Stefani Gertler-Martens - Weiterbildung

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Stefani Gertler-Martens
WIR- Institut
Ausbildungsgruppe GA II
Gestaltpädagogik – oder:
Was macht das Lehren und Lernen leichter und effektiver?
Inhalt:
1. Zur Wahl des Themas
2. Geschichtlicher und begleitender Hintergrund
2.1. Petzold/Brown
2.2. Paul Goodman
2.3. Ruth Cohn und die Themenzentrierte Interaktion (TZI)
3. Gestaltpädagogik
3.1. Was ist Lernen?
3.2. Prinzipien und Methoden der Gestaltpädagogik
3.3. Phasen des Stundenablaufs
3.4. Lernen und Lehren als Kontaktprozess
4. Ausblick
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1. Es ist Dienstag, 5. Stunde, Englisch in der Klasse 8. Ein Schüler scheint sich nicht
auf den Text und die Bilder im Englischbuch zu konzentrieren, da er in seinem Etui
herumkramt. Mich stört seine Aktivität und daher fordere ich ihn auf, die Bilder
anzusehen und nicht sein Etui zu durchsuchen. Darauf antwortet er: „Man hat ja
sonst keine Zeit das Etui aufzuräumen.“
Diese Antwort belustigt natürlich seine Mitschüler/innen, ich aber empfinde sie als
„Angriff“ auf meinen Unterrichtsstil und sage ihm darum, dass ich über seine
Reaktion verärgert sei und er solle doch meinen Ärger nicht herausfordern.
Schon kurz nach dieser Unterrichtsstunde frage ich mich, warum ich so verärgert
reagiert habe. Ich hätte doch genauso gut schallend lachen können über diesen
überaus einfallsreichen Einwurf.
Die Unbefangenheit ist mir also wieder einmal abhanden gekommen. Ich frage mich
darum, wie ich meine letzten Jahre als Lehrerin noch so gestalten kann, dass ich den
Schülern unbefangen, neugierig, erwartungsvoll und souverän gegenüber treten
kann. Könnte Gestaltpädagogik dabei das „Zauberwort“ sein?
Was ist das Innovative und Motivierende an Gestaltpädagogik?
2.1. Zunächst möchte ich etwas über die noch ziemlich junge Geschichte der
Gestaltpädagogik sagen. In der Mitte der siebziger Jahre tauchte der Begriff
„Gestaltpädagogik“ auf, und zwar bei Hilarion Petzold, der mit George Brown 1977
ein Buch mit diesem Titel herausgab.
Darin erschienen erste Berichte über integrative Pädagogik, intersubjektiven Unterricht und über die gestalttheoretischen Grundlagen dieser neuen Richtung. Die
Autoren kamen zum großen Teil aus den USA und dem europäischen Ausland. 1,
Das nächste Buch „Gefühl und Aktion“ von Brown und Petzold erschien In
Deutschland im Jahre 1978 und enthielt Vorschläge zur „Entwicklung von Lern- und
Lehrkonzepten ..., die in besonderer Weise ein Zusammenfließen emotionaler und
kognitiver Aspekte des Lernens und Lehrens ermöglichen“ sollten. Denn die
„mangelnde Berücksichtigung des ganzheitlichen Charakters von Lehr- und
Lernprozessen, die ungenügende Beachtung der individuell unterschiedlichen
Potentiale von Schülern und Pädagogen“ wurde am öffentlichen Schulsystem und an
der Lehrerausbildung kritisiert.
In den darauffolgenden Jahren bemühten sich schon einige Gestaltausbildungsinstitute darum, interessierte Lehrer/innen nicht nur zu Gestalttherapeuten,
sondern auch zu Gestaltpädagogen auszubilden. Natürlich wurde die Frage erörtert,
ob Gestaltpädagogik etwas qualitativ Neues oder nur eine Modeerscheinung war.
Wichtig für die teilnehmenden Lehrer war es, dass sie ihre teilweise lähmende
Berufsroutine unterbrechen und das „burn-out-Syndrom“ überwinden konnten. Denn
„Gestaltpädagogik ist eine Richtung Humanistische Pädagogik, die sich auf
grundlegende Konzepte der Gestalttherapie (Kontaktmodell, Konzept von Kontakt
und Begegnung) sowie der Humanistischen Psychologie (Humanistische
Wertorientierung, Personenzentrierung, Betonung der Wachstumspotenzen des
Individuums) stützt und auf diese Weise zur Entwicklung neuer, ganzheitlicher,
integrativer Formen und Inhalte des Umgangs mit sich, mit der Gruppe und dem
Thema ... beitragen möchte.“ 2
2
2.2. In den USA kritisierte der Erziehungswissenschaftler und Gestalttherapeut Paul
Goodman zu der Zeit die Schulkasernen und den Unterrichtsstil des 19.
Jahrhunderts, die er zum Teil auch im 20. Jahrhundert noch vorfand.
Er griff folgende Punkte an:
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Die Institution Schule: Schüler und Lehrer waren immer noch Objekte der
Bürokratie und Verwaltung, die Schulwirklichkeit war noch wie früher vom
Zwang der Fremdbestimmung durch die politische Struktur bestimmt.
Die Schule als Staatsschule: Diese Art Schule war für ihn ein Relikt aus
einer antidemokratischen Epoche, förderte die Uniformität in einer
vielschichtigen Gesellschaft und erschien ihm wie ein „Exerzierfeld für
Gehorsam und Einordnung“.
Die Schule als nicht reformierbarer Lernort: Die Unmöglichkeit, die Schule
zu reformieren, war für ihn System und hatte Tradition. Hätten hier tatsächlich
Veränderungen stattgefunden, so hätte das zu einer totalen Verweigerung der
bestehenden Regeln und der Legalität geführt.
Die Schule als Ort parapädagogischen Handelns: Für Goodman wurde hier
nur auf die Erfüllung der Lehrpläne geachtet und damit verlor für ihn jegliches
pädagogische Handeln seinen Sinn.32
2.3 In diesem Zusammenhang möchte ich Ruth C. Cohns „Themenzentrierte
Interaktion“ (TZI) vorstellen. Sie hatte nach ihrer Emigration (als deutsche Jüdin) in
die USA und einer gescheiterten Ehe den Wunsch nach einem beruflichen
Neuanfang. Da sie jedoch „nur“ Psychoanalytikerin war, legte man ihr nahe, nur
Kinder zu therapieren, weil sie keine Medizinerin war. Daher wurde sie noch Lehrerin und arbeitete gleichzeitig therapeutisch mit Kindern. Schnell erkannte sie, dass
die Probleme der ihr anvertrauten Kinder aus dem Umfeld der Erwachsenen kamen.
So begann Ruth Cohn auch Erwachsene zu therapieren.
Dabei entwickelte sie eine Methode, „die versucht, im Gespräch nicht nur Inhalt zu
vermitteln, der sachlich richtig ist, sondern gleichzeitig mit den Menschen, mit denen
ein Thema besprochen wird, in Kontakt zu sein.“ Sie integrierte hierbei Elemente von
Gestaltarbeit nach Fritz Perls, Familienskulpturen von Virginia Satir, Bioenergetik
nach Wilhelm Reich, interpersonale Therapie nach Harry Strack Sullivan sowie gruppendynamische Ansätze.
Das Wichtigste aber waren ihr der Mensch mit all seinen Stärken und seiner Möglichkeit zu einer eigenen Entscheidung und die Balance zwischen dem Einzelnen,
der Gruppe und dem Thema, das bearbeitet wurde.
Ihr Modell besteht aus vier Faktoren, die eine Gruppe bilden:
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Das Ich – das sind einzelne Personen mit ihren persönlichen Anliegen und
Befindlichkeiten,
das Wir – das sind die Beziehungen in dem Miteinander der Personen,
das Es – das ist die Aufgabe, das Ziel der Gruppe und
der Globe – das ist das soziale, politische, ökologische und kulturelle Umfeld
der einzelnen Gruppenmitglieder.
Die Themenzentrierte Interaktion entwickelt sich auf der Basis dreier Problemstellungen, sogenannter „Axiome“. Ich zitiere sie hier aus Ruth Cohns Buch „Von
der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion“:
3

„Der Mensch ist eine psycho-biologische Einheit. Er ist auch Teil des
Universums. Er ist darum autonom und interdependent. Autonomie
(Eigenständigkeit) wächst mit dem Bewusstsein der Interdependenz
(Allverbundenheit).
Ehrfurcht gebührt allem Lebendigen und seinem Wachstum. Respekt vor dem
Wachstum bedingt bewertende Entscheidungen. Das Humane ist wertvoll,
Inhumanes ist wertbedrohend.
Freie Entscheidung geschieht innerhalb bedingender innerer und äußerer
Grenzen. Erweiterung dieser Grenzen ist möglich.“
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Zwei Forderungen ergeben sich aus diesen Axiomen:
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„Sei deine eigene Chairperson.“ – Nimm dich selbst, die Anderen und die
Umwelt wahr und betrachte jede Situation als ein Angebot für deine eigene
Entscheidung.
„Störungen haben Vorrang!“ – Erkenne, dass Störungen sich Vorrang nehmen und behandelt, d. h. beachtet und verarbeitet werden wollen.
Zehn Hilfsregeln hat Ruth Cohn für die TZI aufgestellt, die jedoch nicht als
allgemein gültige Weisungen betrachtet werden sollen, für mich als Lehrerin aber
sehr wichtig im Umgang mit meinen Schülern und meinen Mitmenschen (auch mit
Klienten) sind.
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Sprich per „Ich“, nicht per „Wir“ oder „Man“ zu den Anderen, dann trittst du für
dich selbst ein.
Frage, wenn du etwas wissen möchtest, und gib klar an, warum du fragst und
was deine Frage für dich bedeutet. Stelle keine Interviewfragen.
Sei authentisch und zeige es auch. Nimm wahr, was du denkst und fühlst.
Überlege, was für dich stimmig ist und was du dem Gegenüber anvertrauen
möchtest.
Sprich über deine persönlichen Reaktionen, bringe keine Interpretationen.
Sei vorsichtig und zurückhaltend mit Verallgemeinerungen, die nur zusammenfassend abschließen und zu einem neuen Thema überleiten sollten.
Bei kritischen Äußerungen einem Anderen gegenüber lass ihn wissen, was es
dir bedeutet, dass er so ist, wie er ist.
Seitengespräche stören, sind aber meist sehr wichtig. Sie sollten Vorrang
bekommen, denn sie geschehen nur, wenn sie den Beteiligten wichtig sind.
Achte darauf, dass nur einer spricht, damit Jeder dem Anderen zuhören und
sein Interesse zeigen kann.
Wenn mehr als einer gleichzeitig sprechen will, gebt euch Stichworte, um zu
sagen, worüber ihr sprechen wollt.
Beachte deine eigenen, aber auch fremde Körpersignale.3
Das Ziel der TZI ist es, zwischen den Bedürfnissen der einzelnen Gruppenmitglieder
sowie der Gruppe insgesamt, ein dynamisches Gleichgewicht für die gemeinsame
Aufgabe und das Umfeld herzustellen und zu erhalten. Dazu wird das Thema zum
Brennpunkt der vier Faktoren gemacht. Das ermöglicht – hoffentlich, wenn ich an Unterricht in der Schule denke – ein effektives, kognitives und emotionales Lernen.
4
3.1. Was ist nun Lernen? In Knaurs Lexikon ist zu lesen: „psychologisch nicht direkt
beobachtbare Veränderungen in einem Organismus, die durch Erfahrung entstehen
und sich in Verhaltensänderungen ausdrücken: Konditionierung, Lernen am Erfolg
(Zunahme des Auftretens belohnter Verhaltensweisen), Lernen durch Einsicht (neue
Wahrnehmungsstruktur, „Aha-Erlebnis“ führt zu Problemlösung), Lernen durch
Nachahmung (Bedeutsamkeit von Vorbildern für das Erlernen von Gefühlen)“. 4
Meyers Taschenlexikon definiert Lernen als „das Aneignen von Wissen und
Kenntnissen, bzw. das Einprägen in das Gedächtnis. Das Lernen beinhaltet vor
allem auch den Vorgang, im Laufe der Zeit durch Erfahrungen, Einsichten o.ä. zu
Einstellungen oder Verhaltensweisen zu gelangen, die von Bewusstsein und
Bewusstheit bestimmt sind.“ 5
Nach Norbert Seeger ist Lernen ein Kontaktgeschehen, in dem sich zwei oder mehr
Menschen über einen Inhalt kognitiv und emotional begegnen und dadurch jeder
Einzelne auch sich selbst. Der Kontakt findet statt zwischen den Schüler/innen und
dem Wissensthema, zwischen den Schüler/innen und dem/r Lehrer/in und zwischen
Schüler/innen untereinander. Lernen findet hier als Prozess statt, der die ganze
Person sowohl des Lernenden als auch des Lehrenden umfasst. Somit ist der
emotionale Lernprozess ein tragendes Element zum persönlichen Lernen und
Verinnerlichen von Inhalten.
Lehrende und Lernende denken, nehmen aber auch Körpersignale wahr und erleben
Gefühle. Wenn Gefühle und Körpersignale während des Vermittlungsprozesses von
Wissen entstehen, können sie auf die Ebene des Unterrichtsgegenstandes gehoben
werden, also vom Hintergrund in den Vordergrund treten. Diese in den Vordergrund
tretenden individuellen und kollektiven Bedürfnisse der Schüler/innen sollen durch
den/die Lehrer/in als „aufmerksamer Begleiter“ oder „Wächter“ (facilitator)
personengemäß und situationsbedingt berücksichtigt werden.
Diese anspruchsvolle Aufgabe kann er aber nur erfüllen, wenn er wie ein
Gestalttherapeut in der Lage ist, sich selbst als Instrument zu nutzen. Voraussetzung
dazu ist, dass er in Kontakt mit sich selbst und mit seinen inneren und äußeren
Wahrnehmungen ist. Nur die Schärfung seiner Wahrnehmung, der „awareness“, auf
den Ebenen Ich (der Einzelne), Wir (die Gruppe), Es (das Thema) und Globe (das
soziale und ökologische Umfeld) ermöglicht es ihm prozessorientiert zu unterrichten.
Lehren und Lernen werden dann als „Erlebnis eines Dialogs, in dem die persönlichen
Prozesse der am Lernprozess Beteiligten im Vordergrund der Bemühungen stehen“,
angesehen.
Dadurch entsteht ein auf Selbstverwirklichung und Selbstverantwortlichkeit
angelegter persönlicher Lernprozess sowohl des Schülers, als auch des Lehrers mit
sich selbst, dem eigenen Handeln und den betroffenen Personen. Lernen ist also
Persönlichkeitsentwicklung und auch nur möglich, wenn der Mensch als KörperGeist-Seele-Einheit angenommen wird.
Wichtig für den/die Lehrer/in ist es, außer mit sich selbst in Kontakt zu stehen, unbewusst ablaufende, routinisierte Verhaltensmuster sowohl bei den Schülern als
auch bei sich wahrzunehmen. Außerdem sollte er/sie Unterrichtskonzepte kennen
und weiter entwickeln, die Wege aufzeigen, wie ganzheitliches Lehren und Lernen in
der Alltagspraxis realisiert werden kann. Gestaltpädagogische Verfahren sind
geeignet, beruflicher Stagnation und dem „burn-out-Syndrom“ entgegen zu wirken
5
und auch wirksame Hilfen zu geben, um zu kreativeren Formen von Bildung und
Erziehung zu gelangen. 6
Perls sagt: „Lernen ist nichts Anderes als die Entdeckung, dass etwas möglich ist.
Lehren bedeutet, einem Menschen zeigen, dass etwas möglich ist.“ Auch wenn er
diesen Satz im Zusammenhang mit dem Erlernen eigener Antworten auf Fragen an
den Therapeuten zu seinen Studenten sagte, scheint er mir auch anwendbar auf die
spezielle Lernsituation in der Schule zu sein. 7
3.2. Die wichtigsten didaktischen Prinzipien der Gestaltpädagogik sind:
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Wahrnehmung, Kontakt-, Begegnungs- und Beziehungsfähigkeit werden als
Grundlage des Selbstbewusstseins gefördert. Das Hier-und-Jetzt-Prinzip fragt
danach, was hier geschieht und was jetzt erlebt wird.
Der Mensch wird als ganzheitlich lernendes Wesen aus Körper, Geist und
Seele in seiner vielfältigen Bezogenheit angenommen und gefördert. Bei der
Konzentration auf den Kontakt wird danach gefragt, wie jemand der
lehrenden, bzw. der lernenden Person begegnet und wie er/sie mit dem
Unterrichtsstoff umgeht.
Persönlich bedeutsames Lernen vollzieht sich in einer jeweils einmaligen
Situation und aus der ganz persönlichen und gemeinsamen Geschichte
heraus, die das Lernen beeinflussen. (prozessorientiertes Lernen)
Die Lernenden werden ermutigt, sich ihrer eigenen Ziele bewusst zu werden,
sie durch Handlungen zu verwirklichen und Ergebnisse selbst zu beurteilen.
(projektorientierte Didaktik) Dadurch werden die Prinzipien der Freiwilligkeit
und der Verantwortlichkeit sowie der Selbstständigkeit gefördert.
Ausdruck, Experimentierfreude und kreative Vielfalt werden ermöglicht und
angeregt.
Diese didaktischen Prinzipien berücksichtigen, dass der Mensch wohl beeinflussbar, aber nicht formbar ist. Er ist ein sich selbst regulierendes System, er
ist nicht machbar. Dadurch erfährt die Pädagogik ihre Grenzen, wird aber andererseits erst wirklich interessant. 9
Dazu kommen folgende hilfreiche Methoden:
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Entspannungs- oder Bewegungsübungen zur Einbeziehung des Körpers
Phantasiereisen und Meditationsübungen zur Entfaltung des kreativen
Bereichs
Rollenspiele zur Verdeutlichung von Fähigkeiten und von Beziehung
Psychodrama (nach Moreno) zum Erleben und Veranschaulichen von
Gefühlen und Konflikten
Identifikationsübungen zur Verdeutlichung von Kontakt und Grenze, von Ich
und Du
Feedback-Übungen zur Förderung der Verantwortung und des bewussten
Umgangs mit sich selbst
Symbolische Darstellung z.B. von Gefühlen wie Angst um Abstraktes zu
visualisieren. 10
Körperübungen zur Mimik und Gestik, durch Summen oder Stöhnen, beim
Atmen, durch Schreiben und Malen
Übungen zur Stärkung der Persönlichkeit, z.B. mit Tai Chi
6
Wendet ein/e Lehrer/in diese Prinzipien und Methoden an, kann er/sie sicher sein,
dass sich Einiges im Unterrichtsalltag ändert. Er/Sie wird nicht mehr nur die
negativen Seiten des Unterrichtens sehen, sondern die Erfolge der Schüler/innen
wieder wahrnehmen und sich darüber freuen können, so dass auch bei ihm/ihr
wieder eine Energiezufuhr und eine Regeneration nach geleisteter Arbeit stattfinden
kann. Auch wird der/die Lehrende immer wieder seinem/ihrem inneren Kind und den
Erfahrungen in der Kindheit begegnen. Diese Begegnungen haben bisher
Übertragungen und Projektionen beim Lehrenden hervorgerufen und sein/ihr
Verhältnis zu den Schüler/innen stark beeinflusst. Um aber zum inneren Wachstum
und zur inneren Reife zu führen, ist es notwendige Voraussetzung für den/die
Lehrende/n in Kontakt mit dem inneren Kind zu bleiben. Lehrende müssen sich
selbst helfen, denn Selbsthilfe bedeutet Regeneration. Auch können sie Ängste
bekämpfen, die sonst Stress in ihrem Körper, ihrer Seele und ihrem Geist
hinterlassen.
Mit Hilfe der Gestaltpädagogik kann ein/e Lehrer/in erkennen, dass jeder Mensch
und jede Situation subjektiv betrachtet werden müssen und dass das Auffangen der
unerledigten Geschäfte zu Beginn einer Stunde alle – die Lernenden und die
Lehrenden – entlastet und auf einen erfolgreichen Unterricht vorbereitet. Dann kann
das Lehrer-Sein wieder positiv für die Lehrenden werden, wenn die Kinder ihre
Gefühle direkt und offen ausdrücken dürfen und damit ein direkter Kontakt hergestellt
wird, wenn sie auch dem Lehrenden helfen, seine Gefühle auszudrücken, in die
Gegenwart wieder zurückzukommen und die Grenzen seiner Macht zu spüren. Es
gibt hier noch viele Argumente anzuführen. Wichtig finde ich, dass ein Raum für
Kreativität, Intuition, Empathie und damit auch Kontakt geschaffen wird, in dem
gearbeitet werden kann, und dass durch die Entwicklung, die sich dabei vollzieht,
Menschen reifen können.
3.3. Werden diese Prinzipien und Methoden in einer Unterrichtsstunde berücksichtigt,
so kann man erkennen, dass der Unterricht als Kontaktsituation zwischen Lehrer/in,
Schüler/innen und zu bearbeitendem Thema – einer gestalttherapeutischen Sitzung
ähnlich – in vier Phasen verläuft.
In einer Phase des Vorkontakts oder der Annäherung an einen Unterrichtsstoff
(Initialphase – Phase des Erinnerns und Stimulierens) wird ein Thema vorgestellt,
um die volle Energie der Schüler/innen mobilisieren zu können und „Appetit“ auf das
Thema zu entwickeln. Hierzu kann eine kurze Entspannungsübung dienen.
Dabei sind folgende Stufen zu beachten:
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Ankommen in der Lernsituation (bewusste Wahrnehmung, wie es mir in der
Situation geht, Abschließen unerledigter Geschäfte, Zentrierung auf die
Situation, Kontakt zu den Gruppenmitgliedern)
Abklären von Bedürfnissen (Was will ich?, Was wollen die Anderen?, gemeinsame Themenformulierung)
Einstimmung auf das Thema (Vorlieben und Widerstände wahrnehmen) Ein
Überspringen dieser Phase wird mit einem Mangel an Konzentration und
einem gehäuften Auftreten von „Störungen“ bezahlt.
Nun sind die Lernenden auf die nächste Phase, die Aktionsphase – die Phase der
körperlichen und emotionalen Erfahrungen – gut vorbereitet. Jetzt werden verschiedene Möglichkeiten des Zugangs zum Thema ausprobiert, Erfahrungen
7
gesammelt und experimentiert. Dadurch kann es zu einem intensiven Kontakt mit
dem Lerngegenstand kommen und spontane Wahrnehmungskonzentration eintreten.
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Störende Umweltreize werden nicht wahrgenommen
Das Zeitgefühl geht verloren („Wie, ist die Stunde schon zu Ende?“)
Das „Ich“ verschwindet ganz in einer Haltung der Aufmerksamkeit (Staunen,
Ergriffensein usw.)
Es kommt zu einer völligen Übereinstimmung von Wahrnehmungs-,
Bewegungs- und Gefühlsfunktionen (man ist „ganz Ohr“, „ganz bei der
Sache“)
Dieser Zustand lässt sich leider nicht durch die Initiative des/r Lehrers/in herstellen.
Er/Sie kann nur die atmosphärischen Rahmenbedingungen, eine günstig strukturierte
Umwelt und ein angstfreies Klima vorbereiten. Hierzu gehören auch genügend Zeit,
sich auf das Thema einzulassen, und Anforderungen, die fordern, aber nicht
überfordern. Dann aber, bzw. jetzt erst kann eine positive Konfluenz mit dem
Lerngegenstand erfolgen.
In der sich anschließenden Integrationsphase – der Phase des Durcharbeitens und
der rationalen Erfassung (auch der Übung) – werden die Erfahrungen der Aktionsphase kritisch bewertet, d.h. kognitiv verarbeitet und eingeordnet.
Durch diese Verarbeitung können neue Handlungen erfolgen und ein Transfer auf
ähnliche Situationen und Lernstoffe von den Schülern vollzogen werden. Das wird in
der Neuorientierungsphase – der Phase des Veränderns, Erprobens und des veränderten Verhaltens – ermöglicht.
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3.4. Olav-Axel Burow fasst in seiner Grafik die drei wichtigen Punkte zusammen, in
denen Lernen und Lehren als Kontaktprozess stattfinden kann, bzw. sollte. Hier haben wir die Bereiche, Konzepte und Methoden der Gestaltpädagogik im Überblick.
Wir erkennen, dass ein „Umdenken“ vom gewohnten Unterricht zur Gestaltpädagogik
auf drei Ebenen angegangen werden muss, auf der Ebene des Lehrertrainings, des
Unterrichtskonzeptes und der Organisationsentwicklung. Die grundlegenden Orientierungen sowie die handlungsleitenden Prinzipien als auch die Methoden und
Übungen sind für alle drei Bereiche die gleichen. Nur auf die Frage, wie sich diese
Ziele erreichen lassen, ergeben sich für die einzelnen Bereiche – Lehrertrainingskonzepte, Unterrichtskonzepte und Konzepte der Organisationsentwicklung
– unterschiedliche Antworten. Bei der Organisationsentwicklung müssen auch die
Schulaufsicht und der Schulträger der einzelnen Schule mitmachen. Leider sind „freie
Gestaltschulen“ im öffentlichen Schulsystem nur selten, bzw. gar nicht vorzufinden. 11
In Österreich gibt es die Alternativschule „Modellschule Graz“, von der Eva Scala in
ihrem Aufsatz „Eine gestaltpädagogische Schule“ in dem Buch „Gestaltpädagogik in
der Schule“ (hrsg. von Olav-Axel Burow) berichtet. Diese Schule ist ein
Realgymnasium mit musischem Schwerpunkt und nur 160 Schülern in kleinen
Klassen von je 20 Schülern. Ihr oberstes Ziel ist es persönlich bedeutsames Lernen
zu ermöglichen. 12
4. Wenn ich nun auf meine Eingangssituation (in der 8. Klasse)
zurückkomme und mir meine Unterrichtsskizze am Ende meiner Ausführungen
ansehe, stelle ich fest, dass ich so oder ähnlich schon lange unterrichte, nur war ich
mir dessen nicht so bewusst wie heute und habe mich immer wieder durch
Widrigkeiten von Seiten der Schüler oder der Materialien oder der Kollege/innen oder
der Schulleitung oder der Unterrichtsplanung irritieren lassen. Wichtig in diesem
Zusammenhang ist mir nun ganz besonders, dass ich gelernt habe, auf das
Zusammenspiel der drei Ebenen Ich, Wir und Es vor dem Hintergrund des Globe zu
achten und mich selbst ganz als Teil des Unterrichts-Prozesses (als KontaktProzess) anzusehen. Ich empfinde Gestaltpädagogik nicht als „Überlebenstraining
für Lehrer“, wie Stefan Blankertz in seinem „Lexikon der Gestalttherapie“ sagt,
sondern als Möglichkeit, „innerhalb der stressbeladenen öffentlichen Schulen
weitgehend“ meine „eigene Identität sowie die der mir anvertrauten Schüler wahren
zu können“ und diese zur Selbstständigkeit zu bringen. Dies ist umso wichtiger, als
es wohl kaum realisierbar sein wird, die institutionellen Rahmenbedingungen von
Schule zu verändern.
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H.G. Petzold/G.I. Brown, Gestaltpädagogik, München, 1977
Burow, Olaf-Axel, Gestaltpädagogik in der Schule, Hamburg, 1998, S. 9 - 11
Klemm, Ulrich, „Direkte Aktion“ Nr. 71, Sept./Okt. 1988
Cohn, Ruth, „Die Couch ist zu kurz“, Aufsätze über R. C. Cohn bei hagalil und bei wikipedia
Knaurs Lexikon von A bis Z, Augsburg, 1999, S. 549
Meyers Taschenlexikon, Mannheim, 1999, S. 2012
Seeger, Norbert, Gedanken zur Gestaltpädagogik, Ausschnitt aus einer Zeitung
Perls, Frederick S., Gestalttherapie in Aktion, Stuttgart, 1996, S. 44
Information bei gestaltpaedagogik.at
Karin und Ralf Ahrens, Husum
Burow, O.-A., a.a.O.
Burow, O.-A., a.a.O.
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Cohn, Ruth, „Die Couch ist zu kurz“, Aufsätze über R. C. Cohn bei hagalil und bei wikipedia
Knaurs Lexikon von A bis Z, Augsburg, 1999, S. 549
Meyers Taschenlexikon, Mannheim, 1999, S. 2012
Seeger, Norbert, Gedanken zur Gestaltpädagogik, Ausschnitt aus einer Zeitung
Perls, Frederick S., Gestalttherapie in Aktion, Stuttgart, 1996, S. 44
Karin und Ralf Ahrens, Husum
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