1. Einleitung Anfang 2010 startete im Paderborner Stadtteil Schloß Neuhaus das Pilotprojekt „Beratung“. Die hier vorliegende Dokumentation möchte die wichtigsten Erkenntnisse dieses Projektes festhalten sowie einen Gesamtüberblick über das Projekt leisten. Individuelle Einzelergebnisse – die wichtiger Bestandteil des Projektes waren – werden in diesem Bericht ausgespart, da den Schulen Vertraulichkeit garantiert wurde. Insbesondere allen Beteiligten des Projektes möchten wir hier eine Gesamtschau des Projektes sowie die wichtigsten Resultate der Interviews und Beratungsgespräche – übersichtlich und verständlich zusammengefasst – zur Verfügung stellen. Neben diesem Nutzen für die unmittelbar Beteiligten ist zu hoffen, dass die Dokumentation auch anderen mit der Berufsorientierung befassten Personen und Personengruppen Erkenntnisse bietet. Sollte es ein Nachfolgeprojekt geben, könnten zukünftige Interessenten sich hier über den ersten Durchlauf informieren. Nicht zuletzt dient dieser Bericht schließlich dem Wissenstransfer für ähnliche Projekte. Ob es im Kreis Paderborn ein Nachfolgeprojekt geben wird, ist derzeit noch nicht geklärt. Die im ersten Durchlauf hierzu befragten Schulen jedenfalls – soviel vorweg – würden die Fortsetzung empfehlen. 2. Wichtiges in Kürze Im Rahmen des Projekts „Beratung“ wurden gemeinsam mit fünf interessierten Schulen aus dem Sozialraum Schloß Neuhaus Kriterien einer guten Berufsorientierung erarbeitet. Anschließend wurden Schulleitungen, StuBos (Studien- und Berufswahlkoordinatoren), Schüler und Schülerinnen, Eltern und Unternehmensvertreter zu ihrer Sicht der Berufsorientierung befragt. Es folgten ein darauf sowie auf Schuldokumenten basierender Beratungsteil mit den Vertretern der Schule und eine abschließende Evaluation, die in einem Workshop im Januar 2011 erfolgte. Das Projekt „Beratung“ strebte eine win-win-Situation an: Auf der einen Seite sollten Wissenslücken aufseiten der steuernden Gremien geschlossen werden. Durch zusätzliche Informationen über die bereits existierenden Maßnahmen zur Berufsorientierung in den einzelnen Schulen sollten im Kreis Paderborn zukünftig individuell angepasste Angebote entwickelt werden können. Die Schulen – inbegriffen selbstverständlich alle an Schule beteiligten Personen – können langfristig von solchen passgenauen Angeboten profitieren. Zudem werden ihnen schon im Laufe des Projektes durch einen externen Berater – der sich als „critical friend“ versteht – multiperspektivisch Ansichten der verschiedenen Beteiligten gespiegelt und somit konstruktive Impulse für die Weiterentwicklung angeboten.1 Es wurden dabei nicht nur Entwicklungspotentiale der Schulen, sondern auch ihre besonderen Stärken kommuniziert. Insgesamt sollte so die Bewusstheit über den jeweils eigenen Stand der Berufsorientierung zunehmen. Diese Reflexion kann für 1 Ein partnerschaftliches, von gemeinsamer Verantwortung getragenes Verhältnis von Evaluierenden und Evaluierten trägt hierbei zielgerichtet zur Weiterentwicklung der Berufsorientierung bei. "Das Konzept des 'critical friend' (vgl. MacBeath 1998) ist eine bewährte Form, eine kritische Außensicht zur Ausleuchtung der 'blinden Flecken', aber auch eine unparteiische Position als Unterstützung bei inneren Schwierigkeiten zur Verfügung zu haben." Radnitzky, Schratz 1999, 191, zit. nach www.selbstevaluation.de/fachbeitraege/barrieren06.html, 18.01.11. D:\68621658.doc 1 eine Bewerbung beim „SIEGEL berufswahl- und ausbildungsfreundliche Schule“, dessen Kriterien bei der Beratung berücksichtigt wurden, weiterverwendet werden. Es bestand für die Schulen zudem die Möglichkeit, auf der Basis der Beratungsergebnisse durch eine Kooperationsvereinbarung Ressourcen des Bildungsbüros zu beantragen. Schließlich soll ein Sozialraumbericht für Schloß Neuhaus, der zurzeit noch erarbeitet wird, die Qualität der Kooperationsbeziehungen zwischen Schulen und Unternehmen näher beleuchten und gegebenenfalls Entwicklungspotentiale in diesem Handlungsfeld deutlich machen. 3. Die Ziele des Projektes 3.1 Bedarfsklärung Es gibt auf Bundes-, Landes- aber auch kommunaler und Kreisebene zahlreiche Programme und Initiativen mit dem gemeinsamen Ziel, die Übergänge für Jugendliche von der Schule in den Beruf zu optimieren . Der gesellschaftliche Nutzen einer gelingenden beruflichen Orientierung liegt auf der Hand, ebenso die Bedeutung eines optimalen Berufseinstiegs für die einzelnen Menschen. Das Handlungsfeld Übergang Schule-Beruf ist daher ein zentraler Aufgabenpunkt im Aufbau eines regionalen Bildungsnetzwerkes. In diesem Kontext ist es das erklärte Ziel der Handlungsträger, dass „niemand verloren geht“ und jeder Schüler, der einen passenden Anschluss nach der Sek. I sucht, diesen auch findet. In Anbetracht der unterschiedlichen Voraussetzungen der verschiedenen Schulen wurde in den steuernden Gremien deutlich, dass es wenig sinnvoll ist, im Hinblick auf dieses Ziel gleiche Maßnahmen für möglichst viele Schulen anzubieten. Zugleich verfügte man aber über zu wenige Informationen über die Berufsorientierung „vor Ort“, um individuelle Angebote machen zu können. Aus dieser Ausgangslage heraus entstand die Idee des Projektes, mit dessen Umsetzung das Bildungsbüro beauftragt wurde. Zugleich erhoffte man sich durch die multiperspektivische und mehrdimensionale Herangehensweise für die Schulen positive Nebeneffekte, so dass der für die verschiedenen Akteure absehbare Aufwand lohnenswert erschien. 3.2 Erwartete Vorteile Der erwartbare Nutzen für die verschiedenen Personengruppen wurde im Vorfeld durch das Bildungsbüro aufgeschlüsselt. Die nachfolgende Aufstellung ließ man im Rahmen eines freiwilligen Angebots allen Schulen des Kreises zukommen: Mögliche Vorteile für die Beteiligten Die Aktivitäten der Schulen, Kommunen, des Bildungsbüros sowie weiterer Partner sollen folgende Vorteile für die beteiligten Gruppen erzielen: für die Schulen: D:\68621658.doc 2 Dokumentation des aktuellen Standes Berufsorientierung nach den Kriterien für das Siegel „berufswahl- und ausbildungsfreundliche Schule“ durch das Bildungsbüro; Schulen können die Dokumentation auch für die Information der Öffentlichkeit nutzen; Beratung im Sinne eines „critical friend“ zur Weiterentwicklung der Berufsorientierung, Vereinbarung gemeinsamer Maßnahmen mit der Kommune, Betrieben oder anderen Unterstützern; und – wenn nötig – Bereitstellung der korrespondierenden, notwendigen Ressourcen für diese Maßnahmen, z. B. Mittel für Kompetenzchecks, Unterstützung bei der Gewinnung von Partnerschaften mit Firmen. für die Kommunen: Überblick über den aktuellen Stand der Berufsorientierung in den Schulen der Kommunen, hohe Qualität der Maßnahmen zur Berufsorientierung in den Schulen, Anregungen, wie die Kommune die Schulen in der Weiterentwicklung der Berufsorientierung unterstützen kann. für die Schüler: größere Transparenz über geeignete Berufe Maßnahmen der Berufsorientierung führen zu Klarheit bei der Berufswahl höhere Chance auf einen Ausbildungsplatz für die Unternehmen: Schüler, die Betriebe kennen und wissen, welchen Beruf sie ergreifen möchten verlässliche Kooperation mit Schulen und Kommunen; höhere Anzahl an Kooperationsvereinbarungen. Im Rahmen des ersten Workshops formulierten auch die beteiligten Schulen ihre Erwartungen an das Projekt: „Bestandssicherung“ im Kontext von Berufswahlorientierung Optimierung der Berufsorientierungsangebote Bündelung von Berufsorientierungs-Maßnahmen Qualitätssicherung durch die Perspektive von Außen Die Vernetzung mit anderen Institutionen Weiterentwicklung an der Schule durch den Austausch mit dem Bildungsbüro Der Status der Berufsorientierung der Schule soll geklärt und das Angebot optimiert werden Ein „Runder Tisch“ zum Abgleich von Erwartungen und Profilen Kontinuierliche Maßnahmen mit Aussicht auf Ausbildungsplätze Erweiterung der Berufsorientierungs-Maßnahmen durch die Zusammenarbeit der Schulen D:\68621658.doc 3 3.3 Leistungen und Erwartungen Neben den möglichen Vorteilen wurden mit dem Angebot auch die Erwartungen an die verschiedenen Akteure kommuniziert, die für einen Projekterfolg als wesentlich eingeschätzt wurden. Das Bildungsbüro erwartete von den Kommunen dass die Bürgermeister das Projekt unterstützen und ggf. notwendige Kontakte, z. B. zu Firmen, herstellen dass die Schulverwaltung die Teilnahme der Kommune und ihrer Schulen initiiert und organisiert dass die Schulverwaltung die Umsetzung der Zielvereinbarungen unterstützt, soweit sie Partner der Zielvereinbarungen wird den Schulen dass sich die Lehrerkonferenz mit Mehrheit (möglichst mit 2/3-Mehrheit) für die Teilnahme und Weiterentwicklung der Berufsorientierung ausspricht dass sie für die Dokumentation der Berufsorientierung zu Interviews bereit ist, die notwendigen Unterlagen zeitgerecht bereitstellen und für Rückfragen auch nachmittags oder in den Ferien telefonisch erreichbar sind, dass der dokumentierte Stand der Berufsorientierung der Schulverwaltung bekannt gegeben werden darf, dass sie dokumentieren, welchen Anschluss ihre Schüler finden dass sie bereit sind, für die Weiterentwicklung der Berufsorientierung Zielvereinbarungen zu schließen und mit den Partnern der Zielvereinbarung auch eine Evaluation der Maßnahmen zu vereinbaren. Im Gegenzug stellte das Bildungsbüro folgende Leistungen in Aussicht: Dokumentation des Standes der Berufsorientierung in max. 10 Schulen in drei Kommunen des Kreises Bericht über den Stand der Berufsorientierung an die teilnehmenden Schulen und Kommunen Beratung der Schulen in der Rolle des „critical friend“ nach Fertigstellung der Dokumentation Das Bildungsbüro stimmt die Evaluation des Beratungsprozesses mit den Schulen ab. Impuls für den Abschluss von Zielvereinbarungen zur Weiterentwicklung der Berufsorientierung zwischen Schulen und weiteren Beteiligten Vermittlung oder Bereitstellung von Ressourcen für die Umsetzung der Ziele bzw. Prüfung der Realisierbarkeit der Ziele mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen; wenn gewünscht: Beratung in der Umsetzung. D:\68621658.doc 4 4. Die Umsetzung 4.1 Die beteiligten Akteure Initiiert wurde das Projekt vom Leitungsteam, unterstützt vom Lenkungskreis und umgesetzt vom Bildungsbüro des Kreises Paderborn in Kooperation mit den Angehörigen der Schulen, Unternehmen und der Gemeinde. Ursprünglich war geplant, etwa zehn Schulen aus drei Gemeinden für das Projekt zu gewinnen. Das Angebot angenommen haben jedoch nur fünf Schulen aus einem Paderborner Sozialraum. Teilgenommen haben am ersten Durchlauf die Hauptschule Mastbruch, die Hauptschule Kilian und die Hauptschule Schlangen/Bad Lippspringe sowie die Sertürnerschule, Förderschule mit dem Schwerpunkt „Lernen“, und die Hermann-Schmidt-Schule, Förderschule mit dem Schwerpunkt „Geistige Entwicklung“. Zudem stellte sich die Realschule Schloss Neuhaus für Interviews und Rückmeldegespräche zur Verfügung. Neben einem Anschreiben des Bildungsbüros war es besonders dem Engagement des Schulverwaltungsleiters Walter Löhr sowie des Schulleiters des Schloß Neuhäuser Gymnasiums zu verdanken, dass sich mehrere Schulen eines Sozialraums für die Teilnahme entschieden. An den Workshops, die hauptsächlich dazu dienten, die Erwartungen und Kriterien der Bewertung der Berufsorientierung festzulegen, waren die Schulleitungen und StuBos der Schulen beteiligt. Die Vorbereitung der Befragungen in den Schulen übernahmen die StuBos und zum Teil auch Angehörige der Schulpflegschaft, wenn sie von den Schulleitungen damit beauftragt wurden. Befragt wurden in einem gemeinsamen Interview die Schulleitung und zwei bis drei StuBos pro Schule. Die Schülerbefragung richtete sich an Schüler und Schülerinnen der neunten und zehnten Klasse. Es wurden, in zufällig ausgewählten Kleingruppen mit jeweils drei-acht Schülern, insgesamt ? bis 21 Schüler pro Schule befragt. Bei den Lehrern handelte es sich um die Klassenlehrer der Neunt- und Zehntklässler. Die Eltern waren über die Vertreter der Schulen angesprochen worden, pro Schule wurden drei bis fünf Elternteile befragt. Es fand ein Gespräch mit insgesamt drei Vertretern von Unternehmen statt, die im Zusammenhang mit zwei Schulen stehen. An einer Förderschule wurde zudem ein Integrationsberater vom Integrationsfachdienst des LWL hinzugezogen. Die Rückmeldegespräche fanden zwischen Vertretern des Bildungsbüros und den Schulleitungen und StuBos statt. Diese übernahmen dabei die Aufgabe, mit den Berichten weiter zu verfahren. Dieselbe Personengruppe war schließlich zu einem gemeinsamen Evaluationsworkshop eingeladen; bis auf die entschuldigten Vertreter einer Schule nahmen hieran alle Schulleitungen, ein StuBo und das Bildungsbüro teil. D:\68621658.doc 5 4.2 Der Prozessverlauf Nachdem dem Bildungsbüro durch Leitungsteam und Lenkungskreis der Auftrag für das Projekt Beratung erteilt worden war, wurde zunächst eine Synopse vorhandener und aktueller Kriterienkataloge für die Berufsorientierung durchgeführt. Die Kriterien wurden in einem Raster, dem sogenannten Qualitätstableau zusammengeführt.2 Gemeinsam mit den Schulleitungen und StuBos der Schloß Neuhäuser Schulen fand Anfang März 2010 ein erster Workshop statt. Hier wurden die Ziele und Grundlagen des Projektes noch einmal verdeutlicht, der geplante zeitliche Ablauf vorgestellt und organisatorische Einzelfragen geklärt. Die Teilnehmer waren anschließend aufgefordert, ihre eigenen Erwartungen an das Projekt zu formulieren. Zudem bat man sie, möglicherweise zu erzielende Wirkungen und deren Indikatoren aufseiten der Lehrer, Schulleitungen und StuBos festzulegen – diese Überlegungen bildeten später die Basis der abschließenden Evaluation. Gleich eine Woche später fand ein zweiter Workshop zu den fachlichen Grundlagen statt. In der Zwischenzeit waren den Schulen die vier dem Qualitätstableau zugrundeliegenden Dokumente zur Vorbereitung zugeschickt worden. Zu Beginn des zweiten Workshops erhielten die Teilnehmer des Workshops das vom Paderborner Bildungsbüro ausgearbeitete Tableau sowie einer kurze Einläuterung. Dann waren sie aufgefordert, je eine Dimension des Tableaus in Einzel- oder Partnerarbeit auf die Anwendbarkeit im eigenen Arbeitsumfeld zu prüfen. Die Ergebnisse wurden anschließend im Plenum vorgestellt und gemeinsam diskutiert. Am Ende dieses Prozesses stand eine den individuellen Bedürfnissen der Schulen angepasste Gewichtung der verschiedenen Kriterien des Tableaus. Die Schulen wurden daraufhin gebeten, dem Bildungsbüro ihre Schulprogramme und Konzepte zur Berufswahlorientierung zur Verfügung zu stellen. Diese wurden im Rahmen einer Dokumentenanalyse ausgewertet. Diese Analyse diente anschließend als Gesprächsgrundlage der Befragung von Schulleitungen und Stubos. Diese hatten dabei Gelegenheit, die Analyse des Bildungsbüros zu verifizieren oder zu falsifizieren. Die Schulbesuche, im April und Mai 2010, wurden vom Schulpersonal in Absprache mit dem Bildungsbüro organisatorisch vorbereitet. Es fanden, gemäß dem zuvor erstellten Plan, zuerst die beschriebenen Gespräche mit Schulleitung und StuBos statt, anschließend erfolgten die Interviews mit den Schülergruppen, die systematisch dokumentiert wurden. Darauf folgte eine Gruppenbefragung der Klassenlehrer der zehnten Klassen, diesen wiederum die Befragung einer Elterngruppe. In einigen Schulen fand schließlich noch ein Gespräch mit Unternehmensvertretern statt. Nachdem das Bildungsbüro die in jeder der Schulen erhobenen Informationen ausgewertet hatte und diese in einen Bericht und eine Tabelle überführt hatte, fanden Rückmeldegespräche mit allen Schulleitungen und StuBos statt. Dies geschah in der Regel etwa x Wochen nach der Durchführung des Befragungsteils. Ein etwa halbjähriger Abstand bis zur Evaluation des Projektes ermöglichte es den Schulen, die Ergebnisse in ihren Schulen zu kommunizieren, Empfehlungen gegebenenfalls umzusetzen oder weitere Schritte und Maßnahmen zu überlegen. Die Wirkungen des Projektes waren nun abzuwarten und zu beobachten. Im Januar 2011 fand schließlich der geplante Evaluationsworkshop statt. 2 Vgl. 4.3. D:\68621658.doc 6 4.3 Instrumente und Produkte Da eine Bewerbung für das „SIEGEL Berufswahl- und ausbildungsfreundliche Schule“ derzeit für einige Schulen einen konkreten Anlass darstellt, sich mit der eigenen Berufswahlorientierung auseinanderzusetzen, erschien es naheliegend, die dort formulierten Kriterien in die eigene Beobachtung zu übernehmen. Entsprechend des SIEGEL-Kriterienkatalogs wurde eine Rasterung entlang der Jahrgangsstufen vorgenommen. Das SIEGEL Berufswahl- und ausbildungsfreundliche Schule „wurde 1999 unter der gemeinsamen Trägerschaft der Bertelsmann Stiftung, der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld, der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld und dem Kreis Gütersloh im Rahmen der ‚Initiative für Beschäftigung!’ in Ostwestfalen gegründet.“3 Es wird inzwischen in weiten Teilen Deutschlands eingesetzt. Um es zu erhalten, müssen sich die Schulen bei der Peter Gläsel Stiftung mit einer Analyse ihrer Berufsorientierungsangebote bewerben, ihre Angaben werden durch ein Punktesystem mit denen anderen Schulen verglichen. Hilfreich erschien darüber hinaus der „Dortmunder Orientierungsrahmen“4 – dieser beinhaltet ein valides und in der Praxis geprüftes Qualitätstableau zur Berufsorientierung. Die aktuelle Fassung des Dortmunder Orientierungsrahmens berücksichtigt zudem das in NRW verbindliche Qualitätstableau der Qualitätsanalyse. Der Dortmunder Orientierungsrahmen wurde vom Dortmunder Bildungsbüro entwickelt und begleitet seit 2007 die dortigen Schulen bei der Berufsorientierung. Die sechs Säulen dieses Tableaus wurden um zwei weitere Dimensionen ergänzt – basierend auf dem Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife des Nationalen Pakts für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs Deutschland5. Dieser wurde 2005/2006 von einem Expertengremium erarbeitet und beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit der Frage, wie Ausbildungsreife definiert werden könne, damit ergänzte es das Qualitätstableau um Kompetenzansprüche an die Schüler aus Perspektive der Wirtschaft. Für die schulische Berufsorientierung können die hier formulierten Mindeststandards als praktischer Orientierungsrahmen dienen – dies war ein erklärtes Ziel der Autoren und Herausgeber. Ergänzend berücksichtigt wurde außerdem der „Leitfaden Berufsorientierung“, der eine Gesamtübersicht über die vielfältigen Maßnahmen in der Berufsorientierung leistet sowie Hinweise zur systematischen „Implementierung eines schulindividuellen Konzepts zur Berufs- und Studienorientierung“ gibt.6 Die acht Dimensionen des in Paderborn verwendeten Qualitätstableaus waren schließlich „fachlich orientierte Kompetenzen; persönliche Kompetenzen; Wirtschafts, Arbeits- und Berufswelt; Berufswahlorientierung; Praktikum und Lernort; Übergang Schule-Beruf; Schulmanagement; Qualitätsmanagement.“ Diese beinhalteten jeweils mehrere Unterpunkte. Gemeinsam mit den Schulleitungen und StuBos wurden Gewichtungen der Felder vorgenommen. 3 http://www.berufswahlsiegel.nrw.de/uploads/tx_jpdownloadbox/SIEGEL-Basisinformation_01.pdf, 18.01.2011, S.2. Orientierungsrahmen zur Berufsorientierung an Schulen der Sekundarstufe I (Stand Juni 2009); Hrsg: Stadt DortmundFachbereich Schule, Regionales Bildungsbüro, 2009. 5 Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs-Kriterienkatalog zur Ausbildungsreife; Hrsg. Bundesagentur für Arbeit (BA), 2006. 6 Leitfaden Berufsorientierung. Praxishandbuch zur qualitätszentrierten Berufs- und Studienorientierung an Schulen. Hrsg. Bertelsmann Stiftung, Bundesarbeitsgemeinschaft Schule Wirtschaft, MTO Psychologische Forschung und Beratung GmbH, 2009, S. 8. 4 D:\68621658.doc 7 Durch eine Dokumentenanalyse der schuleigenen Dokumente sowie korrigierende Gespräche mit den Vertretern der Schule wurde mit dem Raster des Qualitätstableaus eine Übersicht über die bestehenden Aktivitäten zur Berufswahlorientierung erstellt. Im Vergleich mit dem Kriterienkatalog wurden so „weiße Flecken“ deutlich – die Entwicklungspotentiale der Schulen darstellen könnten. Neben dem Qualitätstableau und der Übersicht über die bestehenden Aktivitäten wurde vom Bildungsbüro auch eine Systematik für die Befragung von Schülern, Lehrern und Eltern entwickelt. Es handelte sich dabei zum Teil um offene Fragen, zum Teil sollten Bewertungen bestimmter Bereiche mittels einer Skala vorgenommen werden. Da es im Projekt um eine multiperspektivische Annäherung gehen sollte, die die individuellen Eigenheiten der Schulen in den Blick nimmt, wurde hierbei kein repräsentatives Ergebnis angestrebt – dazu war die befragte Gruppe zu klein. Stattdessen wurden Stichproben erhoben, die Befragung orientierte sich dabei formal an allgemeinen Kriterien qualitativer Sozialforschung sowie inhaltlich an den in der Dokumentenanalyse und den Workshops ermittelten Kriterien guter Berufsorientierung. Die Antworten wurden notiert und mittels eines zuvor entwickelten Rasters ausgewertet. Folgende Fragen wurden den Schülern und Schülerinnen gestellt: Was sind Deine größten Stärken? Schreibe diese in den nächsten zwei Minuten auf eine Karte. Wie viele Stärken hast Du aufgeschrieben? Wie sicher bist Du, dass dies Deine größten Stärken sind? (Auf einer Skala von 110: 10 ist sehr sicher, 1 ist unsicher) Weißt Du schon, in welchem Beruf Du arbeiten möchtest? Bitte notiere auf einer orangefarbenen Karte, welcher Beruf das ist. Bitte schreibe auch Deine Klassenstufe dazu. Wie sicher bist Du, dass dieser Beruf zu Deinen Stärken passt? (Auf einer Skala von 1-10…) Bitte schreibe Deinen Wert auf die Karte für Deinen Wunschberuf. Wie hat die Schule Dir geholfen, den Beruf zu finden, der zu Dir passt? Was war für Dich dabei am wichtigsten? Welche Maßnahme hat Dir am meisten geholfen? Welcher Mensch hat Dir am meisten geholfen, den Beruf zu finden, der zu Dir passt? Wie gut fühlst Du Dich auf die Zeit nach der Schule vorbereitet? Gibt es Dinge, die für Euch wichtig sind und über die wir noch nicht gesprochen haben? Die Klassenlehrer der 10. Klassen beantworteten folgende Fragen: Was sind in Ihrer Klasse die wichtigsten Elemente der Berufsorientierung? Sind diese in jeder Klasse gleich? Was klappt besonders gut in der Berufsorientierung? Begleiten Sie die Schüler auf dem Weg in den Beruf oder macht dies jemand anderes? Wie begleiten Sie die Schüler? Hilft Ihnen die Schule, die Jugendlichen auf dem Weg in den Beruf zu begleiten? Wie macht sie das? Haben Sie alle Informationen, die Sie brauchen, um die Berufsorientierung der Jugendlichen zu unterstützen? (Auf einer Skala von 1-10…) D:\68621658.doc 8 Bei welchen Gelegenheiten reden Sie mit Ihren Kollegen an der Schule über Berufsorientierung? Wer ist für die Berufsorientierung an Ihrer Schule zuständig? Was würden Sie gerne anders machen in der Berufsorientierung? Wenn Sie an ihre Schüler denken: Wie sicher fühlen die sich, wenn sie ihre größten Stärken nennen? (Auf einer Skala von 1-10…) Wenn wir einmal allgemein fragen: was ist das Wichtigste an Ihrer Schule? Den Eltern stellte man folgende Fragen: Reden Sie mit ihren Kinder über das, was sie später mal werden möchten? Bei welchen Gelegenheiten? Wie hilft die Schule ihren Kindern, den Beruf zu finden, der zu ihren Kindern passt? Sind Sie zufrieden mit den Maßnahmen zur Berufsorientierung an der Schule ihrer Kinder? (Auf einer Skala von 1-10…) Reden Sie mit den Lehrern über die Berufsorientierung ihrer Kinder? Was sollten wir über die Berufsorientierung an dieser Schule wissen? Haben wir Sie etwas Wichtiges noch nicht gefragt? Wenn Unternehmensvertreter befragt wurden, gestaltete sich dies nach folgendem Schema: Welchen Beitrag leisten Sie zur Berufsorientierung an der Schule? Würden Sie gerne noch weitere Dinge anbieten? Auf einer Skala von 1-10: Wie zufrieden sind Sie mit der Berufsorientierung an der Schule? Mit welchen Maßnahmen sind Sie zufrieden? Mit welchen nicht? Was würden Sie gerne in der Zusammenarbeit verändern? Jede der beteiligten Schulen erhielt schließlich eine zweiteilige Dokumentation: eine auf dem Qualitätstableau basierende und chronologisch nach Jahrgangsstufen geordnete Tabelle sowie einen sechs- bis siebenseitigen Text. Die Dokumentation spiegelte die wahrgenommene Umsetzung der Berufsorientierung in den einzelnen Schulen und gibt konkrete Empfehlungen. Eine Schule entschloss sich, einen Kooperationsvertrag mit dem Bildungsbüro abzuschließen. Der Kreis Paderborn sowie die Agentur für Arbeit beteiligen sich demnach künftig an der Finanzierung einer jährlichen Kompetenzanalyse der Schüler und Schülerinnen der neunten Klassen, um das gemeinsame Ziel zu unterstützen, dass die Jugendlichen einen passenden Anschluss nach dem Schulabgang finden. Im Gegenzug verpflichtete sich die Schule zur Evaluation von Durchführung und Wirkung des Kompetenzchecks in einem zwei- bis dreijährigen Turnus. Zudem wurden Qualitätskriterien der Kompetenzanalyse schriftlich fixiert. Die Schule entschied sich außerdem für eine Bewerbung beim SIEGEL Berufswahlund ausbildungsfreundliche Schule und wurde bei der Erstellung der Bewerbungsunterlagen beraten. D:\68621658.doc 9 5. Evaluationsergebnisse 5.1 Rückmeldung der beteiligten Schulen Ein knappes Jahr nach Beginn des Projektes fand ein Auswertungsworkshop statt. Hierbei wurde eine Befragung mittels Fragebogen und Feedbackplakaten durchgeführt, die sich an den zu Beginn des Projektes entworfenen Evaluationskriterien orientierten. Zudem gab es eine Berichtsrunde zur Frage, ob der gemeinsame Prozess Auswirkungen auf die Weiterentwicklung in der jeweiligen Schule gehabt habe, und wenn ja, welche. Abschließend erfolgte eine Positionierung der Teilnehmer in einem Aufwand-Nutzen-Diagramm. Neben den erwähnten produktiven Resultaten einer Schule gab es eine Reihe von Wirkungen, die weniger konkret zu fassen sind, aber im Gespräch – der Berichtsrunde und der Diskussion der Ergebnisse von Fragebogen und Feedbackplakaten - zur Sprache kamen. So wurde etwa gesagt, dass die Beachtung und Anerkennung von außen zusätzlich motivierend gewirkt habe. Ein wertvoller Effekt sei auch die Wirkung auf die Bekanntheit der Berufsorientierung bei den Eltern. Der Bericht habe nach außen als auch nach innen Transparenz geschaffen und Probleme verdeutlicht sowie durch klare Kriterien Orientierung geboten. Die Dokumentation wurde auch als Leitfaden bezeichnet, der den bei personellen Wechseln notwendigen Wissenstransfer unterstützt. Es wurde positiv hervorgehoben, dass der Bericht Impulse für die Weiterentwicklung gegeben habe, und dass das ganze Kollegium Einsicht in die Kriterien der Berufsorientierung bekommen habe. Verschiedene Gremien und Gruppen (z.B. Werkstatt und Schule) hätten durch den Bericht begonnen, zusammenzuarbeiten und sich auszutauschen. Durch die Programm-Arbeit habe somit eine Stärkung des „Wir-Gefühls“ stattgefunden, alte Strukturen seien in Bewegung geraten und es seien vermehrt Gespräche geführt worden. Dabei sei die Bewusstheit bezüglich der Berufsorientierung gestärkt worden und man fülle sie zunehmend mit Leben. Einige Kritikpunkte seien aufgegriffen und bearbeitet worden, sodass man einige der in der Dokumentation erwähnten Tipps bereits streichen könne. Beispielsweise wurde die Berufsorientierung auf die unteren Jahrgangsstufen ausgeweitet. Insgesamt positiv wird die Zeitstruktur des Projektes mit einer flexiblen Ausdehnung auf etwa ein Jahr bewertet. Dass zu wenig Zeit für die Auseinandersetzung mit der Dokumentation bestanden hat, wird mit den allgemeinen Zeitproblemen an den Schulen begründet. Eine gute Woche Vorlauf wird als optimales Zeitfenster angesehen. Die Zusammenarbeit habe in einer auffallend angenehmen, wertschätzenden und vertrauensvollen Atmosphäre stattgefunden. Positiv sei auch der wertschätzende Ton der Dokumentation gewesen, dadurch hätten alle die Kritik gut annehmen können. Als besonders wertvoll wurde das Rückmeldegespäch eingestuft, da hier Irrtümer und Missverständnisse geklärt werden könnten. Dies sei wichtig, da Außenstehende sich in einem komplexen System zurechtfinden müssen und daher auf die Hilfe von Internen angewiesen seien. D:\68621658.doc 10 Verhältnismäßig fraglich ist der Kenntniszuwachs durch das Projekt. Zum einen wurde hier kritisiert, dass inhaltlich gefehlt habe, wie man die Kriterien umsetzen kann. Die Kriterienarbeit selbst sei zwar anstrengend, jedoch interessant und eine wichtige Bedingung des Klärungsprozesses gewesen. Es wird daher davon abgeraten, die erarbeiteten Kriterien einfach auf andere Schulen anzuwenden, um den Prozess so zu vereinfachen. Die gemeinsame Erarbeitung der Kriterien habe die hohe Akzeptanz aller Beteiligten erzeugt. Andere Schulformen hätten zudem möglicherweise andere Bedürfnisse und würden andere Gewichtungen vornehmen. Weiterhin bedeute die bloße Kenntnisnahme der Dokumentation noch kein langfristiges Outcome. Die Basisarbeit mit den Schülern besitze gegenüber der Programmarbeit Priorität, so dass, insbesondere im Kontext personeller Engpässe, diese Prozesse nur langfristig stattfinden könnten. An einer Schule war die Auswahl der Befragten problematisch, da an der Berufsorientierung derzeit unbeteiligte Personen befragt wurden. Man hatte hier die Organisation der Schulpflegschaft übertragen. Dieses Problem soll und kann in Folgeprojekten vermieden werden. Der Nutzen des Beratungsprojektes wurde insgesamt als sehr hoch eingeschätzt, so dass Folgeprojekte aus Sicht der beteiligten Schulen unbedingt empfehlenswert wären. Das Projekt sei eine kompetente Dienstleistung des Bildungsbüros, von der die Schulen profitieren könnten. Am höchsten bewertete der anwesende StuBo den Aufwand, eine Überforderung durch das Projekt habe jedoch nicht stattgefunden. Dass der Prozess Zeit in Anspruch genommen habe, darin sind sich die beteiligten Schulen einig, sei durch den Wert des Feedbacks wettgemacht worden. 5.2 Fazit des Bildungsbüros Die Evaluation hat gezeigt, dass der Beratungsansatz des critical friend voll aufgegangen ist und eine große Akzeptanz unter den Beteiligten hergestellt werden konnte. Die Dopppelfunktion des Bildungsbüros als critical friend und Ressourcengeber spielte offenbar keine Rolle. Wie erhofft hat ein Prozess der gegenseitigen Beratung stattgefunden, in dessen Verlauf auch das Bildungsbüro viel lernen konnte. Unter den Erwartungen blieben die Zusammenarbeit mit der Kommune und der Wirtschaft sowie das Interesse der Schulen an konkreten Maßnahmen im Rahmen von Ziel- und Kooperationsvereinbarungen. Allerdings ist es noch zu früh, um hier ein abschließendes Urteil zu fällen – zum einen besteht die Möglichkeit eines Kooperationsvertrags weiterhin, zum anderen steht der Sozialraumbericht noch aus, der sich auf das Feld der Zusammenarbeit von Schulen und Kooperationspartnern konzentrieren wird. Die angestrebte Anzahl der teilnehmenden Schulen wurde schon früh korrigiert. Es konnten dadurch weniger Schulen profitieren, andererseits erleichterte dies das Pilotprojekt. Das Verfahren des Beratungsprojektes hat sich gut bewährt. Es gab kleinere organisatorische Probleme, doch lassen diese sich in einem Entwicklungsprozess nur schwer vermeiden – man kann und wird von ihnen lernen. Das positive Feedback der Schulen spiegelte ein grundsätzlich gelungenes Projekt. Dass nicht alle Entwicklungsimpulse umgesetzt wurden, kann als normal angesehen werden und mindert nicht den Wert der schulinternen Diskussionen und Entwicklungen. Das zentrale Ziel des Projektes, mehr Transparenz in der Berufsorientierung zu schaffen, wurde exemplarisch erreicht. D:\68621658.doc 11