Das Schwerpunktthema am Freitag, 28. November 2003 Heiler werden Wer Heiler werden will, muss heiler werden. Titel einer Diskussionsveranstaltung beim Basler „Weltkongress für Geistiges Heilen“ „Lange Zeit glaubte ich, Heilen sei nicht lernbar“, bekennt Viktor Philippi. Doch dann, im Sommer 1995, überwältigte ihn eine „Vision“, in der ihm Gott „mitteilte, dass ich mein Wissen und Können weitergeben soll“ – und ihm offenbarte, wie. Im Herbst 1996 veranstaltete er daraufhin die ersten Kurse; bis heute haben schon über 600 Schüler seine Ausbildung durchlaufen. Der Gesinnungswandel des prominenten Heilers, der 1992 aus Kasachstan nach Deutschland übersiedelte, steht für ein Umdenken in der Esoterikszene allgemein. Galt die Fähigkeit zum Geistigen Heilen jahrtausendelang als göttliche Gabe weniger Auserwählter, so setzt sich neuerdings immer mehr die Ansicht durch: Heilen könne eigentlich jeder – er benötige bloss die richtige Anleitung, damit das Talent zum Vorschein kommt. Den Boden dafür bereitete schon die legendäre Leitfigur der sechziger Jahre, der Engländer Harry Edwards (1893-1976): "Wer den Wunsch hat, Hilfsbedürftigen beizustehen, dessen Heilungspotential kann entwickelt werden“, so behauptete er. „Dies ist um so sicherer, wenn der Wunsch zu einem tiefen Sehnen wird, Schmerz wegzunehmen und Leid zu lindern."1 Allerlei Lehrbücher multiplizieren seither die frohe Botschaft: "Jeder, der den ernsthaften Wunsch und echtes Interesse besitzt, kann seinen Geist und seine Hände zum Heilen gebrauchen. Die einzige Voraussetzung ist Interesse und Einfühlungsvermögen."2 - "Egal, ob Sie sich mit Esoterik auskennen oder an Gott glauben - Sie können in jedem Fall lernen, wie man die heilenden Kräfte richtig lenkt."3 - "Wir alle sind Heiler jeder besitzt diese angeborene Fähigkeit... Es handelt sich also nur um eine Frage der Zeit und Energie, die Sie zu deren Entfaltung gewillt sind einzusetzen."4 Immer zahlreicher, immer vielfältiger werden entsprechende Schulungsangebote. Im selben Masse wächst die Verunsicherung der Interessenten: Worauf sollen sie sich einlassen? Was zeichnet einen seriösen, hochwertigen Heilerkurs aus, bei dem Kosten und Zeitaufwand in bestmöglichem Verhältnis zum persönlichen Ertrag stehen? Nach welchen Kriterien sollte die Wahl getroffen werden? Einige der erfahrensten Ausbilder im deutschsprachigen Raum werden sich am ersten Tag des diesjährigen „Weltkongresses“ um Orientierungshilfen bemühen: neben Viktor Philippi („Europäische Gesellschaft für Bioenergetik Extrasens“) auch George Paul Huber („Livitra“-Heilzentrum), Horst Krohne („Schule der Geistheilung“) und Rolf Thomas Steiner („Snowlion Center Schulen). Die zu klärenden Fragen sind ebenso zahlreich wie knifflig. Bringen etwa Schulungsangebote in Reiki oder Prana-Heilen, Qi Gong oder Therapeutic Touch, Universal Tao oder Magnified Healing die besseren Heiler hervor? Ist das Teuerste das Beste? Je länger, desto effektiver? Genügen berufsbegleitend sechs Wochenenden im Laufe von fünf Monaten, wie bei Viktor Philippi, oder sind vier Jahre ratsam, wie bei Rolf Steiner? Muss ein Heiler diagnostizieren lernen, worauf z.B. in Krohnes „Schule der Geistheilung“ grosser Wert gelegt wird? Welchen Anteil am Lernerfolg hat die vermittelte Behandlungsweise – und welche die Persönlichkeit des Lehrers? Kommt es darauf an, ein bestimmtes Arsenal von therapeutischen Techniken möglichst souverän zu beherrschen - oder steht „die Methode an zweiter Stelle“, weil „das Wichtige ist, dass Menschen, die heilen, Liebe und Vertrauen haben“5? Wann sind Kursteilnehmer reif für bestimmte Lerninhalte? Sollten sie beispielsweise mit „Fernbehandlungen“ schon am ersten Kurswochenende beginnen (wie bei Philippi), erst im fünften „Intensivseminar“ (wie bei Krohne) oder nicht vor dem dritten Lehrjahr (wie bei Steiner)? Muss einer guten Heilerausbildung eine tiefgreifende Persönlichkeitsschulung vorangehen – und wie intensiv muss sie sein? Besucher der „Snowlion Schulen“ etwa verbringen ihre beiden ersten Lehrjahre damit, „das Fundament auf der persönlichen Ebene zu legen“ (Institutsbroschüre); erst im dritten Jahr steht „Geistheilung“ auf dem Lehrplan. Auf all diese und viele weitere Fragen fehlen bislang überzeugende Antworten - wegen eines grundsätzlichen Dilemmas. Wer von einer Fähigkeit behauptet, sie sei lernbar, muss erklären können, wie er den Lernerfolg feststellt – woher er weiss, dass nach Abschluss der Lernphase mehr davon vorhanden ist als vor Beginn. Und er muss zeigen können, wie die Art und Weise, die Lehrzeit zu gestalten, mit dem Lernerfolg zusammenhängt; nur so kann er die Ausbildung mit Inhalten füllen, die nicht beliebig, sondern förderlich sind, und zwischen vielerlei denkbaren (und praktizierten) Ausbildungsalternativen die beste wählen – das heisst diejenige, deren Absolventen die betreffende Fähigkeit tatsächlich beherrschen, und das möglichst gut. Zur Klärung beitragen könnten überzeugende Prüfverfahren für Geistheiler – doch daran mangelt es vorerst, trotz einiger ermutigender Ansätze, um die es am zweiten Kongresstag gehen wird. (Siehe Text „Heiler testen“.) Wenn aber die Fähigkeit zu heilen im Grunde nicht objektiv feststellbar ist - zumindest nicht mit den bisher verfügbaren und eingesetzten Mitteln -, ist vorerst leider auch nicht zu entscheiden, welche Ausbildungen die besseren Heiler hervorbringen. Ja, es lässt sich noch nicht einmal sagen, ob ausgebildete Heiler besser sind als unausgebildete. Jedenfalls finden wir herausragende Heiler nicht selten unter sogenannten "Naturtalenten", denen ihre Fähigkeit wie aus heiterem Himmel "zufiel" und die sie seither eher intuitiv anwenden, als irgendwelchen esoterischen Methodenlehren und Theorien zu folgen. Einige der meistbewunderten Heiler, die beim „Weltkongress“ auftreten, haben keine Minute lang die Schulbank irgendeines Instituts gedrückt – sie fanden zu ihrer Berufung auf einer Vielzahl anderer Wege: Die Fähigkeiten mancher Heiler scheinen regelrecht in der Familie zu liegen, sie wurden über Generationen weitergegeben. Manchmal traten sie spontan schon in früher Kindheit auf, hin und wieder auch nach Unfällen oder anderen lebensgefährlichen Situationen, oft verbunden mit einem Nahtodeserlebnis; nach schwerer Krankheit; nach tiefen persönlichen Krisen; nach einem physischen Zusammenbruch; durch zufälliges Ausprobieren (meist an kranken Angehörigen, Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen; manchmal auch an Tieren) durch Hinweise von Anderen (Heilern, Medien, Hellsichtigen) durch ein "Erleuchtungserlebnis", etwa in einer Vision oder einer „inneren Stimme“ folgend; durch Selbststudium. Warum boomt ausgerechnet das Heilenlernen seit Jahren, trotz dieser offenkundigen Alternativen? Ein Teil der Wahrheit steckt vermutlich in wirtschaftlichen und juristischen Rahmenbedingungen, denen sich auch praktizierende Esoteriker kaum entziehen können. 1. Mit Esoterik seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist selten ein Zuckerschlecken; ausserhalb der „Szene“ fehlt in der Regel ein breiter, kapitalkräftiger Markt, erst recht in Zeiten schwacher Konjunktur, der Konsumenten sparsam macht. Doch zumindest rund ums Thema „Heilenlernen“ winkt ein gigantisches Kundenpotential: Immerhin drei Prozent aller Erwachsenen trauen sich nämlich, einer westdeutschen Meinungsumfrage zufolge, selber Heilkräfte zu.6 Das wären hochgerechnet immerhin rund drei bis vier Millionen Menschen im deutschsprachigen Raum. 2. Heilerausbildungen sind vergleichsweise lukrativ, gemessen am Zeitaufwand oft einträglicher als Einzelbehandlungen. Bis zu fünfstellige Summen pro Teilnehmer werden dafür verlangt und bezahlt. 3. Heiler auszubilden, ist meist mit deutlich weniger Stress und Verantwortung verbunden, als zu heilen. 4. In den meisten westlichen Ländern ist medizinischen Laien, die keine ärztliche Approbation oder eine sonstige staatlich festgestellte therapeutische Qualifikation vorweisen können, das Behandeln von Krankheiten strikt untersagt; demgegenüber erspart sich juristische Scherereien, wer das Behandeln lediglich lehrt. Aus all diesen Gründen wäre die Idee, Heilen sei lernbar, selbst dann gross in Mode, wenn sie eine Fiktion wäre: Denn fast alle Beteiligten profitieren davon – von den Patienten einmal abgesehen. Dr. Harald Wiesendanger 1 2 3 4 5 6 Harry Edwards, Wege zur Geistheilung, 1963 Keith Sherwood, Die Kunst des spirituellen Heilens, 1984 Ric Weinman, Deine Hände heilen, 1988 Eileen Herzberg, Praktisches Handbuch der Geistheilung, 1989 George Paul Huber in einem Interview mit Lichtwelle 3/02 Wickert-Institute, Juni 1991. Befragt wurden 1795 Westdeutsche. Das Schwerpunktthema am Samstag, 29. November 2003 Heiler testen Wer prüft, mehrt das Wissen; wer glaubt, vermehrt den Irrtum. Lokman, Fabeln Dreimal schon – 1994, 1998 und 2001 – machten die Organisatoren der Basler „Weltkongresse für Geistiges Heilen“ die Probe aufs Exempel: Unter ärztlicher Aufsicht liessen sie insgesamt 55 Heiler rund 150 chronisch Kranke betreuen. Obgleich aus schulmedizinischer Sicht „austherapiert“, machte die Mehrzahl der Patienten unerwartete Fortschritte. Acht Wochen Handauflegen führte in acht von neun Fällen zu teilweise spektakulären Besserungen, selbst bei metastasiertem Knochenkrebs; ein Junge mit langjährigem Asthma bronchiale erlebte schon nach der allerersten Sitzung eine Spontanremission. Auch von einem fünfmonatigen „Fernheil-Test“, in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg, profitierte ein Grossteil der Beteiligten nicht nur hinsichtlich ihrer psychischen Verfassung und ihrer Lebensqualität, sondern auch, was ihre schweren körperlichen Symptome betraf. Zahlreichen Patienten mit hartnäckigen Allergien, chronischem Asthma und schweren Bewegungseinschränkungen konnten drei Heiler während des 5. Basler „Weltkongresses“ helfen – innerhalb von nur 48 Stunden. Alle drei Tests belegten eindrucksvoll, dass Geistheiler nicht nur nach eigenem Gutdünken und den Einschätzungen ihrer Klienten Hervorragendes leisten können, sondern auch im Urteil von kritisch prüfenden Ärzten. Systematisch erfasst und statistisch ausgewertet werden ärztlich dokumentierte Behandlungserfolge von Geistheilern seit kurzem im Rahmen des Projekts Coaching for Health, das der Basler Internist Dr. Beat Schaub bei den „Basler Psi-Tagen“ vorstellen wird. Beruhen solche Erfolge samt und sonders auf Suggestion und dem „Placebo-Effekt“ – der heilsamen Wirkung des starken Glaubens an Heilung -, wie Kritiker argwöhnen? Doch dreierlei Heiler-Tests schliessen solche psychologischen Einflüsse aus: Doppelblindstudien, bei denen weder die Patienten noch die beteiligten Ärzte wissen, ob und wann jemand „geistig“ behandelt wird. Seit den sechziger Jahren befassten sich weltweit schon über hundert derart angelegte Untersuchungen mit Geistigem Heilen. Seit Frühjahr 2002 läuft, von der Europäischen Kommission gefördert, eine europaweite Fernheilstudie, an der 400 Heiler aus 21 Ländern Europas und 400 „Austherapierte“ beteiligt sind; in Basel wird der Versuchsleiter Dr. Harald Walach von der Universität Freiburg darüber berichten. Versuche mit Zielobjekten, denen wir schwerlich zutrauen würden, auf Placebos hereinzufallen. Geistheilern wie Geoffrey Boltwood, Dr. Nicola Cutolo, Christos Drossinakis und Dr. Alexander Rasin gelang es in mehreren Tests, bei Laborratten, Pflanzensamen bzw. Einzellern biologisch rätselhafte Veränderungen hervorzurufen. Etliche biophysikalische Messtechniken, die in Basel vorgestellt werden, weisen Anomalien nach, während Heiler arbeiten: Die EEGSpektralanalyse von Günter Haffelder zeigt sie in den Gehirnwellen von Versuchspersonen, selbst wenn diese nicht wissen, wann und wie lange sie fernbehandelt werden; die Thermografie macht sie mittels Infrarotkameras an Temperaturveränderungen von Hautstellen sichtbar, auf die sich Heiler konzentrieren; die GDV-Technik des russischen Physikprofessors Dr. Konstantin Korotkov (Technische Universität St. Petersburg) findet sie in Bioelektrografien von Fingerkuppen; die Biophotonen-Analyse, die der niederländische Biologe Prof. Dr. Roeland van Wijk (Universität Utrecht) vorstellen wird, weist sie in Lichtemissionen aus den Händen von Heilern nach. Der bulgarische Physiker Professor Dr. Anton Antonov von der Universität Blagoevgrad wird in Basel ein Testverfahren vorstellen, das rätselhafte Veränderungen im Energiespektrum von Wasserproben aufspürt, nachdem Geistheiler darauf eingewirkt haben; noch bis zu dreieinhalb Monate später bleiben sie physikalisch messbar. (Mehrere dieser Messtechniken werden Kongressbesucher in einem „Testlabor“ im Foyer, innerhalb des Rahmenprogramms „Forum“, selber ausprobieren können.) Inwieweit sich diese Verfahren, einzeln oder kombiniert, für eine Qualitätskontrolle von Geistheilern eignen, bleibt abzuwarten. Denn niemand weiss bisher, ob sie bloss Randphänomene erfassen, die den Heilvorgang begleiten wie der Rauch das Feuer – oder ob sie tatsächlich zum Kern der vermeintlichen „Energieübertragung“ vorstossen, wie sie zumindest Könner zustande bringen. Wissenschaftler wie Professor Antonov hoffen, dass sich auf diesem Weg die Spreu vom Weizen trennen lässt: „Jeder Heiler sollte unserem Test unterzogen werden – der öffentlichen Gesundheit zuliebe.“ Die Hoffnung des Professors trügt hoffentlich nicht. Denn Heilerprüfungen, wie sie von Instituten und Verbänden bisher praktiziert werden, mangelt es an wissenschaftlicher Fundierung – und dadurch an Glaubwürdigkeit auch für Aussenstehende. Erkundet werden dabei soziale, insbesondere kommunikative Kompetenzen; die Technik der jeweiligen Heiltradition, ihre Geschichte und zugrundeliegende Theorie; Paragraphenkenntnisse von einschlägigen Sanitätsgesetzen und Ehrenkodices usw. Doch selbst wenn ein Lehrling all dies einer Prüfungskommission unter Beweis gestellt hat, bleibt immer noch die Frage: Kann er wirklich heilen? Das heisst: (a) Ist er imstande, bei einem signifikant hohen Anteil von Patienten gegen medizinische Prognosen gesundheitliche Fortschritte zu erreichen? Und (b) gelingt ihm dies nicht bloss als laienhafter Psychotherapeut und Suggestivkünstler, sondern indem er eine physikalisch noch unergründete „Energie“ zu therapeutischen Zwecken einzusetzen versteht? Nichts, was derzeit in Abschlussprüfungen von Lehrinstituten und Prüfungskommissionen von Heilerverbänden zur Anwendung kommt, ist auch nur annähernd geeignet, diese beiden Fragen zu beantworten; die Intuitionen von Prüfern, Probebehandlungen an Testpersonen oder Empfehlungsschreiben von ein paar Patienten oder Heilerkollegen sind jedenfalls fragwürdige Kriterien, die allenfalls esoterische Insider zufriedenstellen. Bürgt allein schon die schiere Anzahl solcher Prozeduren für ihre Qualität? („Gegen 3000 Prüfungen haben gezeigt, dass wir damit ein aufschlussreiches, klares und brauchbares Bild erhalten“, verbreitet ein Heilerverband in einem Selbstporträt.) Ähnlich in Eigenlob schwelgte einst wohl die Heilige Römische Inquisition: Belegen Hunderttausende erfolgreich abgeschlossener Hexenprozesse nicht eindrucksvoll ihre Kompetenz, Hexen „aufschlussreich, klar und brauchbar“ zu identifizieren? Ein wissenschaftlich fundierter Heiler-Test könnte heutige Prüfungskommissare bescheidener machen, zu mehr Verbraucherschutz im Gesundheitswesen beitragen – und der Szene bei der Selbstreinigung von Mittelmass und Nichtskönnern behilflich sein. Von bisher knapp 200 getesteten Personen, die sich als Heiler bezeichneten, erwiesen sich in Antonovs Test allerdings nur 12 als „erstklassig“, weitere 23 als „zweitklassig“. Der Rest fiel durch. Auf die rund zehntausend Geistheiler im deutschsprachigen Raum hochgerechnet, würde das bedeuten: Gerade mal 60 von ihnen leisten energetisch Herausragendes. Dr. Harald Wiesendanger Das Schwerpunktthema am Sonntag, 30. November 2003 Heiler einbeziehen Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden! Friedrich von Schiller, Wilhelm Tell (1804), 1. Akt, 3. Szene Wem unklar ist, wozu Geistiges Heilen ins Gesundheitswesen integriert werden muss, der sollte einmal mit Jost Kundert sprechen – denn sprechen kann er inzwischen wieder. Vor drei Jahren hingegen, als er ins Kantonsspital Glarus eingeliefert wurde, hatte der Bauer aus dem Glarner Land seine Stimme verloren, und laufen konnte er auch nicht mehr. Ein Vierteljahr lang fand kein Arzt die Ursache dafür, keiner wusste dem Mann zu helfen. Doch in der Klinik traf Kundert auf eine Geistheilerin, die dort seit Jahren mithelfen darf. Sie „sah“ ihn von einer weissen Wolke umgeben – und er erinnerte sich an einen geplatzten Sack Düngemittel. Zwei Stunden später, nach einer einzigen Sitzung, war der Landwirt vollständig geheilt. Was Professor Dr. Kaspar Rhyner, Chefarzt der Inneren Abteilung des Kantonsspitals Glarus, beim Basler „Weltkongress“ über die unorthodoxe Zusammenarbeit mit der Heilerin berichten wird, deckt sich mit Erfahrungen, die der Basler Psychiater Dr. Jakob Bösch mit der slowenischen Heilerin Graziella Schmidt machte, nachdem er ihr im Rahmen eines Forschungsprojekts über Geistiges Heilen in der Psychiatrie die Chance gab, sich um psychisch Schwerstkranke zu kümmern: „Von der Zusammenarbeit zwischen geistigen Heilern und Schulmedizinern können beide Seiten profitieren. Die einen erlernen dabei kritisches Denken, die anderen Intuition. Am meisten profitieren Patienten.“1 Leitende Ärzte mehrerer russischer Kliniken sind voll des Lobes darüber, was der neuseeländische Heiler Clif Sanderson Anfang der neunziger Jahre bei Hunderten von vermeintlich „Austherapierten“ bewirkte – teils in Moskau, teils in der Tschernobyl-Region, wo er sich um radioaktiv Verstrahlte kümmerte. - „Wir haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass am paranormalen Heilen etwas dran ist“, äusserte sich der Chefarzt des städtischen Krankenhauses „de Venere“ in Bari, nachdem er den italienischen Psychologen und Heiler Dr. Nicola Cutolo monatelang dort arbeiten liess: „Wir haben bei fast jedem Krankheitsfall positive Ergebnisse beobachten können“. Geistheiler in Kliniken, Seite an Seite mit Chefärzten: Zumindest in Kontinentaleuropa ist dies vorerst noch eine Rarität, anders als in Grossbritannien, wo schon Ende der fünfziger Jahre fast 200 Krankenhäuser ihre Tore für Geistheiler öffneten; bis 1992 waren bereits 1500 britische Kliniken für Heiler zugänglich. Doch auf vielerlei anderen Ebenen finden auch in der Schweiz und Deutschland beide Seiten immer häufiger zueinander. Vielerorts dürfen Heiler in Arztpraxen gelegentlich oder ständig mitarbeiten, wie bei dem deutschen Radiologen Dr. Horst Schöll oder bei dem Basler Internisten Dr. Beat Schaub, der auf die Fähigkeiten von Horst Krohne schwört. (Den Anstoss dazu gab übrigens der Basler „Weltkongress“ 2001: Innerhalb eines „48Stunden-Tests“ befreite Krohne Schaubs 12jährigen Sohn auf Dauer von einer schweren Lebensmittelallergie – mit einer einzigen Sitzung.) Immer mehr Ärzte empfehlen Patienten, für die sie selbst zuwenig tun können, an Geistheiler ihres Vertrauens weiter, schicken schwerkranke Angehörige und Bekannte dorthin - und scheuen sich nicht, notfalls auch selber „spirituelle“ Hilfe in Anspruch zu nehmen. Immer mehr Ärzte erlernen Geistiges Heilen, um es anschliessend bei ihren eigenen Patienten anzuwenden: Allein 34 absolvierten in den vergangenenen sechs Jahren die Ausbildung in „Bioenergetischer Meditation“ bei Viktor Philippi – fünf von ihnen werden am „Weltkongress“ teilnehmen. Und auch die Referenten Dr. med. Robert Ennemoser, Dr. med. Dorothea Fuckert, Dr. med. Verena Schmuckermeier vereinigen Schulmedizin und Geistiges Heilen in einer Person. Kritiker wähnen, all das sei verfrüht. Sollte nicht erst noch wissenschaftlich belegt werden, dass Geistiges Heilen tatsächlich wirkt? Aber solche Forschungen liegen längst vor – darunter weit über hundert Doppelblindstudien, die Placeboeffekte ausschliessen – und warten darauf, in akademischen Fachkreisen endlich zur Kenntnis genommen zu werden. Müsste nicht erst noch geklärt werden, wie Geistiges Heilen funktioniert? Aber ein nützliches Werkzeug einzusetzen, setzt keineswegs voraus, seine Wirkungsweise zu verstehen. Andernfalls hätten Akupunktur und Homöopathie bis heute mit einem Anwendungsverbot belegt werden müssen. Und das weltweit erfolgreichste Arzneimittel überhaupt, Acetylsalicylsäure („Aspirin“), wäre 85 Jahre zu früh auf den Markt gekommen: So lange dauert es nämlich, bis seine Wirkungsweise vollständig aufgeklärt war. Geistheiler werden die konventionelle Medizin freilich nicht bloss um den Einsatz einer mysteriösen „Heilenergie“ bereichern, die physikalisch erst noch ergründet werden muss. Sie haben weitaus mehr einzubringen, wie beim „Weltkongress“ unter anderem Referent(inn)en wie Chris Griscom (USA), Jasmuheen (Australien), Bjoern Axel Rudin (Schweden), Pamela Sommer-Dickson (CH), Malcolm Southwood (GB) oder Harald Wessbecher (D) betonen werden: ein erweitertes Menschenbild, ein umfassenderes Verständnis der Entstehung von Krankheit und der Voraussetzung für Genesung – und eine besondere Art und Weise, mit Hilfsbedürftigen umzugehen, die Wärme, Sinn und Hoffnung gibt. „Letztlich ist es die Liebe, die heilt“, sagt Pamela Sommer-Dickson – und auf ein solches Therapeutikum warten die „Behandlungsresistenten“ des herkömmlichen, technomanisch entseelten Medizinbetriebs mindestens ebenso dringend wie auf noch perfektere Mikrochirurgie. Wie und wann wird Geistiges Heilen Anerkennung finden? Bekennender Esoteriker an der Spitze von Gesundheitsministerien, Ärztekammern und Pharmakonzernen harren wir vermutlich vergebens. Impulse werden eher von Krankenkassen ausgehen, sobald sie in Modellversuchen feststellen, welches Einsparungspotential hier brachliegt – und von niedergelassenen Ärzten, die unter dem Nachfragedruck von Patienten ihr Behandlungsrepertoire erweitern. Millionen von Jost Kunderts warten darauf. Dr. Harald Wiesendanger 1 Jakob Bösch, „Sensitivität und geistiges Heilen in der Psychiatrie und Psychotherapie“, in H. Wiesendanger (Hrsg.): Geistiges Heilen für eine neue Zeit – Vom „Wunderheilen“ zur ganzheitlichen Medizin, Kösel: München 1999, S. 243-264, dort S. 261.