Rejoice „Träume ohne Schäume“ 1 8.Dez.2013; Pfr. B. Botschen Träume ohne Schäume 1. Den Träumen auf der Spur In anderen Gottesdiensten bin ich froh, wenn die Leute während meiner Predigt aufmerksam sind. Aber dieses Mal gestehe ich euch zu, dass ihr mit verträumtem und irgendwie abwesendem Blick auf eurem Stuhl sitzt oder plötzlich wie wild etwas auf den Zettel schreibt, den wir am Anfang verteilt haben. Vielleicht ist das ja die Stunde, in der ihr euch ganz neu bewusst werdet, welche Träume in euch schlummern. Beim Theaterstück habe ich nicht allzu lange überlegen müssen, welche Träume unsere beiden Personen haben könnten. Den Traum vom Kilimandscharo habe ich in unserer Kirchgemeinde schon drei Mal gehört. Es lohnt sich also bald einmal, eine gemeinsame Reise nach Afrika zu organisieren! Auch einer meiner Träume hat mit den Bergen zu tun. Ich habe es schon im Team erzählt: Ich habe vor, alle 48 Viertausender der Schweiz zu besteigen. Das ist mein Traum. Dafür brauche ich insgesamt wohl 10-15 Jahre, aber das spielt keine Rolle. Dieser Traum begeistert mich. Ich liebe das Bergsteigen und diesen Hauch von Abenteuer, der oft mitschwingt. Ein besonderes Buch half mir, diesen Traum zuzulassen. Der Titel lautet: „Der ungezähmte Mann“. Der Autor beschwört seine Leser geradezu, die eigenen Träume ernster zu nehmen. Ein entscheidendes Zitat dieses Buches lautet: „Frage dich nicht, was die Welt braucht. Frage dich lieber, was dich lebendig macht, und dann geh hin und tu das Entsprechende. Denn die Welt braucht nichts so sehr wie Männer (und Frauen), die lebendig geworden sind.“ Wohlgemerkt: Das ist ein christliches Buch. Aber je länger je mehr wird mir etwas klar: Gott ist weniger fromm, als wir manchmal denken! Fromm ist jemand, der nur noch über Gott reden kann. Wir haben manchmal das Bild von Gott, dass man mit ihm zwar über persönliche Probleme reden kann, aber dass ihn sonst nur so Themen wie beten, Bibel lesen oder Kirchgemeinde interessieren. Dabei muss man sich nur einmal bewusst machen, welches das erste Wunder war, das Jesus tat. Da war eine Hochzeitsgesellschaft. Die Musik spielt, es wird getrunken, getanzt, gelacht und gefeiert. Und mittendrin ist Jesus! Plötzlich heisst es: „Der Wein ist fertig!“ Hat Jesus dann nach frommer Manier mit vorwurfsvollem Blick gesagt: „Ihr solltet sowieso mehr beten, anstatt zu feiern!“? Nein, er hat für diese feiernden Menschen noch mehr Wein besorgt! Gott ist enttäuscht, wenn wir ohne Leidenschaft und ohne Begeisterung vor uns hin leben. Er liebt es, wenn wir unsere Träume, die so fest zu uns gehören, ausleben, wenn wir uns entfalten, wenn wir lebendig werden, wenn unsere Augen funkeln. Denn er hat uns mit all diesen Träumen geschaffen. 2. Den Traum leben Auf dem Weg zum Ausleben unserer Träume stellen sich uns aber ein paar Hindernisse in den Weg. Das Theaterstück hat ein paar typische Hindernisse angedeutet. 1. Die Spannung zwischen Selbstverwirklichung und Pflichtbewusstsein: Bei unseren Träumen geht es nicht darum, sich ohne Rücksicht auf Verluste selber zu verwirklichen. Auf einer Bergtour habe ich einen Mann um die 35 kennen gelernt. Er ist ein richtiger Bergfan. Im Winter und Frühjahr, in der Schitourensaison und im Sommer, wenn er ins Hochgebirge kann, ist er jedes Wochenende unterwegs. Eigentlich hat er eine Beziehung zu einer Frau. Sie kann nichts mit den Bergen anfangen. Er sagt: „Das muss sie verstehen, dass ich am Wochenende in der Regel weg bin. Ich wäre sonst einfach nicht zufrieden!“ Rejoice „Träume ohne Schäume“ 2 8.Dez.2013; Pfr. B. Botschen Das ist der pure Egoismus. Als Christen versuchen wir, unseren Platz in unserer Familie und Kirchgemeinde einzunehmen. Aber unser Pflichtbewusstsein darf nicht so gross werden, dass wir alle eigenen Träume verleugnen. Bei Gesprächen über verstorbene Personen hört man öfters den Satz: „Sie hat nie an sich selber gedacht!“ Das ist als Kompliment gemeint. Aber ist das wirklich unser Ziel? Ist das ein Christ, der nie an sich selber denkt? Der zwar weiss, dass Jesus gesagt hat „Liebe deinen Nächsten“. Aber dass Jesus angehängt hat „wie dich selbst“, das hat er noch nie gehört? Ist das ein Christ, der die Bedürfnisse von anderen sehr wichtig nimmt, und die eigenen Bedürfnisse unterdrückt? Das Wort von Jesus ist klar: Meine Bedürfnisse sind genauso wichtig wie die anderer Menschen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. 2. Die Stimme „vernünftiger“ Leute auf die Seite schieben: Träume sind nicht immer vernünftig, ungefährlich, brav und normal. Manche Träume kosten einiges an Geld. Das ist auch bei meinem Bergtraum so. Auch wenn ich mehrheitlich mit einem österreichischem Bergführer gehe, ist das Ganze recht teuer. Kaum ist etwas ein bisschen gewagt, sind Leute da, die zu uns sagen: „Das ist übertrieben!“ Oder: „Das kannst du nicht machen!“ Ich weiss nicht, ob man ab 70 Jahren dann nicht auch den Satz zu hören bekommt: „Was, in deinem Alter?“ Manchmal sagen wir uns das auch selber: „Das kann ich doch nicht machen!“ Manchmal bedient sich diese Stimme auch bei einem Christentum, das sehr fromm klingt, das aber sehr freudlos und gesetzlich daherkommt. Da sagt jemand zu uns: „Kannst du das vor Gott verantworten, so viel Geld dafür auszugeben? Gibt es nichts WIchtigeres, was du machen solltest?“ Manchmal sagen wir uns diese Sachen selber. Aber bei diesen Stimmen wäre ich sehr vorsichtig. Da spricht ein gesetzlicher, freudloser Glaube! Das klingt zwar gut, geht aber von einem falschen Bild von Gott aus. Gott ist anders. Er freut sich, wenn wir lebendig werden! 3. Entschlossenheit: Man spürt: Es braucht den Moment, in dem man entschlossen daran geht, den einen oder anderen Traum zu leben. Jemand vom Team hat das so gesagt besser kann man das nicht sagen: „Manchmal muss man eben ein bisschen frech sein.“ Diese Entschlossenheit findet man z.B. bei Elisa. Elisa war der Jünger des Propheten Elia. Da nähert sich der Tag, an dem Elia von Gott weggenommen werden soll. Elia rüstet sich zum Aufbruch und sagt zu Elisa: „Willst du nicht hier bleiben?“ Aber Elisa sagt: „Nein, ich komme mit!“ Elisa spürt, dass er nur das Erbe von Elia antreten kann, wenn er bis zum Schluss bei ihm bleibt. Sie gehen ein Stück, dann fragt Elia wieder: „Willst du nicht lieber hier bleiben?“ Wie leicht wäre es gewesen, zu sagen: „Ja, na dann! Bleibe ich halt!“ Drei Mal stellt Elia seine Frage. Aber Elisa ist wild entschlossen. Er klebt an Elia bis zum Schluss und das ist der Moment, in dem Gott ihn zum Nachfolger von Elia macht. (2.Könige 2) Wie leicht wäre es, manchmal zu sagen: „Komm, ich lasse das lieber mit meinem Traum. Es ist einfacher so!“ Ich möchte euch Mut machen, bei euren Träumen entschlossen zu sein. Irgendwann muss man sein Leben anschauen und sich sagen: „Jetzt ist die Zeit gekommen, mich um meinen Traum zu kümmern! Ich warte nicht, bis ich 65 bin! Ich lasse mein Leben nicht einfach verstreichen. Jetzt ist der Moment gekommen.“ Manchmal muss man eben ein bisschen frech sein. 3. Gottes Träume träumen Weil ich Gott lieb habe, ist es aber nicht mein ganzer Lebensinhalt, mich zu fragen, welche Berge ich noch besteigen will. Wenn mir Gott wichtig ist, werde ich auch immer wieder mit der Frage vor ihm stehen: Wofür hast du mich geschaffen? Welcher Schritt ist für mich dran? Hast du einen Traum für mich, den ich träumen soll? Diese Frage knüpft sehr direkt daran an, wie Gott mich geschaffen hat. Wenn ich von Indien rede, dann steckt dahinter eine Leidenschaft für die 3.Welt. Da klingt etwas in mir an, das tief Rejoice „Träume ohne Schäume“ 3 8.Dez.2013; Pfr. B. Botschen in mir liegt. Die Nöte, die wir hier in Mitteleuropa haben, sind vielleicht genauso wichtig. Aber mich berühren sie viel weniger. Wenn Kristian nach Nordkorea geht, schwingt etwas von der Unterdrückung der Christen damals im kommunistischen Ungarn mit, die er als Kind erlebt hat. Unsere Berufung hat ganz viel mit unseren Gefühlen, unseren Erlebnissen, mit uns selber zu tun. Diese Berufung, die Gott manchmal auf unser Leben legt, ist etwas Grossartiges. Es ist eine tiefe Freude, wenn man erlebt, wie Gott das eigene Leben gebrauchen kann, um für andere da zu sein. Man spürt: Jetzt geht es nicht nur um mich. Jetzt kann ich ein Werkzeug für Gottes Liebe sein. Von ganz kleinen Schritten bis zu gewagten Träumen gibt es viele Varianten, wie Gott zu uns sprechen möchte. Aber etwas ist bei den Träumen Gottes anders. Das sind nicht die Träume, wie Bergsteigen oder grosse Reisen, die einfach nur Freude bereiten. Der Traum von Indien fühlt sich für mich zwar zutiefst sinnvoll an. Es ist unbedingt nötig, dass wir dort etwas machen. Aber gleichzeitig ist es eine permanente Belastung für mich, weil wir Geld brauchen und ich mich verantwortlich dafür fühle. Gottes Träume brauchen unsere Bereitschaft, Opfer zu bringen. Um das zu sehen, muss man nur einen Blick in die Bibel werfen: Abraham erhielt von Gott den Traum, Vater eines grossen Volkes zu werden. Aber alles begann damit, dass er von seiner Heimatstadt in ein fremdes Land ziehen musste. Mose lebt in Ägypten den Traum vom eigenen Land für das Volk Israel. Er hat die Schätze Ägyptens verlassen, um Führer eines Volkes von Sklaven zu werden. Stichwort Adventszeit: Joseph und eine Maria können nicht Eltern von Jesus werden, ohne hochschwanger 160 km von Nazareth nach Bethlehem zu ziehen und dann nach Ägypten weiterfliehen zu müssen. Ein Nelson Mandela, der diese Woche gestorben ist, hat 27 Jahre im Gefängnis verbracht, weil er den Traum eines geeinten Südafrika geträumt hat. Natürlich sind nicht alle Träume so gross. Und trotzdem: Wer sich ungern von seinem Geld trennt, wer Wert auf ein möglichst bequemes Leben legt und einfach nur ein normales Leben führen möchte, der wird gar nicht hören, wenn Gott einen Traum in sein Herz legen möchte. Das mit Gott ist, wie wenn man in ein Autohaus voller neuer und gebrauchter Autos geht. Vom glänzenden Ferrari bis zum gebrauchten und klappernden Fiat 500 ist alles da. Und dann kommt der Verkäufer und fragt Sie: „Wie viel wollen Sie denn investieren?“ Diese Frage gebe ich heute an euch weiter: Wie viel seid ihr bereit, zu investieren? Wie viel darf die Sache kosten? Wie weit seid ihr bereit, mit Gott zu gehen? Wenn in uns die Sehnsucht nach einem richtigen Leben einmal erwacht ist, werden wir nach den Träumen suchen, die in unserem Herzen sind. Nehmt doch das Blatt mit nach Hause. Fragt euch: Ist da nicht ein Traum in meinem Leben, den ich immer aufgeschoben habe? Welcher Gedanke lässt mein Herz schneller schlagen? Lasst diese Gedanken zu, sie machen euch lebendig! Richtet gleichzeitig diese Sehnsucht auch auf Gott aus und fragt: Gott, wenn du mich ansiehst, was siehst du? Wofür hast du mich geschaffen? Was ist meine Aufgabe? Ich stelle mir vor, ich sitze am Ende meines Lebens in meinem Lieblingslehnstuhl und blicke auf mein Leben zurück. Manches werde ich bereuen. Viele Menschen werden dann so Sachen sagen, wie: „Ich habe zu viel gearbeitet!“ Aber ich bin mir sicher: Ich werde nicht die Träume bereuen, die ich mir erfüllt habe. Ich werde an die Berge zurückdenken und werde mir sagen: „Das war eine coole Sache!“ In diesen Momenten war ich ganz, ganz lebendig. Und ich bin mir sicher: Genauso tief wird die Freude dort sein, wo ich einen Traum von Gott aufgenommen habe. Das waren vielleicht gleichzeitig auch mühsame Momente, diese Träume haben mich etwas gekostet – aber die Freude, die eigene Berufung gefunden zu haben, wird mich tief erfüllen. AMEN.