4. BPA - Polizeischule Seminararbeit Im Aufbaukurs - Ausbildung zum gehobenen Polizeivollzugsdienst - PKA Lämmle Andreas 2002-PKA Amtsbezeichnung Name Vorname Klasse Fach: Fachbereich 1 Thema: Linksterrorismus in der BRD am Beispiel Rote Armee Fraktion (RAF) Bearbeitungszeit von: 14.10.2002 bis: 31.01.2003 Abgabe am: 31.01.2003 Fachlehrer (Lernbegleiter): Klassenlehrer: ... ... Bewertung: Note Begründung: ________________, den ___________ _________________________ Unterschrift des Fachlehrers Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 2 Fachlicher Teil 3 1 Einleitung 3 2 Entstehung 3 3 Die Erste Generation 5 3.1 Protagonisten 5 3.2 Ideologie 6 3.3 Logistik 7 4 Die Zweite Generation 4.1 Protagonisten 9 9 5 Die Dritte Generation 12 6 Auflösung 13 7 Aktueller Bezug 14 Literatur- und Quellenverzeichnis 15 Anhang 17 I Aktionen der Ersten Generation 17 II Aktionen der Zweiten Generation 19 III Aktionen der Dritten Generation 22 IV Bilder 23 Erklärung 24 Fachlicher Teil Polizeischule Lahr Fachlicher Teil 1 Einleitung Die RAF ist wieder da! 25 Jahre nach dem Höhepunkt ihrer terroristischen Aktivität, der Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer in Köln, und 4 Jahre nach ihrer offiziellen Auflösung ist das Interesse fast grösser als zu ihrer aktiven Zeit. Die Rote Armee Fraktion, die die Bundesrepublik 28 Jahre in Atem hielt mit ihren Aktionen, Anschlägen und Morden ist wieder präsent in Funk und Fernsehen, sitzt in Talkshows und gibt Radio-Interviews. Ulrike Meinhofs Gehirn ist plötzlich wieder von Bedeutung, das Modelabel Tussi Deluxe widmet ihr mit "Prada-Meinhof" eine eigene Kollektion, es werden Filme gedreht, die Titel tragen wie "Starbuck Holger Meins" und das Leben von Andreas Baader findet in „Baader – Der Film“ seinen Leinwandauftritt. Ich werde versuchen folgende Frage anhand eines geschichtlichen Überblicks zu klären: Was macht den Reiz dieser Tage an dieser Organisation aus? 2 Entstehung Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sieht die Linke in Deutschland den Weg endlich für eine antinazistische, demokratische und vor allem sozialistische Gesellschaft geebnet. Mit umso grösserem Schrecken erkennt sie, dass das gemeine Volk sich in der Folge nicht hin zum Kommunismus wendet, sondern vielmehr auf die Wiederherstellung seiner kapitalistischen Verhältnisse bedacht ist. Als die Regierung Adenauer gar Anfang der 50er-Jahre die Remilitarisierung beschliesst und die KPD ganz verbietet ist es schlecht bestellt um die Linken in Deutschland und ihre Ideale, geschweige denn deren Verwirklichung. 1955 folgt der Eintritt der Bundesrepublik in die NATO, 1956 wird die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt, 1959 verabschiedet sich die SPD endgültig von ihren sozialistischen Wurzeln und sieht sich nun vielmehr als "Volkspartei" mit dem primären Ziel einer Regierungsbeteiligung. Zu diesem Zeitpunkt haben die ehemaligen NS-Funktionäre Verfasser: Andreas Lämmle Seite 3 von 24 Fachlicher Teil Polizeischule Lahr weiterhin ihre Führungspositionen inne und Parteien wie die NPD finden sich in zahlreichen Länderparlamenten wieder. Wenn nun der Weg für etwas geebnet ist, dann für Rebellion und Aufstand seitens der Linken. Es bildet sich in den 60er-Jahren eine Art konterrevolutionäre Opposition. Die SPD kappt im Zuge ihres Schnitts mit ihren sozialistischen Wurzeln jedwede Beziehung zum Sozialitischen Deutschen Studentenbund (SDS) und so beruft dieser sich in der Folge hauptsächlich auf Marx und Lenin. Für viele Jugendliche im Lande ist der kapitalistische, autoritäre und überaus spiessige Charakter der Gesellschaft Anlass für Revolten, lange vor den Studentenrevolten Ende der 60er-Jahre. Der Vietnamkrieg, später wichtigster Bezugspunkt für die Studentenbewegung erzürnt weiter die gewaltbereiten Kreise. Innerhalb des SDS hat zu diesem Zeitpunkte der antiautoritäre Zirkel die Vorherrschaft erlangt, namentlich Rudi Dutschke und Gefolge, der wenig später quasi als erste Amtshandlung zur Gründung der Ausserparlamentarischen Opposition (APO) aufruft. Die Polizei verhindert am 5. April 1967 in letzter Minute das sog. "Pudding-Attentat" seitens des Studentenkollektivs der "Kommune 1" auf den damaligen USPräsidenten Hubert Humphrey. Der Axel-Springer-Verlag ("Bild") macht daraus prompt einen "Bombenanschlag" und forciert ihre Hetze gegen die Jugend- und Studentenbewegung. Der SDS beschliesst kurzerhand, gegen den Springerverlag vorzugehen und es kommt zu Ausschreitungen, u.a. auf der Frankfurter Buchmesse. Am 2. Juni 1967 wird Student Benno Ohnesorg auf einer Demonstration gegen den Besuch des Schah von Persien vom Polizeibeamten Karl-Heinz Kurras mit Kopfschuss getötet. Kurras wird später freigesprochen, da ihm keine Tötungsabsicht nachgewiesen werden kann, der Schuss habe sich, laut Kurras, versehentlich gelöst. Dieses Ereignis zieht wiederum eine Reihe von Unruhen nach sich und eine RAFähnliche Organisation wird wenige Jahre später unter dem Namen "Bewegung 2. Juni" subversive Aktionen verüben, um sich später dann ganz der RAF anzuschließen. Am 2. April 1968 explodieren in den Frankfurter Kaufhäusern Kaufhof und Schneider Brandsätze. Als ein Protest gegen "die Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber Verfasser: Andreas Lämmle Seite 4 von 24 Fachlicher Teil Polizeischule Lahr den Morden in Vietnam", anlässlich des "Massakers von My Lai", bei dem USTruppen die Bewohner eines ganzen Dorfes hingerichtet hatten, gelegt von Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein, die drei Tage später verhaftet werden können. 3 Die Erste Generation Logo siehe Anhang IV Die "Kaufhausbrandstifter" werden im Mai 1969 nach einem Revisionsantrag vorläufig aus der Haft entlassen. Baader flüchtet daraufhin zusammen mit Gudrun Ensslin und Astrid Proll nach Frankreich. Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik wird Baader im April 1970 erneut verhaftet. Am 14. Mai 1970 folgt nun das Ereignis, was als die Geburtsstunde der RAF gilt: Die Journalistin Ulrike Meinhof erbittet ein Treffen mit Baader, um mit ihm zusammen an einem Buch über sozial benachteiligte Jugendliche zu schreiben. Baader wird daraufhin ins Institut für soziale Fragen nach Berlin-Dahlem gebracht, um dort Meinhof treffen zu können. Plötzlich stürmen 2 Vermummte (vermutlich Gudrun Ensslin und Holger Meins) herein, schiessen einen Wachposten nieder und flüchten mit Baader und Meinhof aus dem Fenster. 3.1 Protagonisten Andreas Baader, (06.05.1945 - 18.10.1977) geboren in München, Vater Dr. Berndt Phillipp Baader Historiker und Archivar geriet 1945 in Kriegsgefangenschaft und blieb vermißt. Mutter Anneliese blieb unverheiratet. Baader studiert soziale Fragen, interessiert sich für Literatur und Philosophie und hat Vorstrafen wegen zahlreicher Verkehrsdelikte. Bild siehe Anhang IV Ulrike Meinhof, geb. am 7. Oktober 1934 in Oldenburg, Vater evangelischer Theologe stirbt 1939, Mutter Ingeborg stirbt 1948 an Krebs. Meinhof wächst unter Vormundschaft der Historikerin Prof. Renate Riemeck auf und besucht eine katholische Schule in Oldenburg. Später Studium der Philosophie, Pädagogik, Soziologie und Germanistik und Sprecherin des ,,Anti-Atomtod-Ausschuss" des SDS. 1959-1969 Mitarbeiterin der linken Zeitschrift ,,konkret", von 1962-1964 Chefredakteurin, 1961-1968 Ehe mit Klaus-Rainer Röhl, 2 Kinder. Bild siehe Anhang IV Verfasser: Andreas Lämmle Seite 5 von 24 Fachlicher Teil Polizeischule Lahr Gudrun Ensslin, geb. 15.8.1940 in Bartholomä (Schwäbische Alb), Vater evangelischer Pfarrer. Ensslin gründet 1963 zusammen mit ihrem Verlobten Bernward Vesper einen Kleinverlag und studiert an der FU. Bild siehe Anhang IV Holger Meins, geb. August 1941, Film-Student in Berlin. 1971 gelangt er zur RAF, wird 1972 festgenommen und stirbt am 11. November 1974 an den Folgen eines Hungerstreiks. Jan-Carl Raspe, geb. 24.7.1944, Ostberliner. Blieb während des Mauerbaus bei Onkel und Tante in Westberlin, Studium der Soziologie, Mitglied im SDS, Mitbegründer der Kommune II. 3.2 Ideologie "Es hat keinen Zweck, den falschen Leuten das Richtige erklären zu wollen. Das haben wir lange genug gemacht. Die Baader-Befreiungs-Aktion haben wir nicht den intellektuellen Schwätzern, den Hosenscheißern, den Alles-besser-Wissern zu erklären, sondern den potentiell revolutionären Teilen des Volkes. Das heißt, denen, die die Tat sofort begreifen können, weil sie selbst Gefangene sind. Die auf das Geschwätz der »Linken« nichts geben können, weil es ohne Folgen und Taten geblieben ist. Die es satt haben. (...) Denen habt ihr zu sagen, daß wir die Rote Armee aufbauen, das ist ihre Armee. Denen habt ihr zu sagen, daß es jetzt losgeht." 1 Im Juni 1970 befindet sich die Gruppe zwar noch in Berlin, plant aber, die Stadt gleich nach einer öffentlichen Stellungnahme zur Baaderbefreiung in Richtung Jordanien zu verlassen, um sich dort von El Fatah, dem militanten Arm der PLO ausbilden zu lassen. In diesen Tagen erhält die engagierte linke Journalistin Michele Ray einen Anruf , bei dem ihr eine englische Stimme mit deutschen Akzent nahelegt, nach Berlin zu kommen, es gehe um "eine wichtige Sache, die die Linke betrifft!" Zu einiger Überraschung findet sie sich dort vis-à-vis Baader, Meinhof, Ensslin und Horst Mahler, einem linken Anwalt. Bei Tee und Erdbeeren führt Ray mit ihrer Kollegin Ulrike Meinhof ein Gespräch, das sie auf Tonband aufzeichnet und das der Spiegel 1 "Die Rote Armee aufbauen" - Erklärung zur Befreiung Baaders vom 5. Juni 1970 Verfasser: Andreas Lämmle Seite 6 von 24 Fachlicher Teil Polizeischule Lahr später abdruckt (Spiegel 25/1970). Zur Baader-Befreiung tut Meinhof folgendes kund: "Man kann sagen: aus drei Gründen. Erstmal natürlich deswegen, weil Andreas Baader ein Kader ist. (...) Das zweite ist, daß wir als erste Aktion eine Gefangenenbefreiung gemacht haben, weil wir glauben, daß diejenigen, denen wir klarmachen wollen, worum es politisch heute geht, welche sind, die bei einer Gefangenenbefreiung überhaupt keine Probleme haben, sich mit der Sache selbst zu identifizieren - insofern diejenigen proletarischen Familien oder der Teil des Proletariats, von dem wir glauben, daß er potentiell revolutionär ist, daß diese Leute gar keine Schwierigkeiten haben, sich mit der Gefangenenbefreiung zu identifizueren. (...) Das dritte ist, wenn wir mit einer Gefangenenbefreiung anfangen, dann auch deswegen, um wirklich klarzumachen, daß wir es ernst meinen. (...)"2 Im weiteren Verlauf des Interviews nimmt Meinhof Stellung zur Linken in Deutschland und der wirklichen Zielgruppe ihrer Aktionen, dem Proletariat. Bis zur Auflösung der RAF wird eines ihrer wichtigsten Ziele sein, das proletarische Volk auf ihre Seite zu bringen. "Aber die Organisation des Proletariats ist ein Popanz, wenn man nicht gleichzeitig anfängt, das zu machen, was wir jetzt tun, nämlich die Rote Armee aufbauen." 3 Die Bezeichnung "Fraktion", die sie wenig später hinzufügen und die zum Ausdruck bringen soll, dass es sich hierbei lediglich um einen Teil eines Ganzen handelt, komplettiert jenes Pseudonym, unter welchem die Gruppe fortan ihre Aktionen planen und ausführen sollte. Am Ende des Interviews veranschaulicht Meinhof die geplante Verfahrensweise mit einem ihrer grössten ideologischen Feindbilder, dem Polizeibeamten: "Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden, und natürlich kann geschossen werden! (...)"4 Spätestens am 22. Oktober 1971 sollte sich herausstellen, dass die Gruppe es wirklich ernst meint: Bei einer Personenkontrolle wird der Beamte Norbert Schmidt in Hamburg von der RAF erschossen, der Täter ist bis heute nicht bekannt. 2 Butz Peters – „RAF“ Seiten 82f 3 Butz Peters – „RAF“ Seiten 82f 4 Butz Peters – „RAF“ Seiten 82f Verfasser: Andreas Lämmle Seite 7 von 24 Fachlicher Teil Polizeischule Lahr 3.3 Logistik Wieder in Berlin kümmert man sich nun im August 1970 um den Aufbau einer Logistik. Als Vorlage hierfür gilt das "Handbuch des Stadtguerilla", des brasilianischen Guerillaführers Carlos Marighella. In diesem Buch beschreibt Marighella folgende Logistikformel: M-G-W-M-S (Motorisierung-Geld-WaffenMunition-Sprengstoff) Im Rahmen ihrer Umsetzung des Buchstabens "M" wie Motorisierung, schafft sich die Gruppe einen "Fuhrpark". Hierfür stehlen sie in Berlin knapp 18 Fahrzeuge, meist Mercedes Benz oder BMW. Alle Fahrzeuge bekommen neue Fahrgestellnummern, werden umgespritzt und / oder mit neuen Kennzeichen versehen. Hierfür entwickelt die RAF mit dem sog. "Dubletten"-Verfahren eine Methode, der gegenüber selbst die Polizei Jahre später einige Anerkennung zeigt. Eine "Dublette" ist ein Kennzeichen, das schon einmal existiert und zwar an einem Fahrzeug von genau demselben Typ und Farbe. Somit verliefe eine Kennzeichen-Überprüfung seitens der Polizei stets negativ. Geld beschafft man sich mit Banküberfällen. Eine ihrer Aktionen wird unter dem Namen "Dreierschlag" in die Kriminalgeschichte eingehen: 16 Mitglieder überfallen zur selben Zeit drei Banken in Berlin und erbeuten umgerechnet insgesamt 110.808 Euro. Aus dieser Kriegskasse werden im folgenden bezahlt: die Ausgaben der einzelnen Mitglieder, weitere Aktionen, im Verhaftungsfalle eines Mitglieds dessen Strafverteidigung oder eine etwaige Befreiungsaktion. Kassenwärtin ist Gudrun Ensslin. Waffen, Munition und Sprengstoff werden ebenfalls gestohlen. Im Rahmen von "Konspiration" erstellt man eine Liste mit Codenamen, mit denen man sich in der Folgezeit ausschliesslich anzusprechen gedenkt. Beispielsweise werden aus Andreas Baader "Hans", aus Gudrun Ensslin "Grete" und aus Ulrike Meinhof "Anna". Die Logistik stellt Grundlage dar für eine geplante "Offensive". Unter der "Offensive" versteht die Gruppe, eine Welle des Terrors zu schaffen und deren Vorbereitungen zu treffen. Sie hofft, dass sich dann "unterdrückte, revolutionäre Massen" erheben und sich ihnen anschliessen. Bis zum Frühling 1972 kümmert man sich in noch intensiverer Form um Vorbereitung und Logistik. Man beschafft sich Pässe, stiehlt rund 280 Autos, "frisiert" sie, überfällt Banken und Geldtransporte, mietet überall im Bundesgebiet Wohnungen und Garagen, bildet Verfasser: Andreas Lämmle Seite 8 von 24 Polizeischule Lahr Fachlicher Teil Schwerpunkte in Hamburg, Frankfurt, Stuttgart und Berlin. Die Waffen werden diesmal jedoch grösstenteils von der Fatah abgekauft oder mit falschen Papieren "legal" beschafft. Blankoformulare für Pässe, Stempel etc. beschafft sich die Gruppe mit Einbrüchen in Rathäuser. Erstmals kommt in dieser Zeit der Gedanke an eine Entführung auf. Man denkt damals an Willy Brandt. Für all diese Aktionen bedient sich die Gruppe Sympathisanten, wie beispielsweise aus dem Sozialistischen Patientenkollektiv (SPK) in Heidelberg. Hieraus stammen beispielsweise: Margrit Schiller, Gerhard Müller, Klaus Jünschke, Carmen Roll, Siegfried Hausner, Sieglinde Hofmann und Hanna Krabbe. Das SPK versteht sich als aussergewöhnliches Heilungsverfahren mit neuen Formen für die Behandlung seelisch kranker Menschen, die krank geworden sind durch die "spätkapitalistische Leistungsgesellschaft der BRD" und wird geführt vom Assistenzarzt Dr. Wolfgang Huber. Die RAF sollte bis zu ihrer Auflösung dieses Logistik-Konzept beibehalten. Ich werde also in der Folge darauf nicht mehr eingehen. "Offensive" / Aktionen siehe Anhang I 4 Die Zweite Generation Es folgt für die später sog. "Erste Generation" die Phase der Inhaftierung. Die Steigerung von Sicherheitsmassnahmen angesichts der RAF und deren Sympathisanten wird auch in der Folge beibehalten: In der JVA Stuttgart-Stammheim wird eigens für den Prozess gegen Baader, Ensslin, Raspe und Meinhof ein Gerichtsgebäude errichtet. Im Prozess gegen Astrid Proll wird das Prozessgebäude in Frankfurt zu einer Art Festung ausgebaut. Am 16. Januar des Jahres 1976 werden die ersten "Anti-Terror-Paragraphen" verabschiedet: beispielsweise §88a StGB (verfassungsfeindliche Befürwortung von Straftaten), §130a StGB (u.a. Besitz von Schriften, die die Gewalt befürworten) und vor allem §129a StGB (Mitgliedschaft, Werbung und Unterstützung in/für eine terroristische Vereinigung). Die RAF-Verteidiger werden, wo es nur geht, schikaniert (Rektaluntersuchungen, Suspendierungen, in den Medien werden sie als "die Drahtzieher der BaaderVerfasser: Andreas Lämmle Seite 9 von 24 Fachlicher Teil Polizeischule Lahr Meinhof-Bande" denunziert, die Gespräche mit den Gefangenen werden abgehört etc.) Die Gefangenen selber finden sich Sonderhaftbedingungen unterworfen, so bringt man Astrid Proll als erste im sog. "Toten Trakt" der JVA Köln-Ossendorf unter. In der Folge dieser strikten Einzelhaft wird ihr dreieinhalb Jahre später von den Ärzten Haftunfähigkeit bescheinigt. Vom 17. Januar bis zum 16. Februar 1973 treten 40 politische Gefangene in den ersten organisierten Hungerstreik, um gegen die Isolationshaft und die damit verbundene sensorische Deprivation zu protestieren. Vom 9. bis zum 12. Februar schliessen sich sieben Anwälte öffentlich, mit ihren Roben bekleidet vor dem BGH in Karlsruhe dem Hungerstreik an. Am 9.2. wird Ulrike Meinhof in eine Einzelzelle im Männertrakt verlegt und Andreas Baader entzieht man für fünf Tage das Trinkwasser. Angesichts zu erwartender toter Gefangener entwickelt man staatlicherseits ein Prinzip, das man bis zum Ende so anwendet: auf die Forderungen der Streikenden wird eingegangen, der Streik endet und man nimmt die Zusagen wieder zurück. Der zweite organisierte Hungerstreik, bei dem zum ersten Mal auch Zwangsernährung angewandt wird und an dem sich 80 Gefangene beteiligen, dauert vom 8. Mai 1973 bis zum 29. Juni. Ziel ist diesmal die Gleichstellung der politischen mit allen anderen Gefangenen sowie freie politische Information. Auch aufgrund des starken Drucks von Seiten der linken Öffentlichkeit hebt das Landgericht die Isolationshaft als Gewahrsamsmittel gerichtlich auf. Der dritte und längste Hungerstreik beginnt am 13. September 1974 und endet nach 145 Tagen am 5. Februar 1975. 40 Gefangene beteiligen sich und auf die Forderung nach gemeinsamen Freistunden und stundenweisem Umschluss wird in einigen Gefängnissen nachgegangen. Am 10.11.1974 stirbt Holger Meins an den Folgen des Streiks in der Haftanstalt Wittlich. Mit dauerhaften Haftverbesserungen kann man als Gefangener in dieser Zeit nur rechnen, wenn man sich entweder öffentlich von der RAF distanziert (wie zum Beispiel Horst Mahler 1974) oder als Kronzeuge auftritt (wie zum Beispiel Gerhard Müller 1975). Der Protest der Öffentlichkeit wächst, es kommt zu Ausschreitungen in rund 50 Städten und die "Bewegung 2. Juni" erschiesst am 10. November 1974 in West-Berlin den Kammergerichtspräsidenten Günter von Drenckmann beim Versuch, ihn zu entführen. Im Rahmen der darauf folgenden bundesweiten Fahndungsaktion "Aktion Winterreise" werden am 26. November 1974 Verfasser: Andreas Lämmle Seite 10 von 24 Fachlicher Teil Polizeischule Lahr zahlreiche Wohnungen und Büros von Rechtsanwälten durchsucht, 10 Personen verhaftet und 96 vorübergehend festgenommen. Aus dem übriggebliebenen Rest, einigen in die Illegalität gegangenen Sympathisanten und ersten Absprengseln der Bewegung 2. Juni bildet sich die "Zweite Generation" RAF. Am 27.02.1975 entführt die Bewegung 2. Juni in Berlin-Zehlendorf den Landesvorsitzenden der CDU, Peter Lorenz. Die Entführung endet am 2.3. mit der Freilassung von 5 Gefangenen seitens des Staats und Lorenz seitens der Entführer unblutig. Es sollte aber die bis dato einzige erfolgreiche Entführung eines Politikers in der Geschichte der Bundesrepublik bleiben. Die Zweite Generation versucht in den nächsten Jahren hauptsächlich, die inhaftierten Gefangenen der Ersten Generation zu befreien. 4.1 Protagonisten Brigitte Mohnhaupt geb. 1949, saß schon während der 70er Jahre in einer ersten Haft viereinhalb Jahre ab, nach der Entlassung tauchte sie wieder ab. Verhaftung 1982 und zu 5mal lebenslänglich verurteilt. Die Bundesanwaltschaft beantragte 24 Jahre Mindesthaft. Peter-Jürgen Boock geb. am 3. September 1951 in Garding/ Nordfriesland. 1968 nach Realschulabschluß Beginn einer Maschinenschlosserlehre - Abbruch nach wenigen Wochen, spätestens seit 1976 im terroristischen Untergrund. Wird im Januar 1981 in Hamburg verhaftet und im Mai 1984 und November 1986 zu einer mehrfach lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. In Haft mehrfach schriftstellerische Tätigkeit. Susanne Albrecht, geb. 1951 in Hamburg, Studium der Pädagogik, Soziologie und Psychologie an der Universität Hamburg. April/Mai 1973 Beteiligung an einer Hausbesetzung in der Hamburger Hafenstraße zusammen mit anderen späteren RAF-Mitgliedern, Oktober 1974 Beteiligung an der Besetzung des Hamburger Büros von Amnesty International. Christian Klar geb. 1952. wie andere Militante aus der RAF Aktivist seit Anfang der 70er Jahre, in kleinstädtischer Umgebung und der Jugend- und Schülerbewegung aufgewachsen. Ende 1976 Anschluss an die RAF. Klar wurde 1982 verhaftet und im selben Prozeß wie Brigitte Mohnhaupt wegen aller Aktionen des Jahres 1977 und wegen des Angriffs auf Kroesen zu 5mal Verfasser: Andreas Lämmle Seite 11 von 24 Fachlicher Teil Polizeischule Lahr lebenslänglich und 15 Jahren verurteilt. 1992 in einem weiteren Prozeß zusätzlich noch zu einmal lebenslänglich . Das OLG Stuttgart legte 1997 eine Mindesthaft von 26 Jahren fest. Aktionen siehe Anhang II 5 Die Dritte Generation Die dritte RAF-Generation stellt zu den beiden vorangegangen dahingehend einen ideologischen Schnitt dar, als dass sich deren Akteure nicht mehr namentlich zu ihren Aktionen bekennen, sondern pflegen, ihre Spuren zu verwischen. Deswegen ist der Grossteil der Aktivisten bis heute weder gefasst noch namentlich bekannt. Ideologischer Grundsatz stellt das 1982 veröffentlichte so genannte "Mai-Papier" dar, in dem die RAF die tatsächliche Verwirklichung der "westeuropäischen antiimperialistischen Front" vorsieht. Des Weiteren sieht man von reinem Operieren auf Kommandoebene ab und bemüht sich, eine "Front" herzustellen. Die RAF versucht das in der Folge durch Verbünden mit anderen westeuropäischen Terrorvereinigungen zu realisieren. In den Folgejahren bildet man zusammen mit der Action Directe in Frankreich, den Brigate Rosse in Italien und den Cellules Communistes Combattantes in Belgien eine "Auslandsfront". Die "Inlandsfront" operiert unterdessen weiter auf Kommandoebene. Die Kommandos verüben als "Kämpfende Einheiten" Anschläge auf Objekte und nicht mehr auf Personen. Auch ist im direkten Vergleich zur zweiten Generation die Gefangenenbefreiung ("Big Raushole") nicht mehr primär von Bedeutung. Man beschränkt sich nun mehr auf die Forderung der Haftverbesserung. Das Ziel aller Aktionen stellt in den ersten Jahren einzig und allein die "US/NATO-Militärmaschine" dar. Später "besinnt" man sich dann aber doch wieder auf herkömmliche politische Feindbilder. Aktionen siehe Anhang III Verfasser: Andreas Lämmle Seite 12 von 24 Fachlicher Teil Polizeischule Lahr 6 Auflösung Am 20. April 1998 geht bei der Nachrichtenagentur Reuters ein achtseitiges Schreiben ein, das später als zweifelsfrei als von der RAF stammend identifiziert werden kann. Darin ist folgendes zu lesen: ,,Vor fast 28 Jahren, am 14. Mai 1970, entstand in einer Befreiungsaktion die RAF: Heute beenden wir dieses Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte." Dem vorausgegangen war am 5. Mai des Jahres 1992 die so genannte "Kinkel-Initiative", in der der damalige Außenminister Klaus Kinkel auf dem Drei-Königs-Treffen der FDP erklärt: "Der Staat muss dort, wo es angebracht ist, zur Versöhnung bereit sein." Er verdeutlicht damit, dass nach neuer Rechtslage eine vorzeitige Haftentlassung auch für RAFGefangene in Betracht kommt. Am 10. April erklärt die RAF, sie werde die "Eskalation zurücknehmen" und "Angriffe auf Repräsentanten aus Wirtschaft und Staat" vorerst nicht mehr verfolgen, weil sie eine politische Diskussion führen wolle. Im "August-Papier" gesteht die RAF letztendlich, dass es ihr nicht gelungen sei, den "Front"-Gedanken aus dem Mai-Papier zu verwirklichen und dass sie zu dem Schluss gekommen sei, dass ihr eingeschlagener Weg (der Ermordung von Wirtschafts- und Staatsrepräsentanten) nicht zum Erfolg führen könne. Am 27. März 1993 sprengt die RAF (Kommando Katharina Hammerschmidt) in ihrer letzten geplanten Aktion mit 200 Kilogramm Sprengstoff die kurz vor der Einweihung stehende JVA Weiterstadt. Der Schaden beläuft sich noch einmal auf rund 50 Millionen Euro. Menschen kommen nicht zu Schaden. Zum letzten Schusswechsel zwischen RAF und Polizei kommt es am 27. Juni 1993 in Bad Kleinen bei dem Versuch der Festnahmen von Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld. Hierbei kommen Grams und ein GSG9-Beamter ums Leben. Hogefeld wird verhaftet. Verfasser: Andreas Lämmle Seite 13 von 24 Fachlicher Teil Polizeischule Lahr 7 aktueller Bezug Die RAF ist rund 25 Jahre nach ihrer Auflösung wieder in aller Munde. Für allerhand Gesprächsstoff sorgte vor allem eine Kollektion des Modelabels Tussi Deluxe, die nicht nur den Namen "Prada-Meinhof" trägt sondern auch RAF-Symbole zeigt. Ebenfalls für allerhand Diskussion sorgte im Herbst des Jahres 2002, wie bereits eingangs erwähnt der Rummel um das Gehirn von Ulrike Meinhof. Das Organ war nach dem Tod Meinhofs 1976, wie sich herausstellte nicht mitbeerdigt worden sondern diente dem Tübinger Neurologen Jürgen Pfeiffer bis dato zu Untersuchungszwecken. Meinhof-Tochter Bettina Röhl stellte prompt und mit Erfolg Strafanzeige wegen Störung der Totenruhe und das Gehirn ging in ihren Besitz über. Verfasser: Andreas Lämmle Seite 14 von 24 Polizeischule Lahr Literatur- und Quellenverzeichnis Literatur- und Quellenverzeichnis Literatur Stefan Aust - Der Baader Meinhof Komplex (1998) Butz Peters - RAF / Terrorismus in Deutschland (1993) Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber, Ekkehard Sieker - Das RAF-Phantom (1997) Rolf Uessler - Die 68er: "Macht kaputt, was Euch kaputt macht!" (1998) Rote Armee Fraktion - Geschichte und Materialien zur Geschichte der RAF (1997) Dorothea Hauser - Baader und Herold (1997) Inge Viett - Nie war ich furchtloser (1996) Presse Spiegel Nr. 05/97 Spiegel Nr. 05/01 Spiegel Nr. 35/02 Spiegel Nr. 43/02 Spiegel Nr. 44/02 Badisches Tagblatt, Ausgabe 21.04.1998 Badisches Tagblatt, Ausgabe 22.04.1998 Badisches Tagblatt, Ausgabe 22.04.2002 Badische Zeitung, Ausgabe 31.08.2002 Badische Zeitung, Ausgabe 09.11.2002 Badische Zeitung, Ausgabe 13.11.2002 Badische Zeitung, Ausgabe 14.11.2002 Badische Neueste Nachrichten, 22.04.1998 Polizei Digest Nr. 1/83 Stern Nr. 42/02 Max Nr. 5/01 Verfasser: Andreas Lämmle Seite 15 von 24 Polizeischule Lahr Internet Biografien Protagonisten http://www.rafinfo.de/biograf.shtml http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/BaaderAndreas/index.html http://www.baader-meinhof.com/who/terrorists/bmgang/baaderandreas.html http://www.powercat.de/portraits/meinhof.html http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/MeinhofUlrike/index.html http://www.baader-meinhof.com/who/terrorists/bmgang/meinhofulrike.html http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/EnsslinGudrun/index.html http://www.baader-meinhof.com/who/terrorists/bmgang/ensslingudrun.html http://www.starbuck-holger-meins.de/personen_hkm.htm (alle Stand 01/2003) Verfasser: Andreas Lämmle Seite 16 von 24 Anhang Polizeischule Lahr Anhang Anhang I - Aktionen der Ersten Generation Schon während der Phase der Vorbereitung und lange vor der geplanten Offensive kommt es zu ersten Kontakten mit der Polizei, zu Schiessereien und zu den ersten Toten: Am 10. Februar 1971 geraten Astrid Proll und Manfred Grashof in Frankfurt am Main in den ersten Schusswechsel mit der Polizei. Beide entkommen. Diesem Vorfall folgen die erste grosse bundesweite Fahndungsaktion sowie die Forcierung der Hetzkampagnen seitens Medien und Presse, v.a. des Springer-Verlags. Am 15. Juli 1971 folgt die erste situative Großaktion zur Ergreifung von neun RAFTerroristen: 3.000 schwerbewaffnete Polizisten richten Kontrollstellen an beinahe allen wichtigen Strassen Norddeutschlands ein. Bei dem Versuch, sich einer dieser Polizeikontrollen zu entziehen, wird Petra Schelm von Polizeibeamten erschossen. Weitere Personen aus vermeindlichem RAF-Umfeld sollten im Laufe des nächsten Jahres ihren Widerstand mit dem Leben bezahlen: Student Georg von Rauch am 4.12.1971, Thomas Weisbecker am 2.3.1972 sowie der völlig unbeteiligte britische Handelsvertreter Ian McLoed am 25.6.1971. Aber auch seitens der Staatsorgane gibt es Tote zu beklagen: Bei einer Personenkontrolle wird am 22.10.1971 Norbert Schmidt erschossen, Täter bis dato unbekannt. Am 22.12.1971 wird nach einem Überfall auf die Bayrische Hypotheken- und Wechselbank in Kaiserslautern, bei dem die RAF rund 68.425 Euro erbeutet, der Polizeibeamte Herbert Schoner erschossen. Am 3. März 1972 erschiesst Manfred Grashof in Hamburg im Rahmen eines Schusswechsels Kriminalhauptkommissar Hans Eckhardt. Grashof selbst überlebt schwerverletzt und kann zusammen mit Wolfgang Grundmann verhaftet werden. Die "Offensive" beginnt am 11.5.1972 in Form eines Bombenanschlags auf das Hauptquartier des V. Corps der US-Armee in Frankfurt am Main, bei dem 1 Mensch getötet und 13 weitere verletzt werden. Wenige Tage später bekennt sich ein "Kommando Petra Schelm" zu dem Anschlag, benannt nach der Friseurin, die am 15. Juli 1971 in Hamburg ums Leben kam. Am 12. Mai 1972 explodieren in der Polizeidirektion Augsburg zwei weitere Bomben, sieben Menschen werden verletzt. Am gleichen Tag sprengt das "Kommando Verfasser: Andreas Lämmle Seite 17 von 24 Anhang Polizeischule Lahr Thomas Weisbecker", benannt nach dem am 2. März 1971 getöteten RAF-Mitglied, eine Autobombe vor dem Landeskriminalamt in München, 10 Menschen werden verletzt und es entsteht ein Sachschaden von umgerechnet über 300.000 Euro. Am 15. Mai 1972 explodiert eine Bombe unter dem VW Käfer von Bundesrichter Wolfgang Buddenberg, der für die Ermittlungen gegen die RAF zuständig ist. Buddenbergs Ehefrau wird hierbei schwer verletzt. Ein "Kommando Manfred Grashof", benannt nach dem am 3.3.1972 verletzten und verhafteten RAF-Mitglied, übernimmt später die Verantwortung. Am 19. Mai 1972 explodieren 2 Bomben des "Kommando 2. Juni" (Todestag des Studenten Benno Ohnesorg im Jahre 1967) im Verlagshaus des Springerverlags in Hamburg und verletzen 38 Menschen. Vorläufiger Schlusspunkt der "Mai-Offensive" stellt am 24. Mai 1972 der Anschlag auf das Hauptquartier der US-Landstreikräfte in Heidelberg dar. Zwei Autobomben des "Kommando 15. Juli" (15.7.1971: Todestag Petra Schelm) töten drei US-Soldaten und verletzen 5 weitere teils schwer. Am 28. März 1977 sollten für diese sechs Anschläge Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe vom OLG Stuttgart zu lebenslanger Haft verurteilt werden. Holger Meins und Ulrike Meinhof sind zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Spätestens seit dieser Serie von Anschlägen sprach man von der RAF öffentlich als dem "Staatsfeind Nr. 1". Im Rahmen des nochmalig gesteigerten Fahndungsaufwands (in Form von Strassensperren, Wohnungsdurchsuchungen, Räumungen von besetzten Häusern und Jugendzentren betrifft dies erstmals auch den Sympathisantenkreis) gelingt es der Polizei bis zum 9. Juli 1972 beinahe die gesamte RAF festzunehmen: Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe in Frankfurt (1.6.), Gudrun Ensslin in einer Boutique in Hamburg (7.6.), Brigitte Mohnhaupt und Bernhard Braun in Berlin (9.6.), Ulrike Meinhof und Gerhard Müller in Hannover-Langenhagen (15.6.) sowie Klaus Jünschke und Irmgard Möller in Offenbach (9.7.) Verfasser: Andreas Lämmle Seite 18 von 24 Anhang Polizeischule Lahr Anhang II - Aktionen der Zweiten Generation Am 24.04.1975 besetzt das "Kommando Holger Meins", bestehend aus Lutz Taufer, Karl-Heinz Dellwo, Bernhard Rößner, Hanna Krabbe, Siegfried Hausner und Ulrich Wessel als erste "Amtshandlung" die deutsche Botschaft in Stockholm. Gefordert wird die Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Kadern, u.a. dem kompletten Kern. Die Besetzung endet mit der Erschiessung zweier Diplomaten: Militärattaché Andreas von Mirbach und den Botschaftsrat Heinz Hillegart, weil einer der im Botschaftgebäude angebrachten Sprengsätze versehentlich gezündet wird. Ulrich Wessel stirbt sofort, Siegfried Hausner erliegt während seiner Auslieferung nach Deutschland. Am 09.05.1976 wird Ulrike Meinhof tot in ihrer Zelle aufgefunden. Die genauen Umstände sind bis heute unklar. Offiziell verlautet die Todesursache "Genickbruch durch eigenhändiges Erhängen am Zellengitter". Ein später einberufenes unabhängiges "internationales Untersuchungskomitee" glaubt jedoch, einen herbeigeführten Tod beweisen zu können. Feststeht, dass beide Obduktionen, zum einen letztgenannte und zum anderen die staatliche direkt nach dem Auffinden jeweils fehlerhaft durchgeführt worden sind. Am Begräbnis Ulrike Meinhofs auf dem evangelischen Friedhof der Dreifaltigkeitsgemeinde in Berlin-Mariendorf beteiligen sich 5.000 Menschen. Am 30.11.1976 ergreift die Polizei auf der Autobahn bei Butzbach (Hessen) Siegfried Haag und Roland Mayer. Bei der Durchsuchung ihres Kfz können die Pläne und Aufzeichnungen über mehrere geplante Aktionen sichergestellt werden, die später als die "Haag/Mayer-Papiere" bezeichnet werden sollten. Die zweite Generation plant für das Jahr 1977 ihrerseits eine Offensive. Am 08.02.1977 wird Brigitte Mohnhaupt, später als der Kopf der zweiten Generation wieder gesucht, aus der Haftanstalt Bühl entlassen. Die Offensive beginnt am 07.05.1977 mit der Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback in Karlsruhe. Als dessen Wagen, besetzt mit Fahrer Wolfgang Göbel sowie Buback und dem Chef der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft, Georg Wurster im Fond, auf dem Weg zum Bundesgerichtshof an einer roten Ampel hält, stoppt eine schwere Suzuki rechts auf der Abbiegespur neben dem Mercedes. Fahrer und Beifahrer sind schwarz gekleidet, Gesichter kann man aufgrund Verfasser: Andreas Lämmle Seite 19 von 24 Anhang Polizeischule Lahr schwarzer Visiere nicht erkennen. Plötzlich zieht der Beifahrer eine automatische Waffe und feuert in den Wagen. Göbel stirbt sofort, Buback am Strassenrand und Wurster später im Krankenhaus. Ein "Kommando Ulrike Meinhof" bekennt sich wenig später. Im Prozess zu dieser Tat werden alsbald Knut Folkerts, Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt verurteilt. Bei Günter Sonnenberg sieht man aufgrund weiterer Verurteilungen zu lebenslanger Haft von einer Strafverfolgung ab. Am 28.3.1977 endet nach zwei Jahren der Prozess gegen Baader, Ensslin und Jan-Carl Raspe mit jeweils lebenslanger Haft, wegen gemeinschaftlich begangenen 4 Morden und Mordversuchen in 34 Fällen. Am 30. Juli 1977 erschiesst die RAF den Chef der Dresdner Bank, Jürgen Ponto in seinem Haus in Oberursel beim Versuch, ihn zu entführen. Am 15.8.1977 bekennt sich eine Freundin von Pontos Tochter Corinna und gute Bekannte der Familie, Susanne Albrecht namentlich "aus einem Kommando der RAF" zu dieser Tat. Verurteilt werden später: Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar, Peter-Jürgen Boock, Sieglinde Hofmann und Susanne Albrecht. Das Verfahren gegen Adelheit Schulz wird wieder aufgrund weiterer Verurteilungen zu lebenslanger Haft eingestellt. Am 25. August entdeckt die Polizei in einer Wohnung in Karlsruhe eine auf die Bundesanwaltschaft gerichtete Raketenabschussanlage, deren Zeitautomatik offenbar versagt hatte. Später stellt sich heraus, dass Peter-Jürgen Boock den Wecker absichtlich nicht aufgezogen hatte. Es folgt die heisseste Phase des Kampfes zwischen RAF und der Bundesrepublik, die später als der sog. "Deutsche Herbst" in die Geschichte eingehen sollte. 05.09.1977: Das "Kommando Siegfried Hausner" entführt in Köln den Präsident des Arbeitgeberverbands und des Bundesverbands der deutschen Industrie, HannsMartin Schleyer. Bei der Entführung sterben im Kugelhagel: Die Sicherheitsbeamten Reinhold Brändle, Roland Pieler, Helmut Ulmer und der Fahrer Schleyers, Heinz Marcicz. Forderung der RAF ist die Freilassung der einsitzenden RAF-Gefangenen. Am 22.09.1977 erschiesst Knut Folkerts in Utrecht (Holland) einen Polizeibeamten und wird festgenommen. Am 13.10.1977 entführt das "Kommando Martyr Halimeh" der "Volksfront zur Befreiung Palästinas" (PFLP) die Lufthansamaschine "Landshut" auf ihrem Flug von Mallorca nach Frankfurt und fordert unter anderem auch die Freilassung der RAFVerfasser: Andreas Lämmle Seite 20 von 24 Anhang Polizeischule Lahr Gefangenen. Der Anführer des Kommandos, Zohair Youssif Akache erschiesst drei Tage später in Aden Pilot Jürgen Schumann. Am 18.10.1977 stürmt auf dem Flughafen von Mogadischu die GSG-9 die entführte Maschine, erschiesst drei der Entführer und befreit alle Geiseln. Die überlebende Terroristin Souhaila Andrawes wird am 25.4.1978 in Somalia zu 20 Jahren Haft verurteilt. In der Nacht desselben Tages begehen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in ihren Zellen in der JVA Stuttgart-Stammheim Selbstmord. Tags darauf wird die Leiche Hanns-Martin Schleyers im Kofferraum eines Audi 100 in Mühlhausen (Elsass) aufgefunden. Später in diesem Fall verurteilt: Peter-Jürgen Boock, Rolf Clemens Wagner, Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar, Adelheid Schulz und Stefan Wisniewski. Bei Rolf Heissler und Angelika Speitel sieht die Bundesanwaltschaft wegen weiterer verhängter lebenslänglicher Haftstrafen von einer Verurteilung ab. Ebenfalls zu keiner Anklage kommt es bei Knut Folkerts, der in den Niederlanden zu lebenslanger Haft verurteilt ist. Willy Peter Stoll wird am 6.9.1978 bei dem Versuch, sich seiner Festnahme zu entziehen, erschossen. Am 11. Mai 1978 werden Brigitte Mohnhaupt, Peter-Jürgen Boock, Sieglinde Hofmann und Rolf Klemens Wagner in Jugoslawien festgenommen, im November allerdings "in ein Land ihrer Wahl" wieder entlassen. In Kerkrade (Niederlande) erschiessen RAF-Mitglieder am 1. November 1978 zwei Zollbeamte und verletzen einen schwer. Das "Kommando Andreas Baader" verübt am 25. Juni 1979 in Brüssel mit 20 kg Sprengstoff einen Anschlag auf NATO-Oberbefehlshaber General Alexander Haig. Zwei Leibwachen erleiden mittelschwere Verletzungen, Haig bleibt unverletzt. Am 31. August 1981 verübt das "Kommando Sigurd Debus" (benannt nach einem währed eines Hungerstreiks verstorbenen RAF-Mitglieds) einen Bombenanschlag auf das Hauptquartier der US-Luftstreitkräfte in Ramstein/Pfalz. 14 Menschen werden verletzt und es entsteht ein Sachschaden in Höhe von rund 3,6 Mio. Euro. Am 15. September 1981 entgeht US-General Frederik Kroesen nur knapp einem Raktenanschlag des "Kommando Gudrun Ensslin" und damit dem letzten Anschlag der zweiten RAF-Generation. Es folgen zahlreiche Verhaftungen, unter anderem: Brigitte Mohnhaupt, Adelheit Schulz, Christian Klar und Helmut Pohl. Verfasser: Andreas Lämmle Seite 21 von 24 Anhang Polizeischule Lahr Anhang III - Aktionen der Dritten Generation Die Dritte Generation startet ihre Anschlagsserie mit dem missglückten Versuch eines Anschlags auf die NATO-Schule in Oberammergau. (18.12.1984 "Kommando Jan Raspe"). Am 1. Februar 1985 ermordet das "Kommando Patsy O'Hara" in Gauting bei München MTU-Chef Ernst Zimmermann. Um in den Besitz seines Ausweises zu kommen, erschiesst man am 7. August 1985 den US-Soldaten Edward Pimental. Einen Tag danach verübt das "Kommando George Jackson" einen Bombenanschlag auf die US-Airbase in Frankfurt am Main: Zwei Tote, elf Verletzte und rund eine halbe Millionen Euro Sachschaden. Durch eine Sprengladung am Strassenrand ermordet ein "Kommando Mara Cagol" am 9. Juli 1986 in Strasslach Siemens-Vorstandsmitglied Karl-Heinz Beckurts und seinen Fahrer Eckhart Groppler auf dem Weg zur Arbeit. Drei Monate später, am 10. Oktober 1986 fällt der Abteilungsleiter des Auswärtigen Amts, Gerold von Braunmühl in Bonn einem Anschlag des "Kommando Ingrid Schubert" zum Opfer. Am 30. November 1989 ermordet ein "Kommando Wolfgang Beer" den Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen in Bad Homburg mit einer Sprengladung am Strassenrand. Am 27. Juli 1990 entgeht Innenstaatssekretät Hans Neusel in Bonn um Haaresbreite einem Anschlag des "Kommando José Manuel Sevillano". Am 1. April 1991 erschiesst ein Scharfschütze der RAF ("Kommando Ulrich Wessel") Treuhandchef Detlev Karsten Rohwedder in seinem Haus in Düsseldorf-Oberkassel. Der letzte Anschlag der Dritten Generation wie der RAF überhaupt findet 27. März 1993 mit der Sprengung der kurz vor der Einweihung stehenden JVA Weiterstadt statt, ein "Kommando Katharina Hammerschmidt" mit 200 Kilo Sprengstoff verübt und einen Sachschaden von rund 50 Millionen Euro verursacht. Verfasser: Andreas Lämmle Seite 22 von 24 Anhang Polizeischule Lahr Anhang IV - Bilder Andreas Baader Ulrike Meinhof Gudrun Ensslin Hanns Martin Schleyer Verfasser: Andreas Lämmle Seite 23 von 24 Polizeischule Lahr Erklärung Erklärung Hiermit erkläre ich, dass ich diese Arbeit selbstständig angefertigt habe. Die von mir verwendeten Hilfsmittel und Quellen sind als solche kenntlich gemacht. ______________________ Andreas Lämmle Verfasser: Andreas Lämmle Seite 24 von 24