Gülsah, Namaldi-Rahman Stundenbild der Unterrichtseinheit „Wahrheitstheorien“ Schule/Klasse: AHS, 8.Klasse, Pflichtgegenstand Philosophie Lehrplanbezug: Die Problematik von Wirklichkeit und ihrer Erkenntnis nachvollziehen und analysieren -Zugänge zur Wirklichkeit und ihre Interpretationsmöglichkeiten -Wahrheitsfrage Lehr-/ Lernziele: SchülerInnen sollen: - Problematik der Wahrheitsannäherung erkennen - Verschiedene Wahrheitstheorien zur Annäherung an die Wahrheit kennenlernen Quellen: - Lahmer, Karl, Kernbereiche der Philosophie. Wien: Dorner 2002. - Liessmann, Konrad Paul; Gerhard Zenaty und Katharina Lacina. 2007. Vom Denken: Einführung in die Philosophie. Braumüller. - www.psychophilo.at (5.11.2009) - http://wi.f4.htw-berlin.de/users/messer/LV/WIA-SS09/Folien/07Wahrheitstheorien-2.pdf (5.11.2009) - http://www.phillex.de/wahrheit.htm (5.11.2009) Verlaufsplanung: Zeit 5min Phase Einstieg 10min Einstieg 15min Erklärung 5min Erarbeitung 5min Schluss Inhalt Begrüßung, Organisatorisches Brainstorming zum Begriff d. Wahrheit Vorstellen einiger Wahrheitstheorien Analyse des Brainstormings Wiederholung, Reflexion Methode LSG Medien PA, GA LV LSG Overhead, Handout Handout d. GA LSG 1 Gülsah, Namaldi-Rahman Erläuterungen zur Theorie der Unterrichtseinheit Das Problem der Wahrheit ist ein zentrales Problem der Erkenntnistheorie. Die Definition der Wahrheit beschäftigt sich hierbei mit der Frage „was bedeutet Wahrheit?“. Das Wahrheitskriterium versucht, folgende Fragen zu beantworten: „Woran können wir erkennen, ob eine Aussage wahr ist?“ „Was sind die Kriterien für wahre Aussagen?“ Eine Wahrheitstheorie ist eine Position, die auf die Frage der Definition und die Fragen des Wahrheitskriteriums Antworten gibt. Dies ist auch das Ziel der folgenden Theorien. 1-Korrespondenztheorie Nach der Korrespondenztheorie ist eine Aussage dann wahr, wenn sie mit den Tatsachen in der Welt übereinstimmt. Sie ist die älteste Wahrheitstheorie und wurde erstmals von Aristoteles (384-322 v.Chr.) formuliert. Er schreibt in seinem Werk Metaphysik: „Denn zu behaupten, das Seiende sei nicht oder das Nichtseiende sei ist falsch. Aber zu behaupten, dass das Seiende sei und das Nichtseiende nicht ist wahr.“ Andere Vertreter der Korrespondenztheorie sind Thomas von Aquin (12251274), Karl Popper (1902-1994) und Alfred Tarski (1902- 1983). Letzterer erklärt die Theorie folgendermaßen: Eine Aussage „p“ ist nur dann wahr, wenn p. Ein Beispiel: Die Aussage „es regnet“ ist nur dann wahr, wenn es regnet. 2 Gülsah, Namaldi-Rahman Die Korrespondenztheorie beschreibt die Wahrheit also durch die Beziehung zwischen der Metasprache und der Objektsprache bzw. zwischen Aussagen und der tatsächlichen Wirklichkeit. Diese Theorie ist brauchbar, um einfache Sachverhalte bezüglich des Wahrheitsgehalts zu überprüfen. Allerdings wird es problematisch mit komplexen, empirisch nicht eindeutigen Aussagen wie „die Liebe schmerzt“ oder „die Verantwortlichen der Wirtschaftskrise sind …“ 2-Konsenstheorie Die Konsenstheorie behauptet, dass eine Aussage nur dann wahr ist, wenn in einer unbegrenzten Gemeinschaft, innerhalb eines unbegrenzten Dialogs, vollkommen herrschaftsfrei, also gleichberechtigt die begründete Übereinstimmung herbeigeführt werden kann, dass diese Aussage wahr ist. Hier spielt die Wahrheit daher eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit Kommunikation und Verständigung. Wenn Menschen über eine Sache verhandeln, sind sie dann der Wahrheit nahe, wenn sie einen Konsens gefunden haben; hierbei ist es aber wichtig, die ideale Sprechsituation zu erzielen. In solch einer idealen Diskussion sollten alle Teilnehmer des Diskurses die gleichen Chancen haben Sprechakte zu verwenden und jede Aussage müsste gleich bewertet werden. Vertreter dieser Wahrheitstheorie sind zum Beispiel Jürgen Habermas (1929-) oder Paul Lorenzen (1915-1994). Vom Letzteren stammt folgendes Zitat: „Wenn auch jeder andere, der mit mir dieselbe Sprache spricht, der sachkundig und vernünftig ist, einem Gegenstand nach geeigneter Prüfung den Prädikator 'P' [...] zusprechen würde, dann [...]darf ich sagen: "Die Aussage 'dies ist P' ist wahr". Kritisiert wird bei dieser Theorie vor allem die praktische Realisierbarkeit einer solchen Konsensfindung. Es bleiben sehr viele Fragen offen. Wie lange müsste zum Beispiel ein Diskurs dauern oder wann sollte er beendet werden? Auch 3 Gülsah, Namaldi-Rahman sehr wichtig zu berücksichtigen ist, ob die Aussagen bereits vor dem Diskurs wahr sind und die Teilnehmer durch die Diskussion dies nur herausfinden oder ob eine Aussage erst durch den Diskurs wahr wird. 3-Kohärenztheorie Nach der Kohärenztheorie ist eine Aussage dann wahr, wenn sie mit anderen Aussagen, die sich auf ein- und dieselbe Thematik beziehen, widerspruchsfrei zusammenhängt. Der Satz „Die Erde umrundet die Sonne“ ist daher nur dann wahr, wenn sie anderen Aussagen des kopernikanischen Weltbildes nicht widerspricht. Diese Theorie beruht auf Hegels berühmter Feststellung: „Das Wahre ist das Ganze.“ Vertreter der Kohärenztheorie sind zum Beispiel Otto Neurath (1882-1945) Harold Henry Joachim (1868-1938) oder Nicholas Rescher (1928-). Der Erstgenannte schrieb in einem seiner Werke: „Die Wissenschaft als ein System von Aussagen steht jeweils zur Diskussion. […] Jede neue Aussage wird mit der Gesamtheit der vorhandenen, bereits miteinander in Einklang gebrachten Aussagen konfrontiert. Richtig heißt eine Aussage dann, wenn man sie eingliedern kann. Was man nicht eingliedern kann, wird als unrichtig abgelehnt. […]“ Eine Kritik an der Kohärenztheorie ist, dass sie nur dann funktioniert, wenn man bereits über wahre Aussagen verfügt, mit denen die neuen kohärieren müssen. 4- Evidenztheorie Die Evidenztheorie besagt, dass manche Aussagen so einleuchtend und plausibel sind, dass man sie als Grundannahme voraussetzen kann. Ein Beispiel dafür ist der Satz: „Jeder Mensch strebt von Natur aus nach Glück.“ Solche Lehrsätze, die keine weitere Beweisführung benötigen, werden auch Axiome 4 Gülsah, Namaldi-Rahman genannt. Einige Vertreter dieser Wahrheitstheorie sind: René Descartes (15961650), Franz Brentano (1838-1917) und Edmund Husserl (1859-1938). Kritisiert wurde die Evidenztheorie im Hinblick auf den Bereich der Intuitionen, da es hier zu Täuschungen kommen kann. 5- Pragmatische Wahrheitstheorie Die pragmatische Wahrheitstheorie behauptet, dass das wahr ist, was in der Praxis fruchtbar und nützlich ist. Hier entsteht die Wahrheit in einem Prozess des Verifizierens und Falsifizierens. Diese Theorie bringt also die Wahrheit in Zusammenhang mit den Folgen unseres Handelns. Ihre Vertreter sind beispielsweise John Dewey (1859-1938) oder William James (1859- 1952). Dieser sagt: „Ihre Echtheit bemisst sich daraus, ob sie für den einzelnen lebendig, d.h. sein Leben wirklich bestimmend, unumgänglich und bedeutungsvoll sind.“ Kritisiert wird an der pragmatische Wahrheitstheorie, dass manchmal auch etwas Falsches nützlich sein kann, wie zum Beispiel die Notlüge. Außerdem kann eine Sache, die für die einen nützlich ist, eventuell anderen Personen schaden. 5 Gülsah, Namaldi-Rahman Folien/Handouts der Unterrichtseinheit „WAHRHEIT“ Definition und Kriterium für Wahrheit • Wahrheitsdefinition Was bedeutet es, wenn Aussagen wahr sind? •Wahrheitskriterium Woran können wir erkennen, ob eine Aussage wahr ist? Was sind die Kriterien für wahre Aussagen? Eine Wahrheitstheorie ist eine Position, die auf diese beiden Fragen eine Antwort gibt. KORRESPONDENZTHEORIE Aussagen sind dann wahr, wenn sie mit den Tatsachen in der Welt übereinstimmen. Einige Vertreter: – Aristoteles (384-322 v. Chr.) – Thomas von Aquin (1225-1274) – Karl Popper (1902-1994) – Alfred Tarski (1902-1983) „Denn zu behaupten, das Seiende sei nicht oder das Nichtseiende sei ist falsch. Aber zu behaupten, dass das Seiende sei und das Nichtseiende nicht ist wahr.“ (Aristoteles) Tarski: Eine Aussage „p“ ist nur dann wahr, wenn p. 6 Gülsah, Namaldi-Rahman Die Aussage „es regnet“ ist nur dann wahr, wenn es regnet. Beziehung zwischen der Metasprache („p“) und der Objektsprache (p) + um Sachverhalte bezüglich des Wahrheitsgehalts zu überprüfen - komplexe, empirisch nicht eindeutige Aussagen „Die Liebe schmerzt.“ KONSENSTHEORIE Eine Aussage ist dann wahr, wenn – in einer unbegrenzten Gemeinschaft – innerhalb eines unbegrenzten Dialogs – vollkommen herrschaftsfrei, also gleichberechtigt die begründete Übereinstimmung, dass die Aussage wahr ist, herbeigeführt wurde. Einige Vertreter: -Jürgen Habermas (1929-) -Paul Lorenzen (1915-1994) Wenn auch jeder andere, der mit mir dieselbe Sprache spricht, der sachkundig und vernünftig ist, einem Gegenstand nach geeigneter Prüfung den Prädikator 'P' [...] zusprechen würde, dann [...]darf ich sagen: "Die Aussage 'dies ist P' ist wahr". - Lorenzen praktisch realisierbar? Wie lang muss der Prozess dauern? Wann endet er? Aussagen durch Prozess wahr oder schon davor? 7 Gülsah, Namaldi-Rahman KOHÄRENZTHEORIE Aussage ist dann wahr, wenn sie mit anderen Aussagen, die sich auf die ein- und dieselbe Thematik beziehen, widerspruchsfrei zusammenhängt Einige Vertreter: - Otto Neurath (1882-1945) -Harold Henry Joachim (1868-1938) -Nicholas Rescher (1928-) „Die Wissenschaft als ein System von Aussagen steht jeweils zur Diskussion. […] Jede neue Aussage wird mit der Gesamtheit der vorhandenen, bereits miteinander in Einklang gebrachten Aussagen konfrontiert. Richtig heißt eine Aussage dann, wenn man sie eingliedern kann. Was man nicht eingliedern kann, wird als unrichtig abgelehnt. […]“ - Otto Neurath funktioniert nur, wenn wahre Aussagen vorhanden sind, mit denen die Neueren kohärieren können EVIDENZTHEORIE Bestimmte Aussagen sind so einleuchtend und plausibel, dass man sie als Grundannahme voraussetzen kann. Jeder Mensch strebt von Natur aus nach Glück. Lehrsätze, die keines weiteren Beweises bedürfen = AXIOME 8 Gülsah, Namaldi-Rahman Einige Vertreter: -René Descartes (1596 - 1650) -Franz Brentano (1838 - 1917) -Edmund Husserl (1859 - 1938) - Im Bereich der Intuition kommt es zu Täuschungen. PRAGMATISCHE WAHRHEITSTHEORIE Wahr ist, was in der Praxis fruchtbar & nützlich ist. Wahrheit entsteht in einem Prozess des Verifizierens und Falsifizierens. Einige Vertreter: – William James (1842-1914) – John Dewey (1859-1952) „Ihre Echtheit bemisst sich daraus, ob sie für den einzelnen lebendig, d.h. sein Leben wirklich bestimmend, unumgänglich und bedeutungsvoll sind.“ William James - Falsches kann auch nützlich sein. (Notlüge) Was für einen nützlich ist, schadet eventuell dem anderen. 9