Holone-Artefakte-Haufen

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Hallo an alle,
anbei der erste Teil einer Übersetzung des Kofman-Artikels zum Thema Holons,
Haufen und Artefakte (etwa ein Drittel des Textes).
Ich habe Abb.1 rekonstruiert, alle weiteren Abbildung bitte im Originaltext
nachschauen.
Ein Hinweis: Der Autor verwendet den Begriff "Holon" auf zwei Arten: zum einen
als Überbegriff für individuelle Holons, soziale Holons, Artefakte und Haufen.
(siehe Abb.1); zum zweiten aber auch lediglich für individuelle und soziale
Holons, und nicht für Artefakte und Haufen. Ich habe das z.T. durch Einfügungen
in die Übersetzung versucht herauszuheben, und hoffe dass aus dem Kontext
ersichtlich ist welcher Holon-Begriff gemeint ist.
Ich bin kein Profi-Übersetzer (von meinen Rechtschreibekenntnissen mal ganz
abgesehen), und freue mich über die Anregungen von verschiedenen Seiten,
was das Inhaltliche wie auch was die Übersetzung angeht.
Diese Übersetzung soll nur solange Bestand haben, bis es etwas
Besseres gibt - und ich hätte nichts dagegen wenn das schon morgen der
Fall wäre.
viel Freude bei der Lektüre
Michael
Holons, Haufen und Artefakte
(und ihre entsprechenden Hierarchien)
Fred Kofman
Hinweis des Autors: Obgleich das Rohmaterial für diesen Artikel aus meinen
Gesprächen mit Ken Wilber stammt, repräsentieren die hier formulierten Ideen
nicht notwendigerweise seinen Standpunkt. Ich versuche einfach mein Verständnis
seines Modells und meine Überlegungen dazu darzustellen. Ken Wilbers Ansichten
zu diesem Thema findet der Leser in einem Interview, veröffentlicht unter
wilber.shambhala.com. Ich möchte mich für Ken Wilbers Geduld und Grosszügigkeit
bedanken. Er hat viele Stunden damit verbracht, mich in seinem Denken zu
unterrichten. Es war eine wunderschöne und zur Demut hinführende Erfahrung, die
ehrfürchtige Architektur der integralen Philosophie zu erforschen, erläutert
durch das Herz und den Verstand einer ihrer brilliantesten Vertreter.
Vier Typen von Einheiten
Erweiterte Definitionen
Soziale Holons
Grösse
Die Vermischung individueller und sozialer Holons
Anwendungen für Organisationen
Organisationen als Artefakte
Integrale Gesundheit
Zusammenfassung
Um die Bedeutung von Ganzes/Teil in Wilbers Modell zu verstehen, ist es wichtig
vier Typen von Einheiten zu unterscheiden: individuelle Holons, soziale Holons,
Artefakte und Haufen. Nach Wilber bedeutet für jeden dieser Typen die
Ganzes/Teil Beziehung etwas anderes, und die Hierarchie einer fortschreitenden
Transzendenz und Beinhaltung bedeutet etwas anderes – und hat einen
unterschiedlichen Bezug zu physischer Grösse. Wilber hat diese Ideen auf
verschiedene Veröffentlichungen verteilt (Eros, Kosmos, Logos und Integrale
Psychologie z.B.), er hat sie jedoch nicht in einem einzigen Text
zusammengefasst. Wilbers umfassendste Stellungnahme zu Haufen, Artefakten und
Holons geschahen währen des Dialoges, der zu diesem Essay führte (und in dem
Shambhala Interview welches oben angegeben ist). Mein Ziel in diesem Artikel
ist
es, seine Ideen zu formulieren, und aus ihnen einige Schlussfolgerungen
abzuleiten.
Ich hoffe, bei dieser Gelegenheit auch einige häufig gemachte Fehler
korrigieren
zu können, die von vielen Lesern seiner Theorien gemacht werden. Die
Unterscheidungen zwischen individuellen Holons, sozialen Holons, Artefakten und
Haufen sind fein, und doch fundamental. Ebenso wichtig sind die Unterschiede in
den Hierarchien jede dieser Typen. Es ist leicht sie zu übersehen - und es ist
gefährlich.
Ein Holon ist eine Einheit, die als ein Ganzes in sich selbst gesehen werden
kann, und, gleichzeitig, als ein Teil eines grösseren Ganzen. In Eros Kosmos
Logos (EKL) unterscheidet Wilber nicht klar zwischen bewussten und
nicht-bewussten Holons. Erstere (z.B. Atome, Moleküle, Zellen, usw. und
Galaxien, Planeten, Ökosysteme, Stämme usw.) nennt er einfach „Holons“;
letztere
(welche er in EKL nicht ausdrücklich erwähnt) nennt er „Artefakte“
(Ameisenhaufen, Spinnennetze, Autos) und „Haufen“ (Felsen, Pfützen,
Sanddünen). In EKL konzentriert sich Wilber auf die Ganzes/Teil Beziehung und
die Natur des Transzendieren-und-Beinhaltens von Hierarchien, und diese
implizite Eingrenzung des Holonbegriffes auf bewusste Holons hat zu einiger
Verwirrung geführt.
--------------Individuell
-----------------Bewusst---------------Sozial
Holons ---------------Artefakte
------------Nicht-Bewusst-----------------Haufen
Abb.: 1 Bewusste und Nicht-Bewusste Holons
Auf S. 36 dieses Buches [Sex, Ecology, Spirituality] z.B. schreibt Wilber dass
Formeln „mathematische Holons darstellen, die in einer unendlichen Hierarchie
geordnet sind, einer Holarchie.“ An einer anderen Stelle verwendet er die
Hierarchie von Buchstabe, Wort, Satz, Absatz und Text als ein holonisches
Beispiel von Transzendieren und Beinhalten. Diese Beispiele illustrieren
Hierarchien nicht-bewusster Holons, die Begriffe „Holon“ oder „Holarchie“
werden
dabei jedoch nicht durchgängig verwendet. (Nach Wilbers eigener Definition sind
Formeln, Buchstaben, Worte, Sätze und andere linguistische Objekte keine
bewussten Holons, sondern Artefakte). Obwohl er seine Definition Holons und
Holarchien betreffend in andern Abschnitten seines Buches klar gemacht hat,
haben viele Menschen diese Konzepte falsch verstanden und falsch angewendet.
Das
ist ein sehr unglücklicher Umstand der zu einer grossen Verwirrung führen kann,
und zu gefährliche ethischen Ideen – Ideen mit furchterregenden sozialen und
politischen Schlussfolgerungen.
Darüberhinaus verleitet die erste von Wilbers zwanzig Grundaussagen manche
Leser
zu falschen Schlussfolgerungen. Diese Grundaussage sagt, dass „Wirklichkeit als
Ganzes sich nicht aus Dingen oder Prozessen zusammensetzt, sondern aus Holons“.
Die falsche Schlussfolgerung daraus ist, dass jedes Ding das existiert, ein
Holon ist. Das ist nicht der Fall; oder zumindestens nicht das, was Wilber
vermitteln möchte. Es gibt viele Dinge die in der Wirklichkeit existieren, die
keine (bewussten) Holons sind, wie z.B. Haufen und Artefakte. Diese Dinge sind
auch eingebettet in Ganzes/Teil Beziehungen; allerdings hat die hierarchische
Integration eine völlig andere Bedeutung für Haufen, für Artefakte und für
Holons. Wir werden sehen, dass ein Holon nicht einfach nur irgendetwas ist,
dass
gleichzeitig als ein Ganzes in sich selbst und als Teil eines grösseren Ganzen
betrachtet werden kann. (Vielleicht kommt die inkorrekte Interpretation der
ersten Grundaussage von dem Verstehen dass jedes und alles gesehen werden kann
als ein Ganzes und als Teil eines grösseren Ganzen). Obwohl das eine
notwendigen
Bedingung ist, so ist sie doch nicht hinreichend. Nach Wilbers Definition muss,
zusätzlich zu der Eigenschaft Ganzes und Teil zu sein, auch Innerlichkeit bzw.
Bewusstheit vorhanden sein (d.h. ein bewusstes Holon).
Viele Menschen bringen verschieden Typen von Holons durcheinander und erstellen
Hierarchien mit „unerwünschten und verwirrenden“ Konsequenzen – wovor Wilber
auf
S. 89 in SES warnt. So kann man sich z.B. Ganzes und Teil in physikalischen
oder
räumlichen Begriffen vorstellen, man kann ein individuelles Holon als eine
Untereinheit eines sozialen Holons sehen, einer unbegrenzten Autorität
ausgeliefert, man kann die subtile reduktionistische Haltung der Gleichsetzung
eines Holons mit seiner äussern Oberfläche annehmen, unter Leugnung innerer
Qualitäten. (Für eine detaiierere Diskussion siehe SES S. 90). Wenn Bewusstheit
aus der Betrachtung herausgenommen wird, fällt das integrales System in sich
zusammen, und wird zu einer reduktionistischen Farce seines eigenen wahren
Selbstes.
Selbst bei der Betrachtung bewusster Holons gibt es eine weitverbreitete
Verwirrung unter den Lesern von Wilber hinsichtlich der Unterschiede zwischen
individuellen und sozialen Holons. Dies sind zwei ganz unterschiedliche Typen
von Holons, undsie müssen sorgfältig voneinander unterschieden werden. Bei
einer Vermischung dieser Holon-Typen entstehen (pseudo)Holarchien wie z.B.
„Individuum, Familie, Gemeinschaft, Nation, Menschheit“, und dies führt zu
einer
fehlerhaften Betrachtung mit gravierenden philosophischen und praktischen
Konsequenzen.
Vier Typen von Einheiten
Wilber unterscheidetvier Typen von Grundeinheiten im Kosmos: Individuelle
Holons, soziale Holons, Artefakte und Haufen. (Es gibt darüberhinaus noch Typen
wie Hybride – z.B. genetisch veränderte Bakterien – und Nebenprodukte wie z.B.
die Ausscheidungen von Tieren, welche wir hier nicht betrachten wollen). Für
jede einzelne dieser Einheiten bedeutet die Ganzes/Teil Beziehung etwas völlig
anderes, und auch die Hierarchie der sukzessiven Beinhaltung hat eine jeweils
andere Bedeutung.
Ein Holon ist eine vierfältige Einheit mit einer inneren Dimension (Intention,
Bewusstheit, Subjektivität) und einem Aussen (Ausdehnung, materielle Form,
Objektivität) auf einer individuellen (lokalisiert) und einer sozialen
(kollektiven) Ebene. Auf der Basis dieser verschiedenen Bereiche können Holons
unterschieden werden in zwei Typen: individuelle Holons und soziale Holons. Ein
Ganzes oder „senior“ Holon (auch als „holonisches System“ bezeichnet) ist eine
zusammengesetzte Einheit die ihre Teile ( „Elemente“ oder „junior“ Holone)
transzendiert und beinhaltet. So transzendiert und beinhaltet ein Molekül z.B.
seine Atome; ein menschliches Wesen transzendiert und beinhaltet das
reptilienhafte Wesen. Während Holone Innerlichkeit und – zu einem gewissen Grad
– auch Wahrnehmung und Bewusstheit haben (subjektiv und intersubjektiv),
verfügen Haufen und Artefakte nicht über diese Eigenschaften.
Ein Artefakt ist eine Einheit, die von einem Holon geschaffen wurde; sein
Muster
(Struktur und Funktion) ist von der Agenz dieses Holons abgeleitet. Ein
Artefakt
als Ganzes (oder „Artefaktsystem“) organisiert und beinhaltet (auf physische,
konzeptuelle oder spirituelle Art und Weise) seine Teile (oder „Komponenten“).
Eine Stereoanlage z.B. beinhaltet und organisiert den CD-Spieler, das
Casettendeck, das Radio, den Verstärker und die Lautsprecher; eine Geometrie
beinhaltet ihre Axiome, Postulate, Theoreme und Ableitungen; eine Mythologie
beinhaltet und organisiert ihre Mythen, Parabeln, Visionen, ethischen
Imperative
usw. Diese drei Kategorien des Beinhaltens beziehen sich auf den Bereich des
Fleisches, der Logik und des GEISTES. Es gibt physische Artefakte die mit dem
Auge des Fleisches betrachtet werden können, konzeptuele Artefakte die mit dem
Auge des Geistes [mind] betrachtet werden, und spirituelle Artefakte die mit
dem
Auge des GEISTES [spirit] betrachtet werden können.
Ein Artefakt kann direkt oder indirekt durch ein Holon geschaffen werden. Ein
Mensch kann z.B. eine Maschine schaffen, die dann wieder andere Produkte
herstellen kann; so ist z.B. eine automatische Fertigungsstrasse ein Artefakt
welches andere Artefakte produziert. Die Struktur und Funktion dieser
produzierten Artefakte ist jedoch ebenfalls bestimmt durch das Bewusstsein
desjenigen Holons welches die produzierenden Artefakte geschaffen hat.
Ein Haufen ist ein zufällig entstandener Haufen von Zeug [stuff]. Ein
Sandhaufen
z.B. besteht aus Sandkörnern, und ein Haufen Kleidungsstücke besteht einfach
aus
übereinanderliegenden Kleidungsstücken, ohne Ordnung oder Organisation. Der
ganze Haufen oder „Stoss“ besteht aus Teilen, welche wir „Aspekte“, „Facetten“
oder, einfach, „Zeug“ nennen.
Um diesen verschiedenen Typen Hierarchien zuzuordnen werden wir verschiedene
Begriffe benutzen: „Holarchie“ für Holons, „Artefaktarchie“ für Artefakte, und
„Haufenarchie“ für Haufen. Das Durcheinanderbringen von Holarchien mit
Artefaktarchien und Haufenarchien schafft einige schwerwiegenden Probleme, weil
„Be-inhalten“ etwas ganz unterschiedliches bedeutet für jeden von ihnen. Das
Senior-Holon transzendiert und bewahrt (in einer Unterordnung) das
Junior-Holon.
Das Artefaktsystem besteht in einer Integration seiner Komponenten gemäss dem
externen aufgeprägten Muster. Der Haufen ist einfach eine physische Ansammlung
von Zeug.
Zusätzlich zu der Unterscheidung von [bewussten] Holons und Artefakten und
Haufen ist es wichtig die Unterscheidung zwischen individuellen und sozialen
Holons zu treffen, und ihre Beziehung zu verstehen. Ein individuelles Holon ist
ein „Mitglied“ eines sozialen Holons, aber kein Teil (Junior bzw. konstitutives
Element) von ihm. Das soziale Holon ist der Bezugsraum, das Organisationsmuster
in dem das individuelle Holon eine auf Gemeinsamkeit sich gründende Aufnahme
findet. Das soziale Holon ist eine Entwicklung (Senior) eines anderen sozialen
Holons (Vorgänger oder Junior), und nicht eines individuellen Holons. Wir
werden
das später noch näher untersuchen, jetzt stellen wir einfach fest, dass
individuelle Holons keine konstituirenden Elemente eines sozialen Holons sind;
sie sind Mitglieder. Eine Elefantenherde z.B. ist kein Senior bezüglich der
Elefanten aus denen die Herde besteht. Die Herde kann als ein Senior betrachtet
werden hinsichtlich einer Herde von Mammuts (so wie ein individueller Elefant
als eine evolutionäre Entwicklung eines Mammuts gesehen werden kann), doch
jeder
Elefant ist ein Mitglied (und nicht eine holonische Komponente oder ein
konstitutives Element) der Herde.
Wenn man Holons, Haufen und Artefakte durcheinanderbringt, gelangt man zu
(falschen) „Holarchien“ von Ziegelstein zu Wand zu Raum zu Wohnung zu Haus,
einfach deshalb, weil ein Ziegelstein Teil einer Wand ist, eine Wand Teil eines
Raumes, ein Raum Teil einer Wohnung, und eine Wohnung Teil eines Hauses. Es
existiert schon eine Beziehung asymmetrischer Beinhaltung zwischen diesen
Elementen (ein Ziegelstein ist Teil einer Wand, aber eine Wand ist nicht Teil
eines Ziegelsteins), aber dies ist keine Holarchie. Obgleich sie Ganzes und
Teil
sind; der Ziegelstein, die Wand, der Raum, die Wohnung, das Haus und sogar die
ganze Stadt sind keine Holons. Sie haben keine bewusste Innerlichkeit und sind
„Artefakte“. So haben wir es hier mit einer Hierarchie von Artefakten zu tun,
einer Artefaktarchie. Der Schlüssel zur Unterscheidung liegt darin sich daran
zu
erinnern, dass Holons Innerlichkeit haben, Artefakte nicht.
Eine weitere Gefahr liegt darin, dass das integrale Beinhalten reduziert weden
kann auf ein physisches Einschliessen, und - daraus abgeleitet - es zu einer
Gleichsetzung von Evolution und Zunahme an physischer Grösse kommt. Ein Atom
ist
z.B. „Teil“ eines Felsen, aber der Felsen ist kein Senior-Holon hinsichtlich
des
Atoms. Der Felsen ist ein Haufen, und in unserer Terminologie würden wir sagen,
dass das Atom eine Facette oder ein Aspekt des Felsens ist. Wenn die
Unterscheidung zwischen Holons und Haufen verlorengeht, wird Organisation durch
Grösse ersetzt, als der „Richtung des Aufstiegs“. Die Konsequenz daraus ist,
dass der Omega Punkt identisch wird mit dem grössten Haufen von allem, und die
Göttliche Natur auf einen Flachland-Gott reduziert wird: „das System“. (Diese
Verwirrung findet natürlich nur in unserem verwirrten Denken statt; die wahre
Göttliche Natur ist völlig unberührt von den konzeptuellen Fehlern ihrer
eigenen
Manifestationen).
Auf gleiche Weise verwischen wir den Unterschied zwischen einem Menschen
(Holon)
und einem Computer (Artefakt), durch die Schaffung einer Pseudo-Hierarchie wie
Mensch + Computer = Workstation. Hier findet eine subtile De-Humanisierung
statt, die Person „verliert“ ihre Innerlichkeit und wird zum „Rädchen in der
Maschine“, wird als ein Artefakt betrachtet, ein (austauschbares) Unter-System
deren Intentionalität ihm durch ein Über-System von Aussen vorgegeben wird.
Diese Schlussfolgerungen sind auf künstlerische Weise im Film „Moderne Zeiten“
dargestellt, wo Charles Chaplin von der Maschine „verschluckt“ wird. Die
politischen und sozialen Konsequenzen finden sich auch in der „Borg“ Rasse von
„Star Trek“ und in den höllischen „human batteries“ in „The Matrix“.
Dehumanisierende Konsequenzen ergeben sich ebenfalls durch die Verbindung
individueller und sozialer Holons in der gleichen Hierarchie. Wie wir oben
gesagt haben, ist ein Individuum ein Mitglied eines Teams, aber kein
konstitutives Element des Teams. Die Gefahr bei der Betrachtung eines
Individuums als ein Junior-Holon welches durch die Gruppe transzendiert und
beinhaltet wird ist, dass dadurch die Tür geöffnet wird für eine
zentralistische
Kontrolle, die sich im Recht fühlt Individuen auszulöschen die nicht ihrem
Zweck
dienen. Missbrauch greift um sich wenn das Gute des (Sozialen) das Gute des
individuellen (Mitglieds) verdrängt. Dies ist genau der Fall in einer
„ordentlichen“ Holarchie, wo das Gute des (kollektiv individuellen) völlständig
das Gute des Individuums (als Teil des Sozialen) verdrängt und ersetzt. Eine
Person (als ein Ganzes betrachtet) kann Teile seines Körpers nutzen und über
sie
bestimmen, ohne auf „Rechte“ dieser konstituierenden Elemente Rücksicht nehmen
zu müssen. So z.B. bei einer Blutentnahme für eine Analyse (Blutzellen werden
getötet), oder bei Einnahme eines Antibiotika (mit der Konsequenz der
Vernichtung grosser Teile der eigenen Darmflora) oder bei der Entfernung von
Krebsgewebe durch einen chirurgischen Eingriff.
Wird dieses Modell jedoch auf eine Gesellschaft angewendet, dann erhält die
zentrale Autorität die Macht, jedes „konstitutive Element“ (so wird es
fälschlicherweise betrachtet) zu jeder Zeit zu eliminieren, ohne Rücksicht auf
die individuellen Rechte. Die Konsequenzen dieser Verwirrung sind
schwerwiegend.
Stell Dir eine Pseudo-Hierarchie wie folgt vor: Individuum, Staat. Nach der
impliziten Beziehung von „Transzendieren und Beinhalten“ ist das Individuum ein
Junior-Holon in Bezug auf den Staat. Das Senior-Holon, von dem man implizit
annimt dass es „bewusster“ ist, hat nun die Macht dem Junior seine Organisation
aufzuzwingen - genau so wie ein Mensch seinen Willen seinem Arm aufzwingen
kann.
Dies stellt eine Rechtfertigung dar für alle Arten von repressiven
Herrschaftsformen.
In dem republikanischen Verständnis erhält der Staat seine Macht durch seine
Individuen (seine Mitglieder, nicht seine Elemente), um das Allgemeinwohl
aufrechtzuerhaten. Unter bestimmten Umständen kann der Staat diese Macht
ausüben, z.B. um ein Individuum einzusperren welches ein Verbrechen begangen
hat. Doch in einer Republik sind die Rechte der Gemeinschaft gemässigt und
begrenzt durch die rechte des Individuums. Dies ist unverträglich mit dem
Modell
einer aus einzelnen Individuen zusammengesetzten Gesellschaft, in der die
konstituierenden Elemente keine Rechte haben. Klassische Beispiele eines
solchen
Zerrbildes sind die Versuche der Nazis, Stalinisten, Maoisten, Roten Khmer und
anderer, bestimmte unerwünschte „Elemente“ aus ihrem „sozialen Körper“ zu
„entfernen“ durch Zwangsumerziehung (innere Gewalt) oder Vernichtung (äussere
Gewalt) oder eine Kombination von beidem.
Wenn Herrscher ihre Gesellschaft als ein zusammengesetztes Individuum sehen,
mit
ihnen als das Senior-Holon (L'Estat c'est moi“), dann ist eine anti-liberale
Zwangsherrschaft unvermeidlich. Diese Gefahr kann auch durch Demokratie nicht
vermieden werden. Eine Mehrheitsentscheidung kann leicht zur Unterdrückung von
Minderheiten führen, wenn die Möglichkeiten der Allgemeinheit nicht begrenzt
werden durch die individuellen Rechte. Was die Vereinigten Staaten zu einer
Republik macht ist nicht das demokratische System mit einer repräsentativen
Volksvertretung, sondern das sind die Grundrechte mit ihrem Schutz des
Individuums vor den Übergriffen des Staates. Es ist sehr gefährlich, eine
Gruppe
als einen Über-Organismus mit entsprechender Autorität gegenüber seinen
Mitgliedern zu sehen. Die individuellen Mitglieder sind nicht Teile, sie sind
nicht konstituirende Elemente der Gruppe; sie sind Mitglieder. Individuen haben
Rechte, die die Elemente eines Organismus nicht haben. Um es noch einmal zu
betonen, das Individuum ist ein Mitglied eines Teams, und nicht Teil eines
Organismus der Team genannt wird. Das Individuum ist kein Junior-Holon des
Teams.
Erweiterte Definitionen
Individuelle Holons sind Einheiten mit Agenz und lokalisierter Innerlichkeit
bzw. Bewusstheit - zusätzlich zu einer einheitlichen Äusserlichkeit. (Wenn die
Innerlichkeit nicht lokalisiert wäre oder die Äusserlichkeit nicht einheitlich,
dann würden wir von kollektiv bzw. makro sprechen, im Gegensatz zu
individuellen
oder Mikro-Holons.
Jede Holarchie ist aus Holons zusammengesetzt, jedes davon gleichzeitig ein
Teil
und ein Ganzes. Als ein Teil, haben wir das Holon „Junior“, oder „konstitutives
Element“ genannt; andere mögliche Bezeichnungen wären „primitiv“ oder „Wurzel“.
Als ein Ganzes, haben wir das Holon „Senior“ oder „holonisches System“ genannt;
andere mögliche Bezeichnungen wären „Evolution“ oder „Entwicklung“. Atome sind
z.B. „Primitive“ eines Moleküls, und das Molekül ist eine „Evolution“ der
Atome.
Dieses holonische Beinhalten bezieht sich auf die kreative Emergenz organischer
Komponenten, im Gegnsatz zu der natürlichen oder künstlichen Zusammenstellung
von Atomen in grössere aber immer noch nicht-organische Strukturen (Haufen oder
Artefakte). Whitehead würde sagen, wenn die Kreativität gegen null geht, dann
herrscht strikte Kausalität. Kreativität verschiebt die Balance, und macht den
„transzendenten“ Teil wichtiger als den „erhaltenden“ Teil. Und so emergiert
das
neue Holon. Um das Universum zu erklären, so sagt Whitehead, benötigt man nur
drei fundamentale Konzepte: Eines, Viele, Kreativität. Wilbers Kosmos kann mit
nur zweien erklärt werden: Holon, Kreativität.
Beispiele für individuelle Holons finden sich in den zwei oberen Quadranten des
AQAL (alle Quadranten alle Ebenen [all quadrants all levels]) Diagramms in EKL:
Aufnehmen/Atome, Reaktion/Moleküle, usw. (Wilbers Modell umfasst alle
Quadranten
alle Ebenen alle Linien alle Zustände alle Typen, Ich konzentriere mich hier
nur
auf das Begriffspaar Quadranten-Ebenen). Es ist wichtig zu betonen, das jedes
Holon eine innere und eine äussere Dimension hat: Aufnehmen ist die innere
Sicht
und Atom ist die äussere Sicht des „gleichen“ Holon. Andere Beispiele sind die
Memes des Spiral-Dynamics Modells (mit ihren entsprechenden neuronalen
Mustern).
Nach dieser Theorie ist das orange Meme ein Senior-Holon welches blaue Meme
transzendiert und beinhaltet. Ein anderes Beispiel ist die holarchische Natur
der Zeit. Jedes Holon, als ein bestimmter Augenblick, ist ein Junior Holon
seiner selbst in bezug auf den nächsten Augenblick: mit anderen Worten, über
die
Zeit evolviert ein Holon kontinuierlich durch Transzendierung und Beinhaltung
seiner selbst. Die Gesamtheit „dieser Augenblick“ ist ein Teil der Gesamtheit
„der nächste Augenblick“. Jeder Augenblick beinhaltet seine Vorgänger, wie
Whitehead sagen würde.
Soziale Holons
Soziale Holons sind Gruppen individueller Holons mit einem bestimmten Modus der
Interaktion. Soziale Holons haben keine lokalisierte Innerlichkeit oder
Bewusstheit; sie haben Inter-Subjektivität und nicht-lokalisiertes Bewusstsein.
Soziale Holons haben keine einheitliche Äusserlichkeit. Sie setzen sich
zusammen
aus einer Mehrzahl individueller Holons und Artefakte. Eine Ameisenkolonie z.B.
(als ein soziales Holon) setzt sich zusammen aus den Ameisen (Individuen) und
der physischen Struktur des Ameisenhügels (ein Artefakt). Ein Unternehmen (als
ein soziales Holon) setzt sich zusammen aus den Individuen (auf der
entsprechenden Bewusstseinsebene) die zu ihm gehören und der Produktion, dem
Management, der Information und allen anderen Systemen (Artefakten) die den
Austausch der Individuen untereinander unterstützen.
Ein (ganzes) soziales Holon ist keine senior „Evolution“, welche die Individuen
transzendiert und beinhaltet die zu ihr gehören. Ein Gruppe transzendiert und
beinhaltet nicht ihre Mitglieder (sie transzendiert und beinhaltet ihre
junior-Holons, ihre Vorläufer und „Primitive). Von der rechtsseitigen
Perspektive aus betrachtet ist die Gruppe ein „Behälter“ von Typen
individueller
Einheiten, deren Teile ihre Mitglieder sind; von der linksseitigen Perspektive
aus betrachtet ist eine Gruppe ein intersubjektiver Raum gemeinsamer Bedeutung,
welchen seine Mitglieder sich teilen. Doch die Gruppe ist nicht (von welcher
Perspektive auch immer) ein progressiver Fortschritt in einer Holarchie von
Individuen, weil individuelle und soziale Holons keine niederen und höheren
Ebenen in der gleichen Hierarchie darstellen. Sie sind korrelierende Aspekte
eines jeden Holons auf jeder Ebene der Hierarchie. Ein individuelles Holon ist
ein Mitglied eines sozialen Holon, und kein konstitutives Element, und keine
Komponente.
Es ist ein Unterschied, ob man ein teilnehmendes Mitglied einer Gesellschaft
ist, oder eine austauschbare Komponente in einem System. Ohne diese
Unterscheidung gibt keine Möglichkeit, den Weg zu totalitären Systemen zu
stoppen. Die Gruppe ist ein holarchischer Senior der Junior-Ebenen
intersubjektiver Regeln und Bedeutungen, welche die Verhaltensweisen und
Interaktionen seiner Mitglieder steuert. Eine pluralistisch-demokratische
Republik z.B. (orange-grün) ist „über“ (in bezug auf die
Entwicklungsholrarchie)
einer Theokratie (blue) in dem Sinn, dass die Republik die sozialen Formen der
Theokratie transzendiert und beinhaltet.
Auf S. 112 von EKL kritisiert Wilber die typische Holarchie vom Nervensystem
zur
Person zur Familie zur Gemeinschaft zur Gesellschaft zur Biosphäre: „Sofort
fällt uns auf, dass hier eine Verwechselung und Vermengung individueller und
sozialer Holons vorliegt: Mikro- und Makrowelt geraten durcheinander. Die
Aufstellung geht offensichtlich davon aus, dass ein soziales Holon von gleicher
Art und Natur ist wie ein zusammengesetztes individuelles Holon, so dass man
sie
über- und untereinander anordnen kann. ... Das trifft jedoch nicht zu.“ Obwohl
eine derartige Hierarchie schwerwiegende Probleme aufwirft („die Biosphäre ist
eine niedrigere und seichtere Ebene“) ist das eigentliche Problem noch
schwerwiegender. „Das Ökosystem (oder die Gesamtpopulation) ist aber in einer
Holarchie der Individuen keine Ebene unter anderen, sondern das soziale Umfeld
aller Ebenen der Individualität in der Biosspäre. Und (die obige Aufstellung)
unterscheidet auf keiner Ebene zwischen Mikro und Makro (oder individuell und
sozial) , sie behandelt sie als gesonderte Ebene auf derselben Skala... Das
Individuelle und das Soziale sind, anders gesagt, nicht zwei verschiedene
Münzen
von unterschiedlichem Wert, sondern die beiden Seiten ein und derselben Münze auf jedem Wertniveau; nicht zwei grundlegend verschiedene Dinge oder Ebenen,
sondern zwei Aspekte derselben Sache. Wir müssen also echte Holarchien
zusammengesetzter Individuen entwicklen und für jede Ebene das Umfeld (oder
soziale Holon) angeben, an dem die individuellen Holons teilhaben und von
dessen
Existenz ihre eigene Existenz abhängt. Und dies müssen wir tun in allen dreien
der grossen Evolutionsbereiche - Physiospäre, Biosphäre und Noosphäre.“ (EKL
114-115).
Ein Senior-Holon transzendiert und beinhaltet seine Primitiven oder
individuellen Junior-Holons. Ein soziales Holon stellt einen Raum gegenseitigen
Austausches seinen Mitgliedern, den individuellen Holons, zur Verfügung, und
transzendiert und beinhaltet - gleichzeitig - seine Primitiven kollektiven
Junior-Holons. Eine Gruppe auf einer bestimmten Ebene des Bewusstseins z.B.
(sagen wir, orange) umfasst ihre (orangen) Mitglieder; und transzendiert und
beinhaltet zur gleichen Zeit die „blauen“ Austauschbeziehungen von Mitgliedern
auf der blauen Ebene des Bewusstseins. Zur gleichen Zeit, transzendiert und
beinhaltet jedes Mitglied (individuelles Holon) auf der orangen Ebene des
Bewusstseins die blaue Ebene des Bewusstseins, aus der heraus er oder sie
evolviert ist.
(siehe Originaltext)
Abbildung
Genaugenommen gibt es kein getrennten „Dinge“ wie individuelle oder soziale
Holons. Es gibt nur Holons mit „vier Gesichtern“, entsprechend den vier
Quadranten. Das individuell innerliche (oben links) beleuchtet die lokalisierte
Subjektivität, das Bewusstsein, den intentionalen Aspekt des Holons. Das
individuell äussere (oben rechts) beleuchtet den lokalisiert objektiven,
materiellen, verhaltensmässigen und extensiven Aspekt des Holons. Das kollektiv
innerliche (unten links) beleuchtet den nicht-lokalisierten, intersubjektiven,
kulturellen Aspekt des Holon. Und das kollektiv äusserliche (unten rechts)
beleuchtet den nicht-lokalisierten, sozialen, systemischen und
organisationellen
Aspekt des Holons. Die „Natur“ des Holons ist vier-fältig, und das ist der
Grund, warum sich jede Art von Bewusstsein in diesen vier Dimensionen oder
Aspekten manifestiert.
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