Thomas A. Bauer Zweitwissenschaft oder Erschließungsperspektive? - Zur Relevanz der pädagogischen Intervention in der Kommunikationswissenschaft. (aus: Medienpädagogik in der Kommunikationswissenschaft, Ingrid Paus-Haase, Claudia Lampert, Daniel Süss (Hrsg.), Wiesbaden 2002) Abstract Wie manifestieren sich Wirklichkeiten in Medien? Wie erfolgt die medienpädagogische Beobachtung der Gesellschaft? Schafft es die Medienpädagogik, zu einer eigenständigen Wissenschaft zu avancieren? Schlagwörter Natürliche und soziale Wirklichkeiten, Kommunikationssinn, Referenzsystem, Praxeologie, Medienpädagogik, Kommunikations- und Kulturwerte, Sollbruchstelle, Konstruktion von Wirklichkeit Raphaela Rainer, 0206680 Dagmar Schilk, 0204134 696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur Univ.-Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, , WS 2004/2005 Zweitwissenschaft oder Erschließungsperspektive? Zur Relevanz der pädagogischen Intervention in der Kommunikationswissenschaft Mediengebrauch ist Konstruktion von Wirklichkeit im Rückgriff auf Erfahrungen und Referenzsysteme (Einstellungen) für die Einordnung von Erfahrungen.1 Natürliche und soziale Wirklichkeiten werden mittels symbolischen Handelns erworben, das auch Entscheidungen inkludiert. Es kommt des Weiteren zu einer Komplementarität zwischen der technischen und der zwischenmenschlichen Kommunikation, die sich gegenseitig ergänzen, ausbauen und verändern. Der Blickwinkel zur Realität ist nie völlig objektiv, sondern man bemustert die Realität immer aus seiner eigenen, persönlichen Perspektive. In diesen Bereich greift die Medienpädagogik ein, sei es, dass sie befürchtete Verluste (Werte, Normen, Selbstkompetenz) kompensieren oder dass sie den potenziellen Gewinn (Werte, Erfahrungen, Entwicklungen) sichern möchte.2 Wir erfahren und bilden die Welt in uns und um uns über unsere Sinnessysteme, wobei diese keine passiven Imputmechanismen sind, sondern prozessieren (modulieren) durch ihre vielfältigen, neuronalen Verbindungen (neuronale Vernetzung) die innere Repräsentation der Außenwelt und deren Verarbeitung und somit auch die Reaktionen auf die jeweilig gemachten Erfahrungen (externes Verhalten/ internes Verhalten) prozessieren (modulieren).3 1 Paus-Haase, S. 21 2 Paus-Haase, S. 23 3 Schütz, S.53 Medienpädagogik bewegt sich immer auf einem Drahtseilakt zwischen Pädagogik und Kommunikationswissenschaft. Doch bis jetzt kam es in der Medienpädagogik noch zu keiner sensationellen Erkenntnis, die alle bisherigen Theorien aus verwandten Wissenschaften wie z.B. der Medienpsychologie, Mediensoziologie, empirischen Medien- und Wirkungsforschung oder der Sozialisations- und Kulturforschung radikal in den Schatten stellen würden. Die Methoden der Medienpädagogik bestehen aus offenen Modellen, die nicht durch Interventionen bestimmt werden, sondern durch die Kommunikation an sich. Diese Bedingung räumt der Pädagogik im Allgemeinen, der Medienpädagogik in Besonderen, die Position der Beratung von (und zur) Beobachtung ein, die sich als kommunizierte Beobachtung der Gegenwart und des Aktuellen, nicht aber als Bewertung aus der Position von Beteiligten (Partner der Beobachtung) wieder finden. So unterbindet man pädagogische Überfremdung. Die heutige Gesellschaft verspricht sich von der Kommunikationswissenschaft, sich mittels verschiedener Medien selbst zu beobachten. Von Erklärungsmodellen wie z.B der Gatekeeperoder Agenda Setting- Ansatz wird erwartet, nicht nur Realität zu beschreiben, sondern auch sich über besagte Realitäten hinwegzusetzen. Das (individuelle und/oder gesellschaftliche-kollektive) Gelingen oder Scheitern von Kommunikation kann daher aus der Logik (Praxeologie) von Entscheidungsabläufen, Entscheidungskriterien und Entscheidungshintergründen problematisiert werden.4 Die selbständige Aktivierung und das eigenverantwortliche Handeln der Medienpädagogik resultiert aus einem avanciertem Bildungs- und Kulturbewusstsein der heutigen Gesellschaft, das sich in den kulturellen Welten jedes Individuums manifestiert. 4 Paus-Haase, S. 24 Kultur ist dabei nie statisch, sondern permanent in einem dynamischen Wandel. Die Pädagogik fokussiert sich des Weiteren auf gesellschaftlich anerkannte Werte aus sowohl Kultur als Kommunikation, die miteinander in Verbindung gebracht werden müssen. Sie definiert sich als Sollbruchstelle der Medien- und Kommunikationskultur, um sich mittels ihr innewohnenden Theorien der Praxis zu nähern. In diesem Sinne ist Medienpädagogik die Erschließungsperspektive einer kulturtheoretisch sich verstehenden kommunikationswissenschaftlichen Analyse von Medien. Sie hat die Position einer intrinsischen Arbeitsperspektive der Kommunikationswissenschaft, nicht die einer auf- oder nachgesetzten Zweitverwendung von Kommunikationswissenschaft für pädagogische Zwecke.5 Abschließend kann man zusammenfassend sagen, dass es hierbei um die Wahrnehmung und Reflexion von Möglichkeiten und Grenzen der heutigen gesellschaftlichen Kommunikation geht, um dann mit kritischer Überzeugung Medien zu verwenden. 5 Paus-Haase, S. 31 Literatur Paus- Haase, Ingrid et al. (2002) Medienpädagogik in der Kommunikationswissenschaft. S. 21-30. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Schütz, Peter et al. (2001) Theorie und Praxis der neurolinguistischen Psychotherapie. S.53 Paderborn: Junfermann