Evangelische Gesellschaft Stuttgart

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6. Dezember 2013
„Streetwork ist das Beste, was man machen kann“
Projekt zur Jugendgewalt erfolgreich beendet – gibt es ein Folgeprojekt?
Stuttgart. Wenn Jugendliche am Wochenende in der Stuttgarter Innenstadt feiern, dann fließt
oft jede Menge Alkohol. Nicht selten kommt es in der Folge zu Schlägereien und Übergriffen.
Was kann man tun, damit die Jugendlichen besser mit Alkohol und Gewaltsituationen umgehen
lernen? Das hat ein Projekt in den vergangenen beiden Jahren ergründet: die „Prävention
alkoholbedingter Jugendgewalt in Stuttgart (PAJ)“. Streetworker der Mobilen Jugendarbeit
Stuttgart und der Drogenberatungsstelle Release U21 waren regelmäßig an den Wochenenden
in der Stuttgarter City unterwegs. Die wissenschaftliche Auswertung zeigt, dass das Konzept
effektiv dazu beiträgt, Konflikte und Eskalationen in der Event- und Wochenendszene zu
vermindern. Trotz des Erfolges ist die Finanzierung des Nachfolge-Projekts noch unklar. Sie
hängt davon ab, ob der Stuttgarter Gemeinderat dafür Geld in den städtischen Haushalt
einstellt. Nur dann können Projektgelder eingesetzt werden, die das Land in Aussicht gestellt
hat.
Zwei Jahre lang waren soziale Fachkräfte an den Wochenenden zwischen 20.30 und 1 Uhr in der
Stuttgarter Innenstadt unterwegs. Sie haben Kontakt zu jungen Menschen aufgenommen, Sozialarbeit
gemacht, 203 einzelne Jugendliche und sieben Cliquen in Interviews befragt: Wie würden sie gerne
unterstützt werden, um die Risiken von Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit zu vermindern? Die
Teams bestanden aus erfahrenen Mitarbeitenden der Mobilen Jugendarbeit, die von der Evangelischen
Gesellschaft (eva) und dem Caritasverband für Stuttgart getragen wird, und der Drogenberatungsstelle
Release U 21.
Die Auswertung durch die Universität Tübingen hat ergeben: Viele Jugendliche haben Angst vor
Zwischenfällen und riskanten Situationen, die sich aus dem Alkoholkonsum ergeben können. 87
Prozent der Befragten kennen körperliche Folgen wie Erbrechen oder „Filmriss“ nach zu viel Alkohol.
Die Jugendlichen berichten aber auch von Gewalttätigkeiten, von Konfrontationen mit der Polizei, von
sexuellen Übergriffen, Notarztbehandlungen und Sachbeschädigungen. Und wieso trinken sie dann
trotzdem? „Mit Alkohol lernt man meistens mehr neue Leute kennen, weil man dann irgendwie so die
Hemmschwelle überwunden hat irgendwann“, erklärt der 17-jährige Bastian.
Jugendliche tun sich oft schwer, ein Risiko richtig einzuschätzen und entsprechend zu reagieren.
Darauf deuten die konkreten Zahlen hin: Fast ein Drittel der Jugendlichen war schon einmal in einer
problematischen Situation, in der er Hilfe gebraucht hätte. Die Teams der Mobilen Jugendarbeit
konnten vor Ort Konflikte abschwächen und damit Risiken reduzieren. Damit wurde die Szene von
allen als sicherer erlebt; gerade auch Jüngere konnten besser geschützt werden. Ein weiterer wichtiger
Sicherheitsaspekt bestand darin, dass die Streetwork-Teams im Notfall Hilfe herbeirufen und
Jugendliche erstversorgen konnten.
Die jungen Menschen, die sich in der Event- und Wochenendszene aufhalten, fanden es gut, dass sie
von den PAJ-Teams angesprochen wurden. Dadurch machten sie eine neue Erfahrung: Erwachsene
nahmen sie in der Öffentlichkeit nicht nur als negativ oder störend wahr, sondern begegneten ihnen
freundlich und respektvoll. Die Streetworker konnten die Jugendlichen zudem über
Unterstützungsangebote informieren oder mit der Mobilen Jugendarbeit im entsprechenden Stadtteil in
Kontakt bringen. Die Autorinnen der wissenschaftlichen Auswertung folgern: Das PAJ-Projekt habe
sich als effektive Maßnahme bewährt, Konflikte und Risikosituationen in der Event- und
Wochenendszene zu vermindern. Eine entscheidende Rolle dabei habe gespielt, dass die PAJ-Teams
regelmäßig an Wochenenden in der City anwesend waren.
Doch die Finanzierung des Projekts durch die Baden-Württemberg Stiftung läuft Ende des Jahres aus.
Ob es weitergeführt werden kann, ist noch ungewiss: Zwar haben die Projekt-Partner das Folgeprojekt
„City Streetwork Stuttgart“ entwickelt. Um dieses zu finanzieren, hat die eva zusammen mit dem
Caritasverband für Stuttgart einen Antrag für den Doppelhaushalt der Stadt Stuttgart 2014/15 gestellt:
197.000 Euro wären für Januar 2014 bis Dezember 2015 nötig. Weitere 50.000 Euro hat das
Sozialministerium Baden-Württemberg aus dem Landesförderprogramm „ Jugend im öffentlichen
Raum – Prävention von riskantem Alkoholkonsum“ schon zugesagt.
Das Folgeprojekt wurde den Gemeinderatsfraktionen und dem Jugendhilfeausschuss vorgestellt. Die
Stadt hat bisher kein Geld für das Projekt eingeplant; das müsste in den anstehenden HaushaltsplanBeratungen passieren. Allerdings hat bisher noch keine Gemeinderats-Fraktion den Antrag der eva
und des Caritasverbandes unterstützt.
„Die eva, der Caritasverband und Release werden die Landesprojektgelder nur abrufen, wenn der
Gemeinderat der Stadt Stuttgart eine zweijährige Laufzeit bewilligt und finanziert“, sagte Klausjürgen
Mauch, Leiter der Mobilen Jugendarbeit, bei einem Pressegespräch. Wie wichtig das neue Projekt
wäre, zeigt das Zitat einer 16-Jährigen, die bei dem Projekt befragt worden ist: „Streetwork ist das
Sinnvollste und Beste, was man machen kann. Alkoholverbot an öffentlichen Plätzen macht keinen
Sinn, dann trinken die Jugendlichen woanders.“
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