Mikrosystemtechnik Kongress 2013 · 14. – 16. Oktober 2013 in Aachen Silicium-Platin Nanostrukturen für hochgradig Infrarot-emissive Oberflächen in Hotplate-Emittern Silicon-Platinum nanostructures for high emissive surfaces in infrared hotplate emitters Dipl.-Ing. Lutz Müller, Prof. Dr.-Ing. habil. Martin Hoffmann, Technische Universität Ilmenau, Institut für Mikro- und Nanotechnologien MacroNano®, Gustav-Kirchhoff Straße 7, 98693 Ilmenau, [email protected] Dr. rer. nat. Indira Käpplinger, Dipl.-Phys., Wolfgang Brode, Siegert TFT GmbH, Robert-Friese-Straße 3, 07629 Hermsdorf Dipl.-Ing. (FH) Steffen Biermann, Micro-Hybrid Electronic GmbH, Heinrich-Hertz-Straße 8, 07629 Hermsdorf Kurzfassung Durch die Kombination von nicht-periodischen Silicium-Mikrostrukturen mit Platin-Nanostrukturen wird eine hochabsorbierende Oberfläche geschaffen. Die Herstellung dieser Strukturen mittels herkömmlicher Technologie der Mikrosystemtechnik wird dargestellt. Mittels Finite-Difference Time-Domain (FDTD) Simulationen wurde die optimale Größe der Platinstrukturen für eine effiziente Absorption bzw. Emission von Infrarotstrahlung ermittelt. Die optischen Eigenschaften der gefertigten Strukturen wurden mittels dispersiver Spektrometrie im Wellenlängenbereich zwischen 800 nm und 2500 nm untersucht. Es werden Absorptions- bzw. Emissionsgrade von bis zu 97 % erreicht. Zur Verbesserung der thermischen Stabilität der Nanostrukturen wurden diese mit einer SiO 2 Beschichtung passiviert, wodurch diese auch nach mehrstündiger Erhitzung auf 800 °C in sauerstoffreicher Atmosphäre Absorptionsgrade von bis zu 90 % zeigen. Als Anwendungsbeispiel für die Nutzung dieser Emissionsstrukturen in Mikrosystemen wird ein thermischer Infrarotemitter mit integrierten Silicium-Platin-Nanostrukturen vorgestellt. Abstract A highly absorbing surface, consisting of silicon microstructures combined with platinum nanostructures, is presented. The fabrication is done by common processes of microtechnology like DRIE and evaporation. Finite-difference timedomain (FDTD) simulation was used to find the optimum size of the platinum nanostructures for maximum infrared absorption. After fabrication, the structures have been characterised by dispersive spectrometry in the range of 800 nm to 2500 nm wavelength, reaching an absorbance or emittance of about 97 %. With an additional SiO2 passivation of these structures, the thermal resistance could be raised significantly. As an example for the successful integration of the nanostructures into a microsystem, a thermal infrared emitter is presented. 1 Einleitung tät der heizenden Metallstrukturen, was zu einer geringen Effizienz der Emitter führt. Es existieren einige Lösungen zur Steigerung der Emissivität von Oberflächen in Mikrosystemen. Platinruß wird als hochemissive Beschichtung in IR-Emittern bereits kommerziell eingesetzt [3,4] und kann entweder mittels speziellem Verdampfungsprozess oder galvanisch abgeschieden werden. Während der Verdampfung wird jedoch das gesamte Substrat sowie die Prozesskammer mit Rußpartikeln kontaminiert, was diesen Prozess für die Integration in Standard-Prozessabläufe unattraktiv macht. Auch die galvanische Abscheidung ist kein Standardprozess der Mikrotechnik. Diese Beschichtungen, wie auch andere Lösungen zur Emissivitätssteigerung [5,6], weisen zudem eine begrenzte Temperaturbeständigkeit auf. Bereits weit unterhalb der Schmelztemperatur rekristallisieren die feinen Metallnanostrukturen und verschlechtern ihre absorbierenden Eigenschaften [7]. Die mangelnde Temperaturbeständigkeit steht in starkem Kontrast zu den Anforderungen an leistungsfähige thermische Emitter. Im Folgenden stellen wir eine neuartige Kombination aus Silicium-Mikrostrukturen und Platin-Nanostrukturen vor, Infrarotquellen werden für viele infrarotbasierte Messsysteme, wie Gas- oder Fluidsensoren, benötigt. Die Anforderungen an diese IR-Strahler sind dabei vielfältig. Ein breitbandiges Spektrum und eine über die gesamte Lebensdauer stabile Charakteristik werden für empfindliche Messungen benötigt. In der Mikrotechnik werden dafür häufig thermische membran-basierte IR-Emitter genutzt. Nachteilig für Silicium-basierte Membransysteme ist ein durch Interferenzen überlagertes Abstrahlspektrum [1,2]. Da Silicium für Strahlung mit Wellenlängen oberhalb von ca. 1100 nm transparent ist, wird der größte Anteil der emittierten Strahlung nicht durch das Silicium, sondern durch den Heizer hervorgerufen. Durch den hohen Brechzahlsprung von Silicium zu Luft wird ein Teil der innerhalb der Siliciummembran transmittierten Strahlung an der Grenzfläche reflektiert (Fresnel-Verluste) und verursacht durch Mehrfachreflexion für spektrometrische Aufgaben störende Interferenzen. Antireflexbeschichtungen für breitbandige Entspiegelungen sind teuer und in ihrer Bandbreite begrenzt. Hinzu kommt die geringe Emissivi- ISBN 978-3-8007-3555-6 87 © VDE VERLAG GMBH ∙ Berlin ∙ Offenbach Mikrosystemtechnik Kongress 2013 · 14. – 16. Oktober 2013 in Aachen welche sich mittels Standard-Technologien fertigen und durch eine nachfolgende SiO2-Beschichtung derart passivieren lässt, dass eine hochemissive und hochtemperaturstabile Oberfläche für Hotplate-Emitter zur Verfügung steht. 2 Herstellung Die Basis der absorbierenden Si-Pt-Strukturen bilden mittels Deep Reactive Ion Etching (DRIE) geätzte SiliciumMikrostrukturen, sogenanntes Silicium Gras. Dabei wird der DRIE Prozess derart angepasst, dass die Dauer des Passivierungsschrittes gegenüber der Dauer des Ätzschrittes erhöht wird. Dadurch wird die Passivierung im Ätzschritt auf horizontalen Flächen nicht vollständig entfernt und bildet eine nichtperiodische, clusterartige Nanomaskierung. Diese Maskierung resultiert im Laufe der weiteren Ätzzyklen in einer nadelförmigen Siliziumstruktur, welche im Querschnitt in Bild 1 dargestellt ist. Der Silicium Gras Prozess wird in [8] detailliert beschrieben. Bild 2 Querschnitt der mit Platin beschichteten Siliciumnadeln Bild 3 Querschnitt der rekristallisierten Pt-Strukturen nach Erhitzung auf 800 °C für 2 h Die feinen, nadelförmigen Einzelkristallite sind vollständig zu größeren Konglomeraten umstrukturiert. Um diese Strukturänderung zu unterbinden, wurden die Si-PtNadeln (vgl. Bild 2) mittels chemical vapor deposition (CVD) mit dem temperaturstabilen Material SiO2 beschichtet (siehe Bild 4). Bild 1 Querschnitt DRIE geätzter Siliciumnadeln Im Anschluss werden diese Siliciumstrukturen mittels Elektronenstrahlverdampfung mit Platin beschichtet. Dazu werden, im Gegensatz zu Platin-Moor Prozessen, Prozessparameter genutzt, wie sie auch für die Abscheidung von planaren Schichten verwendet werden. Durch die spezielle Seitenwandstruktur der Siliciumnadeln („BoschRippel“) wachsen einzelne Platinkristallite an den Flanken der Siliciumstrukturen (siehe Bild 2). Ähnlich dem Prinzip der „oblique angle deposition“ (OAD) [9] entstehen die Einzelkristallite durch Abschattung, im Fall der Siliciumnadeln initial durch die starke Seitenwandstrukturierung. Die in Bild 2 dargestellte Struktur zeigt ein hervorragendes Absorptionsverhalten (siehe Abschnitt 4). Bei einem Einsatz unter hohen Temperaturen, wie sie typischerweise bei thermischen Emittern gewünscht sind, unterliegen die Platinstrukturen jedoch wie alle nanoskaligen Strukturen einem Rekristallisations- und Umordnungsprozess. Bild 3 zeigt die Silicium-Platin-Strukturen nach einer Erhitzung für die Dauer von 2 h auf 800 °C, was weit unterhalb der Schmelztemperatur von Platin (1768 °C) ist. ISBN 978-3-8007-3555-6 Bild 4 Querschnitt der mit SiO2 beschichteten Si-PtStrukturen 88 © VDE VERLAG GMBH ∙ Berlin ∙ Offenbach Mikrosystemtechnik Kongress 2013 · 14. – 16. Oktober 2013 in Aachen Im Gegensatz zu schwammartigen Metall-RußBeschichtungen erlauben die Silicium-Platin-Strukturen eine Beschichtung mit SiO2 über die gesamte Struktur. Bild 4 zeigt den Querschnitt einer mit SiO2 beschichteten Si-Pt-Struktur. Wird diese ebenfalls bei 800 °C getempert, lässt sich mittels REM kein struktureller Unterschied feststellen. Die Pt-Strukturen sind fest in der SiO2 Matrix gebunden und können keine energetisch günstigere Form annehmen. 3 S1_ref S2_Pt S3_Pt_SiO2 S4_Pt_temp S5_Pt_SiO2_temp Silicium Gras Beschichtung --Pt Pt + SiO2 Pt Pt + SiO2 Temperprozess Bild Nr. 1 2 4 3 (4) --2h@ 800 °C sphärische Gesamttransmission (diffuse und spekulare Anteile) sowie die spektrale hemisphärische Gesamtreflexion (diffuse und spekulare Anteile) erfasst. Aus diesen beiden Größen lässt sich nach Maxwell mit A = 1 - (R + T) der Absorptionsgrad A berechnen. Die spektralen Absorptiongrade der Proben S1 bis S5 sind in Bild 6 dargestellt. Simulation Absorptionsgrad 1 1 Absorptionsgrad Siliciumstruktur Tabelle 1 Übersicht der vermessenen Proben Zur Untersuchung des Einflusses der Größe der Platinnanostrukturen auf die infrarotoptischen Eigenschaften wurde eine Simulation dieser Strukturen mittels FiniteDifference Time-Domain (FDTD) Verfahren durchgeführt (FDTD solutions von Lumerical). Dazu wurde die Querschnittsaufnahme des verwendeten Silicium Grases als Struktur in die Simulation eingebunden. Die platinNadeln wurden als längliche Rechtecke variabler Größe modelliert. Bild 5 zeigt die simulierte Absorptionscharakteristik von Si-Pt-Strukturen mit unterschiedlich großen Pt-Nadeln (Legende: Länge x Breite der Pt-Nadeln). 0,9 0,8 0,8 0,6 S1_ref S2_Pt S3_Pt_SiO2 S4_Pt_temp S5_Pt_SiO2_temp 0,4 0,2 0 800 350 nm x 50 nm 475 nm x 50 nm 650 nm x 50 nm 650 nm x 100 nm 0,7 0,6 0,5 1 1,5 2 2,5 Wellenlänge in µm 3 Absorptionsgrad 2400 unterschiedlich An Probe S1 (Silicium Gras) lässt sich sehr gut die Antireflexionswirkung von mikrostrukturierten Oberflächen erkennen. Während das Silicium für Wellenlängen oberhalb von ca. 1100 nm nahezu transparent ist, beträgt die Absorption für kleinere Wellenlängen über 90 %. Bei polierten Oberflächen läge dieser Wert auf Grund von Fresnel’schen Reflexionsverlusten unterhalb von 70 %. Dagegen zeigen die Proben S2 und S3 über den gesamten messbaren Bereich sehr hohe Absorptionsgrade von ca. 0,97 bzw. 0,95. Die zusätzliche Beschichtung mit SiO2 bewirkt demnach nur eine vernachlässigbare Verschlechterung der Absorption durch zusätzliche Reflexionsverluste. Nach der Erhitzung der Proben auf 800 °C weist die nur mit Platin beschichtete Probe S4 eine deutliche Verringerung ihrer Absorption von 20 % bis 30 % auf, was auf die starke Formänderung der Platinstrukturen (vgl. Bild 3) und die damit verbundene Erhöhung des Reflexionsgrades (hier nicht dargestellt) zurückzuführen ist. Im Gegensatz dazu weist die zusätzlich mit SiO2 passivierte Probe S5 nach der Erhitzung nur eine geringe Absenkung des Absorptionsgrades auf ca. 0,95 bis 0,93 auf. Dies ist nach Kenntnis der Autoren der bisher höchste berichtete Wert für mikrostrukturierte Oberflächen für Temperaturen bis 800 °C. Pt-Strukturen mit einer Länge zwischen ca. 400 nm und 600 nm zeigen die größten Absorptionsgrade. Bei kürzeren Platinnadeln steigt die Transmission durch die Si-PtStrukturen, während bei größeren Platinnadeln die Reflexion an der zunehmend dichteren Oberfläche zunimmt. In beiden Fällen sinkt die effektive Absorption von Strahlung. Für weitere Untersuchungen wurden daher Platinnadeln mit einer Länge von etwa 400 nm verwendet. Messungen und Diskussion Zur messtechnischen Charakterisierung wurden Proben mit unterschiedlicher Oberflächenstrukturierung und Beschichtung hergestellt. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die verwendeten Namen. Die unterschiedlich strukturierten Proben wurden mit einem dispersiv arbeitenden Spektrometer und einer Ulbrichtkugel vermessen (Cary 5000 mit DRA 2500 von Varian). Dabei wurden in zwei verschiedenen Messungen zunächst die spektrale hemi- ISBN 978-3-8007-3555-6 1200 1600 2000 Wellenlänge in nm Bild 6 Gemessener strukturierter Proben Bild 5 Simulationsergebnisse zur spektralen Absorption unterschiedlich großer Platin-Nanostrukturen 4 Proben-Name 89 © VDE VERLAG GMBH ∙ Berlin ∙ Offenbach Mikrosystemtechnik Kongress 2013 · 14. – 16. Oktober 2013 in Aachen IR-Emitter normierte Strahlungsleistung 5 Als Bsp. für den Nutzen der hochabsorbierenden und damit auch emittierenden Mikrostrukturen wurden thermische IR-Emitter mit integrierten Si-Pt-SiO2-Strukturen hergestellt. Bild 7 zeigt schematisch den vereinfachten Prozessablauf. Si-Pt-SiO2-Strukturen glatte Si-Membran 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0 1 3 5 7 Wellenlänge in µm 9 Bild 9 Qualitativer Vergleich der spektralen Abstrahlung von Emittern mit glatten und strukturierten SiMembranen gestellt. Die Strukturen erreichen im IR-Bereich Absorptionsgrade bis zu 0,97 und lassen sich mittels zusätzlicher SiO2-Beschichtung derart stabilisieren, dass Sie auch bei Temperaturen bis zu 800 °C keine signifikante Änderung ihrer optischen Eigenschaften zeigen. Die Möglichkeit der Integration in ein komplexes Mikrosystem wurde anhand eines thermischen IR-Emitters gezeigt. Bild 7 Vereinfachter Prozessablauf zur Herstellung von IR-Emittern mit mikrostrukturierter Oberfläche Thermopilespannung in mV Zur Messung der Strahlungsleistung wurde ein breitbandig absorbierender Thermopile Sensor genutzt. Dabei wurden Emitter mit mikrostrukturierter und beschichteter Oberfläche sowie Emitter mit glatter Siliciummembran bei gleicher Membrantemperatur verglichen. Bild 8 zeigt das korrespondierende Thermopilesignal in Abhängigkeit der mittleren Membrantemperatur. 2,5 Die Autoren danken dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die Finanzierung dieser Arbeiten im Rahmen des Projektes NaMiFlu (16SV5360). 7 [1] J. Hildenbrand et al.: Fast transient temperature operating micromachined emitter for mid-infrared optical gas sensing systems. Microsyst. Technol. (2010) 16:745–754 [2] J. Spannhake: Hochtemperaturstabile Mikroheizer für miniaturisierte Sensorsysteme. Dissertation, Ilmenau (2009) [3] Produktdatenblatt der Axetris AG, Schweiz; Download von http://www.axetris.com/pdf/Axetris_ Infraered_Sources_F60_ENG.pdf, 22.04.13 [4] K. Jasek et al.: Platinum-black coatings for infrared emitters. Optoelectronic and Electronic Sensors V, Proceedings of SPIE Vol. 5124 (2003) [5] R. Younkin et al.: Infrared absorption by conical silicon microstructures. J. Appl. Phys. 93, 2626 (2003) [6] G. Feng et al.: Greatly enhanced infrared normal spectral emissivity of microstructured silicon. Materials Letters 65 (2011) 1238-1240 [7] L. Müller et al.: Silicium-Metall Nanostrukturen mit ultrahoher Absorption im infraroten Strahlungsbereich. 4. GMM Workshop Mikro-Nano-Integration, 2012 [8] S. Leopold et al.: Formation of silicon grass: Nanomasking by carbon clusters in cyclic deep reactive ion etching. J. Vac. Sci. Technol. B 29, 011002 (2011) [9] M. Suzuki: Practical applications of thin films nanostructured by shadowing growth. Journal of Nanophotonics, Vol. 7, 2013 Membran mit Mikrostrukturen Glatte Siliciummembran 2 1,5 1 0,5 0 0 200 400 600 800 Mittlere Membrantemperatur in C° Bild 8 Vergleich der integralen Strahlungsleistung von herkömmlichen und optimierten IR-Emittern Neben der Steigerung der absoluten Strahlungsleistung um den Faktor 2,6 wird auch die spektrale Qualität der IR-Strahlung verbessert. Durch die hochemittierende Oberfläche der Si-Pt-SiO2-Strukturen werden interne Reflexionen effektiv verhindert und eine Abstrahlcharakteristik ähnlich eines idealen Schwarzstrahlers erreicht. Bild 9 zeigt den Vergleich der spektralen Abstrahlung eines Emitters mit glatter Siliciummembran und eines Emitters mit strukturierter Membran. 6 Zusammenfassung Die Herstellung einer neuartigen Mikro-Nano-Struktur mit einzigartigen optischen Eigenschaften wurde vor- ISBN 978-3-8007-3555-6 Literatur 90 © VDE VERLAG GMBH ∙ Berlin ∙ Offenbach