Praxis: Sozialverhalten, Kommunikation, Vertrauen

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Praxis: Sozialverhalten, Kommunikation, Vertrauen
In dieser Praxiseinheit soll eine komplexe Abfolge aufeinander aufbauender Bewegungsaufgaben zum Schwerpunkt Sozialverhalten durchgeführt werden, in der es um die umfassende nicht nur verbale - Kommunikation geht, um Vertrauen, sich dem Partner zu überlassen, aber
auch um das Erkennen und die Durchsetzung der eigenen Grenzen.
Wie so häufig beinhalten die Übungen verschiedene Aspekte, so geht es in dieser Aufgabenfolge auch darum, dass der Mensch nicht nur Bewegungen ausführt, um etwas Bestimmtes zu
erreichen, sondern dass er diese Bewegungen auch erlebt. Der Mensch bewegt sich nicht nur,
sondern ist auch bewegt! Somit ist Bewegung mehr als nur das Ergebnis des Funktionierens
des Bewegungsapparates mit seiner zentralen Steuerung: Bewegung ist als Bewegt-Sein immer auch Erlebnis, Erfahrung und Empfindung. Bewegung beeinflusst das Fühlen, und Gefühle
beeinflussen die Bewegung. In dieser Praxiseinheit liegt deshalb auch ein Schwerpunkt auf dem
Wahrnehmen innerer Gefühlszustände. Ebenfalls angesprochen werden die Bereiche Körperwahrnehmung und Persönlichkeitsmerkmale.
Einführende Übungen:
Zunächst sollen Paare gebildet werden. Ausdrücklich sollen die Partner sich nicht nach Sympathie selber finden, sondern ein eher willkürliches Auswahlverfahren entscheidet über die Zusammensetzung. In diesem Fall finden sich die Teilnehmenden zusammen, deren Geburtstage
am nahesten zusammenliegen (Jedem ÜL sollte aus seiner Praxis eine große Auswahl an derartigen Auswahlkriterien zur Verfügung stehen – vom Abzählen über das Kartenziehen bis ...).
"Flamingo-Positionen" - Die TN nehmen im Einbeinstand verschiedene Körperpositionen ein,
bei denen sie gerade noch ihr Gleichgewicht halten können.
"Spiegelbild" - Die TN bilden Paare, die sich frontal gegenüberstehen. Im Einbein-Stand führt
Partner A Bewegungen aus, die gerade noch ohne Gleichgewichtsverlust möglich sind. Partner
B versucht, die Bewegungen spiegelbildlich nachzumachen.
Bemerkungen:
Zur besseren Orientierung gibt der ÜL zunächst einige Positionen vor, etwa das Standbein beugen und das entlastete Bein (Spielbein) oberhalb des Knies führen, das Spielbein weit nach
vorne / nach hinten / zur Seite bewegen, sich in eine Hockposition begeben, sich ganz groß
machen und die Arme heben.
Günstig erscheint es, Bewegungsbilder oder Figuren anzugeben, etwa wie ein Flamingo, wie
eine Palme, wie ein Bogen, wie ein Storch, wie ein Flugzeug.
„Labiles Gleichgewicht“ – die Partner stehen sich im Einbeinstand gegenüber und halten sich
an den Händen. Sie sind in einem gemeinsamen Gleichgewicht. Mit sanften Bewegungen der
Arme, durch Ziehen und Drücken kommen sie in fließende Bewegung. Ziel ist es zu großräumigen Bewegungen zu kommen, ohne das gemeinsame Gleichgewicht zu verlieren.
Bemerkungen:
Die Teilnehmer müssen sich aufeinander einstellen, ein gemeinsames Niveau finden und sich
auf Führung und Nachgeben verständigen. Dabei ist es ihrer Entscheidung überlassen, ob sie
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sich auf eine „Führungsperson“ verständigen oder einen Wechsel von Führen und Folgen zulassen. Diese zunächst non-verbale Entscheidung kann in einer Reflexions- / Gesprächsphase
thematisiert werden: wie haben sich die TN gefühlt; war es schwierig, sich aufeinander einzustellen; war sofort klar, wer die Führung übernimmt; hat es einen Rollentausch gegeben und
war dieser problemlos; welche Rolle war die angenehmere usw..
„Schattenlaufen“ – Die Paare laufen hintereinander durch den Raum. Der führende Partner A
geht seinen individuellen Gang, Partner B versucht das Spezielle des Gangs zu erkennen und
zu imitieren. Nach 1-2 Minuten wechselt die Führung und B demonstriert A, was ihm an dessen
Gang aufgefallen ist. Dabei wird das besondere Charakteristikum besonders pointiert hervorgehoben (Armbewegung, Aufsetzen der Füße, Oberkörperhaltung, Hüftbewegung usw.).
Es werden nun neue Paare gebildet.
„Führen und geführt werden“ – „Hindernisgang“ - Die neuen Paare nehmen zunächst einmal vorsichtigen Kontakt zueinander auf, indem sie gemeinsam durch die Halle gehen. Jetzt
kann das Tempo variiert und eine gemeinsame neue Bewegungsgeschwindigkeit gefunden
werden (hier ist Rücksichtnahme auf die Möglichkeiten des anderen notwendig, ein erstes SichEinstellen auf den anderen).
Nach diesem ersten vorsichtigen „Beschnuppern“ (hat man sich etwas zu sagen oder ist man
sprachlos, findet man ein gemeinsames Tempo?) überlegt sich Partner A einen Punkt im Raum,
und die Art, wie er dort hinkommen möchte. Partner B versucht herauszufinden, auf welche Art
und wohin er den anderen führen soll. Mit vorsichtigen Bewegungen (schiebend oder ziehend)
versucht er, Partner A zum gewünschten Ort zu bringen. Partner A folgt nur dann bereitwillig,
wenn Partner B ihn auf die richtige Art in die richtige Richtung steuert.
Bemerkungen:
Der ÜL macht Vorschläge, welche Bewegungen sich Partner A überlegen kann oder von Partner B verfolgt werden können, etwa nur mit der linken Hand gegen den Kopf drücken, mit dem
Zeigefinger die rechte oder linke Schulter berühren oder am Unterschenkel ziehen. Anschließend werden die Rollen getauscht.
Partner A schließt nun die Augen. Partner B führt nun A durch den Raum. Dabei soll eine
Führmethode gewählt werden, die dem blinden Partner zunächst viel Sicherheit gibt (etwa
Handfassung an beiden Schultern oder Händen). Die Paare gehen nun durch den Raum und
finden dabei ein gemeinsames Tempo. A macht deutlich, bei welchem Tempo er sich noch sicher fühlt. Dabei sind auch Variationen wie Rückwärtsgehen möglich.
Die Führung wird nun gelockert (Führung nur noch mit einer Hand). Wieder finden die Paare
eine gemeinsame Art der Führung und Geschwindigkeit. A macht non-verbal deutlich, ob er sich
mehr Tempo zutraut oder er bremst. Wenn der Geführte Widerstand spüren lässt, versucht der
Führende ihm im Rahmen der Aufgabenstellung (nur noch eine Hand) mehr Sicherheit zu geben. Der ÜL fordert die Paare auf, schneller zu werden und das höchste, für beide Partner akzeptable Tempo zu finden. Wenn alle Paare die „Höchstgeschwindigkeit“ erreicht haben, wird
das Tempo wieder reduziert.
Wie oben, jedoch soll jetzt keine permanente Führung mehr bestehen. Richtungswechsel werden nur noch durch Antippen ausgelöst. Wieder soll nach einiger Zeit eine gemeinsame
„Höchstgeschwindigkeit“ gefunden und kurz gehalten werden.
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Wie oben, jedoch soll jetzt nur noch eine verbale Führung bestehen. Partner B (der Führende)
macht ein typisches Geräusch (alles ist möglich), A bestätigt durch Nicken, dass er das Geräusch akzeptiert hat und folgt dem Geräusch durch den Raum. Wieder soll nach einiger Zeit
eine gemeinsame „Höchstgeschwindigkeit“ gefunden und kurz gehalten werden.
Der ÜL hat in der Zwischenzeit Gegenstände in der Halle verteilt (Matten, Weichbodenmatten,
kleine Kästen, Schaumstoffblöcke, Seilchen, Ringe). Die Partner nehmen wieder eine sichere
Führung auf. B führt A über die Hindernisse. Die Partner finden non-verbal heraus, wie viel Information und Führung notwendig ist, um ein ausreichendes Sicherheitsempfinden bei A zu
erreichen. Bei schwierigen Hindernissen kann der ÜL als zusätzliche Unterstützung hinzukommen.
Intentionen
Neben der Verbesserung der Sozialfähigkeit durch das Aufeinander-Eingehen der Partner ermöglichen die Übungen auch das bewusstes Wahrnehmen von Spannungszuständen im eigenen Körper und die Wahrnehmung eigener Persönlichkeitsmerkmale (ängstlich, unsicher, mutig,
selbstvertraut) im Hinblick auf die eigene Körperhaltung und Körperspannung.
Reflexions- / Gesprächsphase / Überbrückung zum Alltag:
Neben den oben bereits genannten Fragestellungen zum Erleben des Mit- oder Gegeneinanders können in der Reflexionsphase weitere Themen eine Rolle spielen:
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„Welche vergleichbaren Situationen im Alltag lassen Spannungen im Körper entstehen – eigene Erfahrungen?“
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„Wie und wo machen sich diese Spannungen bemerkbar?“
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„Welche Persönlichkeitsmerkmale bringen welche Spannungszustände zum Tragen?“
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„Inwieweit beeinflussen Spannungszustände unsere Haltung? ( Ein ängstlicher, unsicherer
Typ zeigt eine andere Körperhaltung als ein mutiger und selbstvertrauter Mensch – innere
Haltung = äußere Haltung).“
„Gibt es auch Beispiele dafür, dass die äußere Haltung anders ist, als die innere Haltung?“
„Welche Persönlichkeitsmerkmale prägen mich als Menschen – bin ich eher ängstlich, unsicher, mutig oder selbstvertraut ?“
„Wie zeigen sich meine Persönlichkeitsmerkmale im Alltag?“
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