Kernphysik 05 (Detektion von radioaktiver Strahlung)

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11.4 Detektion von radioaktiver Strahlung
Jegliche radioaktive Strahlung die beim radioaktiven Zerfall von instabilen Atomkernen entsteht ist
unsichtbar. Dies gilt sowohl für die Alpha- und Betastrahlung, als auch für die Gammastrahlung. Der
erste Nachweis dieser unsichtbaren Strahlung gelang Henri Becquerel mit Hilfe von fotographischen
Platten. Diese wurden durch die radioaktive Strahlung belichtet und es entstanden dunkle Flecken an
den Stellen auf den Fotoplatten an denen radioaktive Präparate wie zum Beispiel Uransalze
positioniert wurden. Zur genaueren Untersuchung der radioaktiven Strahlung sind Fotoplatten
jedoch ungeeignet, da diese über sehr lange Zeiträume belichtet werden müssen. Im folgenden
Kapitel sollen nun vier Messgeräte zum Nachweis und zur Untersuchung von radioaktiver Strahlung
vorgestellt werden.
11.4.1 Die Wilsonsche Nebelkammer
In einer Wilsonschen Nebelkammer wird ein Tuch oder ein Filzlappen am Boden der Kammer mit
einem Gemisch aus Alkohol und Wasser angefeuchtet. In der Nebelkammer wird ein radioaktives
Präparat positioniert und die Kammer mit einem durchsichtigen Kunststoffdeckel luftdicht
verschlossen.
[66] DESY Nebelkammer
© M.Brennscheidt
Mit einer Luftpumpe kann nun ruckartig Luft aus der Nebelkammer abgepumpt werden. In der
Nebelkammer entsteht hierdurch ein Unterdruck wodurch ein Teil des Alkohol-Wasser-Gemischs in
den gasförmigen Zustand übergeht. Dieser Alkohol-Wasser-Dampf ist immer noch unsichtbar.
Emittiert jedoch das radioaktive Präparat in der Nebelkammer ein Alpha- oder Betateilchen, so
bilden sich im Dampf feine nebelförmige Spuren, ähnlich zu den Kondensstreifen von Flugzeugen.
Diese Nebelspuren entstehen, wenn die Alpha- oder Betateilchen auf ihrem Weg durch die
Nebelkammer, Moleküle des Alkohol-Wasser-Dampfes ionisieren. An die positiv geladenen Ionen
lagern sich in kugelförmigen Schalen die in der Nähe befindlichen Wasserdipole an. Dieser Effekt wird
Kondensation genannt. Entlang der gesamten Flugbahn der Alpha- bzw. Betateilchen entstehen auf
diese Weise winzige Wassertröpfchen, die in Form von Nebelspuren für das menschliche Auge
sichtbar werden.
Mit Hilfe der Wilsonschen Nebelkammer ist es möglich nachzuweisen, dass Alpha- und Betateilchen
elektrisch geladen sind. Hierzu wird die Kammer in einem homogenen magnetischen Feld
positioniert. Durch das magnetische Feld werden die Alpha- und Betateilchen auf Kreisbahnen
abgelenkt (Lorentzkraft). Aus der Ablenkrichtung und dem Radius der Kreisbahn, kann dann auf die
Energie der Teilchen geschlossen werden.
11.4.2 Die Ionisationskammer
Ein großer Nachteil der Wilsonschen Nebelkammer ist es, dass keine Messungen der Intensität der
radioaktiven Strahlung möglich ist. Dieser Nachteil wird in einer sog. Ionisationskammer behoben.
Eine Ionisationskammer besteht aus einem mit Gas gefüllten, meist zylinderförmigen Gehäuse, in
dem sich ein Plattenkondensator befindet. Zwischen den Platten wird eine regelbare Hochspannung
angelegt.
© M.Brennscheidt
Trifft radioaktive Strahlung auf die Gasatome in der Ionisationskammer so können einige Gasatome
durch die radioaktive Strahlung ionisiert werden, das heißt es werden Elektronen vollständig aus der
Atomhülle der Gasatome herausgelöst (Stoßionisation). Die dabei entstehenden positiv geladenen
Ionen werden im elektrischen Feld zwischen den Kondensatorplatten in Richtung der negativ
geladenen Platte beschleunigt. Die Anzahl der auf der negativen Platte auftreffenden positiven Ionen
kann nun mit einem sehr empfindlichen Messgerät (Amperemeter mit Messverstärker) in Form eines
Entladungsstrom gemessen werden.
Die an den Kondensatorplatten angelegte Spannung muss sehr hoch sein, damit die Ionen möglichst
stark in Richtung der negativ geladenen Platte beschleunigt werden. Würden sich die Ionen nur
langsam bewegen, so könnten sie auf dem Weg zur negativ geladenen Platte mit freien Elektronen
rekombinieren und würden somit nicht mehr gemessen. Erst bei einer hinreichend hohen Spannung
und damit bei einer hinreichend hohen Feldstärke im Kondensator tragen sämtliche, durch die
radioaktive Strahlung ionisierten Gasionen zum Entladungsstrom bei. Die Stromstärke erreicht in
diesem Fall einen Sättigungswert (siehe Diagramm). Eine weitere Erhöhung der Spannung führt,
nachdem der Sättigungswert erreicht ist, nicht mehr zu einer weiteren Erhöhung der
Entladungsstromstärke, da diese nun nur noch durch die die Anzahl der Ionisationsvorgänge in der
Kammer bestimmt wird.
Der Sättigungswert der Entladungsstromstärke ist somit ein Maß für die Fähigkeit eines radioaktiven
Präparates Gasatome zu ionisieren.
Da die ionisierende Wirkung je nach radioaktivem Präparat unterschiedlich ist, unterscheidet sich
jeweils auch der Sättigungswert des Entladestroms.
Auf diese Weise kann mit der Ionisationskammer die ionisierende Wirkung und damit die
„Gefährlichkeit“ von radioaktiver Strahlung bestimmt werden.
11.4.3 Das Geiger-Müller-Zählrohr
© M.Brennscheidt
Das bekannteste und am häufigsten verwendete Messgerät zur Detektion von radioaktiver Strahlung
ist das Geiger-Müller-Zählrohr, kurz Geiger-Zähler. Der Aufbau des Geiger-Müller-Zählrohr ähnelt
stark dem Aufbau einer Ionisationskammer.
Auch das Geiger-Müllerzählrohr besteht aus einem zylinderförmigen Gehäuse aus Aluminium das mit
einem Edelgas (in der Regel Argon) gefüllt ist. An einer Seite des Zählrohrs befindet sich ein
strahlungsdurchlässiges Fenster aus Glimmer oder Mylar. In der Mitte des Zylinders befindet sich ein
gerader Anodendraht. Zwischen Gehäuse und Anodendraht wird wie in der Ionisationskammer eine
Hochspannung angelegt. Wichtig: Der Anodendraht ist dabei positiv geladen. Gelangt nun radioaktive
Strahlung durch das Eintrittsfenster, so kann diese durch Stoßionisation einige Gasatome im Zählrohr
ionisieren. Die bei der Ionisation freiwerdenden Elektronen werden durch das elektrische Feld
zwischen Gehäuse und Anodendraht stark in Richtung des Anodendrahts beschleunigt. Dabei nimmt
die kinetische Energie der Elektronen so stark zu, dass sie weitere Atome ionisieren können. Auf
diese Weise kommt es zu einem lawinenartigen Anstieg der Anzahl der Ladungsträger im Zählrohr
(Gasentladung). Die Elektronenlawine kann in Form eines Stromstoßes von einem Messgerät
registriert werden. Der Stromstoß wird elektronisch verstärkt und von einer Zählerschaltung
registriert. In Form eines akustischen Signals (Knacken) kann die Messung eines Ionisationsvorgangs
signalisiert werden.
Nachdem eine Elektronenlawine im Geiger-Müller-Zählrohr gemessen wurde, ist der Raum um den
Anodendraht aufgrund der hohen Anzahl an Gasionen positiv geladen. Das elektrische Feld im Raum
um den Anodendraht wird somit abgeschirmt und es kann für kurze Zeit nicht zu einer weiteren
Gasentladung kommen. Erst wenn die „Ionenwolke“ zur Kathode (Gehäuse) gewandert ist kann der
Prozess erneut ausgelöst werden. Die Zeitspanne in der das Geiger-Müller-Zählrohr aus diesem
Grund nicht messen kann wird mit „Totzeit“ bezeichnet. Die Messergebnisse von Geiger-MüllerZählrohren müssen somit unter Berücksichtigung der Totzeit korrigiert werden.
© M.Brennscheidt
Totzeitkorrektur:
Dabei ist
Zählrate.
die gemessene Zählrate,
die Totzeit des Geiger-Müller-Zählrohrs und
die korrigierte
Anmerkung: Auch wenn sich keine radioaktiven Präparate in der Nähe des Geiger-Zählers befinden
registriert das Zählrohr in unregelmäßigen Zeitabständen Impulse. Diese entstehen durch
ionisierende Strahlung aus dem Weltall, oder durch natürliche bzw. durch den Menschen
hervorgerufene Hintergrundstrahlung. Die Anzahl der Impulse bezeichnet man in diesem Fall mit
Nullrate oder Nulleffekt. Bei genauen Messungen muss die Nullrate von den Messwerten subtrahiert
werden.
11.4.4 Der Szintillationszähler
In einem Szintillationszähler wird radioaktive Strahlung mit Hilfe eines Szintillationskristalls zum
Beispiel aus Natriumiodid oder Zinksulfid detektiert. In diesem Kristall werden durch radioaktive
Strahlung Atome des Kristallgitters in einen angeregten Zustand versetzt. Beim Übergang in den
Grundzustand emittieren diese angeregten Atome Licht, in Form von Photonen bzw. Lichtblitzen.
Diese „Lichtblitze“ treffen nun wiederum auf eine lichtempfindliche Fotokathode hinter dem Kristall
in der aufgrund des Photoelektrischen Effekts Elektronen herausgelöst werden. Diese Elektronen
werden in einem Sekundärelektronenvervielfacher (SEV) beschleunigt und vervielfacht
(Verstärkungsfaktor ca. 108).
In einem elektronischen Messgerät (Vielkanalanalysator VKA) werden die Elektronen in Form eines
Spannungsimpulses gemessen. Die Stärke des Spannungsimpulses ist dabei proportional zur Energie
der ionisierenden Strahlung. Mit einem Szintillationszähler können somit Energiespektren von
radioaktiver Strahlung aufgenommen werden.
© M.Brennscheidt
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