Das Schwerpunktthema am Freitag, 28. November 2003 - Psi-Tage

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Das Schwerpunktthema am Freitag, 28. November 2003
Heiler werden
Wer Heiler werden will,
muss heiler werden.
Titel einer Diskussionsveranstaltung
beim Basler „Weltkongress für Geistiges Heilen“
„Lange Zeit glaubte ich, Heilen sei nicht
lernbar“, bekennt Viktor Philippi. Doch dann,
im Sommer 1995, überwältigte ihn eine
„Vision“, in der ihm Gott „mitteilte, dass ich
mein Wissen und Können weitergeben soll“ –
und ihm offenbarte, wie. Im Herbst 1996
veranstaltete er daraufhin die ersten Kurse;
bis heute haben schon über 600 Schüler seine
Ausbildung durchlaufen.
Der Gesinnungswandel des prominenten
Heilers, der 1992 aus Kasachstan nach
Deutschland übersiedelte, steht für ein
Umdenken in der Esoterikszene allgemein.
Galt die Fähigkeit zum Geistigen Heilen
jahrtausendelang als göttliche Gabe weniger
Auserwählter, so setzt sich neuerdings immer
mehr die Ansicht durch: Heilen könne
eigentlich jeder – er benötige bloss die richtige
Anleitung, damit das Talent zum Vorschein
kommt. Den Boden dafür bereitete schon die
legendäre Leitfigur der sechziger Jahre, der
Engländer Harry Edwards (1893-1976): "Wer
den Wunsch hat, Hilfsbedürftigen beizustehen,
dessen Heilungspotential kann entwickelt
werden“, so behauptete er. „Dies ist um so
sicherer, wenn der Wunsch zu einem tiefen
Sehnen wird, Schmerz wegzunehmen und Leid
zu lindern."1 Allerlei Lehrbücher multiplizieren seither die frohe Botschaft: "Jeder, der
den ernsthaften Wunsch und echtes Interesse
besitzt, kann seinen Geist und seine Hände
zum Heilen gebrauchen. Die einzige Voraussetzung ist Interesse und Einfühlungsvermögen."2 - "Egal, ob Sie sich mit Esoterik
auskennen oder an Gott glauben - Sie können
in jedem Fall lernen, wie man die heilenden
Kräfte richtig lenkt."3 - "Wir alle sind Heiler jeder besitzt diese angeborene Fähigkeit... Es
handelt sich also nur um eine Frage der Zeit
und Energie, die Sie zu deren Entfaltung
gewillt sind einzusetzen."4
Immer zahlreicher, immer vielfältiger werden
entsprechende Schulungsangebote. Im selben
Masse wächst die Verunsicherung der
Interessenten: Worauf sollen sie sich
einlassen? Was zeichnet einen seriösen,
hochwertigen Heilerkurs aus, bei dem Kosten
und Zeitaufwand in bestmöglichem Verhältnis
zum persönlichen Ertrag stehen? Nach
welchen Kriterien sollte die Wahl getroffen
werden? Einige der erfahrensten Ausbilder im
deutschsprachigen Raum werden sich am
ersten Tag des diesjährigen „Weltkongresses“
um Orientierungshilfen bemühen: neben Viktor Philippi („Europäische Gesellschaft für
Bioenergetik Extrasens“) auch George Paul
Huber („Livitra“-Heilzentrum), Horst Krohne („Schule der Geistheilung“) und Rolf
Thomas Steiner („Snowlion Center Schulen).
Die zu klärenden Fragen sind ebenso zahlreich
wie knifflig. Bringen etwa Schulungsangebote
in Reiki oder Prana-Heilen, Qi Gong oder
Therapeutic Touch, Universal Tao oder
Magnified Healing die besseren Heiler hervor?
Ist das Teuerste das Beste? Je länger, desto
effektiver? Genügen berufsbegleitend sechs
Wochenenden im Laufe von fünf Monaten,
wie bei Viktor Philippi, oder sind vier Jahre
ratsam, wie bei Rolf Steiner? Muss ein Heiler
diagnostizieren lernen, worauf z.B. in Krohnes
„Schule der Geistheilung“ grosser Wert gelegt
wird? Welchen Anteil am Lernerfolg hat die
vermittelte Behandlungsweise – und welche
die Persönlichkeit des Lehrers? Kommt es
darauf an, ein bestimmtes Arsenal von
therapeutischen Techniken möglichst souverän
zu beherrschen - oder steht „die Methode an
zweiter Stelle“, weil „das Wichtige ist, dass
Menschen, die heilen, Liebe und Vertrauen
haben“5? Wann sind Kursteilnehmer reif für
bestimmte Lerninhalte? Sollten sie beispielsweise mit „Fernbehandlungen“ schon am
ersten Kurswochenende beginnen (wie bei
Philippi), erst im fünften „Intensivseminar“
(wie bei Krohne) oder nicht vor dem dritten
Lehrjahr (wie bei Steiner)? Muss einer guten
Heilerausbildung eine tiefgreifende Persönlichkeitsschulung vorangehen – und wie intensiv
muss sie sein? Besucher der „Snowlion
Schulen“ etwa verbringen ihre beiden ersten
Lehrjahre damit, „das Fundament auf der
persönlichen Ebene zu legen“ (Institutsbroschüre); erst im dritten Jahr steht „Geistheilung“ auf dem Lehrplan.
Auf all diese und viele weitere Fragen fehlen
bislang überzeugende Antworten - wegen
eines grundsätzlichen Dilemmas. Wer von
einer Fähigkeit behauptet, sie sei lernbar, muss
erklären können, wie er den Lernerfolg feststellt – woher er weiss, dass nach Abschluss
der Lernphase mehr davon vorhanden ist als
vor Beginn. Und er muss zeigen können, wie
die Art und Weise, die Lehrzeit zu gestalten,
mit dem Lernerfolg zusammenhängt; nur so
kann er die Ausbildung mit Inhalten füllen, die
nicht beliebig, sondern förderlich sind, und
zwischen vielerlei denkbaren (und praktizierten) Ausbildungsalternativen die beste
wählen – das heisst diejenige, deren
Absolventen die betreffende Fähigkeit
tatsächlich beherrschen, und das möglichst gut.
Zur Klärung beitragen könnten überzeugende
Prüfverfahren für Geistheiler – doch daran
mangelt es vorerst, trotz einiger ermutigender
Ansätze, um die es am zweiten Kongresstag
gehen wird. (Siehe Text „Heiler testen“.)
Wenn aber die Fähigkeit zu heilen im Grunde
nicht objektiv feststellbar ist - zumindest nicht
mit den bisher verfügbaren und eingesetzten
Mitteln -, ist vorerst leider auch nicht zu
entscheiden, welche Ausbildungen die
besseren Heiler hervorbringen. Ja, es lässt sich
noch nicht einmal sagen, ob ausgebildete
Heiler besser sind als unausgebildete.
Jedenfalls finden wir herausragende Heiler
nicht selten unter sogenannten "Naturtalenten",
denen ihre Fähigkeit wie aus heiterem Himmel
"zufiel" und die sie seither eher intuitiv
anwenden, als irgendwelchen esoterischen
Methodenlehren und Theorien zu folgen.
Einige der meistbewunderten Heiler, die beim
„Weltkongress“ auftreten, haben keine Minute
lang die Schulbank irgendeines Instituts
gedrückt – sie fanden zu ihrer Berufung auf
einer Vielzahl anderer Wege:
 Die Fähigkeiten mancher Heiler scheinen
regelrecht in der Familie zu liegen, sie wurden
über Generationen weitergegeben.
 Manchmal traten sie spontan schon in früher
Kindheit auf, hin und wieder auch
 nach Unfällen oder anderen lebensgefährlichen Situationen, oft verbunden mit einem
Nahtodeserlebnis;
 nach schwerer Krankheit;
 nach tiefen persönlichen Krisen;
 nach einem physischen Zusammenbruch;
 durch zufälliges Ausprobieren (meist an
kranken Angehörigen, Freunden, Bekannten,
Arbeitskollegen; manchmal auch an Tieren)
 durch Hinweise von Anderen (Heilern,
Medien, Hellsichtigen)
 durch ein "Erleuchtungserlebnis", etwa in
einer Vision oder einer „inneren Stimme“
folgend;
 durch Selbststudium.
Warum boomt ausgerechnet das Heilenlernen
seit Jahren, trotz dieser offenkundigen
Alternativen? Ein Teil der Wahrheit steckt
vermutlich in wirtschaftlichen und juristischen
Rahmenbedingungen, denen sich auch praktizierende Esoteriker kaum entziehen können.
1. Mit Esoterik seinen Lebensunterhalt zu
verdienen, ist selten ein Zuckerschlecken;
ausserhalb der „Szene“ fehlt in der Regel ein
breiter, kapitalkräftiger Markt, erst recht in
Zeiten schwacher Konjunktur, der Konsumenten sparsam macht. Doch zumindest rund ums
Thema „Heilenlernen“ winkt ein gigantisches
Kundenpotential: Immerhin drei Prozent aller
Erwachsenen trauen sich nämlich, einer
westdeutschen Meinungsumfrage zufolge,
selber Heilkräfte zu.6 Das wären hochgerechnet immerhin rund drei bis vier
Millionen Menschen im deutschsprachigen
Raum.
2. Heilerausbildungen sind vergleichsweise
lukrativ, gemessen am Zeitaufwand oft
einträglicher als Einzelbehandlungen. Bis zu
fünfstellige Summen pro Teilnehmer werden
dafür verlangt und bezahlt.
3. Heiler auszubilden, ist meist mit deutlich
weniger Stress und Verantwortung verbunden,
als zu heilen.
4. In den meisten westlichen Ländern ist
medizinischen Laien, die keine ärztliche
Approbation oder eine sonstige staatlich
festgestellte therapeutische Qualifikation
vorweisen können, das Behandeln von
Krankheiten strikt untersagt; demgegenüber
erspart sich juristische Scherereien, wer das
Behandeln lediglich lehrt.
Aus all diesen Gründen wäre die Idee, Heilen
sei lernbar, selbst dann gross in Mode, wenn
sie eine Fiktion wäre: Denn fast alle
Beteiligten profitieren davon – von den
Patienten einmal abgesehen.
Dr. Harald Wiesendanger
1
2
3
4
5
6
Harry Edwards, Wege zur Geistheilung, 1963
Keith Sherwood, Die Kunst des spirituellen
Heilens, 1984
Ric Weinman, Deine Hände heilen, 1988
Eileen Herzberg, Praktisches Handbuch der
Geistheilung, 1989
George Paul Huber in einem Interview mit
Lichtwelle 3/02
Wickert-Institute, Juni 1991. Befragt wurden
1795 Westdeutsche.
Das Schwerpunktthema am Samstag, 29. November 2003
Heiler testen
Wer prüft, mehrt das Wissen;
wer glaubt, vermehrt den Irrtum.
Lokman, Fabeln
Dreimal schon – 1994, 1998 und 2001 –
machten die Organisatoren der Basler „Weltkongresse für Geistiges Heilen“ die Probe aufs
Exempel: Unter ärztlicher Aufsicht liessen sie
insgesamt 55 Heiler rund 150 chronisch
Kranke betreuen. Obgleich aus schulmedizinischer Sicht „austherapiert“, machte
die Mehrzahl der Patienten unerwartete
Fortschritte. Acht Wochen Handauflegen
führte in acht von neun Fällen zu teilweise
spektakulären Besserungen, selbst bei
metastasiertem Knochenkrebs; ein Junge mit
langjährigem Asthma bronchiale erlebte schon
nach der allerersten Sitzung eine Spontanremission. Auch von einem fünfmonatigen
„Fernheil-Test“, in Zusammenarbeit mit der
Universität Freiburg, profitierte ein Grossteil
der Beteiligten nicht nur hinsichtlich ihrer
psychischen Verfassung und ihrer Lebensqualität, sondern auch, was ihre schweren
körperlichen Symptome betraf. Zahlreichen
Patienten mit hartnäckigen Allergien,
chronischem Asthma und schweren
Bewegungseinschränkungen konnten drei
Heiler während des 5. Basler „Weltkongresses“ helfen – innerhalb von nur 48 Stunden.
Alle drei Tests belegten eindrucksvoll, dass
Geistheiler nicht nur nach eigenem Gutdünken
und den Einschätzungen ihrer Klienten
Hervorragendes leisten können, sondern auch
im Urteil von kritisch prüfenden Ärzten.
Systematisch erfasst und statistisch ausgewertet werden ärztlich dokumentierte
Behandlungserfolge von Geistheilern seit
kurzem im Rahmen des Projekts Coaching for
Health, das der Basler Internist Dr. Beat
Schaub bei den „Basler Psi-Tagen“ vorstellen
wird.
Beruhen solche Erfolge samt und sonders auf
Suggestion und dem „Placebo-Effekt“ – der
heilsamen Wirkung des starken Glaubens an
Heilung -, wie Kritiker argwöhnen? Doch
dreierlei Heiler-Tests schliessen solche
psychologischen Einflüsse aus:
 Doppelblindstudien, bei denen weder die
Patienten noch die beteiligten Ärzte wissen, ob
und wann jemand „geistig“ behandelt wird.
Seit den sechziger Jahren befassten sich
weltweit schon über hundert derart angelegte
Untersuchungen mit Geistigem Heilen. Seit
Frühjahr 2002 läuft, von der Europäischen
Kommission gefördert, eine europaweite
Fernheilstudie, an der 400 Heiler aus 21
Ländern Europas und 400 „Austherapierte“
beteiligt sind; in Basel wird der Versuchsleiter
Dr. Harald Walach von der Universität
Freiburg darüber berichten.
 Versuche mit Zielobjekten, denen wir
schwerlich zutrauen würden, auf Placebos
hereinzufallen. Geistheilern wie Geoffrey
Boltwood, Dr. Nicola Cutolo, Christos
Drossinakis und Dr. Alexander Rasin gelang
es in mehreren Tests, bei Laborratten,
Pflanzensamen bzw. Einzellern biologisch
rätselhafte Veränderungen hervorzurufen.
 Etliche biophysikalische Messtechniken, die
in Basel vorgestellt werden, weisen Anomalien
nach, während Heiler arbeiten: Die EEGSpektralanalyse von Günter Haffelder zeigt
sie in den Gehirnwellen von Versuchspersonen, selbst wenn diese nicht wissen,
wann und wie lange sie fernbehandelt werden;
die Thermografie macht sie mittels Infrarotkameras an Temperaturveränderungen von
Hautstellen sichtbar, auf die sich Heiler
konzentrieren; die GDV-Technik des
russischen Physikprofessors Dr. Konstantin
Korotkov (Technische Universität St.
Petersburg) findet sie in Bioelektrografien von
Fingerkuppen; die Biophotonen-Analyse, die
der niederländische Biologe Prof. Dr. Roeland
van Wijk (Universität Utrecht) vorstellen
wird, weist sie in Lichtemissionen aus den
Händen von Heilern nach. Der bulgarische
Physiker Professor Dr. Anton Antonov von
der Universität Blagoevgrad wird in Basel ein
Testverfahren vorstellen, das rätselhafte
Veränderungen im Energiespektrum von
Wasserproben aufspürt, nachdem Geistheiler
darauf eingewirkt haben; noch bis zu
dreieinhalb Monate später bleiben sie
physikalisch messbar. (Mehrere dieser
Messtechniken werden Kongressbesucher in
einem „Testlabor“ im Foyer, innerhalb des
Rahmenprogramms „Forum“, selber
ausprobieren können.)
Inwieweit sich diese Verfahren, einzeln oder
kombiniert, für eine Qualitätskontrolle von
Geistheilern eignen, bleibt abzuwarten. Denn
niemand weiss bisher, ob sie bloss Randphänomene erfassen, die den Heilvorgang
begleiten wie der Rauch das Feuer – oder ob
sie tatsächlich zum Kern der vermeintlichen
„Energieübertragung“ vorstossen, wie sie
zumindest Könner zustande bringen. Wissenschaftler wie Professor Antonov hoffen, dass
sich auf diesem Weg die Spreu vom Weizen
trennen lässt: „Jeder Heiler sollte unserem Test
unterzogen werden – der öffentlichen Gesundheit zuliebe.“
Die Hoffnung des Professors trügt hoffentlich
nicht. Denn Heilerprüfungen, wie sie von
Instituten und Verbänden bisher praktiziert
werden, mangelt es an wissenschaftlicher
Fundierung – und dadurch an Glaubwürdigkeit
auch für Aussenstehende. Erkundet werden
dabei soziale, insbesondere kommunikative
Kompetenzen; die Technik der jeweiligen
Heiltradition, ihre Geschichte und zugrundeliegende Theorie; Paragraphenkenntnisse von
einschlägigen Sanitätsgesetzen und Ehrenkodices usw. Doch selbst wenn ein Lehrling all
dies einer Prüfungskommission unter Beweis
gestellt hat, bleibt immer noch die Frage: Kann
er wirklich heilen? Das heisst: (a) Ist er
imstande, bei einem signifikant hohen Anteil
von Patienten gegen medizinische Prognosen
gesundheitliche Fortschritte zu erreichen? Und
(b) gelingt ihm dies nicht bloss als laienhafter
Psychotherapeut und Suggestivkünstler,
sondern indem er eine physikalisch noch
unergründete „Energie“ zu therapeutischen
Zwecken einzusetzen versteht? Nichts, was
derzeit in Abschlussprüfungen von Lehrinstituten und Prüfungskommissionen von
Heilerverbänden zur Anwendung kommt, ist
auch nur annähernd geeignet, diese beiden
Fragen zu beantworten; die Intuitionen von
Prüfern, Probebehandlungen an Testpersonen
oder Empfehlungsschreiben von ein paar
Patienten oder Heilerkollegen sind jedenfalls
fragwürdige Kriterien, die allenfalls
esoterische Insider zufriedenstellen. Bürgt
allein schon die schiere Anzahl solcher
Prozeduren für ihre Qualität? („Gegen 3000
Prüfungen haben gezeigt, dass wir damit ein
aufschlussreiches, klares und brauchbares Bild
erhalten“, verbreitet ein Heilerverband in
einem Selbstporträt.) Ähnlich in Eigenlob
schwelgte einst wohl die Heilige Römische
Inquisition: Belegen Hunderttausende
erfolgreich abgeschlossener Hexenprozesse
nicht eindrucksvoll ihre Kompetenz, Hexen
„aufschlussreich, klar und brauchbar“ zu
identifizieren?
Ein wissenschaftlich fundierter Heiler-Test
könnte heutige Prüfungskommissare
bescheidener machen, zu mehr Verbraucherschutz im Gesundheitswesen beitragen – und
der Szene bei der Selbstreinigung von Mittelmass und Nichtskönnern behilflich sein. Von
bisher knapp 200 getesteten Personen, die sich
als Heiler bezeichneten, erwiesen sich in
Antonovs Test allerdings nur 12 als „erstklassig“, weitere 23 als „zweitklassig“. Der
Rest fiel durch. Auf die rund zehntausend
Geistheiler im deutschsprachigen Raum
hochgerechnet, würde das bedeuten: Gerade
mal 60 von ihnen leisten energetisch Herausragendes.
Dr. Harald Wiesendanger
Das Schwerpunktthema am Sonntag, 30. November 2003
Heiler einbeziehen
Wir könnten viel,
wenn wir zusammenstünden!
Friedrich von Schiller,
Wilhelm Tell (1804), 1. Akt, 3. Szene
Wem unklar ist, wozu Geistiges Heilen ins
Gesundheitswesen integriert werden muss, der
sollte einmal mit Jost Kundert sprechen – denn
sprechen kann er inzwischen wieder. Vor drei
Jahren hingegen, als er ins Kantonsspital
Glarus eingeliefert wurde, hatte der Bauer aus
dem Glarner Land seine Stimme verloren, und
laufen konnte er auch nicht mehr. Ein Vierteljahr lang fand kein Arzt die Ursache dafür,
keiner wusste dem Mann zu helfen. Doch in
der Klinik traf Kundert auf eine Geistheilerin,
die dort seit Jahren mithelfen darf. Sie „sah“
ihn von einer weissen Wolke umgeben – und
er erinnerte sich an einen geplatzten Sack
Düngemittel. Zwei Stunden später, nach einer
einzigen Sitzung, war der Landwirt vollständig
geheilt.
Was Professor Dr. Kaspar Rhyner, Chefarzt
der Inneren Abteilung des Kantonsspitals
Glarus, beim Basler „Weltkongress“ über die
unorthodoxe Zusammenarbeit mit der Heilerin
berichten wird, deckt sich mit Erfahrungen, die
der Basler Psychiater Dr. Jakob Bösch mit der
slowenischen Heilerin Graziella Schmidt
machte, nachdem er ihr im Rahmen eines
Forschungsprojekts über Geistiges Heilen in
der Psychiatrie die Chance gab, sich um
psychisch Schwerstkranke zu kümmern: „Von
der Zusammenarbeit zwischen geistigen
Heilern und Schulmedizinern können beide
Seiten profitieren. Die einen erlernen dabei
kritisches Denken, die anderen Intuition. Am
meisten profitieren Patienten.“1 Leitende Ärzte
mehrerer russischer Kliniken sind voll des
Lobes darüber, was der neuseeländische Heiler
Clif Sanderson Anfang der neunziger Jahre
bei Hunderten von vermeintlich „Austherapierten“ bewirkte – teils in Moskau, teils in der
Tschernobyl-Region, wo er sich um radioaktiv
Verstrahlte kümmerte. - „Wir haben zur
Kenntnis nehmen müssen, dass am paranormalen Heilen etwas dran ist“, äusserte sich
der Chefarzt des städtischen Krankenhauses
„de Venere“ in Bari, nachdem er den
italienischen Psychologen und Heiler Dr.
Nicola Cutolo monatelang dort arbeiten liess:
„Wir haben bei fast jedem Krankheitsfall
positive Ergebnisse beobachten können“.
Geistheiler in Kliniken, Seite an Seite mit
Chefärzten: Zumindest in Kontinentaleuropa
ist dies vorerst noch eine Rarität, anders als in
Grossbritannien, wo schon Ende der fünfziger
Jahre fast 200 Krankenhäuser ihre Tore für
Geistheiler öffneten; bis 1992 waren bereits
1500 britische Kliniken für Heiler zugänglich.
Doch auf vielerlei anderen Ebenen finden auch
in der Schweiz und Deutschland beide Seiten
immer häufiger zueinander. Vielerorts dürfen
Heiler in Arztpraxen gelegentlich oder ständig
mitarbeiten, wie bei dem deutschen Radiologen Dr. Horst Schöll oder bei dem Basler
Internisten Dr. Beat Schaub, der auf die
Fähigkeiten von Horst Krohne schwört. (Den
Anstoss dazu gab übrigens der Basler
„Weltkongress“ 2001: Innerhalb eines „48Stunden-Tests“ befreite Krohne Schaubs
12jährigen Sohn auf Dauer von einer schweren
Lebensmittelallergie – mit einer einzigen
Sitzung.) Immer mehr Ärzte empfehlen
Patienten, für die sie selbst zuwenig tun
können, an Geistheiler ihres Vertrauens weiter,
schicken schwerkranke Angehörige und
Bekannte dorthin - und scheuen sich nicht,
notfalls auch selber „spirituelle“ Hilfe in
Anspruch zu nehmen. Immer mehr Ärzte
erlernen Geistiges Heilen, um es anschliessend
bei ihren eigenen Patienten anzuwenden:
Allein 34 absolvierten in den vergangenenen
sechs Jahren die Ausbildung in „Bioenergetischer Meditation“ bei Viktor Philippi – fünf
von ihnen werden am „Weltkongress“ teilnehmen. Und auch die Referenten Dr. med.
Robert Ennemoser, Dr. med. Dorothea
Fuckert, Dr. med. Verena Schmuckermeier
vereinigen Schulmedizin und Geistiges Heilen
in einer Person.
Kritiker wähnen, all das sei verfrüht. Sollte
nicht erst noch wissenschaftlich belegt werden,
dass Geistiges Heilen tatsächlich wirkt? Aber
solche Forschungen liegen längst vor –
darunter weit über hundert Doppelblindstudien, die Placeboeffekte ausschliessen – und
warten darauf, in akademischen Fachkreisen
endlich zur Kenntnis genommen zu werden. Müsste nicht erst noch geklärt werden, wie
Geistiges Heilen funktioniert? Aber ein
nützliches Werkzeug einzusetzen, setzt
keineswegs voraus, seine Wirkungsweise zu
verstehen. Andernfalls hätten Akupunktur und
Homöopathie bis heute mit einem
Anwendungsverbot belegt werden müssen.
Und das weltweit erfolgreichste Arzneimittel
überhaupt, Acetylsalicylsäure („Aspirin“),
wäre 85 Jahre zu früh auf den Markt
gekommen: So lange dauert es nämlich, bis
seine Wirkungsweise vollständig aufgeklärt
war.
Geistheiler werden die konventionelle Medizin
freilich nicht bloss um den Einsatz einer
mysteriösen „Heilenergie“ bereichern, die
physikalisch erst noch ergründet werden muss.
Sie haben weitaus mehr einzubringen, wie
beim „Weltkongress“ unter anderem
Referent(inn)en wie Chris Griscom (USA),
Jasmuheen (Australien), Bjoern Axel Rudin
(Schweden), Pamela Sommer-Dickson (CH),
Malcolm Southwood (GB) oder Harald
Wessbecher (D) betonen werden: ein
erweitertes Menschenbild, ein umfassenderes
Verständnis der Entstehung von Krankheit und
der Voraussetzung für Genesung – und eine
besondere Art und Weise, mit Hilfsbedürftigen
umzugehen, die Wärme, Sinn und Hoffnung
gibt. „Letztlich ist es die Liebe, die heilt“, sagt
Pamela Sommer-Dickson – und auf ein solches
Therapeutikum warten die „Behandlungsresistenten“ des herkömmlichen, technomanisch entseelten Medizinbetriebs
mindestens ebenso dringend wie auf noch
perfektere Mikrochirurgie.
Wie und wann wird Geistiges Heilen
Anerkennung finden? Bekennender Esoteriker
an der Spitze von Gesundheitsministerien,
Ärztekammern und Pharmakonzernen harren
wir vermutlich vergebens. Impulse werden
eher von Krankenkassen ausgehen, sobald sie
in Modellversuchen feststellen, welches
Einsparungspotential hier brachliegt – und von
niedergelassenen Ärzten, die unter dem Nachfragedruck von Patienten ihr Behandlungsrepertoire erweitern. Millionen von Jost
Kunderts warten darauf.
Dr. Harald Wiesendanger
1 Jakob Bösch, „Sensitivität und geistiges Heilen in der Psychiatrie und Psychotherapie“, in H. Wiesendanger (Hrsg.):
Geistiges Heilen für eine neue Zeit – Vom „Wunderheilen“ zur ganzheitlichen Medizin, Kösel: München 1999, S. 243-264,
dort S. 261.
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