2 Textsyntax 2.1 Thematische Progression: Thema-Rhema-Gliederung 2.2 Syntaktische Textdefinition 2.2.1 Extension Aus syntaktischer Sicht erscheint die einfache Kombination zweier Sätze als Minimalbedingung der Textkonstitution. Jede kleinere Einheit ist entweder ein unvollständiger Text oder eine Einheit von einer andern Beschreibungsebene (Morphem/ Satz/ Phonem). Die Überschreitung der Mindestgrenze nach oben ist jedoch uneingeschränkt möglich. 2.2.2 Delimitation Es gibt aus syntaktischer Sicht keine spezialisierten Signale für Textanfang und Textende. Jeder Text kann prinzipiell unendlich vergrößert werden, dadurch dass an seinen Anfang und/ oder an sein Ende weitere Teilzeichen (z.B. Sätze) hinzugefügt werden. Folgendes Beispiel stammt aus Plett (1975: 59ff). (1) Kein Mensch ist unfehlbar. Deshalb darf auch niemand einen anderen ungerechtfertigt tadeln. Es gibt darin kein einziges Signal, das darauf hinweisen könnte, dass der Text mit kein beginnen und mit tadeln enden müsse, m.a. W. - rein textimmanent betrachtet - gibt es keine positiven Zeichen für Textanfang und Textende. Deshalb kann man dem zwei-Satz-Text sowohl vor als auch nach den beiden Sätzen weitere hinzufügen und dabei eine neue als Text geltende Einheit entstehen lassen: (2) Morallehren pflegen einen tieferen Sinn zu haben. Jeder weiß z.B. um die folgende alte Weisheit: Kein Mensch ist unfehlbar. Deshalb darf auch niemand einen anderen ungerechtfertigt tadeln. Sonst fällt möglicherweise eben dieser Tadel auf ihn selbst zurück. Die Konsequenz daraus ist die Aufforderung zur differenzierten Urteilsbildung über sich selbst und über die andern. Delimitationsmerkmale müssen eher ex negtivo entdeckt werden: (3) Morallehren pflegen einen tieferen Sinn zu haben. Jeder weiß z.B. um die folgende alte Weisheit: (4) Sonst fällt möglicherweise eben dieser Tadel auf ihn selbst zurück. Die Konsequenz daraus ist die Aufforderung zur differenzierten Urteilsbildung über sich selbst und über die andern. Obwohl beide Äußerungsfolgen (3) und (4) die minimale syntaktische Bedingung der Textbildung erfüllen, sind es keine Texte. In (3) fehlt das Textende, das von vorwärtsweisenden Zeichen angekündigt wird (die folgende und Doppelpunkt). In (4) fehlt hingegen der Textanfang, auf den sonst, dieser, ihn, daraus rückverweisen. In beiden Fällen entsteht eine semantisch-syntaktisch ungesättigte Stelle, obwohl jede Äußerung in (3) und in (4) der Satzsyntax her als korrekt zu betrachten ist. Das ist eine Abweichung von einer Regel der Textgrammatik, die besagt, dass Zeichen, die vor- oder rückverweisen kotextuell gesättigt werden müssen. Bereits hier wird es klar, dass nicht allein Formen verknüpft werden und dass vom Inhalt sprachlicher Zeichen nicht abstrahiert werden kann. Der Inhalt ist 2 “intrastruktural”/ ”sprachimmanent” - das hatte uns bereits Ferdinand de Saussure gelehrt - denn Form und Inhalt sind in einem Zeichen untrennbar verbunden. 2.2.3 Kohäsion Der Aspekt der Textkohäsion betrifft aus syntaktischer Sicht die Frage nach dem, was die Textelemente zusammenhält (vgl. 2.4.2.4). Was für die Morphem- und für die Satzbildung gilt, gilt in der Textsyntax auch: die Kombination von Teilzeichen erfolgt nicht als willkürliche Summierung, sondern nach Kombinationsregeln. Es sollen folgende zwei ebenfalls in Plett (1975: 61f) besprochene Beispiele verglichen. werden: (5) Herrn Meyers Wagen befand sich seit langem in Reparatur. Dieses Kurssystem erfordert einen zentral ausgearbeiteten Terminplan für Klassenarbeiten. Und womit gedenkst du unseren Vater zu unterhalten? (6) Sokrates ist ein Mensch. Alle Menschen sind sterblich. Also ist Sokrates sterblich. Sowohl (5) als auch (6) sind eine Anreihung von syntaktisch wohlgeformten Sätzen. Sie erfüllen beide die Bedingungen der textsyntaktischen Extension und Delimitation. Dennoch ist (5) kein Text, weil zwischen den Sätzen keinerlei Verbindung hergestellt werden kann. Eine solche ist nur in (6) gewährleistet, durch die Wörter Sokrates, Mensch, Menschen, sterblich,also. Identische Elemente des Vordersatzes werden durch sie im folgenden Text wiederholt. Dabei kann ein Satz auch übersprungen werden. Außerdem bezieht sich der Konjunktor also unmittelbar auf den vorangegangenen Text. Die Kohärenz des Textes (6) wird m.a.W. durch morpho-syntaktische Wiederholung und einen Konjunktor signalisiert. Konnexionselemente gibt es auch in (5) (z.B. dieses, du), aber es fehlt die semantische Kongruenz zwischen ggf. gemeinsamen Referenzeinheiten. Auch der unbegründete Tempuswechsel deutet die fehlende Texthaftigkeit an. 2.3 Das Prinzip der Wiederaufnahme 2.3.1 Wiederaufnahme/ Substitution/ Pronominalisierung 2.3.1.1 Eine Arbeitsdefinition für “Wiederaufnahme” vorweg Wie aus der vorangehenden Besprechung der sogenannten thematischen Progression ersichtlich werden konnte, erfolgt die Verflechtung von (mindestens) zwei Sätzen zu einem Text vorwiegend durch die Wiederaufnahme eines Elementes aus dem vorangehenden im folgenden Satz oder in Folgetext. Diese Wiederaufnahme kann eine reine Wiederholung desselben Elementes sein, aber auch eine Substitution (Ersetzung) durch ein anderes. Die Wiederaufnahme ist für die Konstituierung von Texten wesentlich, aber nicht hinreichende und nicht notwendige Bedingung dafür, dass eine Folge von Sätzen eine kohärente Satzfolge darstellt, d.h. nicht alle Satzfolgen mit Wiederaufnahme sind kohärent. So sind in der folgenden Satzanreihung die Verkettung durch Substitution und die Tempusübergänge nicht genug für die Gewährleistung von Textualität: 3 Es gibt niemanden, den ihr Gesang nicht fortreißt. Unsere Sängerin heißt Josephine. Gesang ist ein Wort mit 5 Buchstaben. Sängerinnen machen viele Worte. (aus Bierwisch, zit. in Gülich/ Raible 1977:52). Auch kann belegt werden, dass nicht alle kohärenten Satzfolgen durch Wiederaufnahme verbunden sind. Vor meinem Haus steht eine Magnolie. Vor Jahren gab es eine Bürgerinitiative zur Verschönerung unseres Viertels. Damals haben wir alle etwas für unser Stadtviertel tu wollen. Heute ist es anders. 2.3.1.2 Text als Substitutionskette/ pronominale Verkettung Die Wiederaufnahme- oder Substitutionsrelation erfolgt zwischen Elementen, die in der linearen Redekette in syntagmatischer Relation, d.h. nacheinander stehen1. Das zu ersetztende/ ersetzte Element wird “Substituendum” oder “Bezugselement”, das ersetzende “Substituens”, “Verweisform”, “phorisches Element” oder generisch “PRO-Form” genannt2. Der Vorgang wird entsprechend Wiederaufnahme, Substitution oder Pronominalisierung aber auch “Verweisung” oder “Phorik” (ETL 1977, Bd. 1:179f ) genannt. Im folgenden Beispiel wird mit dem Substituens/ der Verweisform nach links auf in der Redekette Vorangehendes verwiesen. Diese Art des Verweises heißt “anaphorisch”, das Verweiselement “Anapher”: Vor meinem Haus blüht eine Magnolie. Sie erinnert mich an einen alten Nachbar, der sie vor vielen Jahren dorthin gepflanzt hat. Heute lebt er nicht mehr. Die Verweisung kann auch auf rechts Folgendes erfolgen und heißt dann “kataphorisch”, bzw. die verweisform “Katapher”: Er war schon immer als guter Klavierspieler bekannt, dein Sohn. Kataphern und Anaphern, auch “Phorika/ phorische Elemente” genannt, sind teils sinnneutrale, teils sinntragende, mit dem Substituendum sinngleiche Ausdrücke (s. 3.2.2.1) Sprachzeichen. Verweisformen sind der formale Ausdruck textinterner Relationen und diese ergeben die “Kohäsion”/ “Kohärenz”/ den “Zusammenhang” von Texten. Sie spielen für dieTextualität eine entscheidende, wenn auch nicht ausschließliche Rolle.3 (vgl. 2.4.2.4). So wird der Text in der Textsyntax auch als kohärente Folge von Sätzen definiert. Wenn wir, bibliographische Informationen verallgemeinernd, den Terminus “Pronomen” als Decknamen aller möglichen Ersatzformen verwenden, können wir einen Text auch dadurch definieren, dass er eine durchgehende “Pronominalisierung”/ “pronominale Verkettung” (Harweg 1968) aufweist. 2.3.1.3 Indizien der Wiederaufnahme Die Wiederaufnahme im Text spiegelt einerseits die Zweiseitigkeit sprachlicher Zeichen wieder, andererseits die Rolle des Zeichenbenutzers, der sein Weltwissen, sein Wirklichkeitsmodell in die Texterzeugung bzw. -rezeption einbringt (s. 2.4.2.2 textinterne und textexterne Aspekte der Textentstehung). 1 Harweg 1968 definiert den Text als Folge von Sätzen, die im Sinne syntagmatischer Substitution miteinander verbunden sind. 2 vgl. u.a. Steinitz 1968 3 nach Gülich/ Raible 1977: 42 4 Der Textproduzent/-rezipient findet auf dieser Grundlage unterschiedliche Indizien der Wiederaufnahme: I. Syntaktische Indizien: sie sind durchgehend systemimmanent und umfassen u.a. Determinationshilfen (Gebrauch der verschiedenen Determinative), PROFormen, Konjunktoren und Subjunktoren, Flexionsformen der Verben, bestimmte Satztypen u.a. II. Semantische Indizien, die zu unterteilen sind in: a) textimmanent, d.h. die Beziehungen zwischen dem Bezugsausdruck und dem Wiederaufnehmenden ist nicht im Sprachsystem selbst verankert, sondern im Text hergestellt; Erinnert sei hier an die Merkmalepaare +/- vorerwähnt und +/- bekannt, die im Zusammenhang mit der thematischen Progression im Text vorausgesetzt wurden. Beide sind jedoch nicht unproblematisch, da der Rahmen für die Vorerwähntheit/ Schaffung von Bekanntheit nicht präzisert wird. Er kann sprachund/ oder textimmanent, aber auch sprachtranszendent sein (w.u.). b) sprachimmanent, d.h. die Beziehungen zwischen Bezugselement und Verweisform ist im Sprachsystem verankert. Hier finden wir u.a. Synonymie, Superonymie, Hyponymie, Kontiguität (s. Konnexion durch autoseme Wörter); c) sprachtranszendent, d.h. die Beziehungen zwischen dem Bezugsausdruck und dem Wiederaufnehmenden gründet auf der enzyklopädischen Erfahrung und den Kenntnissen der Kommunikationspartner. (s. Textsemantik und Textpragmatik) Bei der rein syntaktischen Bestimmung von Satzverflechtungen erfolgt eine Reduktion der pragmatischen Aspekte (Texte werden ohne zeitlich-räumliche Determinierung untersucht) und der semantische Aspekt (der Wahrheitsgehalt des Textes) wird im besten Fall “intrastruktural” betrachtet (keine “Referenzsemantik”4). 2.3.2 Klassifikation der Verweisformen 2.3.2.1 Klassifikation der Verweisformen nach ihrem Inhalt Verweis formen nicht referent iell referentiell: offene Liste gebunden bsst. Art 4 Demon. Determi nativ. frei Indef. Determi nativ Poss. Determi nativ Pronomen/ PRO Wir verstehen unter Referenz eine wesentliche Kategorie der Semantik. Sie umfaßt die vom Zeichenbenutzer hergestellte Beziehung zwischen dem Sprachzeichen und der Wirklichkeit, genauer seinem Wirklichkeitsmodell. Im Kapitel “Textsemantik” soll zwischen Wort- und Textsemantik, zwischen potentieller und textueller Referenz/Bedeutung , zwischen relationaler und Referenzsemantik unterschieden werden. Soweit hier die Erklärungen gehen, darf “Referenz” nicht mit “Verweisung” verwechselt werden. Verweisung als syntaktischer Begriff schließt nur die intrastrukturale Semantik ein 5 anaphor isch lokalisiernd der, die das dieser, jener manche einige dieser, letzterer nicht lokalisi erend er, das, so, tun, katapho risch lokalisiernd (*) nicht lokalisi erend allg. die Korrelate Es bedarf hier einer terminologischen Klärung: 1) “referentiell” bzw. “referenztragend” bedeutet, dass das jeweilige Zeichen in Bezug auf “die Welt der Dinge und Sachverhalte” eine Darstellungs-/ Bezeichnungsfunktion erfüllt. z.B. Auf dem Bild sehen wir Schreibzeug und Bücher. In dem einen ist ein Lesezeichen. In der Abbildung sollen die durchgezogenen Pfeile die direkte Referenzbeziehung der sprachlichen “autosemen” Zeichen zu den Gegenständen der Wirklichkeit darstellen. Der gestrichelte Pfeil zeigt die “vermittelte/ mittelbare/ indirekte” Referenzbeziehung heterosemer Zeichen (hier das Pronomen einen), die erst aufgrund des Verweises auf ein autosemes Bezugswort im Vortext (hier Bücher) eine Referenzanweisung machen können. Zu unserer Terminologie finden wir auch andere gleichbedeutende linguistische Termini: a) referentiell: autosemantisch, (Morphem mit) lexikalischer Bedeutung, bedeutungstragendes (Morphem) b) nicht-referentiell: heterosemantisch, synsemantisch, bedeutungsleere (Einheit), (Einheit) ohne lexikalische Bedeutung. 3) Diese letzte Gruppe “rein” morfosyntaktisch bestimmbarer Spracheinheiten mit satzübergreifender und satzverknüpfender Rolle, die in der linearen Abfolge der sprachlichen Elemente gleichzeitig auf im Text Vorheriges oder Kommendes verweisen, heißen auch “Konnektoren” oder PRO-Formen. Es sind Spracheinheiten mit textueller oder mittelbarer Referenz, denn sie referieren nur über andere Textelemente auf die außersprachliche Wirklichkeit. (s.Abbildung oben). Einige von ihnen (Adverbien, Pronomina, hier nebst Tempora) werden wir allerdings auch in einem anderen Teil unserer Grammatik wiederfinden, dort wo ihre Referenz aufgrund der Kommunikationssituation festgelegt werden kann. Dort ( in der Textpragmatik) werden wir sie als “deiktische” Elemente unter dem Begriff “personale/ lokale/ temporale Deixis” besprechen. Hier ein Beispiel zum Vergleich vorweg: (1) Sabine sagt am 15. März 1997 zu ihrer Freundin Lisbeth: - Heute gehe ich mit dir in diese schöne Konditorei und spendiere einen Kuchen. (2) Lisbeth erzählt ihrer Mutter am 15. März 1997: - Heute hat Sabine zu mir gesagt, sie spendiere mir in der schönen Konditorei, vor der wir standen, einen Kuchen. 6 (3) Sabine erzählt am 16. März 1997 ihrer Mutter: - Gestern bin ich mit meiner Freundin Lisbeth in die schöne Konditorei am großen Ring gegangen und habe ihr einen Kuchen spendiert. 2.3.2.2 Klassifikation der Verweisformen nach textinternen Relationen 2.3.3 Explizite und implizite Wiederaufnahme Je nach der Beziehung zwischen Bezugsform und Verweisform wird zwischen “expliziter” und “impliziter” Wiederaufnahme unterschieden. Hier seien nur deren grammatischen Bedingungen genannt. Ihre Ausdrucksformen werden an anderer Stelle systematisch dargestellt (3.24 und 3.2.5) 1. Die explizite Wiederaufnahme erfolgt durch Autosemantika, wenn sich der Bezugsausdruck und der wiederaufnehmende Ausdruck auf gleiche außersprachliche Objekte beziehen (“Referenzidentität”). Typische ausdruckssyntaktische Mittel sind: a) Wiederholung desselben Substantivs: Wir möchten dies anhand zweier Lehrbuchseiten zeigen ... Wir haben die Seiten so ausgesucht, dass ... Im Durchschnitt werden pro Seite eines Lehrbuchs eher weniger Korrekturen notwendig sein; manche Seiten bleiben sogar völlig unverändert. (WM-Hueber:3) b) Wiederholung durch ein anderes Substantiv oder durch mehrere andere Substantive bzw. substantivische Gruppen. Als Beispiel steht hier ein Lexikonartikel, in dem durch synonymische Wiederaufnahmen eine Definition für einen abstrakten Begriff im Bereich sozialer Verhalten gegeben wird. Abgeschmackt. In geistiger Beziehung dasjenige, was dem guten Geschmacke widerstrebt. Ein abgeschmacktes Betragen gibt sich durch seltsame Manieren, launisches Wesen, unfreundliche Eigentümlichkeiten kund. Man sagt von jemand, er sei abgeschmackt, wenn er durch Sonderbarkeiten abstößt, ohne Grund bald lieblich, bald unfreundlich ist, und sich in unschönen Sonderbarkeiten gefällt. Platte Redensarten, matte Witzeleien werden auch abgeschmackt oder absurd genannt. (Damen-Conv.: 9-10) c) Wiederaufnahme PRO- Formen generell: Mögliche Irritationen durch die Rechtscheibereform werden sich für Deutschlernende aller Voraussicht nach in so engen Grenzen halten, dass sie praktisch kaum ins Gewicht halten. Wir möchten dies anhand zweier Lehrbuchseiten zeigen - eine aus einem Lehrwerk aus der Grundstufe, nämlich “Themen neu” und eine aus dem Lehrwerk “Mittelstufe Deutsch”. (WM-Hueber:3) 2. Von impliziter Wiederaufnahme sprechen wir, wenn zwischen dem wiederaufnehmenden Ausdruck (meist ein Substantiv oder eine Substantivgruppe) und Bezugsausdruck keine Referenzidentität besteht, aber andere Arten von Beziehungen erkennbar sind z.B. ontologische, naturgesetzliche, logische, kulturelle u.ä. Kontiguität. Sie baut vorwiegend auf die sprachtranszendenten Kenntnisse5.(s.3.2.1.3). 5 Harweg (1968) unterscheidet bei der syntagmatischen Substitution verschiedene Substitutionstypen z.B. Identitätssubstitution, durch Synonyme. Außerdem ontologische, naturgesetzliche, logische, kulturelle u.a. Kontiguitäten. 7 Das folgende Beispiel ist auf dem soziokulturellen Hintergrund der Entstehung seiner Quelle , 1834, zu verstehen, was auch bestimmte Konnotationen erklärt. Gattin. Wenn die Ringe gewechselt, wenn das bindende Ja verklungen, wenn die Kirchenglocken verstummt und der Kranz aus den Locken gefallen, dann heißt die Jungfrau Gattin. - Der Würfel ist gefallen, ihre Zukunft hat sie dem Schicksal anheimgestellt; es gibt keinen Rücktritt in den früheren Stand. ... Sie ist die Gefährtin dessen geworden, den ihr Herz erwählt, mit dem sie Seele um Seele umtauscht, dem sie sich für ewig zu eigen gegeben hat. Das äußere Band, was sie an ihre Eltern und Geschwistern gebunden, zerreißt vor den Augen der Welt; sie legt ihren Familiennamen ab und trägt von da an zum Zeichen der engsten Verschwisterung ihres Lebens mit dem Gatten, auch seinen Namen (Damen-Conv.: 95) Im folgenden Beispiel stützen logische und kulturellesprachliche Elemente die Textualität; In den meisten deutschen Staaten bestehen Witwenkassen für die Frauen der Staatsdiener, wodurch für diejenigen unter ihnen, welche ihre Ehemänner überleben, gesorgt ist. Doch wo noch unerzogene Kinder vorhanden sind, ist es nicht überflüssig, der Gattin durch eine Lebensversicherung auch ein bares Kapital zur Aushilfe für die Jahre zu sichern, wo für die Erziehung und Ausstattung der Söhne und Töchter ein Aufwand gemacht werden muß, zu dem der Witwengehalt nicht ausreicht. (Damen-Conv.:138) 2.3.4 Textkonnexion durch heteroseme Wörter 2.3.4.1 Allgemeines Heteroseme Wörter im allgemeinen verweisen auf ein anderes Textelement und dadurch erst indirekt auf Außersprachliches. In der vorangehenden Darstellung haben wir das Phänomen dieser textinternen Verweise als Phorik zusammengefasst. Wörter, deren Hauptfunktion diese Art von Textkonnexion darstellt, nennen wir generell phorische Wörter/ Phorika. Wir haben auch von “vermittelter Referenz” gesprochen und damit darauf hingewiesen, dass es um “bedeutungsleere” Wörter geht, die keinen eigenen Refenzbezug haben, sondern erst über das Bezugswort im Text - das ein autosemes Wort ist - eine Referenzanweisung für den Hörer/ Leser des Textes enthalten. Näheres zur Referenz ist im Zusammenhang mit der Textsemantik zu besprechen. (s. Kap. 4) Phorische Wörter können nach rückwärts/ links bzw. nach vorne/ rechts in der Rede-/ Textkette verweisen. Wir sprachen entsprechend von Anaphern/ anaphorischen Wörtern bzw. von Kataphern/ kataphorischen Wörtern. Die linksverweisenden/ anaphorischen Elemente sind die weitaus häufigeren. Als Phorika stehen: Personalpronomen, Demonstrativa, Possessiva, der Artikel, Adverbien, die im Folgenden in ihrem syntaktischtextuellen Bezug besprochen werden. 2.3.4.2 Personalpronomen Eigentliche Verweisfunktion erfüllt nur das Pronomen der III. Person, da die Pronomina der I. und II. Person als “deiktische” Elemente nur aus der 8 Kommunikationssituation verstanden, d. h. mit einem Inhalt versehen werden können.6 Rein syntaktisch ist die Verweisrelation an der grammatischen Kongruenz erkennbar (d.h. hier Numerus und Genus-Kongruenz). Ich habe den Garten gesehen. Er war in einem verwahrlosten Zustand. Meine Nachbarin brachte gestern einen kleinen Hund ins Haus. Sie hatte aber recht wenig Erfahrung mit Tieren. Das Pronomen es (wie das neutrale Demonstrativum s.3.2.3.3) bezieht sich nicht obligatorisch auf eine Einheit, die Genus und Numerus aufweist. Es kann auch auf Einheiten verweisen, die größer als eine Substantivgruppe sind, z.B. auf ganze Äußerungen oder auf in Äußerungen implizierte Sachverhalte: Wo ich hingehöre? Ich weiß es nicht. Victor beruhigt die verzweifelte Natascha und geht weg, als er meint, sie sei eingeschlafen. Als er wenige Zeit darauf von der Polizei verständigt wird, sie habe sich das Leben genommen, sagte er: “Ich hätte es wissen müssen” (es = dass Natascha mit Selbstmordgedanken spielt) (frei nach ETL 1977) Für das Deutsche muss darauf hingewiesen werden, dass im Plural die GenusOpposition aufgehoben ist und dass dadurch nur noch von Numerus-Kongruenz gesprochen wird. Auf der Straße gingen einige Männer. Sie sangen laut. An der Ecke standen einige Frauen. Sie lächelten. In dieser getrennten Schreibweise von jeweils zwei Sätzen ist die Konnexion zwischen Nomen und Pronomen semantisch leicht zu entschlüsseln. Werden sie aber als eine kontinuierliche Kette und d.h. als ein Text angeführt, so ist das Bezugswort von sie nicht ohne weiteres festlegbar, da sowohl die Frauen als auch die Männer als lächelnd gemeint sein könnten. Auch der erweiterte Satz Sie lächelten ihnen zu. wäre aus demselben Grund nicht direkt monosemierbar. Solche Vieldeutigkeiten lassen sich in Texten oft finden, zumal auch die Möglichkeit besteht, dass längere Textteile zwischen dem Bezugswort und dem Verweiselement eingeschoben werden. In solchen Fällen erfolgt die Monosemierung/ Entschlüsselung der Vieldeutigkeiten/ die Referenzierung über weitere semantische Elemente und Hinweise aus dem weiteren Kotext. Erkennbar ist diese Behauptung anhand der Referenzierung z.B. von er im Satz Er war nicht abzuschütteln aus dem folgenden Text: Ein kleines Cafe gleich gegenüber dem Eingang ins Gefängnis. Spät nachts saß ich einmal dort. An meinem Tisch saß eine armselige alte Frau, mit halbtotem Gesicht, ein junger Mann, betrunken, machte ihr den Hof; auf die hartnäckigste Weise setzte er ihr immer wieder zu; lud sie zum Trinken ein; umarmte sie; machte ihr Anträge; verhöhnte und reizte sie; und ein anderer Mann, kaum älter, ebenso betrunken, zollte ihm begeistert Beifall. Die Alte ließ es alles steinern über sich ergehen; manchmal schüttelte sie sich und zischte: “Lass mich in Ruhe!” Aber es nützte ihr nichts. Er war nicht abzuschütteln. Es geschah alles angesichts des Gefängnisses, in dessen Richtung die Alte unaufhörlich blickte, als hätte sie ihren 6 Für diesen Ort unserer Diskussion reicht eine grobe Definition der (v.a. personalen, temporalen, lokalen) “Deixis” als Verweis auf die Kommunikationssituation. Näheres s. Textpragmatik 9 Mann oder ihren Sohn dort. (Elias Canetti, Alles vergeudete Verehrung, aus ETL 1977: 226) Auch umgekehrt kann die Fortsetzung eines Textes von vorangehenden auch inhaltlichen Elementen eingeschränkt werden: Als sie sich der Stelle der Schonung näherten, an welcher der getroffene Fasan niedergegangen sein musste, ließ der Förster den wild an der Leine zerrenden Hund los. Er...... Die Fortsetzung ist offen und sie präzisiert den Inhalt von er: Er drang mit lautem Gebell in das dichte Unterholz ein. Er hatte nach dieser Nacht einfach keine Kraft, diesem Zerren entschlossenen und erziehenden Widerstand entgegenzusetzen. Es kann mit Personalpronomina gelegentlich auch kataphorisch verwiesen werden: Er ist ein komischer Kerl, dein Mann. Es ist eine lustige Geschichte, die er erzählt hat. 2.3.4.3 Demonstrativa: Determinative und Pronomina Mit diesen Phorika werden zwei neue Elemente in unsere Diskussion aufgenommen: 1) das semantische Element der Vorerwähntheit und Determiniertheit, durch das die Demonstrativa dem bestimmten Artikel sehr nahe stehen: Kaum näherte er sich dem Haus, schon hörte er eine helle Stimme. Diese Stimme erinnerte ihn an seine Mutter. 2) das semantische Element der Lokalisierung als ‘Nähe/ Ferne’ a) gegenüber dem Sprecher (Bereich der Deixis, s. ....Pragmatik) Diese Blumen sind schöner als jene. Es war eine jener Nächte gewesen, in denen er nicht schlafen konnte. b) innerhalb des Textes zwischen einzelnen Textstellen Als er die Eindringlinge bemerkte, drehte sich der alte Mann zu ihnen um und fragte, ob sie vielleicht noch Draht für ihn hätten. Darau erwiederte der eine, daß sie welchen dabei hätten, und ein anderer zog gleich eine Rolle aus der Tasche und fragte, ob es solcher sein solle. Picasso meinte, dieser sei genau richtig. (Fragment aus ETL-Beispiel) Er schlürft ein rohes Ei nach dem anderen. Seit einer Woche macht er diesen Unsinn. Die Einbrecher bemerkten eine Truhe und ein Köfferchen. Letzteres trug das königliche Wappen. Demonstrativa sind meist anaphorisch eingesetzt. Sie können auch ganze Sätze wiederaufnehmen: Die schnell wachsende Wirtschaft des Landes verlangte eine weitere Entwicklung der Elektronik. Dieses spiegelte sich in den Hauptaufgaben der Regierungsstrategie wider. Als Kataphern nehmen sie meist ganze Aussagen vorweg, haben grammatisch gesehen eine Korrelatfunktion: Der ist in tiefster Seele treu, der die Heimat liebt wie du (Fontane) Selbst das, was mir positiv zu Buche stand, diente im Grunde dem ehrgeizigen Wunsch, nach oben zu gelangen (D.Noll) 10 2.3.4.4 Possessiva: Determinative und Pronomen Die Verweisform begleitet das Wort, das das “Besitztum” benennt und beachtet Person, Numerus und Genus des “Besitzers” und Numerus des “Besitztums”. Karl und ich kauften uns neue Mäntel. Meiner ist braun, seiner ist grün. Man hörte, dass Hans wieder da war. Seine Eltern hatten 1944 mit den Kindern die Stadt verlassen. Possessivelemente kommen selten kataphorisch vor. Dann erhalten sie ein Determinativ und sind Neutra. Gib jedem das Seine: dem Fleißigen Lob, dem faulen Schelte. 2.3.4.5 Der Artikel Zu den Erscheinungen, an denen der Text als transphrastische Einheit bereits sehr früh besprochen wurde, gehört neben den Pronomina auch der Gebrauch des Artikels. Die Substitutionskette wurde mit der Wiederaufnahme eines unbestimmt determinierten Nomens durch ein bestimmt determiniertes veranschaulicht und der Gebrauch des Artikels so erklärt, dass ersteres Nomen im Vortext noch nicht erwähnt worden und daher noch unbekannt sei. Erst Vorerwähntheit sollte Bekanntheit schaffen und den Gebrauch des bestimmten Artikels erlauben. (Weinrich....) Auf einer Brücke stand ein Mann. Der Mann/ Er war traurig und in Gedanken versunken. Am Ende der Brücke stand eine Frau. Die Frau schien nicht glücklicher. Die Merkmale der Vorerwähntheit bzw. Bekanntheit sind nicht unproblematisch. Der Artikel selbst schafft weder Bekanntheit noch Unbekanntheit. Er ist lediglich ein Signal für den Hörer, dass der Sprecher bestimmte Informationen beim ihm als bekannt oder nicht bekannt voraussetzt. (Brinker 1988...) Diese vorausgesetzten Informationen können inner- oder außersprachlich sein. (s. 3.2.1.2) Die textkonnektive Funktion des Artikels ist von der grammatisch/ systemisch verpflichtenden Verwendung des bestimmten Artikels zu trennen. 2. In allen anderen Situationen seines Auftretens gilt der bestimmte Artikel für “Determiniertheit”, d.h. a) Identifizierung von benannten Objekten der außersprachlichen Wirklichkeit, durch den Situationskontext, d.h. durch gemeinsames Hintergrundwissen bei den Kommunikationspartnern oder wenn das Objekt eindeutig durch die Situation als einziges/ bestimmtes erscheint. Der Einsatz des Artikels ist hier nicht textkonnektiv: Wir wohnen in einem kleinen Dorf. Die Schule ist gegenüber von Rathaus. Wir nehmen um 5 Uhr das Frühstück. Die Studenten haben im Dezember Ferien. b) Identifizierung von benannten Objekten der außersprachlichen Wirklichkeit durch Generalisierung, wenn das Artikulat das Element einer Klasse nennt, das stellvertretend für die gesamte Klasse steht. Der Einsatz des Artikels ist nicht textkonnektiv. Das Auto ist ein nützliches Verkehrsmittel. Diese Funktion erfüllt auch der unbestimmte und der Nullartikel: Ein Auto ist ein Verkehrsmittel/ Autos sind Verkehrsmittel. Textkonnektive Funktion hat der bestimmte Artikel nur im Falle der Identifizierung durch den Kotext. Der bestimmte Artikel steht daher: 11 a) bei einem durch Vorerwähntheit nun bekannt gewordenen Objekt Dort spielt ein kleiner Junge. Der Junge hat einen Ball. In dieser Funktion verweist der Artikel meist nach links. In seltenen Fällen steht er als Katapher: Wie jeden Morgen wartete der Alte auf das Erscheinen der beiden: ein Kind und ein Hund. Bei einem durch ein Attribut näher identifizierten Objekt wirkt der bestimmte Artikel nicht textkonnektiv. Hier wirkt eine systemgrammatische Regel, der gemäß attribuierte Nomina determiniert sind. Der Junge, der dort spielt, ist blond. Im Superlativ ist der bestimmte Artikel obligatorisch Der bedeutendste Dichter der deutschen Klassik war Goethe. Ist das Attribut so verwendet, dass das Benannte zum Vertreter einer Klasse wird, steht der unbestimmte Artikel: Ein Junge, der dort spielt... Sein Sieg war ein bedeutendes Ereignis des Jahres. -vgl. mit: Sein Sieg war das Ereignis des Jahres. ( das wird betont). 2.3.4.6 Adverbien Adverbien erfüllen textkonnektive Funktion, sind aber ggf. auch deiktische Elemente. Sie können textintern verweisen und folgende inhaltliche Verhältnisse zwischen den Aussagen ausdrücken: 2.3.5 Konnexion durch autoseme Wörter Die Verkettung von Sätzen erfolgt durch Wörter, die Referenzanweisungen herstellen. Die Wörter, die in nachfolgenden Sätzen vorhergehende wiederaufnehmen/ ersetzen sind selbst bedeutungstragend. Dabei bestehen folgende Möglichkeiten der Wiederaufnahme: Beispiele: Am Tisch neben mit saß ein alter Mann in Lodenmantel und Jägerhut, dessen Pfeife am Aschenbecher qualmte. Der Mann hatte den grünen Hut auf dem Kopf. (H. Böll) Sie rief nach dem Bürgermeister. Der Bürgermeister war ihr Onkel. Alle diese Gerüchte nährten eine vage Hoffnung, und von dieser Hoffnung lebte sie Dem Blitz auf dem Schlossplatz folgte der Donner auf den Schlachtfeldern. Eine Zeitepoche hatte geendet. Die Zeitepoche der Vernichtung hatte begonnen. (L. Frank) Sie steht auf der obersten Treppe mit einer Geste, als wolle sie herabsteigen, um ihm noch etwas zu sagen. Aber sie steigt nicht herab. ( sie tut es nicht) Der nächste Tag begann mt einem grauen Morgen. Auch die Laune des Meisters war grau.( war so.) In diesen Heften standen tiefsinnige Zitate neben Gedichten unserer Klassiker... Mir gefielen manche dieser Verse so gut, daß ich davon tief gerührt wurde. (L. Frank) Das passierte kaum. Aber jedesmal, wenn es geschah, erhielt sein Selbstvertrauen einen Stoß. (St. Heym) 12 Er begrüßte den Bürgermeister. Die übrigen Beamten übersah er. Gestern war ich auf einer Hochzeit. Die Braut trug ein langes Kleid. Sie tauschten Eindrücke aus, als sie aus Berlin herausfuhren. Die Stadt war ganz still. (A.Seghers). ...So wußte man, dass sich die Methangase an einer Flamme entzündet und ihn getötet hatten. Oben warteten die Bergleute, bis das Gas zu Ende gebrannt, die Luft rein war. (E. E. Kisch) Am 22. Dezember 1917 begannen die Friedensverhandlungen zwischen Deutschland und Rußland. Die Nachricht verursachte auch in der Schweiz tiefste Bestürzung. (L. Frank) Er lächelte schlau. Er tat es auch, wenn Regen fiel und wenn die Sonne schien. (H. Böll) Das sind freilich nur eine Sonne, Bäume, Blumen, Wasser und Liebe. Freilich fehlt letztere im Herzen des Beschauers, so mag das Ganze wohl einen schlechten Anblick gewähren. (H. Heine) Sie fuhr einen Opel. Der Wagen war achtzehn Jahre alt. Man näherte sich dem Haus. Zwei Fenster waren weit geöffnet. Der Verletzte stöhnte. Der linke Arm hing schlaff herab.