Die Herstellung von Silicium: eine Redox-Reaktion Seite 1 Die Herstellung von Silicium: eine Redox-Reaktion 1 Theorie Silicium ist nach Sauerstoff die häufigste Atomsorte in der Erdkruste: es kommt fast ausschliesslich in Form von Silicaten vor, die ca. 80% der Erdkruste ausmachen. Silicate sind zur Hauptsache Si-O-Verbindungen mit Anteilen von MetallKationen. Das einfachste und bekannteste Silicat ist Quarz (Bergkristall) mit der Formel SiO2 (Siliciumdioxid). Beim Quarz handelt es sich aber nicht um ein abgeschlossenes Molekül. Vielmehr liegt ein "unendlich" ausgedehnter Verband von Atomen vor, ein Atomgitter. In diesem ist jedes Si-Atom tetraedrisch von vier O-Atomen umgeben und mit diesen durch kovalente EinfachBindungen verknüpft. Der Bedarf an reinem, elementarem Silicium ist sehr gross: die Halbleiter-Industrie (Computer, Handys etc.) und die Solar-Technik (Photovoltaische Zellen) sind die grössten Verbraucher. Zurzeit zeichnet sich ein eigentlicher Engpass auf dem Weltmarkt an hochreinem Silicium ab. Wir wird dieses Silicium gewonnen? Der Sauerstoff muss aus den Silicaten entfernt werden. Dies geschieht unter grossem Energie-Aufwand in einer endothermen Reaktion mit Koks (Kohlenstoff): SiO2 (s) + 2 C (s) Si (s) + 2 CO (g) Die dazu benötigten Temperaturen von rund 2000°C werden in einem elektrischen Lichtbogenofen erzeugt. Im Labor kann die Reaktion aber viel einfacher durchgeführt werden: man lässt Quarz mit metallischem Magnesium reagieren: SiO2 (s) + 2 Mg (s) Si (s) + 2 MgO (s) Diese Reaktion ist sogar exotherm und verläuft nach der notwendigen Aktivierung sehr heftig und unter starker Feuer-Erscheinung. Das erhaltene Reaktionsgemisch enthält neben dem gewünschten elementaren Silicium aber auch unerwünschtes Magnesiumoxid. Dieses ist in reinem Wasser praktisch unlöslich, jedoch sehr gut löslich in verdünnter Salzsäure. Dort läuft nämlich die folgende Reaktion ab: 2 HCl (aq) + MgO (s) Chemie-Praktikum Grundlagenfach MgCl2 (aq) Mai 16 + H2O (l) Felix Ziegler, KS Rychenberg Die Herstellung von Silicium: eine Redox-Reaktion Seite 2 Das Silicium selbst, ein graubraunes Pulver, wird durch Salzsäure nicht angegriffen und bleibt als Festkörper zurück. Durch die nachfolgende Filtration kann deswegen das Silicium aus dem Gemisch abgetrennt und als Reinstoff isoliert werden. Beim Auslösen des MgO mit der Salzsäure kommt es aber auch zu einem knallenden Geräusch und es sind Feuerblitze beobachtbar. Diese Mini-Explosionen sind auf die folgenden Reaktionen zurückzuführen: Bei der Reaktion von Quarz mit Magnesium kann als Nebenprodukt auch Magnesiumsilicid Mg2Si – ein blau-violetter Feststoff – gebildet werden. SiO2 (s) + 4 Mg (s) Mg2Si (s) + 2 MgO (s) Diese Mg-Si-Verbindung reagiert mit Salzsäure zu gasförmigem Silan SiH4: Mg2Si (s) + 4 HCl (aq) SiH4 (g) + 2 MgCl2 (aq) Silan SiH4 ist das analoge Molekül zu Methan CH4. Es ist aber im Gegensatz zu Methan sehr instabil und verbrennt an der Luft mit einem Knall spontan zu SiO2 und Wasser: SiH4 (g) + 2 O2 (g) SiO2 (s) + 2 H2O (l) 2 Ziele Sie lernen ein Beispiel kennen für die Gewinnung eines Elementarstoffes aus einer natürlich vorkommenden Verbindung. Sie führen eine technisch anspruchsvolle chemische Reaktion verantwortungsbewusst durch. Sie lernen eine typische Redox-Reaktion kennen. 3 Arbeitsvorschrift In eine Reibeschale werden 2.0 g feiner Quarzsand und 1.8 g Magnesiumpulver eingewogen. Die beiden Edukte müssen nun mit dem Mörser gemischt werden, bis ein homogenes Gemenge entstanden ist. Die Mischung wird dann in ein schwer schmelzbares RG gegeben. Das RG wird im Abzug mit einer kleinen Klammer senkrecht an einem Stativ eingespannt. Das Stativ muss auf einer feuerfesten Unterlage stehen. Der Brenner und das RG sind genau auszurichten, damit das Gemisch optimal erhitzt wird. Anschliessend wird das Gemisch mit der nichtleuchtenden, also der heissesten Gasbrenner-Flamme erhitzt. Vorsicht! Das Gemisch beginnt plötzlich und schlagartig zu reagieren. Es kann eine Stichflamme aus dem Reagenzglas schiessen, und ausserdem kann es zu einem starken Funkenregen kommen. Daher muss sich die Schutzscheibe des Abzugs ganz unten befinden! Chemie-Praktikum Grundlagenfach Mai 16 Felix Ziegler, KS Rychenberg Die Herstellung von Silicium: eine Redox-Reaktion Seite 3 Sobald die Reaktion in Gang gekommen ist wird der Gasbrenner ausser Betrieb genommen. Nun lässt man das Reagenzglas abkühlen, bis es von Hand angefasst werden kann. Mit Hilfe eines langen Glasstabs wird möglichst viel vom Produktgemisch aus dem Reagenzglas in eine Abdampfschale geschabt. Eventuell muss das Reagenzglas zertrümmert werden, um an genügend Produkt zu gelangen. In einem 25 ml-Messzylinder werden 14 ml Wasser vorgelegt und anschliessend gibt man mit einer Pasteurpipette 6 ml konzentrierte Salzsäure zu. Achtung: konzentrierte Salzsäure wirkt stark ätzend. Im Abzug stellt man die Abdampfschale direkt auf den Vierfuss, die Ceran-Platte muss dazu abgenommen werden. Nun giesst man die verdünnte Salzsäure portionenweise möglichst gleichmässig über das Rohprodukt. Vorsicht! Dabei kommt es zur Bildung hoch reaktiver Nebenprodukte, die sich spontan entzünden, es treten knallende Feuer-Erscheinungen auf. Es ist darauf zu achten, dass sich die Hand nicht direkt über der Abdampfschale befindet. Mit Vorteil wird deshalb zum Ausgiessen der Salzsäure der Messzylinder in eine RGKlammer eingespannt. Beim ganzen Vorgang soll die Schutzscheibe des Abzugs möglichst weit nach unten gezogen sein. Wenn sich das Reaktionsgemisch beruhigt hat, wird mit dem Glasstab vorsichtig umgerührt. Damit können vorhandene, nicht umgesetzte Klümpchen noch zur Reaktion gebracht werden. Um auch wirklich alle Rückstände von MgO zu zersetzen, wird die Mischung mit dem Brenner vorsichtig erhitzt. Sobald die Reaktion endgültig abgeklungen ist, giesst man die abgekühlte Aufschlämmung möglichst vollständig in eine Nutsche und spült mit etwas Wasser nach. Das unlösliche Silicium bleibt auf dem Filterpapier zurück, während die unerwünschten Komponenten des Gemischs in der wässrigen Lösung in die Saugflasche gespült werden. Die Nutsche wird ausser Betrieb genommen. Dann wird das gereinigte, aber noch feuchte Silicium in die Abdampfschale geschabt, die vorgängig gereinigt und getrocknet wurde. Die Abdampfschale wird nun auf dem Vierfuss mit dem Gasbrenner vorsichtig erhitzt, bis das Silicium trocken ist. 4 Entsorgung Das gewonnene Silicium kann mitgenommen oder in den entsprechend beschrifteten Sammel-Behälter gegeben werden. Die Mutterlauge des Abnutsch-Vorgangs kann mit Leitungswasser verdünnt und in den Abguss geschüttet werden. 5 Aufgaben Formulieren Sie die Redox-Reaktion sauber als zwei separate Halbgleichungen für die Reduktions- und die Oxidations-Reaktion. Chemie-Praktikum Grundlagenfach Mai 16 Felix Ziegler, KS Rychenberg Die Herstellung von Silicium: eine Redox-Reaktion Seite 4 Die durchgeführte Reaktion ist offensichtlich stark exotherm. Das heisst, dass Magnesiumoxid energetisch wohl viel günstiger ist als Siliciumdioxid (die Elementarstoffe Magnesium und Silicium sind ähnlich aufgebaut und unterscheiden sich energetisch weniger). Erklären Sie diesen Umstand mit dem Aufbau der beiden Stoffe. Zu welcher Gruppe von Elementarstoffen gehört Silicium? Wo kommt Quarz in der Natur vor, und wozu wird es in der Praxis vor allem verwendet? Chemie-Praktikum Grundlagenfach Mai 16 Felix Ziegler, KS Rychenberg Die Herstellung von Silicium: eine Redox-Reaktion 6 Lösungen der Aufgaben Oxidation: 2 Mg Reduktion: SiO2 + Seite 5 4 e- 2 Mg2+ + 4 e- Si + 2 O2- MgO ist ein salzartiger Stoff. Die enthaltenen Ionen sind 2-fach geladen, d.h. die anziehenden Kräfte im Ionengitter (Gitterkräfte, Ionenbindung) sind gross. Demgegenüber ist SiO2 ein diamantartiger Stoff. Die kovalenten Bindungen zwischen den O- und Si-Atomen im SiO2-Gitter sind nicht so stark wie die ionische Bindung im MgO-Gitter. Silicium ist ein Halbmetall. Quarz kommt in verschiedenen Mineralien (z.B. Bergkristall) und Gesteinen (z.B. Granit) vor. Quarz ist z.B. der Hauptrohstoff für die Glasherstellung. 7 Material Pro Gruppe: schwerschmelzbares RG Stativmaterial feuerfeste Unterlage langer Glasstab Abdampfschale (Ø 8 cm) Messzylinder 20 ml Reagenzglasklammer Vierbeinstativ Nutschentrichter Filterpapier Saugflasche Vakuumschlauch Chemikalien: Quarzpulver (Fluka 83340) Chemie-Praktikum Grundlagenfach Mai 16 Felix Ziegler, KS Rychenberg Die Herstellung von Silicium: eine Redox-Reaktion Seite 6 Magnesiumpulver konz. Salzsäure (32%) Chemie-Praktikum Grundlagenfach Mai 16 Felix Ziegler, KS Rychenberg