Liebes Ehepaar Bähr, liebe Gemeinde,

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Liebes Ehepaar Bähr, liebe Gemeinde,
”Wir fusionieren” – keine Woche vergeht, in der nicht irgendeine Firma ihr
Zusammengehen mit einer anderen fröhlich verkündet. Im Zeitalter der Globalisierung
sind Fusionen überlebenswichtig.
Doch manchmal klappt´s auch nicht.
So hatte die Dresdner Bank in der Vergangenheit mit ihren Fusionsplänen nicht viel
Glück.
Doch nun, vor knapp einem Monat warb die Dresdner bei ihren Aktionären um den
Umtausch der Aktion in Geld und Allianz-Aktien. Sie hat es geschafft, die Bank mit dem
grünen Band der Sympathie. Dieses Band wird nun von der Allianz übernommen.
Bei Ihnen, liebes Ehepaar Bähr, hat es längst geklappt. Sie haben sich – bleiben wir
noch für einen Moment beim Wirtschaftsdeutsch - nun zur Fusion entschlossen.
Herzlichen Glückwunsch!
Doch Euch verbindet weit mehr als ein grünes Band der Sympathie – euch verbindet
das rote Band der Liebe. (rotes Band zeigen)
Eure Liebe ist –ich bleibe ein letztes Mal im Wirtschaftsdeutsch – wirklich ein tragfähiges
Konzept.
Liebe Gemeinde, wer nun glaubt, ich habe die Sache mit dem Band von der Dresdner
Bank abgeschaut, der irrt sich. Das Copyright auf das Band besitzt eigentlich nicht die
Dresdner, auch keine andere Bank, sondern die Bibel. In einem Abschnitt aus dem
Kolosserbrief, , empfiehlt der Apostel Paulus der Gemeinde: ӆber alles aber zieht an
die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit”.
Mit dem roten Band der Liebe sind Sie verbunden. Das ist ein gute Grundlage. Nun hat
Liebe zunächst einmal mit Gefühlen zu tun, wer wollte das bestreiten. Ich meine, Sie
waren es, die mich im Traugespräch baten: Bitte reden Sie bei ihrer Ansprache nicht so
viel von Krisen, die eine Ehe erschüttern, das ist so deprimierend.
Nun, das finde ich an einem solchen Festtag auch nicht ganz passend. Doch
realistischerweise muss man sagen: In einer Ehe herrscht nicht immer Sonnenschein,
Ehen werden im Himmel geschlossen, aber auf der Erde geführt.
Dass man in Schwierigkeiten trotzdem zusammenbleibt, zusammenhält, auch wenn die
Gefühle zwischendurch mal abkühlen, dafür ist das Band der Liebe verantwortlich, das
eben nicht nur in Gefühlen besteht. Liebe ist nämlich weit mehr als Verliebtsein, ja Liebe
ist weit mehr als ein Gefühl.
Liebe ist vor allem eine Grundentscheidung: Ja, ich will mit dir gehen, nichts soll uns
mehr trennen, ich bleibe bei dir, was auch kommen mag. Diese Entscheidung gilt es
durchzuhalten, auch in gefühlsarmen Zeiten.
Einen anspruchsvollen Trauspruch habt ihr euch ausgesucht: ”All eure Dinge lasst in der
Liebe geschehen!” Das heißt, im täglichen Umgang miteinander, in den Kleinigkeiten
des Lebens, wie man miteinander spricht, wie man bestimmte Angelegenheiten
entscheidet, wie man mit den Freiräumen des anderen umgeht, überall soll und darf sich
eure Liebe
zueinander bewähren. Ein paar Beispiele: Liebe bedeutet, aufmerksam zuzuhören,
wenn mir der andere von seiner Arbeit erzählt, von seinen Sorgen, von seinem Spaß an
der Arbeit. Liebe bedeutet auch, dem anderen zuliebe etwas zu unternehmen,
Kompromissfähigkeit z.B. in der Auswahl des Urlaubsortes.
Der Psychoanalytiker Michael Moeller empfiehlt in seinem Buch: ”Die Wahrheit beginnt
zu zweit” Paaren, einmal die Woche einen Termin zu vereinbaren, an dem sie zu zweit,
ungestört auch durch Telefon, Fernsehen o.ä. 90 Minuten sprechen können. Dabei
bekommt jeder Partner 15 Minuten Zeit, nur von sich zu reden. Dabei hört der andere
jeweils nur zu, auch ohne nur Verständnisfragen zu stellen. Diese Art der
Kommunikation intensiviert eine Beziehung in jeder Hinsicht. Wenn man sich
miteinander verstehen will, muss man auch aufeinander hören.
Liebe bedeutet auch, auf die Eigenheiten des anderen Rücksicht zu nehmen und dem
Versuch zu widerstehen, den anderen nach meinen Plänen umzugestalten.
Liebe bedeutet, dem anderen die nötige Freiheit zur Entfaltung zu lassen. Und nun
komme, Sie, Herr Bähr, haben schon darauf gewartet, auf das anfangs gehörte RILKEGedicht zu sprechen:
Das Thema, das Rilke hier in der ihm eigenen Sprache aufnimmt, ist das von Distanz
und Nähe in der Partnerschaft. Ich suche die Nähe zum Partner, was mich berührt, soll
auch ihn zum Schwingen bringen. Aber ich will in der Partnerschaft auch ich bleiben,
meine eigene Welt bewahren, eine Beziehung soll doch keine Totalfusion sein. ”Ach
gerne möchte ich meine Seele bei irgendetwas Verlorenem im Dunkel unterbringen an
einer fremden stillen Stelle, die nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.”
Das Band der Liebe, wie ich es verstehe, darf nie so fest geschnürt werden, dass es den
Partnern keinen Freiraum zur eigenen Entfaltung lässt. Es ist ein Band mit Elastizität,
Gestaltungsspielraum. Wir brauchen auch in der Ehe Territorien oder Fluchtburgen, in
die wir uns als Individuum zurückziehen können. Die ”fremden, stillen Stellen” sind
wichtig und sie lassen sich auch erhalten, nicht alles die Aussage des Gedichtes, nicht
alles nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich.
Freilich: Auch das andere Extrem will vermieden sein – eine Schnittmenge des
gemeinsam Erlebten, dessen, was die Seele berührt, muss schon vorhanden sein.
Insofern darf und soll es auch die Zeiten geben, wo zwei Saiten zu einer Stimme
werden. Partnerschaft als Balance zwischen dem Recht auf Eigenräumlichkeit und
Gemeinsamkeit.
Denn wenn jene Gemeinsamkeit fehlt, dann kann unser Band der Liebe Risse und
Löcher bekommen, es kann ausleiern, dadurch die Spannkraft verlieren und langweilig
werden. Es kann sich auch in Luft auflösen . Dann wird die Fusion rückgängig gemacht.
Weil ihr aber in das Band Seiner Liebe hineinverwoben seid, vertrauen wir darauf, dass
eure Verbindung hält. Das Band der Liebe Gottes hält euch zusammen, trägt und stützt
euch.
(weißes Band einflechten)
Es ist ein Band, das Bestand hat. Bleibt auf Tuchfühlung mit Gottes Band, erinnert euch
daran, dass im Hintergrund eurer Ehe noch ein anderer dafür sorgt, dass ihr euch
versteht, dass ihr gut miteinander auskommt, dass ihr euch liebt. Im Hintergrund –
geglaubte Realität, doch freilich es gibt auch Situationen im Leben, wo wir sein Leiten
und Führen direkt spüren. Als Christ gebe ich eine klare Antwort auf die Frage, die
Rilkes Gedicht stellt: ”Welcher Geiger hat uns in der Hand?” Unser Gott ist ein
lebendiger Gott, der pausenlos für uns tätig ist. Er ist die Konstante in unserem Leben,
seine Liebe und Treue ist eine guten Basis für ein gelingendes Leben.
Amen
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