Ergänzende Erklärung zum Positionspapier der

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Markus Meckel
Ergänzende Erklärung zum Positionspapier der Expertengruppe Östliche Partnerschaft
Januar 2012
1.
Die Europäische Nachbarschaftspolitik der EU (ENP) hat sich in den letzten Jahren als
schwach und wenig wirksam erwiesen. Im Süden der EU ereignete sich der „arabische Frühling“ 2011 eher trotz der ENP, die von vielen in den betreffenden Ländern mehr als
Kooperation mit den gestürzten und bekämpften Autokraten wahrgenommen wurde. Im
Osten wurden die Erwartungen schwer enttäuscht (Belarus), muss sich die EU mit dem
Vorwurf doppelter Standards auseinandersetzen (Belarus/Aserbaidschan) und ist mit eklatanten Rückschritten im wichtigsten Land der ÖP konfrontiert (Ukraine). Einzig in Moldau
gibt es einen Lichtblick, doch auch hier ist die Situation innenpolitisch fragil. Vor diesem
Hintergrund ist die Review der ENP durch die EU-Kommission vom Mai 2011 sehr zu begrüßen, geht aber nicht weit genug. Die ENP, wie die ÖP als eine ihrer Dimensionen, ist
konzeptionell zu überdenken und braucht gleichzeitig ein stärkeres Engagement – denn
beide Nachbarschaften haben für die EU eine strategische Bedeutung.
2.
Anders als bei der Mittelmeerunion gehören die Staaten der ÖP zu Europa. Damit gilt für sie
Art. 49 des Lissaboner Vertrages. Wenn sie es wollen, sie die Kriterien erfüllen und die EU
aufnahmefähig ist, können sie einen Aufnahmeantrag stellen – sie haben eine Beitrittsperspektive zur EU. Diese klare Aussage des Vertrages ist eine wichtige Botschaft der EU an die
Gesellschaften dieser Länder, auch dann, wenn heute durch die Politik ihrer Regierungen
diese Perspektive oft in weite Ferne rückt. Leider wollen heute einige EU-Mitgliedsländer –
und unter ihnen Deutschland - diese Botschaft relativieren, sie ist aber Vertragslage und wir
sollten dazu stehen!
3.
Die EU-Politik der ÖP fasst die sehr unterschiedlichen sechs Staaten zu einer Gruppe zusammen und versucht sie unter ein einheitliches Konzept zu fassen. Die bilateralen
Partnerschaften werden nach dem gleichen Muster gestaltet. Dies berücksichtig die Differenzen nicht ausreichend, führt zu Inkohärenz, Ineffizienz und immer wieder zu
Glaubwürdigkeitsproblemen. Ein Blick in diese Länder macht deutlich, dass die jeweiligen
herrschenden Eliten sehr verschieden sind, einige sind nur an wirtschaftlicher Kooperation,
Hilfe und Modernisierung interessiert (Belarus, Aserbaidschan), andere an wirklicher Europäisierung, die auch Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit und europäische Werte
einschließt (Moldau, Georgien). Die Östliche Partnerschaft sollte deshalb weniger ein in sich
geschlossenes Konzept für die Beziehungen zu einer Staatengruppe sein, sondern mehr zu
einem flexiblen Rahmen für differenziert zu gestaltende Kooperationsbeziehungen und Integrationsprozesse werden.
4.
Außenpolitik gestaltet sich heute nicht mehr allein durch diplomatische Kontakte zu Regierungen; sie hat ernst zu nehmen, dass es in den jeweiligen Ländern sehr verschiedene
politische Akteure gibt. Die EU hat mit der Einrichtung eines Zivilgesellschaftlichen Forums,
eines Forums für kleine und mittlere Betriebe, der Konferenz für kommunale und regionale
Körperschaften und der Gründung einer EU-ÖP-Parlamentarischen Versammlung (EURONEST) erste Schritte getan, dem Rechnung zu tragen. Doch sind die dafür bestimmten
Instrumente, Institutionen und Programme strukturell stärker an die Erfordernisse anzupassen sowie finanziell weit besser auszustatten, um wirksam zu werden. Die geplante
Einrichtung einer „Europäischen Demokratiestiftung“ ist eine wichtige Initiative, die bald
Realität werden sollte. Darüber hinaus muss auch weit mehr im Bereich der Bildung und
Forschung getan werden, um den jungen Eliten in diesen Ländern vermehrt eine Ausbildung in der EU zu ermöglichen und darüber hinaus Erfahrungen in westlichen
Gesellschaften zu sammeln (Austauschprogramme).
5.
Die sektorale Zusammenarbeit zwischen der EU und den ÖP-Ländern wird wenig wahrgenommen, hat aber in verschiedenen Feldern durchaus Fortschritte und Erfolge zu
verzeichnen. Dazu gehört die Kooperation im Energiesektor (Mitgliedschaft der Ukraine
und Moldaus im Energy Community Treaty). Diese Bemühungen fördern das Bewusstsein
gegenseitiger Verflochtenheit und sollten so inklusiv wie möglich fortgeführt werden. Es
sollte erwogen werden, auch ein oder zwei größere, grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte in Angriff zu nehmen, welche die Sichtbarkeit der ÖP für die Bevölkerungen und
Wirtschaft erhöht. Für die Länder, die im Rahmen der ÖP den Assoziierungsvertrag abgeschlossen und ihn implementiert haben, sollte die EU ihren Arbeitsmarkt schrittweise
öffnen.
6.
Deutschland, das bei Visafragen innerhalb der EU zu den restriktivsten Ländern gehört,
sollte auf nationaler Ebene alle Möglichkeiten innerhalb des Rahmens von Schengen nutzen,
um die Visavergabe zu verbilligen und zu erleichtern (Mehrfach- und Langzeitvisa, persönliche Vorsprache nur in Sonderfällen, längere Gültigkeit, Senkung der Gebühren). Gleichzeitig
sollte es sich gemeinsam mit Polen und anderen Ländern im europäischen Rahmen für eine
verstärkte Visaliberalisierung und eine Roadmap zur Visafreiheit mit Moldau, Georgien, der
Ukraine und Armenien einsetzen.
7.
Die ungelösten Konflikte im Südkaukasus und in Moldau belasten die politische Situation,
die Verhältnisse der Nachbarn und damit sowohl die jeweils innergesellschaftliche wie regionale Entwicklung erheblich. Die Ernennung des neuen EU-Sonderbeauftragten für den
Südkaukasus ist deshalb zu begrüßen. Die EU wie die Mitgliedstaaten sollten diesen Konflikten und ihrer Beilegung eine stärkere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Engagement
widmen. Da Russland in diesen Konflikten eine wesentliche Rolle spielt, sollte die Frage ihrer Beilegung verstärkt auch in die EU-Russland-Beziehungen eingebracht werden.
8.
Die Östliche Partnerschaft ist von zentraler Bedeutung für die Europäische Union. Ihre Finanzierung wird ihren Herausforderungen bei weitem nicht gerecht. Die weitere und neu
auszurichtende Gestaltung der Östlichen Partnerschaft muss eine wesentliche Dimension
bei der neu zu formulierenden EU-Strategie zur Außen- und Sicherheitspolitik sein.
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