Word - BDZV

Werbung
Nach dem 11. September ist die ungehinderte Berichterstattung viel mühsamer
geworden
Von Hans Schiemann
Ein Bundeskanzler, der vor dem Kadi um die Echtheit seines Kopfschmucks kämpft, die
eingestürzten Türme von Manhattan, unter deren Trümmern Amerikas Selbstsicherheit
begraben liegt – zwei Vorgänge, eine Parallele: Die Freiheit der Medien wurde ins Wanken
gebracht.
Die deutsche Öffentlichkeit hat eher kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen, dass sich
Redakteure einer Nachrichtenagentur wegen ihrer Berichterstattung über angeblich
gefärbtes Schröder-Haar vor einem Landgericht verantworten mussten. Zu tieferer Besorgnis
führt staatliche Medienlenkung in den USA: Nach dem 11. September mussten dort
Journalisten ihre Kritik an der Regierung mit dem Verlust des Arbeitsplatzes büßen. Diese
hatte die mediale Propaganda Osama Bin Ladens mit Werbespots abgewehrt, die in
Polemik und Agitation so noch nie öffentlich wahrgenommen worden waren. Andere
Journalisten wiederum wickelten ihre Berichterstattung unter dem Eindruck des Terrors
patriotisch ein. Washington ebenso wie die Taliban hatten begriffen, dass sich eine neue
Offenheit in der Diplomatie in Zeiten von Massenkommunikation und elektronischer
Übertragung auszahlt.
Die Fülle uninszenierter Bilder und Berichte von der Zerstörung des World Trade Centers hat
die Meinung auf der Straße in der Tat beeinflusst und zumindest in den parlamentarischen
Demokratien die Politiker zu Reaktionen gezwungen. Die Folge war die spontane
internationale Solidarität mit den USA – sogar in Osteuropa und Asien. In islamischen
Ländern wurde der Terroranschlag radikal instrumentalisiert und das Bild der Amerikaner
durch religiöse und politische Vorurteile verdunkelt. Kaum verwunderlich, handelt es sich hier
doch meist um geschlossene Gesellschaften, die leicht zu beeinflussen sind.
Dementsprechend schwer haben es westliche Journalisten mit Recherche und Transport von
Informationen aus diesen Ländern und über deren Grenzen hinweg. Nach dem
11. September jedenfalls ist die ungehinderte, wahrhaftige Berichterstattung sehr viel
mühsamer geworden. Wirklich auf „Ground zero“, am Boden also, ist die Freiheit der Medien
in Ländern wie Kolumbien, dem nach wie vor mörderischsten Land für die journalistische
Branche, in Afghanistan, wo mehrere Medienvertreter, auch deutsche, im Hinterhalt der
Taliban ihr Leben ließen. Ferner im Kosovo, in Israel, Russland, Uganda, Bangladesch, Haiti,
Algerien, Philippinen, Nordirland...
60 Journalisten und andere Medienvertreter sind nach einer Bilanz des Internationalen
Zeitungsverbandes 2001 in Ausübung ihres Berufs getötet worden. Als Augenzeugen der
Wirklichkeit, als Kontrolleure der Menschenrechte sind Journalisten in den Krisengebieten
der Welt unverzichtbar. Wer ins Visier der Soldateska gerät, zahlt einen unvorstellbar hohen
Preis, und nur posthum erfährt er die Solidarität der Kollegen, der Leser oder Zuschauer.
Und versinkt im Vergessen. Oder erinnern wir uns, wem und wo vor laufender Videokamera
die Kehle durchgeschnitten wurde? Es war Daniel Pearl vom „Wallstreet Journal“.
Unverzüglich rückt die Riege der journalistischen Frontkämpfer nach – weil der Hunger von
Lesern und Zuschauern gestillt werden soll, weil Reporter von ihrer Mission, der Suche nach
der historischen Wahrheit, überzeugt sind oder weil das Erlebnis der Gefahr für sie zur
Droge geworden ist.
Was passiert, wenn Berichterstatter in Kriegs- und Krisengebieten selbst zur Zielscheibe
werden? Was lässt sich tun gegen ausgefeilte Methoden, mit denen Krieg führende Parteien
die unabhängige Recherche zu verhindern suchen, gegen die Gefahr, die Medien im Krieg
als Instrumente der Propaganda zu missbrauchen? Welche Folgen hat der irrwitzige
Wettbewerb um exklusive Live-Berichterstattung, um das brisanteste Video für Leib und
Leben der Frontreporter? Fragen, denen sich der Bundesverband der Deutschen
Zeitungsverleger (BDZV) und die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen
verschrieben haben. Unter dem Motto „Im Fadenkreuz – Journalisten in Kriegs- und
Krisengebieten“ steht eine Podiumsdiskussion aus Anlass des „Tages der Pressefreiheit“ am
3. Mai. Zum 11. Mal jährt sich der Gedenktag, mit dem die Unesco an Wert und Bedeutung
der Medien erinnert, apostrophiert als die „vierte Macht“ in Demokratien. Dann werden
Verstöße gegen die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen besonders beim Namen
genannt und die durch Unterdrückung und politischen Mord mundtot Gemachten aus dem
Vergessen geholt. Der Zugang zu den diskutierten Materialien ist öffentlich: Die Homepage
des BDZV lässt sich betrachten unter www.bdzv.de „Forum Pressefreiheit“.
Herunterladen