Bitte um Stellungnahme zu zwei neuen Gedenkobjekten in Mitte von Berlin bzw. zwischen Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg, Text einer Anfrage und Verzeichnis der Anlagen von Anfang 2002 (ges: 3 Seiten) ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Dipl.-Ing.agr. Matthias Burchard Tel: 030-21 96 83 75 Bamberger Str. 9 Fax: 21 96 83 76 D-10777 Berlin E-mail: [email protected] Berlin, 13. Februar 2002 Stiftung Topographie des Terrors, Direktor Prof. Reinhard Rürup Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Dr. Thomas Flierl Botschaft der Republik Polen, s.E. Dr. Jerzej Kranz (positiv) „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, Geschäftsführer Klaus Lindenberg Polnisches Kulturinstitut, Liebknechtstrasse, Berlin-Mitte Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der HUB, Dekan Prof. Ernst Lindemann Deutsch-Polnisches Jugendwerk Potsdam, Frau Dr. Doris Lemmermeier (positiv 1999) Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Dr. Johannes Tuchel Deutsches Historisches Institut Warschau, Direktor Prof. Klaus Ziemer (positiv) Verband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener, Bund der Antifaschisten, Herrn Fred Dellheim (positiv) Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz, Dr. Norbert Kampe NE CEDAT ACADEMIA, Präsident Prof. Andrzej R. Małecki, Krakau (positiv) Zentrum für Antisemitismusforschung, Prof. Wolfgang Benz Humboldt-Universität zu Berlin, Präsident Prof. Jürgen Mlynek Deutsche Forschungsgemeinschaft, Präsident Prof. Ernst-Ludwig Winnacker, Bonn Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Staatssekretär Dr. Uwe Thomas [Schreibfehler der Ministeriumsabkürzung so im Original, eigentlich: BM für Bildung und Forschung] Bitte um kurze Stellungnahme zu zwei öffentlichen Erinnerungsobjekten in BerlinMitte zur angemessenen Gestaltung des 60. Jahrestages des „Generalplan Ost“ Sehr geehrte Damen und Herren, vor etwa zweieinhalb Jahren fragte ich 15 leitende Geschichts-, Agrar- und Rechtswissenschaftler bzw. auch Gedenkstättenleiter nach dem angemessenen Umgang zum anstehenden 60. Jahrestag des Generalplan Ost in 2002, Text der Anfrage liegt bei. Mit Verwunderung war festzustellen, dass sich mit Ausnahme der Geschäftsführerin des deutsch-polnischen Jugendwerks in Potsdam offensichtlich keiner der Angeschriebenen für das schwere Erbe der Berliner Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte in der Zeit des NS verantwortlich fühlte. Der deutsche Historikertag in Frankfurt/M. mit der lebhaften Thematisierung der Geschichtswissenschaft in der Zeit des NS war leider ein Jahr später noch nicht an der Berliner Basis angekommen. Als positives Ereignis im Umgang mit der Berliner Wissenschaftsgeschichte in der Zwischenzeit ist u.a. das Symposium der Max-Planck-Gesellschaft zu „Biowissenschaften und Menschenversuchen“ am 7./8. Juni 2001 im Dahlemer Harnack-Haus zu nennen. Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft hielt zu Beginn eine sehr erfreuliche Rede zu historischer Verantwortung und wissenschaftlicher Schuld. Er erklärte darin auch, dass das Antreten einer Erbschaft bedeute, für das Ganze Verantwortung zu übernehmen, sowohl für das Positive, etwa die Reputation der Nobelpreisträger, wie auch für das Negative, und wenn es sein muss, das Eingeständnis von Schuld. Auge in Auge mit acht Überlebenden von verbrecherischen Menschenversuchen drückte der MPGPräsident sein tiefes Bedauern aus und sprach eine differenzierte Entschuldigung aus. Er wies zudem darauf hin, dass Erinnerung die Konkretion bedürfe und jetzt die Nachgeborenen in der Pflicht zur Offenlegung der historischen Wahrheit stünden. Akademische Indifferenz Im Bereich von thematischen Publikationen, öffentlichem Gedenken und zum Vorschlag einer Gedenktafelanbringung zum Generalplan Ost war in den letzten 24 Monaten ein klares Desinteresse bis hin zu aktiver Erinnerungsabwehr zu beobachten. So wurde der 27. Januar 2001, der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, von der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Kultur unter CDU-Leitung eines promovierten Historikers als Datum der langen Nacht der Museen festgelegt. Zur Verhinderung der Anbringung einer Gedenktafel zum Generalplan Ost und den aus dem Gefängnis Plötzensee in der Anatomie der Universität entsorgten 2.500 Leichen liess die Universitätsleitung am gleichen Tag ein Bereitschaftszug von 15-20 Polizeibeamten anrücken. Die seit drei Jahren vorgeschlagene Anbringung einer Innengedenktafel zum Generalplan Ost wurde dreimal rein formalautoritär und ohne fachwissenschaftliche Argumente von der Humboldt-Universität untersagt. Die institutionelle Verantwortlichkeit für den radikalgenozidalen Berliner Generalplan Ost liegt sicher in erster Linie bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Humboldt-Universität mit Berührungspunkten zur Akademie der Wissenschaften und zum Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung. Ob es am 60. Jahrestag der universitären Fassung des „Generalplan Ost“ eine öffentliche Entschuldigung an der HumboldtUniversität gibt, in Anwesenheit von Zeitzeugen und diplomatischen Vertretern, wie dies das StudentInnenparlament der Humboldt-Universität zu Berlin am 21.06.01 vorschlug, ist im Kern Sache der Humboldt-Universität bzw. der vier oben genannten Wissenschaftseinrichtungen. Inzwischen ist bekannt geworden, dass die DFG Anfang Juni eine fachwissenschaftliche Tagung im Dahlemer Harnackhaus plant, nach vagen Vorankündigungen sogar direkt zum Generalplan Ost (!??). Öffentlichkeitsorientierte notwendige Ergänzungen Aktuell laufen die Vorbereitungen für eine Pionierausstellung zum Generalplan Ost ab 12. Mai 02, voraussichtlich in Berlin-Dahlem, Kerngliederung der Ausstellung und Entwurf des Begleitprogramms liegt bei. Da sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft bisher nicht zu einer finanziellen Unterstützung der Ausstellung entschliessen konnte – eine letzte Anfrage läuft noch- ist zur Not eine bescheidene Realisierung in finanzielle Trägerschaft von mehreren bundesdeutschen und Berlin Asten vorgesehen. Das Institut für Gesellschaftswissenschaften und historisch-politische Bildung der Technischen Universität Berlin ist zur Rahmenanbindung bereit, die Berliner Wissenschaftsverwaltung ist angefragt zur Übernahme der Schirmherrschaft des Ausstellungsprojekts. Die bisherigen Befürwortungen der Aufklärung des Generalplan Ost finden Sie unter www.huberlin.de/~h0444ocq/empfehlungen . Nach einer Veranstaltung des alternativen Berliner Wissenschaftsherbst zum Generalplan Ost und Prof. Konrad Meyer (1901-1973) als hauptverantwortlicher Wissenschaftler erklärten auch neun Familienangehörige von Prof. Meyer die volle Unterstützung einer aktiven und wahrheitsgemässen Aufarbeitung dieses Teils der Berliner Wissenschaftsgeschichte, siehe Mailtext von F. Berkner vom 23.11.01. Gerade bei westdeutscher und Westberliner Sozialisation ist das Informationsdefizit zum Generalplan Ost gewaltig. Inzwischen ist Berlin wieder voller Regierungssitz geworden, und wir stehen vor der politisch-kulturellen Aufgabe der EU-Osterweiterung. Der Vorschlag der informatorischen Bushaltestellengestaltung am Oranienburger Tor wäre der vielleicht erste öffentliche Hinweis auf den Generalplan Ost in Deutschland überhaupt. Die vorgeschlagene provisorische Gedenktafel in der Nähe der Baustelle des Dokumentationszentrums Topographie des Terrors wäre eine grosse Ermutigung für Rechtsstaatlichkeit und Zivilcourage im gesamteuropäischen Kontext. Vielleicht ist die „Sonderaktion Krakau“ ähnlich bedeutsam und würdigenswert wie der Protest der Frauen in der Rosenstr. im Februar 1943. Mit der Bitte um Stellungnahme und Korrekturvorschläge und in Hoffnung auf Ihre diesmalige Unterstützung verbleibt mit freundlichen Grüssen Verzeichnis der Anlagen zum Vorschlag für zwei öffentliche Mahn- und Gedenkzeichen zum Komplex des Berliner Generalplan Ost bzw. Zivilcourage in 2002: I Hintergrund zum SS-Zentralbodenamt (RKF) bzw. Generalplan Ost Textvorschlag für informatorische Bushaltestelle Oranienburger Tor auf der Friedrichstrasse zum SS-Zentralbodenamt mit Einordnung in den Generalplan Ost Einladung der Stiftung Topographie des Terrors zur Übergabe der informatorischen Bushaltestelle Kurfürstenstr. 115/116 zum „Judenreferat“ IV B 4 des RSHA, 11.12.1998 Kurzvorstellung des SS-Zentralbodenamtes (RKF), Text einer Homepageseite Erfassungsbogen bei der Hofbeschlagnahme 1940/1941 aus: „Neues Bauerntum“ 1941 Selbstdarstellung der Arbeit des Zentralbodenamtes in der fachwissenschaftl. Siedlungszeitschrift NB; Aussenstellenkarte; institutionelle Eingliederung im Reichskommissariat Zeitungsartikel zur Ausstellung „Planung und Aufbau im Osten“ an der HdK, 22.03.1941 Stellungnahme von neun Familienangehörigen von Prof. Konrad Meyer (1901-1973) Studentischer Bericht von der Hoferfassung im Warteland 1940 sowie Artikel von Prof. Dr. Konrad Meyer, Siedlungs- und Aufbauarbeit im deutschen Osten, in: Die Bewegung, Münchener Studentenzeitung 1940/1941 II Hintergrund zur Gedenktafel zu Zivilcourage für Krakauer Wissenschaftler Textvorschlag einer Aussengedenktafel für die Zivilcourage des Vilim Frančić beim Einsatz zur Freilassung Krakauer Wissenschaftler Artikel zur Gedenktafel für die couragierte Tierärztin Gräfin Maltzan (1909-1997), Berliner Tagesspiegel, etwa 1999 Stellungnahme der NE CEDAT ACADEMIA zur institutionellen Urheberschaft der Deportation der Krakauer Wissenschaftler ins KZ Sachsenhausen, Prof. A.R. Małecki, 8.03.01 Anweisung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung.u.Vb., 31.10.1939 Letztes Drittel des Artikels von Frauke Kerstens zur „Sonderaktion Krakau“ mit Darstellung der zahlreichen letztlich erfolgreichen Eingaben und Bittbesuchen zugunsten der Freilassung der Krakauer Wissenschaftler III Gesamthintergrund Erste Bitte um klare Stellungnahme zum Dahlemer Generalplan Ost an die Westberliner Agrarfakultät der Technischen Universität Berlin, vor neuneinhalb Jahren im Juli 1992 Anfrage an leitende Geschichts-, Agrar- und Rechtswissenschaftler sowie Gedenkstättenleiter zum angemessenen Umgang mit dem 60. Jahrestag des Generalplan Ost in 2,5 Jahren, M. Burchard, 20. Sept. 1999 Abgelehnter Artikelentwurf für die HUMBOLDT-Zeitung zum 60. Jahrestag des Geheimerlasses zur Gründung des Reichskommissariats für die Festigung des deutschen Volkstums am 7.10.1939; Extrem rassistischer Reisebericht von Doz. Dr. H. Morgen, Universität Berlin, Mai 1940 Erinnerung an Naziverbrechen, Bericht über fünfjährigen Kampf um eine Hamburger Gedenktafel am Bürogebäude, von welchem aus das Nervengift Zyklon B in NSVernichtungslager versandt wurde, Hamburger Abendblatt, 2.6.1997 Kampf um eine universitäre Gedenktafel (1972-2002), Artikel in blz, Mitteilungsblatt der GEW, Landesverband Berlin, Januar 2002 Privat organisiertes Grußwort an den Landrat in Zamość mit etwa 50 Unterschriften zum Ausdruck des Bedauerns der radikalgenozidalen Wissenschaftsplanungen vor 60 Jahren, welches bezeichnenderweise nicht beantwortet wurde Entwurf Begleitprogramm der Ausstellung 60 Jahre Generalplan Ost, Stand: 5.02.02 Ausstellungskonzept: „60 Jahre danach: Der GPO und seine Verdrängungsgeschichte“