Kurzdokumentation des Vortrages „Innerfamiliäre Begleitung am Lebensende“ in der Arbeitsgruppe „Jung hilft Alt – Alt hilft Jung“ im Rahmen des Fachtages generationsübergreifender Projekte und Programme am 24. November 2005 in Kiel Das von Dorothea Jöllenbeck vorgestellte Projekt „Zurück nach Hause“ ist kein Projekt im üblichen Sinne, sondern zunächst einmal nichts anderes als sechs gelebte Jahre á la Großfamilie, so wie sie früher selbstverständlich waren. Jahre des gemeinsamen Lebens und tagtäglichen Miteinanders in einem Haushalt, unter einem Dach, dem Dach des Elternhauses von Dorothea Jöllenbeck, die nach 25 Jahren wieder in ihre alte Heimat zurückkehrt, um sich um die Eltern bis zu deren Tod zu kümmern. So jedenfalls hatte sie es ihnen versprochen – und gehalten. Den Impuls dafür spürt die 1994 nach Californien / USA ausgewanderte Bewegungslehrerin an einem Sonntag im Sommer 1998, als ihr während eines Telefonates die Situation ihrer an Krebs erkrankten Mutter schlagartig klar wird und sie feststellt, dass sie selbst nur die eine Wahl hat, nämlich: ihre Sachen zu packen und sich auf den Weg zurück in die westfälische Kleinstadt Werther zu machen, und das auf unbestimmte Zeit. Es folgen Jahre, in denen die Tochter beide Eltern in deren letzten Lebensphasen begleitet. Dabei stellt sie sich sehr auf diese beiden Menschen und deren Bedürfnisse ein, ohne dabei jedoch ihre eigenen persönlichen und beruflichen Vorhaben ganz aufzugeben. Vielmehr gelingt es im Zusammenleben unter einem Dach, dass die beiden Alten teilhaben am Freundeskreis, an beruflichen Ideen und Projekten sowie auch den – gelegentlich etwas andersartigen - Lebensgewohnheiten der Tochter. Das Verständnis von „Sich Kümmern“ erfährt eine gänzlich neue Bedeutung und die Türen öffnen sich in einer Weise, die es allen Beteiligten ermöglicht, Neues zu erleben, miteinander zu lernen und dabei alte Muster und Rollenverständnisse aufzubrechen. Da geht es keineswegs nur friedlich zu, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte gibt es zur Genüge, doch diese werden immer häufiger angesprochen und alle Beteiligten finden einen Weg, die Kommunikation untereinander offener, ehrlicher und nicht zuletzt auch tiefgehender werden zu lassen. Und so ist Alter, Krankheit und Pflege, ja selbst das Sterben geprägt von einer Art des Miteinanders, das dem ganz Alltäglichen zugleich den Geschmack des Außergewöhnlichen gibt. Eingebettet in ein Fürsorgegeflecht bestehend aus Familie, Freunden, Diakoniestation, begleitenden Ärzten und der Hospiz-Initiative kann die Mutter nach dreimonatigem Krankenhausaufenthalt ihre letzten Wochen zu Hause verbringen und dort sterben. „Es ist noch so schön, bei Euch zu sein, aber ich weiß ja, wohin ich jetzt gehe“ sind ihre Worte, mit denen sie sich selbst und ihren Hinterbleibenden an einem ihrer letzten Tage Trost zuspricht. Nach dem Tod der Mutter steht Dorothea Jöllenbeck vor der Frage „...und was wird nun mit Vater Heinrich?“. Versprochen ist versprochen und so organisieren sich die Beteiligten noch einmal wieder neu, damit der Vater auch weiterhin in seiner gewohnten Umgebung bleiben kann. Gemeinsam mit ihrem inzwischen aus Amerika umgesiedelten Ehemann gelingt es Dorothea Jöllenbeck – auch hier mit Unterstützung des Bruders, anderen Familienmitgliedern und den Diensthabenden der örtlichen Diakoniestation – dem inzwischen fast 90-Jährigen das vielzitierte menschenwürdige Leben im Alter zu ermöglichen. „Wir hatten alle etwas davon und ich würde es immer wieder so machen,“ so das Fazit der Tochter, die immer wieder auf ihr Handeln angesprochen und nach ihrer inneren Haltung befragt wird. Die Tage sind geprägt von großer Regelmäßigkeit, von alltäglichen Gewohnheiten und Ritualen und doch ist gibt es in alledem die kleinen Überraschungen, Besonderheiten und Ereignisse, die das Leben alles andere als langweilig oder öde sein lassen. Vieles von dem, was Dorothea Jöllenbeck aus den drei Jahren des intensiven Zusammenseins mit dem Vater erzählt, spiegelt das wider, was einen alten, früher einmal depressiven Mann aufblühen und seiner Freude am Leben Ausdruck verleihen lässt. An die Stelle ständiger Sorge tritt bei ihm die Erfahrung und die stets zunehmende Gewissheit, dass für ihn gesorgt ist. Als Dr. Heinrich Jöllenbeck im August 2004 sein neugeborenes Urenkelkind in den Armen hält, scheint ein Kreis geschlossen. Drei Monate später stirbt der fast 91- Jährige, plötzlich und trotz seines hohen Alters für alle unerwartet. „Er war noch so vergnügt“. Ein Projekt, das ursprünglich gar nicht als solches gedacht war, geht damit zu Ende. Noch gilt es, unendlich Vieles zu ordnen, aufzuräumen, ein Haus auszuräumen, in dem mehrere Generationen gelebt und ca 12 Personen ihre Sachen hinterlassen haben. Und zugleich reift schon das Folgeprojekt: derzeit arbeitet Dorothea Jöllenbeck an einem Buchmanuskript mit ebenjenem Arbeitstitel „Zurück nach Hause“. Damit möchte sie die Erfahrungen der vergangenen Jahre und das von ihr Erlebte der Öffentlichkeit zugänglich machen und nicht zuletzt auch praktische Tipps für ein generationenübergreifendes Miteinander, sei es nun in der Familie oder in anderen sozialen Systemen geben. „Jede/r wird es anders machen, und das ist gut so, aber vielleicht können die Geschichten, die unser Leben schrieb, ein Zeichen auch für andere sein.“