Selbsterforschung - Die Quelle: Jetzt!

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Selbsterforschung
Ramana Maharshi, einer der bekanntesten Meister des letzten Jahrhunderts und der
Begründer der Selbsterforschung erkannte bereits im Alter von 16 Jahren durch eine
Todeserfahrung sein wahres Selbst. Er blieb diesem Selbst treu, indem er von zu
Hause wegging und sich in Tiruvannamalai (Südindien) am Berg Arunachala
niederließ, den er in seinen Träumen als den Ort gesehen hatte, wo er sein
„Zuhause“ finden würde. Er begann dort eine Phase tiefer Meditation in
vollkommenem Schweigen, bis ihn spirituelle Sucher dazu drängten, sie an seinen
Erfahrungen teilhaben zu lassen.
Ramana hat folgendes zu der Praxis der Selbsterforschung gesagt:
„Alle lebenden Wesen sehnen sich danach, jederzeit glücklich zu sein. Sie möchten
sich vom Leiden befreien, da es nicht ihrer wahren Natur entspricht. (…) Das Leiden
entsteht nur durch die Unwissenheit über die wahre Natur des eigenen Seins,
welches Glückseligkeit selbst ist. Um diese Glückseligkeit dauerhaft zu erlangen,
muss man sein Selbst kennen. Dazu ist der Weg der Erkenntnis, die Erforschung in
der Form “Wer bin ich?”, der direkteste Weg.“
(dt. Übersetzung Kai Schönefeld und Volker Gausmann)
Wie geht das konkret? Es gibt Gruppen/Seminare, in denen man die Praxis der
Selbsterforschung erfahren kann. Manchmal stellen die Übenden dabei die Frage
„Wer bin ich?“ direkt an sich selbst. Manchmal ist das Setting auch so, dass sich
immer zwei Personen gegenübersitzen, die sich gegenseitig im Wechsel die Frage
stellen: „Who is in?“, „Wer ist innen?“ Diese Art der Fragestellung hat den Vorteil,
dass man die ersten Antworten auf die Frage „Wer bin ich?“, die in Richtung Name,
Beruf, Rolle in der Familie etc. gehen können, gleich überspringt und sofort in tiefere
Ebenen des Seins vordringt. Zudem bietet das Gegenüber, das nicht in den Dialog
geht, sondern ausschließlich als unbewegter unkommentierender Spiegel zur
Verfügung steht, eine Unterstützung insofern, als man „dranbleibt“ und nicht so leicht
ausweichen kann, als wenn man sich nur selber zuhört. Außerdem ist nach meiner
eigenen Erfahrung das laute Aussprechen der Antworten, die gefunden werden,
äußerst hilfreich.
Diese Art der Befragung kann variiert und durch Koans ergänzt werden (Koan =
existenzielle Frage, die keine einzelne „richtige“ Antwort hat, sondern erst einmal
weitere Fragen aufwerfen und nur spontan aus dem Moment heraus beantwortet
werden kann, im Zen-Buddhismus als eine Art Meditations-Disziplin benutzt, um das
Erwachen zu unterstützen). So kann man z. B. auch Fragen stellen wie: Was ist
Liebe? oder Was ist Freiheit? oder auch Was ist Sex?, die dem Befragten die
Möglichkeit geben, tiefer und tiefer und individueller zu seinem wahren Selbst
vorzudringen.
Hier ist es günstig, wenn man einen wachen Menschen an seiner Seite hat, der
einen mit einer gezielten Auswahl der Fragen leiten kann. Steht aber kein Gegenüber
und auch kein anleitender Mensch zur Verfügung, kann die Selbsterforschung
natürlich auch völlig autark durchgeführt werden.
Ich selbst habe das nach einer „Who is in?“-Gruppe lange Zeit so gemacht: Ich habe
mich still hingesetzt und mich gefragt: „Wer bin ich?“ Ich habe, um Antworten darauf
zu finden, Alles hochkommen lassen, was gerade da war. Das konnten Gedanken,
Gefühle, Erinnerungen, Schmerz, Trauer, Freude, Wut etc. sein. Oft habe ich mich
genau dann hingesetzt, wenn ein Erlebnis mich in Verwirrung oder Schmerz gestürzt
hat, um herauszufinden, was diese Verwirrung oder diesen Schmerz ausgelöst hat.
Manchmal habe ich mir in einer Situation, von der ich wusste, dass sie noch nicht
„ausgestanden“ war, selbst versprochen, dies in einem späteren „Who is in?“ zu
klären, was ich dann auch gemacht habe.
Ich habe mich also gefragt: „Was ist das für ein Gefühl: Trauer, Schmerz, Wut etc.?
Dann habe ich weiter gefragt: Was hat dieses Gefühl konkret in der Situation
ausgelöst? Woran erinnert mich dieser Auslöser? Gab es Situationen in meinem
Leben, in denen ich in einer sich für mich ähnlich anfühlenden Situation dem, was da
passierte, ausgeliefert war und habe ich daher eine bestimmte Verhaltensweise zu
meinem Schutz entwickelt, die ich immer noch fortführe, obwohl sie gar keine
Berechtigung mehr hat? Könnte ich auf diese Verhaltensweise zukünftig verzichten?
Manchmal ist es nötig, dass man starke Gefühle, die immer wieder hochkommen,
einmal komplett „ausfühlt“, damit man endgültig damit „durch“ ist, heißt, das darunter
liegende Muster transformieren kann. Manchmal können es auch traumatische
Erlebnisse in der Vergangenheit sein, die immer wieder in Situationen, die
Erinnerungen an das Trauma wecken, die gleichen Gefühle wie damals erwecken.
Dann kann es nötig sein, diese Traumata zunächst therapeutisch zu bearbeiten,
bevor man sie in der Selbsterforschungs-Praxis transformieren kann. Werden solche
Gefühle nicht „ausgefühlt“, präsentiert das Leben einem immer und immer wieder
Situationen, die immer und immer wieder die gleichen Gefühle auslösen, solange bis
man sich wirklich „darum kümmert“.
Dazu setzt man sich hin und lässt sich ganz auf das Gefühl ein (idealerweise mit
Begleitung eines kompetenten Menschen). Wo sitzt dieses Gefühl (Beschreibung
eines körperlichen Ortes)? Wie kann ich das Gefühl mit Worten beschreiben? Wie
fühlt sich das konkret an (schwer, eng, fest …)? Je tiefer ich in das Gefühl
„´reingehe“, umso stärker wird es zunächst ausbrechen, bis ich an einen Punkt
komme, wo sich das Gefühl auflöst und sich Leere, Stille, Weite oder was auch
immer derjenige konkret in der Situation erfährt, ausbreitet. Das ist eine wichtige
Erfahrung, um zu begreifen, dass jedes Gefühl eben nur ein Gefühl ist und nicht real
und dass das, was real ist, das wahre Selbst, dahinter oder dadrunter liegt und von
nichts beeinflusst, gestört oder verletzt werden kann, sondern immer heil und ganz
ist. Das ist eine tiefe Glückserfahrung, die weit über die durch die Erfüllung von
Wünschen oder Ähnlichem hervorgerufenen Glücksmomente im Alltag hinausgeht.
Wenn man also nach und nach jede (!) Situation im Leben, in der Verwirrung, Kampf,
Schmerz oder eine andere alte Erinnerung auftritt als Anlass für „eine Runde“
Selbsterforschung nutzt, wird man irgendwann alle alten Muster „durchgefragt“ und
„durchgefühlt“ haben und kann sie endgültig verabschieden. Dann ist man frei und
lebendig und glücklich.
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