Deutsche Islamkonferenz: Warum kam die SPD nicht darauf

Werbung
Deutsche Islamkonferenz: Warum kam die SPD nicht darauf?
Das war sie, die vorläufig letzte Sitzung der Islamkonferenz. Im Jahr 2006 von
Innenminister Schäuble initiiert, mag sie zwar, so sagen ihre Kritiker, nicht viel
erreicht haben, jedoch stieß die politisch mutige Äußerung des Innenministers, der
Islam sei ein Teil Deutschlands, auf großes Echo in der muslimischen Community.
Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime Aiman A. Mazyek spricht von einer
gefühlten Anerkennung, auch wenn die juristisch-faktische noch ausbleibe. „Warum
ist die SPD nicht auf den Gedanken einer Islamkonferenz gekommen?“, fragt mich
ein muslimischer Bekannter. Mein Innehalten, mein Stirnrunzeln verrät mir: „Gute
Frage.“ Aber eigentlich steht hinter dieser Frage eine andere: „Warum sollte ich als
Deutscher muslimischen Glaubens die SPD wählen, wenn gerade die CDU ein so
mutiges gesellschaftliches Projekt ins Leben gerufen hat.“ In der Tat als
Sozialdemokrat verwirrt mich dies selber. „Ob die SPD vielleicht nichts mit
Religionen im Allgemeinen und Muslimen im Speziellen anfangen könne?“, bohrt
mein Bekannter weiter. Die SPD hatte auf ihrem Godesberger Programm 1959 der
Religion einen positiven Einfluss attestiert und die christliche Ethik zu einer der
Wurzeln des demokratischen Sozialismus erklärt. Die SPD-Ikone Willy Brandt
schrieb dereinst, es sei nicht von Belang, ob ein SPD-Mitglied von der Bergpredigt
oder von Kant oder von Marxschen Theorien ausgehe; ob er aus der Religion, der
Philosophie oder der Gesellschaftswissenschaft schöpfe. Gefragt sei, ob und wie er
bereit sei, mitzuwirken an einer vernünftigen, gerechten, menschenwürdigen
Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Heute, da der Islam Teil Deutschlands
ist, müsste die SPD den Mut haben zu sagen, es sei egal, ob ein SPD-Mitglied von der
Bergpredigt, dem Koran oder der Philosophie ausgehe, ob er aus Jesus-Wort oder
Muhammad-Wort Inspiration schöpfe. Hauptsache er hilft mit eine lebendige,
demokratische Gesellschaft zu gestalten. Die SPD müsste sagen, sie sei eine Willensund Ideengemeinschaft, in der jeder willkommen sei, der bereit sei anhand ethischer
Grundwerte mitzuhelfen, dass Menschen im Staat und in der Welt würdig miteinander
leben. Was meinen Bekannten verwirrt, ist die Islam-Beauftragte der SPD Lale
Akgün. Zwar sei es begrüßenswert, dass die SPD einen solchen Posten mit einer Frau,
die über einen Migrations- und Islamhintergrund verfügt, besetzt, jedoch sei es doch
wenig hilfreich, dass diese wiederholt aufruft, die Islamkonferenz einzustellen. Da ist
er nicht der einzig. Auf diese Irritation stoße ich häufig in der muslimischen
Community. Wie kann man ernsthaft glauben, dass bei über vier Millionen Muslimen
in Deutschland eine Islamkonferenz nicht sinnvoll wäre? Die Muslime sind keine
verschwindend geringe Minderheit mehr in diesem Land, sondern ein sichtbarer Teil
unserer Gesellschaft. Letzteres betrachte ich als etwas dynamisches und lebendiges,
nicht als etwas starres. Fragen wie Islamunterricht an deutschen Schulen, islamische
Theologielehrstühlen an Universitäten und Integration kann man nur mit den
Muslimen klären. Alles andere würde bedeuten, die Muslime in den Hinterhöfen zu
belassen, wo Import-Imame einen Islam aus Pakistan oder Saudi-Arabien lehren.
Muslime brauchen also dringen bildungstechnisch eine religiöse Infrastruktur, damit
überhaupt so etwas wie ein deutscher Islam entstehen kann. Innenminister Schäuble
hat es geschafft, dass Muslime sich in Deutschland ernst genommen, geachtet und
willkommen fühlen. Als Sozialdemokrat gebe ich ehrlich zu, ich neide es ihm. „Aber
warum ist die SPD nicht auf die Islamkonferenz gekommen?“, hackt mein Bekannter
noch einmal nach. Nüchtern betrachtet sind Politiker auch nur Menschen. Um eine
sinnvolle Politik zu machen, sind sie auf Impulse aus der Bevölkerung angewiesen.
Meinungsumfragen und Statistiken ersetzen niemals das persönliche Gespräch. „Die
hören doch auf Volkes Stimme nur in Wahlkampfzeiten.“, tönt mein Bekannter. Eine
weit verbreitete Meinung, aber sie stimmt nicht. Der Bürger ist in unserer Demokratie
der Souverän und kann jederzeit mit seinem Bundestagsabgeordneten einen
Gesprächstermin ausmachen. Dazu erfordert es nur ein wenig Eigeninitiative. Nur
wenn Politiker von den Sorgen der muslimischen Community wissen, können sie
sinnvolle Integrationspolitik leisten. Dass die SPD ernsthaft an einem Dialog
zwischen Partei und Gesellschaft interessiert ist, hat sie dieses Jahr mit ihrer
Veranstaltungsreihe „Das neue Jahrzehnt“ bewiesen. SPD-Politiker tingelten durch
die Republik und erzählten, wie die SPD den zukünftigen Herausforderungen
begegnen möchte. Ich nutzte dabei die Gelegenheit zu einem Gespräch mit FrankWalter Steinmeier in Mainz über die Deutsche Islamkonferenz und über Integration
im Allgemeinen. Mein Bekannter, den ich ebenfalls zu der Veranstaltung eingeladen
hatte, verschlief sie. Ich denke, damit ist klar geworden, dass wer in unserer
Gesellschaft mitreden möchte, der sollte dies parteipolitisch machen. Aber liebe
Muslime, bitte nicht monothematisch. Bei der SPD geht es um die Gesellschaft als
Ganzes. Wir wollen mehr Demokratie in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, mehr
Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Solidarität in unserem Lande. Also antworte ich
meinem Bekannten endlich auf seine Frage: „Warum hast du der SPD nicht die
Islamkonferenz vorgeschlagen?“
Muhammad Sameer Murtaza ist Islamwissenschaftler und SPD-Mitglied. Als Teil der
Arbeitsgruppe Eine-Menschheit setzt er sich für das Humanum im Islam und den
Dialog zwischen den Religionen ein.
www.muslimische-stimmen.de
Herunterladen