoren-Edition im
Neuen Literaturkontor, Bielefeld und Münster 1998) beispielsweise so aus:
Herbeigetrommelt
ein einfaches Wort so
sagen, daß es da ist.
Langes, eher schlenderndes
Herannahen.
Hier wird wieder der nicht alltägliche Gebrauch des lyrischen Worts deutlich, das
Anwesenheit (im ursprünglichen und komplexen Sinn) für sich beansprucht. Ob
das Fritz Deppert, Inge Krupp, Georg Milzner, Cordula Steinkamp und Monika
Petsos, weiteren Dichtern aus dem Programm der Autoren-Edition, in ihren Gedichten gelingt? Die meist 96seitigen preiswerten Bändchen laden Sie regelrecht
dazu ein, sich ein Bild zu machen. Ich habe jedenfalls eine Reihe glänzender Gedichte gefunden (etwa die feinen Verse von Monika Petsos oder Inge Krupp) –
aber auch – um im Bild zu bleiben – matte Texte, die mich eher gelangweilt haben
(Walter Barnhausen und Benjamin Bonn).
ORTE-VERLAG
Ein Bild
Dieses Insekt: Im Flug stehend
Stichelnd
Gegen verwitterten Fels – das
Namenlose. Wie leid
Einem da (angesichts dessen)
Die Wörter tun.
In Lauter letzte Worte, dem 1980 von Karl Corino bei Suhrkamp herausgegebenen
Gedichtband von Dieter Leisegang (1942 – 1973) finde ich dieses vortreffliche Gedicht. Stets treffen wir beim modernen Dichter auf das Mißtrauen gegenüber den
Wörtern und das Vertrauen in die Dinge, das W. C. Williams gleichsam als dichterisches Dogma verkündet hat, denn die Dinge sind es, die dem Gedicht Echtheit
verleihen, nicht Ideen, Reim oder Rhetorik. Ein Dichter, bei dem Williams viel
Eindruck hinterlassen hat, ist Walle Sayer ( Klöpfer & Meyer), der mit Vreni
Merz (*1948) und Michael Kohtes (*1959) das Autorentrio von Zeitzünder 5 – Drei
Gedichtbände in einem (134 S., 1990) bildet. Die Reihe Zeitzünder erscheint im
schweizerischen orte-Verlag und basiert auf der Idee, das Gedicht aus dem berühmten
Elfenbeinturm zu befreien. Poeten und Poetinnen scheuen sich nicht, gemeinsam aufzutreten, selbst, wenn es Preisträger sind, wie es im Klappentext heißt. Michael Kohtes
hat seinem „Gedichtband“ das Motto „Doch niemals habe ich das, was ich schreibe, in
dem gefunden, was ich liebe“ von Paul Eluard vorangestellt, das getrost für die
ganze Reihe in Anspruch genommen werden darf, denn „Gedichte, die herausfordern, die mit- und gegeneinander im Clinch liegen“ will der orte-Verlag als positive
Provokationen in Umlauf bringen.
PENDRAGON VERLAG
„Der Dichter weiß und kündet jene Wahrheit, die wesentlicher, genauer und konzentrierter ist als das, was eine zugleich skeptische und leichtgläubige Menge meist als Wahrheit
bezeichnet. Der Dichter kann gar nicht anders als die Wahrheit sprechen. Er ist ihr Gefäß.“ (Nachwort zu Jean Cocteaus Das Blut der Liebe – Gedichte, in deutsch geschrieben, das leider vergriffen ist). Nicht vergriffen – aber begehrt – ist die in jüngster
Zeit entstandene Audiolyrik vom Bielefelder Pendragon Verlag. Während ich
schreibe, höre ich das großartige Poem In der Traumstadt von Peter Paul Althaus
(1892 – 1965) mit der kongenialen Stimme Jan Burdenskis und der jazzigen Klavierbegleitung Herbert Wiedemanns. Auch als „Bücherfreak“, der Gedichte lesen
will, kann ich mich dem Reiz dieser lebendigen Lyrikinterpretation nicht entziehen... Eine Entdeckung sind für mich die in sauerländischer Mundart verfaßten
Gedichte Siegfried Kessemeiers (*1930), zu hören auf der CD ropper dedal (deren
hochdeutsche Übersetzungen im Begleitheft mitgeliefert sind). Hier zeigt sich –
wie so oft – daß Regionalismus nicht gleich Provinzialismus ist. Kraftvolle Lyrikbände von Alexander Gruber, Hellmuth Opitz sowie Günther Butkus runden ein
überschaubares Programm ab, dessen Profil den persönlichen Geschmack des
engagierten Verlegers Butkus spiegeln, der sich seit einiger Zeit auch um Lyrik
aus Korea bemüht: KIM Kwangs-Kyus Die Tiefe der Muschel (118 S., 1999) und
KIM Hyesoons Die Frau im Wolkenschloß (120 S., 2001) zeugen von der imaginativen Dynamik von Dichtern, die es hierzulande unbedingt zu entdecken gilt.
QUERIDO  KLEINHEINRICH
„Ein Buch muß Wunden aufwühlen, sogar welche verursachen. Ein Buch muß eine Gefahr sein.“ (E.M. Cioran) Deshalb fürchten Diktaturen ja die Bücher, verbrennen
sie und schicken die Schriftsteller, die sich nicht gleichschalten lassen, in die Wüste, in den Gulag, ins Konzentrationslager, in den Tod. Der niederländische Verlag Querido wurde während der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts Heimstatt für
manchen exilierten deutschen Schriftsteller. Nun entdecke ich, daß 1997 beim
Verlag Kleinheinrich (Münster), den Axel Kutsch den deutschen Meister der
Kleinverlage nennt: Bitte lesen Sie meine ausführliche Laudatio zu diesem in der
Tat herausragenden Verlag im Online-Magazin Titel (www.titel-magazin.de), ein
Buch auf niederländisch und deutsch erschienen ist, das ursprünglich bei Querido
herauskam: Leonard Nolens heißt der 1947 geborene und in der Nähe von Antwerpen lebende Dichter, der den wichtigsten belgischen bzw. flämischen Poeten
zuzurechnen ist, die in nierderländischer Sprache schreiben: In Geboortebewijs /
Geburtsschein (96 S., 1997) heißt es: „Das Leben ist nichts, es ist nichts. / [...] / Ich eß ihr
so gierig den Kloß / aus dem Hals, daß sie schluchzt tief in mir.“ Auch der große belgische Dichter Hugo Claus (*1929), Träger des Münsteraner Preises für europäische
Poesie, hinterläßt bei Kleinheinrich lyrische Spuren... Moderne europäische Orientierung, zweisprachige Edition und edles Gewand sind Markenzeichen des Buchund Kunstverlags Kleinheinrich, der neben progressiver deutscher Lyrik vor allem
dänische, norwegische, schwedische und isländische Gedichte vorstellt.
RESISTENZ VERLAG
„Andere drucken Bücher, ich verlege Autoren!“, behauptet Verleger Dietmar Ehrenreich kühn in dem Begleitschreiben der lyrischen Büchersendung, die mich vor
einigen Tagen erreicht hat. Davon abgesehen, daß ich ihm diesen Aphorismus,
den Herr Unseld übrigens ganz ähnlich formuliert hat, durchaus abnehme, beklage ich gleichzeitig – zum wiederholten Male in letzter Zeit –, daß das Buch für
eine Vielzahl von Verlagen zur bloßen Ware verkommt. Ich weiß nicht, ob es
heutzutage noch ein Glücksfall ist, als Lyriker in einem großen Verlag verlegt zu
werden... Der kleine Resistenz Verlag aus Linz ist ja nicht zu verwechseln mit dem
großen Wiener Residenz Verlag, es zeugt allerdings von einer gewissen Schlitzohrigkeit, sich auf ein Wortspiel einzulassen, das den gängigen Verlagsnamen
umgehend und automatisch aufruft... Aber hören wir wieder Dietmar Ehrenreich
selbst: „Resistenz bedeutet Widerstandsfähigkeit, und Literatur hat einen so geringen
Stellenwert in unserer Gesellschaft, daß es starker Resistenz bedarf, Schriftstellern ein
gutes Publikationsforum bieten zu können.“ Das tut der Resistenz Verlag mit fein
gemachten Büchern, unter denen ich neben Karin Kinast vorzüglicher lyrischer
Prosa Vom Ziehen und Brechen und von der Liebe (83 S., 2000) den in Mühlviertler
Mundart verfaßten Gedichtband So gengan de Gang‘ von Reinhold Aumeier hervorheben möchte: Mit spitzer Feder, schlitzohrigem Humor und einfachen Wörtern stellt er den Terror des Alltags bloß – mit verblüffendem Freimut. Die mundartliche Tradition von H.C. Artmann oder Ernst Jandl lebt erfreulicherweise fort.
SASSAFRAS VERLAG
In erster Linie DichterInnen vom Niederrhein verlegt der Krefelder Sassafras Verlag, der – z.T. illustrierte – Lyrikbücher im Format 21 x 11.5 cm herausbringt. Daß
ich die kraft- und humorvoll zupackenden Verse von Matthias Schamp in Kämm
dir den Lorbeer aus dem fettigen Haar zu schätzen weiß, habe ich in Ohne Punkt &
Komma (S. 88 – 92) beschrieben, Lyrik von Kay Hoff kannte ich aus dem umfangreichen Band Zeit-Gewinn (Eremiten-Presse 1989), von Herbert Sleegers hatte ich
einzelne Gedichte gelesen (Samstagnachmittag oder Neulich beim Lesen in Muschelhaufen 1996 bzw. 2001 zeigen, daß sein lyrischer Ton im Vergleich zu den guten
Gedichten in Da vergeht uns Hören und Sehen von 1986 inniger geworden ist), während mir Namen wie Ingo Arendt, Gerhard Franke, Hiltrud Leenders, Viktoria
Lösche, Robert Steegers oder Liesel Willems bislang noch nicht begegnet sind.
Das zeigt wieder einmal, wie notwendig die Wachsamkeit der vielen über das
ganze Land verstreuten kleinen Verlage ist – jeder einzelne wirkt beim Zusammenfügen des einen poetischen Puzzles mit und versetzt uns in die Lage, Lyrik
kennenzulernen, die ohne den Verlag in ihrer Nähe möglicherweise nie publiziert
worden wäre. Das bedrückende Vermächtnis Die dröhnenden Krusten des Mutterbodens (72 S., 1996) von Ingo Arendt (1955 – 1993), Viktoria Lösches leise und
pointiert sprechenden Gedichte (mein „prima inter pares“: das visuelle Gedicht
Planquadrat) sowie das schmissig gereimte Ende vom Lied (58 S., 1996) von Robert
Steegers („Durchs kommende Dunkel geistert / verloren das lyrische Ich“) hinterlassen
den nachhaltigsten Eindruck.
TEXT & KRITIK
„Das Gedicht ist ein Einzelgänger. Man begegnet ihm nur, wenn man selber einsame
Wege geht“, lautet eine von Rainer Malkowski 13 lyrischen Aussagen, die ich in
Akzente 1/2001 finde. In der literarischen Zeitschriftenreihe text & kritik, seit vielen Jahren von Heinz Ludwig Arnold vierteljährlich bzw. als Sonderbände herausgegeben, erhält das Gedicht bzw. sein Leser Gesellschaft: Hier stehen Ursprungstext und Sekundärtext nebeneinander und ermöglichen dem besonders
an einem Autor bzw. einer Epoche oder Richtung interessierten Leser fundierte
Einblicke in die Welt eines Autors. Unter den jeweils einem Autor bzw. einem
Thema gewidmeten Bänden finden Sie auch eine Reihe von Lyrikern: Rolf Dieter
Brinkmann, Helmut Heissenbüttel, Walter Mehring, Ernst Meister, Franz Mon,
Nelly Sachs u.a. Hochaktuell ist der 1999 erschienene Sonderband Lyrik des 20.
Jahrhunderts, der nach einer kleinen Galerie der 50 besten Gedichte des 20. Jahrhundert (bei denen Sie garantiert einiges zu hinterfragen haben!) auf 300 Seiten
Aufsätze zu den lyrischen Themen des 20. Jahrhundert bietet: zu Benn und Brecht,
über Avantgarde, Großstadt, Natur und Moderne sowie – als Highlight am Ende
– die Dokumente zur Poetik und Poetologie. Ein Aufsatz zu „Tanzgedichten“ ist
überflüssig, der Beitrag zu Gedichtparodien flach – insgesamt aber ist das Buch
ein Muß. Visuelle Poesie (1997) heißt ein weiterer Sonderband, der auf 225 Seiten
originelle Stimmen wie Heinz Gappmayr, Carlfriedrich Claus oder Jörg Kowalski
zu Wort kommen läßt. Lassen Sie sich den Verlagsprospekt kommen – die meisten Bände sind lieferbar.
USCHTRIN
„Keine Zeit bedarf so sehr des Dichters wie jene, die ihn entbehren zu können glaubt.“
(Jean Paul) Glaubt unsere Zeit, die Dichter entbehren zu können? Jedenfalls gab
es lange nicht mehr so zahlreiche und unterschiedliche lyrische Stimmen. (Daß
die meisten davon „elende Stümper“ sein sollen, wie Jürgen P. Wallmann am 25.
April 2001 im WDR behauptete – er zog diesen voreiligen Schluß nach der Lektüre einer streckenweise in der Tat miserablen Lyrikanthologie –, kann ich nicht
bestätigen.) Und die Leser – sind es immer noch nur 1354 – einst von Enzensberger „errechnet“ –, die diese zur Kenntnis nehmen? Jemand, der im Netzwerk der
Literatur ebenfalls darum bemüht ist, die Verbindungswege von Verlag, Autor
und Leser zu verkürzen, ist die Münchner Verlegerin Sandra Uschtrin, mit deren
Namen mittlerweile das für jeden am Literaturbetrieb Interessierten sehr empfehlenswerte Handbuch für Autorinnen und Autoren verknüpft wird, das 2001 in 5.,
aktualisierter und erweiterter Auflage erschienen ist. Das Kapitel zur Lyrik bringt
u.a. die Adressen und Kurzprofile von etwa 150 Lyrik publizierenden Verlagen
sowie ein Interview mit Jörg Schön, der im Uschtrin Verlag das einzige lyrische
Buch im auf Sachbücher konzentrierten Verlagsprogramm herausgebracht hat:
Literarische Steine (70 S., 1999), eine Anthologie von 53 Gedichten (das kürzeste
von A. Halbleib: Im Schatten eines Kirschkerns / sitzt mein Sohn), die er aus dem
Fundus von 4000 Gedichten des Münchner Literaturbüros ausgewählt hat. Schöns
Devise ist nicht die schlechteste: „Und wenn ich nichts mehr zu sagen habe, dann gilt:
Dichter, halt’s Maul.“
VERLAG BLAUE ÄPFEL
Will ein Teil der hier vorgestellten Verlage eher der Subkultur zugerechnet werden? (Die Frage, ob es noch Sinn macht, in den 60/70er Jahren demonstrativ getrennte Strömungen wie Mainstream (Establishment) und Subkultur (Underground) im Delta deutschsprachiger Lyrikflüsse zu isolieren, ist so verzwickt geworden wie die Grenzziehung zwischen Begriffen wie Moderne, Avantgarde/n,
Postmoderne und Postpostmoderne. Dennoch will ich die anachronistische Frage
wenigstens in den Raum stellen. In Kaltland Beat ( Ithaka Verlag) gibt es übrigens
eine Reihe stimulierender Klärungsversuche.) In Zeitungsartikeln und Buchhandlungsregalen werden Sie jedenfalls auch die originellen (in wohlfeilen Normal- und exquisiten Vorzugsausgaben publizierten) Bücher aus Michael Groschopps Magdeburger Verlag Blaue Äpfel kaum finden. Unter den rund 20 – mit
Bildern oder Grafiken bereicherten – Lyriktiteln, die der Verlag mit dem bildschönen Namen seit 1994 herausgebracht hat, findet sich mit Holger Benkel z.B. ein
sehr ernster Dichter, dessen u.a. durch den versierten Zeilensprung bewirkter
dichterischer Duktus in kindheit und kadaver (111 S., 1995) bemerkenswert ist. Kein
Mainstream und Lyrik – also kaum verkäuflich? Viele Menschen scheuen den
Umgang mit zeitgenössischen Gedichten, erwarten vormoderne „Verständlichkeit“... Die Magie des Wortes (nicht nur) im Frisiersalon legt Ralph Grüneberger in
Dieselbe Straße, ein anderes Land (112 S., 1996) frei. Der nichts beschönigende Titel
Sackgesicht (110 S., 1997) sagt bereits alles zu den süffig-herben, robust zupackenden Parlando-Gedichten von Dirk Bierbaß – genauso wie der plastische Titel
Sandspuren (94 S., 1995) von Rita Linkes Buch feinkörnige, kristalline Gedichte
ahnen läßt.
WUNDERHORN VERLAG
In seiner Vorstellung meines Buches Ohne Punkt & Komma – Lyrik in den 90er Jahren (siehe Muschelhaufen 2001, S. 177) antwortet Herbert Sleegers auf meine Aufforderung, die vielen Lücken, die das Buch nicht gefüllt habe, mit eigenen Gedanken zu schließen, so: „Gar so viele Lücken kann ich beim besten Willen nicht entdecken.“ Dieses ABC sei meine Replik. Die Lyrik unserer Tage ist ein wundervolles Füllhorn, das sich niemals leert und von dem der einzelne Leser, und sei er
noch so lyrikgierig, nur fragmentarisch resorbieren kann. Auch das Programm
des Heidelberger Wunderhorn Verlags trägt zu dieser mehr als üppigen Vielfalt
bei. Neben Einzeltiteln von Michael Buselmeiser, Jürgen Theobaldy, Hans Thill
u.a. ist hier mit Das verlorene Alphabet (256 S., 1999) die wichtigste Anthologie zur
Lyrik der 90er Jahre erschienen, die die von Theo Elm beim Reclam Verlag (wo
viele gute Lyriksammlungen erschienen sind) klar in den Schatten stellt. Auch
Das verlorene Alphabet wird längst nicht alle Wünsche erfüllen können, ist aber ein
in sich (viel-) stimmiges kakophones 90er-Jahre-Konzert, das ich mit Assoziationen wie Astels Andeutungen, Beyers Befunde, Czernins Charisma, Derschaus Deutlichkeit, Eichs Ernst, Franzobels Fragmente, Grünbeins Grönland, Heins Himmel, Ingolds
Ideen, jovialer Jandl, Klings KlangArt, Laschens Landschaft, Meckels Metamorphosen,
Novaks Numinosität, Oleschinskis Offenheit, Pastiors Pocken, Rühmkorfs Rhythmus,
Samsons Sehnsucht, Techels Tulpen, Wörter von Waterhouse, Ziebritzkis zögernder Abschied nur spröde anklingen lasse. Gedichte wollen gelesen sein.
EDITION XYLOS
Unschwer zu erraten, daß in diesem Verlag der Holzschnitt eine entscheidende
Rolle spielt, und so findet sich denn auch in fast allen Publikationen der Gelsenkirchener edition xylos ein Holzschnitt von Heinz Stein, der den kleinen Verlag
zusammen mit seiner Frau Irmgard seit Jahrzehnten führt. Ich bin verblüfft, festzustellen, daß so bekannte Dichter wie Karl Krolow, Rainer Kunze oder Gabriele
Wohmann ihre lyrische Visitenkarte mit Erstdrucken abgeliefert haben. Oft sind
es Mappenwerke mit einem faksimilierten handgeschriebenen Gedicht und einem
originalen Holzschnitt, dann mit Handfaden gebundene Hefte von etwa 22 Seiten,
so die Literaturzeitschrift solitär, die jeweils einen Autor vorstellt. So erschien die
5. Ausgabe 1999 zum 50. Geburtstag von Jürgen Völkert-Marten (dessen Buch
Vorläufiges Fazit von 1994 anläßlich des 20jährigen Bestehens herauskam) u.a. mit
dem Gedicht
Hoffnungsfroh stimmend
die Tatsache, daß 35.000
Menschen im Stadion
„Eintracht!“
brüllen
Die broschierten und mit einem vom Stock gedruckten Holzschnitt bereicherten
(in limitierter und numerierter Auflage erscheinenden) Bücher gefallen mir besonders im Programm der edition xylos, in der nach wie vor unermüdlich Publikation für Publikation vorbereitet wird, die interessante Dichter wie Joachim Grünhagen oder die Bulgarin Blaga Dimitrova (Schreib jedes Gedicht / als sei es das letzte)
vorstellen.
EDITION YE
Internationale experimentelle Lyrik und visuelle Poesie neben originalgraphischen Arbeiten werden alljährlich in der lyrischen Kunstschachtel YE versammelt,
die ich seit 1993 in der Edition YE publiziere, wo ebenfalls die Lyrikzeitschrift
Faltblatt mit neuen Gedichten, Essays und Buchvorstellungen bzw. Autoren- und
Verlagsporträts erscheint. Experimentallyrik und visuelle Texte haben stets einen
schweren Stand gehabt, immer schon ein Schattendasein geführt: Für mich persönlich nicht recht nachvollziehbar, da die rezeptiven Möglichkeiten für den Leser schier endlos sind und gerade bei der visuellpoetischen Form alle Sinne angesprochen werden. Erfreulicherweise blühen diese wenig beachteten Pflänzchen
der Bildwort- oder Wortbildgedichte, Buchstabenmontagen und Collagen auch
im verborgenen recht üppig, und wir verdanken es u.a. dem internationalen
Netzwerk der Mail Art, daß diese Bilder und Wörter in unbegrenzten Möglichkeiten kombinierende Form durch die Veröffentlichung in Künstlerbüchern bzw.
Künstlermagazinen am Leben bleibt. Auf diese Weise entstehen nicht nur interessante, sondern auch hochwertige Buchobjekte, die auch den dinghaften Charakter
von Kunst und Literatur betonen: Indem Sie das vom Dichter gestaltete Blatt aus
der Schachtel und in die Hand nehmen, können Sie z.B. den Entstehungsprozeß
(zumindest teilweise) unmittelbar nachvollziehen. Die aktuelle 8. Ausgabe des
Assemblings YE ist eine Hommage an den großen visuellen Poeten Guillermo
Deisler (1940 – 1995), der zauberhafte Wortgebilde geschaffen hat.
ZSOLNAY VERLAG
„Lesen ist ebenso nützlich wie reizend. Wenn ich lese, bin ich ein harmloser, stiller, netter
Mensch und begehe keine Torheiten. Eifrige Leser sind sozusagen ein stillvergnügtes
Völkchen. Wer liest, der ist weit davon entfernt, böse Pläne zu schmieden.“ Mit Robert
Walser möchte ich Sie – nicht nur in seinem Sinne – ermuntern, von diesen alphabetischen Lyrikinformationen reichlich Gebrauch zu machen: Wer möchte schon
freiwillig Torheiten begehen – dann doch lieber freiwillig lesen: etwa die wenigen,
aber hochkarätigen Lyrikbücher aus dem Wiener Zsolnay Verlag, der ja in erster
Linie als Verlag für Prosa (z.B. über 800.000 verkaufte Exemplare von einem Kriminalroman Henning Mankells!) bekannt ist, der aber das gesamte lyrische Werk
des exzellenten Reimers und sinnlichen Melancholikers Theodor Kramer (1897 –
1958; als Einstieg empfehle ich Die Wahrheit ist, man hat mir nichts getan, 203 S.,
1999) und Alexander Lernet-Holenias (1897 – 1976; zum Kennenlernen empfohlener Auswahlband: Fragmente aus verlorenen Sommern, 112 S., 2001) betreut.
Lassen Sie sich nun nicht länger davon abhalten, Verlage um Prospekte zu bitten oder
gleich erste Bestellungen bei Ihrer Buchhandlung zu tätigen. Betont sei noch, daß die äußere Qualität (Druck, Bindung, Einband, Papier) der Bücher aller hier vorgestellter Verlage mindestens solide, wenn nicht von bibliophilem Charakter oder besonders hochwertig
bzw. originell ist. In dieser Hinsicht gehen Sie kein Risiko ein. Unsere lyrischen Geschmäcker werden sicherlich hier und dort auseinanderklaffen: Aber – wer als Leser
nichts wagt, der gewinnt nichts, und schon einmal gar keine Gedichte.
DIE VERLAGE VON A BIS Z
 Atelier Verlag c/o Fritz Werf
Antel 74, 56626 Andernach  02632/44432
Schwerpunkte: zeitgenössische europäische Lyrik
Preise: ca. 18 – 66 DM
 edition bauwagen c/o Karl-Friedrich Hacker
Karolinger Str. 67, 25524 Itzehoe  04821/76535
S: Künstlerbücher, handgeschriebene Anthologien
P: ca. 250 – 750 DM
 Corvinus Presse c/o Hendrik Liersch
Senefelder Str. 1, 10435 Berlin  030/44047654
S: zeitgenössische europäische Lyrik, Künstlerbuch
P: ca. 20 – 200 DM
 axel dielmann verlag c/o Axel Dielmann
O.- v.- Miller Str. 18, 60314 Frankfurt  069/94359000
S: deutsche und internationale Lyrik
P: ca. 14 – 38 DM
 Eremiten-Presse c/o J. Olsson & F. Reske
Fortunastr. 11, 40235 Düsseldorf  0211/660590
S: zeitgenössische deutsche Lyrik, Künstlerbuch
P: ca. 40 – 80 DM
 edition fundamental c/o Richard Müller
Gellertstr. 31 u. 37, 50733 Köln  0221/724593
S: zeitgen. Lyrik, visuelle Poesie, Künstlerbuch
P: 15 – 280 DM
 Grupello Verlag c/o Bruno Kehrein
Schwerinstr. 55, 40476 Düsseldorf  0211/4912558
S: deutschsprachige, russische Lyrik
P: ca. 20 – 340 DM
 Horlemann Verlag c/o Beate Horlemann
Postfach 1307, 53583 Bad Honnef  02224/5589
S: aktuelle afrikanische, asiatische, deutsche Lyrik
P: 20 – 30 DM
 Ithaka Verlag c/o Sergiu Stefanescu
Olgastr. 81, 70182 Stuttgart  0711/2361893
S: aktuelle deutschsprachige Lyrik; Anthologie
P: 20 – 40 DM
 Jung und Jung
H.-Sattler-G. 1, A-5020 Salzburg  0662/885048
S: deutschsprachige Lyrik aus Österreich
P: ca. 28 – 38 DM
 Verlag Klöpfer & Meyer c/o Hubert Klöpfer
Neckarhalde 32, 72070 Tübingen  07071/94890
S: zeitgenössische Lyrik aus Baden-Würtemberg
P: ca. 30 – 40 DM
 Verlag Landpresse c/o Sabine & Ralf Liebe
Kölner Str. 58, 53519 Weilerswist  02254/3347
S: zeitgenössische Lyrik, wichtige Anthologien
P: 36 – 48 DM
 Maro Verlag c/o Benno Käsmayr
Riedingerstr. 24, 86153 Augsburg  0821/416033
S: deutsche und amerikanische Lyrik
P: ca. 18 – 28 DM
 Neues Literatur Kontor c/o H.D. Mummendey
Goldstr. 15, 48147 Münster  0251/45343
S: zeitgenössische deutschsprachige Lyrik
P: ca. 14 – 18 DM
 orte-Verlag c/o Gasthaus „Kreuz“
CH-9427 Zelg-Wolfhalden  071/8881556
S: zeitgenöss. Lyrik (2 Reihen: Fund-orte, Zeitzünder)
P: ca. 30 – 40 DM
 Pendragon Verlag c/o Günther Butkus
Stapenhorststr. 15 33615 Bielefeld  0521/174470
S: deutsche u. koreanische Lyrik; Hörbücher
P: ca. 8 – 78 DM
 Querido  Kleinheinrich c/o J. Kleinheinrich
Königsstr. 42, 48143 Münster  0251/4840193
S: moderne europäische Lyrik
P: ca. 30 – 3000 DM
 Resistenz Verlag c/o Dietmar Ehrenreich
Postfach 184, A-4010 Linz  07228/6413
S: zeitgenössische Lyrik aus Österreich
P: ca. 22 DM
 Sassafras Verlag c/o Barbara Düsselberg
Dreikönigenstr. 146, 47798 Krefeld  02151/787770
S: zeitgenössische Lyrik vom Niederrhein
P: ca. 16 – 18 DM
 edition text & kritik im R. Boorberg Verlag
Postfach 800529, 81605 München  089/432929
S: Sekundärliteratur zur Lyrik
P: ca. 8 – 54 DM
 Uschtrin Verlag c/o Sandra Uschtrin
Taxisstr. 15, 80637 München  089/15980166
S: eine Lyrikanthologie, ansonsten Sachbücher
P: ca. 25 – 68 DM
 Verlag Blaue Äpfel c/o A. & M. Groschopp
Alt-Benneckenbeck 28, 39116 Magdeburg
 0391/6312177
S: zeitgenössische deutsche Lyrik
P: ca. 30 DM (Vorzugsausgaben 130 – 280 DM)
 Verlag Das Wunderhorn c/o Metzner & Thill
Bergstr. 21, 69120 Heidelberg 
S: zeitgenössische Lyrik, wichtige Anthologien!
P: ca. 30 – 50 DM
 Edition xylos c/o Irmgard & Heinz Stein
Bergmannstr. 65, 45886 Gelsenkirchen  0209/25112
S: Mappenwerke, Lyrikzeitschrift, Holzschnitt
P: ca. 5 – 900 DM
 Edition YE c/o Theo Breuer
Neustr. 2, 53925 Sistig/Eifel  02445/1470
S: Schachteledition YE; Lyrikzeitschrift Faltblatt
P: 5 – 600 DM
 Paul Zsolnay Verlag
Prinz-Eugen-Str. 30 A-1040 Wien  01/5057661-0
S: Theodor Kramer, Alexander Lernet-Holenia
P: ca. 28 – 68 DM
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