EINFÜHRUNG IN DIE ATOM UND KERNPHYSIK 1. 1.1 Aufbau der Atomkerne Das Atommodell Ein Atom besteht aus einem Kern (positiv geladene Protonen und elektrisch neutrale Neutronen; Durchmesser: ca. 10-15 m; ungefähr gleiche Masse) und einer Elektronenhülle (Durchmesser: ca. 10-10 m). Auf ihr bewegen sich negativ geladene Elektronen (Masse: 1 ca. der Masse eines Protons; gleiche Ladung) auf kreisförmigen Bahnen um den 2000 Kern. Jedes elektrisch neutrale Atom besitzt genauso viele Protonen wie Elektronen. Beispiele für zweidimensionale Modelle der ersten 8 Elemente Zwischen den Kernteilchen wirken die anziehenden Kernkräfte, die den Kern, also die Nukleonen zusammenhalten. Sie haben nur eine sehr geringe Reichweite (Wirkungsbereich: 10-15m). Diesen entgegen wirken die abstoßenden elektrischen Kräfte zwischen den Protonen mit verhältnismäßig großer Reichweite. Die Energie, die den Kern zusammenhält und somit in ihm gespeichert ist, bezeichnet man als Kernenergie oder Bindungsenergie der Kernteilchen. Beispiel für ein dreidimensionales Modell des Elements Natrium Maße eines mittelgroßen Atoms im Original und in modellhafter Vergrößerung 1.2 Die Nuklidschreibweise Die Ordnungszahl gibt die Anzahl der Protonen bzw. Elektronen an, die Massenzahl die Summe der Anzahl der Protonen und Neutronen. Die Masse wird in der atomaren Einheit 1 u = 1,661· 10-27 kg angegeben. 2 von 15 (Atomphysik) 1.3 Isotope, Isobare, Isomere Isotope Besitzen Atome des gleichen chemischen Elements eine unterschiedliche Anzahl von Neutronen, so bezeichnet man diese Atome als Isotope. z. B 206 207 Pb ; 82 208 Pb ; 82 Pb 82 Isobare Atome mit gleicher Massenzahl besitzen eine unterschiedliche Anzahl von Protonen. Es handelt sich also um verschiedene chemische Elemente. z. B 214 214 Pb ; 82 214 Bi ; 83 Po 84 Isomere Sie unterscheiden sich weder in der Masse, noch in der Ordnungszahl. Ihre Atomkerne befinden sich in energetisch verschieden angeregten Zuständen. 3 von 15 (Atomphysik) 2. 2.1 Radioaktive Strahlung Die Entdeckung der natürlichen Radioaktivität Nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen beobachtete der Franzose Becquerel 1896 eine Schwarzfärbung einer Photoplatte, die in der Nähe von Uransalz lag. Marie und Pierre Curie erforschten die neue Strahlung und entdeckten hierbei als strahlende Substanzen die Elemente Polonium und Radium. 2.2. Die Eigenschaften der natürlichen radioaktiven Strahlung Radioaktive Strahlung wird nur vom Atomkern emittiert. Sie ist also unabhängig von der chemischen Bindung des strahlenden Elements. Beim Zerfall von Atomen wandeln sich diese spontan in andere Atomarten um. Man unterscheidet drei Arten der Strahlung. Die Strahlenarten -Strahlen Es sind Heliumkerne, also 2 Neutronen verbunden mit 2 Protonen. Beispiel: 226 4 222 88 Ra 2 He 86 Rn ( Radon) Energiereiche -Teilchen besitzen eine Reichweite bis zu 8 cm in Luft und einen Bruchteil eines Millimeters in Metallen. Sie erzeugen beim Aufprall auf andere Atome Ionen. 4 von 15 (Atomphysik) -Strahlen Es sind Geschwindigkeiten Elektronen bis zu mit 99% der Lichtgeschwindigkeit. Sie entstehen bei der Umwandlung eines Neutrons in ein Proton: Beispiel: 214 0 214 82 Pb 1 e 83 Bi ( Bismut ) Die Reichweite der -Strahlen beträgt in Luft bis zu 1 m. Eine mehrere Millimeter dicke Aluminiumplatte schützt vor ihr. -Strahlen Es sind hochenergetische, elektromagnetische Wellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Sie treten meistens in Begleitung von - und -Strahlen auf, um das hierbei, von der Elektronenhülle erreichte erhöhte Energieniveau wieder auszugleichen. -Strahlen besitzen eine große Reichweite. Zu ihrer Abschirmung benötigt man dicke Bleiplatten. Die Reichweite der radioaktiven Strahlenarten 5 von 15 (Atomphysik) 2.3 Nachweisgeräte für radioaktive Strahlung Das Geiger-Müller-Zählrohr Tritt eine Strahlung in die, mit einem Edelgas unter geringem Druck gefüllte Röhre, so erzeugt sie Elektronen, welche wegen der Beschleunigung eine Ionenlawine auslösen, deren Stromimpuls registriert werden kann. Das Geiger-Müller-Zählrohr ist das am häufigsten benutzte Nachweisgerät für radioaktive Strahlung. Bei Messungen mit dem Zählrohr ist der sogenannte „Nulleffekt“ zu berücksichtigen. Er gibt die Anzahl der Impulse an, die nur durch die ständig vorhandene natürliche Strahlung verursacht werden. Die Nebelkammer Die Nebelkammer beinhaltet ein wasserdampftgesättigtes Gas (meist Luft). Treten Strahlen in das Kammerinnere ein, so erzeugen diese auf ihrer Bahn Ionen und es kondensieren Nebeltröpfchen daran. Somit lässt sich die Bahn eines radioaktiven Teilchens fotographieren und aus ihrer Bahnablenkung können wichtige Erkenntnisse gewonnen werden. 6 von 15 (Atomphysik) 3. 3.1 Radioaktiver Zerfall Die Halbwertszeit Die Halbwertszeit gibt die Dauer an, in welcher die Anzahl der am Anfang vorhandenen strahlenden Kerne auf die Hälfte reduziert wurde. Die Palette der Halbwertszeiten reicht von 10-7 sec bis 5·1014 a. Man nutzt sie zur Bestimmung extrem hoher Alter von Gesteinen. Beispiele für T1/2: 238 U : 4,5·109 a 92 Jod 131 : 8 d Die Halbwertszeit lässt sich grafisch in einem ZerfallZeit-Diagramm bestimmen. Hierbei wird die zur Hälfte der Zerfälle zugehörige Zeit T1/2 bestimmt. Die C-14-Methode zur Altersbestimmung (Radiokarbonmethode) Ein kleiner Anteil des Kohlenstoffs im Kohlendioxid der Luft, das C-14-Isotop, ist radioaktiv und bleibt in seiner Konzentration durch Neubildung gleich. Es wird von allen organischen Stoffen bis zu deren Ableben aufgenommen. Ab dann zerfällt es mit einer Halbwertszeit von 5730 Jahren. Misst man die Radioaktivität von organischen Fundstücken, so lässt sich dadurch deren Alter bestimmen. Die Entstehung des C-14-Isotops aus Stickstoff: 147 N 01 n 146 C 11 p Beispiel: Bei 1 kg Kohlenstoff eines gerade gefällten Baumes beträgt die Aktivität 266 Bq. Wie alt ist ein Baum, bei dem eine Aktivität von ca. 4 Bq (pro kg Kohlenstoff) gemessen wurde. 7 von 15 (Atomphysik) 3.2 Die künstliche Radioaktivität Die Kernspaltung Beschießt man Uran 235 mit langsamen Neutronen, so spaltet sich der Kern in den von Krypton 89 und Barium 144 und 3 schnellen Neutronen. Hierbei wird auch Energie frei. 235 92 U 144 1 01 n 89 Kr Ba 3 36 56 0 n E Die Kettenreaktion Die bei der Kernspaltung eines U-235-Kerns freigesetzten 2 bis 3 Neutronen können sofort wieder die Spaltung von 2 bis 3 weiteren Urankernen verursachen (sofern sie auf solche Kerne treffen), wobei dann _________ Neutronen freigesetzt werden, die wiederum neue Urankerne spalten können usw. Durch die von Generation zu Generation zunehmende Neutronenzahl setzt sich die Kernspaltung lawinenartig durch die ganze Uranportion fort; es findet eine ___________________________ statt. Dabei werden ungeheuere Mengen an Energie in kürzester Zeit freigesetzt (Atombombe) (Die Erfahrung zeigte, dass für das Zustandekommen einer Kettenreaktion eine Mindestmasse (______________________ ) an spaltbarem Material vorhanden sein muss. Bei einer zu geringen Masse entweichen zu viele ___________________ durch die _________________ , ohne dass sie eine Spaltung bewirkt haben. 8 von 15 (Atomphysik) Erzeugung künstlicher radioaktiver Elemente Durch den Beschuss von in der Natur vorkommenden Elementen mit hochenergetischen Teilchen (Sie werden in Linearbeschleunigern, Zyklotronen und Synchrotronen oder bei radioaktiver Strahlung erzeugt) lassen sich neue, sowohl kurz- als auch langlebige Elemente (Transurane) erzeugen, die wegen ihrer Unbeständigkeit zu radioaktiven Strahlern werden. 238 92 U Beispiel: 1 241 0 24 He 241 94 Pu 0 n 95 Am 1 e Die Kernfusion Neben der Aufspaltung eines großen Atomkerns in kleinere Bruchstücke ist umgekehrt auch die Vereinigung kleiner Kerne zu einem größeren Kern möglich (Kernverschmelzung, Kernfusion) Dieser Vorgang findet in der Sonne (und jedem anderen Stern) statt. Voraussetzung für die Fusion von Kernen ist, dass die Kerne mit höchster Geschwindigkeit aufeinander zurasen, damit die Abstoßungskräfte überwunden werden. Diese Voraussetzung ist erfüllt bei sehr hohen Temperaturen und hohen Drücken, wie sie z. B. im Inneren der Sonne herrschen (etwa 20 Millionen Grad Celsius; bei diesen Temperaturen ist die Materie plasmaförmig, d. h. die Atome sind so schnell, dass sie sich beim Zusammenprall gegenseitig die Elektronen aus der Hülle schlagen) Auf Grund der sehr hohen Temperatur und des sehr hohen Drucks, der für die Kernfusion erforderlich ist, kann man sie auf der Erde nur sehr schwierig „nachmachen“: es sind Temperaturen von 100 000 000 oC erforderlich, damit die Kerne eine genügend hohe kinetische Energie haben, um die abstoßenden Kräfte überwinden zu können. An einer Nutzung für die Energieversorgung wird zwar gearbeitet, die Verwirklichung liegt aber noch in weiter Ferne (Ob sie je in großem Stil zur Energie“gewinnung“ genutzt werden kann, ist fraglich. Sollte dies gelingen, so wären damit die Energieversorgungsprobleme der Erde für alle Zeit gelöst, da das Ausgangsmaterial für die Fusion (leichte Kerne, z. B. Wasserstoff) unbegrenzt verfügbar sind ) 9 von 15 (Atomphysik) Tritiumkern Deuteriumkern fliegen mit hoher Geschwindig-keit aufeinander zu Verschmelzung = Fusion 4. Gefahren und Nutzen der radioaktiven Strahlung 4.1 Strahlenquellen, -Belastung und -Schäden Radioaktive Strahlung ist ständig präsent. Kosmische Strahlen erzeugen in der Lufthülle - und -Strahlung, terrestrische Strahlung findet man u. a. in allen Gesteinen und Pflanzen. Treffen radioaktive Strahlen auf Materie, so werden einzelne Elektronen aus den Atomhüllen herausgeschlagen, es entstehen somit Ionen. Diese ionisierende Strahlung kann zu Veränderungen von Körperzellen und damit zu Erbschäden, Missbildungen oder Krebs führen. Bei der Wirkung der Strahlung auf den Menschen unterscheidet man zwischen der inneren Strahlung, die durch die Nahrungsaufnahme oder die Atemluft in den Körper gelangt und sich dort in den Organen oder Knochen ablagert, und der äußeren Strahlung, die vor allem in Form von -Strahlen tief in das Gewebe eindringt und dort -Strahlen erzeugt. Die Wirkung der Strahlung auf den menschlichen Körper hängt ab von der Art und Energie der Strahlung, der Dauer der Strahlung und ihre zeitliche Verteilung (eine kurzzeitige Bestrahlung ist gefährlicher als die gleiche Strahlungsenergie über längere Zeit verteilt) sowie der Empfindlichkeit des Organs (Organe sind anfälliger als Muskeln und Knochen). 10 von 15 (Atomphysik) 4.2 Strahlenschutz Beim Umgang mit radioaktiven Präparaten sollte auf den richtigen Abstand, eine geeignete Abschirmung (dicke Bleiplatten sind am besten) und auf den Schutz der Atemwege sowie der Haut geachtet werden. Die Dauer der Bestrahlung muss möglichst gering sein. 4.3 Anwendungen radioaktiver Stoffe In der Medizin benutzt man radioaktive Stoffe zur Behandlung von Krankheiten und zur Diagnose. Krebszellen werden durch ionisierende Strahlung zerstört. Durch Zufuhr von radioaktiven Stoffen (z. B. Jod 131) in den Körper kann von einem Organ (z. B. Schilddrüse) ein Bild (Szintigramm – siehe Bild) zur Krankheitserkennung erstellt werden. In Industrie und Technik nutzt man die Strahlung zur gezielten Veränderung der Eigenschaften von Materialien und zur Qualitätsprüfung (z. B. Schweißnähteüberprüfung). Die umstrittene Konservierung von Lebensmitteln durch Bestrahlung ist ein weiteres Anwendungsbeispiel. 4.4 Kernkraftwerke Im Reaktorkern werden die, beim radioaktiven Zerfall freiwerdenden schnellen Neutronen beim Druckwasserreaktor von dem Moderator Wasser abgebremst und die Anzahl der Neutronen, die weitere Zerfälle verursachen, durch die Regelstäbe gesteuert, so dass eine kontrollierte Kettenreaktion stattfindet. Das Wasser im Druckbehälter nimmt die, bei der Kettenreaktion entstehende Wärme (300°C bei 150 bar) auf und gibt sie im Wärmetauscher an weiteres Wasser ab, welches hierbei zu Wasserdampf wird und somit die Wärmeenergie über eine Turbine in elektrische Energie im Generator umgewandelt werden kann. Der erzeugte Wasserdampf kondensiert im Kondensator und das entstehende Wasser kann wieder erhitzt werden. 11 von 15 (Atomphysik) Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor Sicherheitsvorkehrungen im KKW Bei der Kernspaltung entstehen auch stark radioaktive Spaltprodukte, welche auch das umgebende Material bestrahlen und somit von all diesen Stoffen die große Gefahr der Radioaktivität ausgeht. Aufwendige Sicherheitsmaßnahmen sind demnach notwendig, um ein Austreten von radioaktiver Strahlung in die Umwelt zu verhindern. 12 von 15 (Atomphysik) ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ Die Brennstoffhüllen sollen verhindern, dass Spaltprodukte austreten. Der Druckbehälter muss einem Druck von mehr als 150 bar standhalten. Die Betonmauer schirmt das weitere Gebäude vor Strahlung ab. Der Sicherheitsbehälter aus Stahl, der noch zusätzlich von einer Blechhaut umgeben ist, schützt zusätzlich vor dem Austritt von Strahlung. Das Reaktorgebäude aus Stahlbeton bietet einen Schutz vor Gefahren von außen. Die Filter für Abwässer und Abluft sondern radioaktive Partikel aus. Nutzanwendung radioativer Strahlung – weitere Beispiele - Altersbestimmung archäologischer Objekte mit der C-14-Methode diagnostische Zwecke: - (_____________________________) _______________________________ Medizin therapeutische Zwecke: (________________________________) _______________________________ - Gentechnik: _________________________________________________________ - Messtechnik: _________________________________________________________ _________________________________________________________ - Energieversorgung: ____________________________________________________ Beispiel: _________________________ radioaktives Präparat Zählrohr Zählrohr Die Intensität der durchgelassenen Gammastrahlung nimmt mit zunehmender Dicke des Prüfstücks _____ 13 von 15 (Atomphysik) Beispiel: _________________________ Zählrohr - Veredelung von Kunststoffen durch ß-Strahlung: bewirkt ein __________________ von Molekülketten; dadurch werden bestimmte Kunststoffe _____________________ _______________________________________________ - Abtötung von Keimen (Bakterien, Viren usw.) = ________________________ z. B. ____________________________________________________________________ - Konservierung von Lebensmitteln 5. Aufgaben 1. Die radioaktive Substanz Protactinium ist ein Zwischenprodukt der Uran-Radium-Zerfallsreihe und entsteht nach folgendem Zerfallsschema: 238 92 U 234 234 234 90 Th 91 Pa 92 U Formuliere zu jedem der drei angegebenen Zerfallsschritte die zugehörige Reaktionsgleichung, und gib jeweils die Art der dabei auftretenden Strahlung an. 2. 0 In einem Experiment wird für die radioaktive Substanz Protactinium mit einem Zählrohr die Impulsrate in Abhängigkeit von der Zeit gemessen. Dabei werden nach jeweils 20 Sekunden die für ein Zeitintervall von 10 Sekunden registrierten Impulse abgelesen. Es ergeben sich folgende Messwerte: Zeit in s Impulsrate in 0 1 10s 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 955 785 648 535 440 364 300 247 205 160 141 Der Nulleffekt beträgt am Ort des Experiments 30 Impulse/min. 3. 1 Erkläre, was man unter dem Nulleffekt versteht und warum dieser an verschiedenen Orten unterschiedlich sein kann. 2 Stelle in einer Tabelle die um den Nulleffekt bereinigten Impulsraten in Abhängigkeit von der Zeit t dar, und werte diese Tabelle graphisch aus. 3 Ermittle aus der graphischen Darstellung die Halbwertszeit des Protactiniumpräparats. Welche Arten von Schädigungen für den menschlichen Körper können bei der radioaktiven Strahlung auftreten? 14 von 15 (Atomphysik) 4. 1 2 Der Zerfall eines radioaktiven Elements ist im nebenstehendem Diagramm dargestellt. Gib die zugehörige Zerfallsgleichung an. Welcher physikalische Vorgang spielt sich im Atomkern bei der Aussendung von -Strahlung ab? 15 von 15 (Atomphysik)