Evangelische Gesellschaft Stuttgart Pressesprecherin Ulrike Herbold Büchsenstraße 34 / 36 70174 Stuttgart Tel. 07 11.20 54-3 21 Fax 07 11.20 54-3 27 E-Mail [email protected] www.eva-stuttgart.de 6. Dezember 2013 „Streetwork ist das Beste, was man machen kann“ Projekt zur Jugendgewalt erfolgreich beendet – gibt es ein Folgeprojekt? Stuttgart. Wenn Jugendliche am Wochenende in der Stuttgarter Innenstadt feiern, dann fließt oft jede Menge Alkohol. Nicht selten kommt es in der Folge zu Schlägereien und Übergriffen. Was kann man tun, damit die Jugendlichen besser mit Alkohol und Gewaltsituationen umgehen lernen? Das hat ein Projekt in den vergangenen beiden Jahren ergründet: die „Prävention alkoholbedingter Jugendgewalt in Stuttgart (PAJ)“. Streetworker der Mobilen Jugendarbeit Stuttgart und der Drogenberatungsstelle Release U21 waren regelmäßig an den Wochenenden in der Stuttgarter City unterwegs. Die wissenschaftliche Auswertung zeigt, dass das Konzept effektiv dazu beiträgt, Konflikte und Eskalationen in der Event- und Wochenendszene zu vermindern. Trotz des Erfolges ist die Finanzierung des Nachfolge-Projekts noch unklar. Sie hängt davon ab, ob der Stuttgarter Gemeinderat dafür Geld in den städtischen Haushalt einstellt. Nur dann können Projektgelder eingesetzt werden, die das Land in Aussicht gestellt hat. Zwei Jahre lang waren soziale Fachkräfte an den Wochenenden zwischen 20.30 und 1 Uhr in der Stuttgarter Innenstadt unterwegs. Sie haben Kontakt zu jungen Menschen aufgenommen, Sozialarbeit gemacht, 203 einzelne Jugendliche und sieben Cliquen in Interviews befragt: Wie würden sie gerne unterstützt werden, um die Risiken von Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit zu vermindern? Die Teams bestanden aus erfahrenen Mitarbeitenden der Mobilen Jugendarbeit, die von der Evangelischen Gesellschaft (eva) und dem Caritasverband für Stuttgart getragen wird, und der Drogenberatungsstelle Release U 21. Die Auswertung durch die Universität Tübingen hat ergeben: Viele Jugendliche haben Angst vor Zwischenfällen und riskanten Situationen, die sich aus dem Alkoholkonsum ergeben können. 87 Prozent der Befragten kennen körperliche Folgen wie Erbrechen oder „Filmriss“ nach zu viel Alkohol. Die Jugendlichen berichten aber auch von Gewalttätigkeiten, von Konfrontationen mit der Polizei, von sexuellen Übergriffen, Notarztbehandlungen und Sachbeschädigungen. Und wieso trinken sie dann trotzdem? „Mit Alkohol lernt man meistens mehr neue Leute kennen, weil man dann irgendwie so die Hemmschwelle überwunden hat irgendwann“, erklärt der 17-jährige Bastian. Jugendliche tun sich oft schwer, ein Risiko richtig einzuschätzen und entsprechend zu reagieren. Darauf deuten die konkreten Zahlen hin: Fast ein Drittel der Jugendlichen war schon einmal in einer problematischen Situation, in der er Hilfe gebraucht hätte. Die Teams der Mobilen Jugendarbeit konnten vor Ort Konflikte abschwächen und damit Risiken reduzieren. Damit wurde die Szene von allen als sicherer erlebt; gerade auch Jüngere konnten besser geschützt werden. Ein weiterer wichtiger Sicherheitsaspekt bestand darin, dass die Streetwork-Teams im Notfall Hilfe herbeirufen und Jugendliche erstversorgen konnten. Die jungen Menschen, die sich in der Event- und Wochenendszene aufhalten, fanden es gut, dass sie von den PAJ-Teams angesprochen wurden. Dadurch machten sie eine neue Erfahrung: Erwachsene nahmen sie in der Öffentlichkeit nicht nur als negativ oder störend wahr, sondern begegneten ihnen freundlich und respektvoll. Die Streetworker konnten die Jugendlichen zudem über Unterstützungsangebote informieren oder mit der Mobilen Jugendarbeit im entsprechenden Stadtteil in Kontakt bringen. Die Autorinnen der wissenschaftlichen Auswertung folgern: Das PAJ-Projekt habe sich als effektive Maßnahme bewährt, Konflikte und Risikosituationen in der Event- und Wochenendszene zu vermindern. Eine entscheidende Rolle dabei habe gespielt, dass die PAJ-Teams regelmäßig an Wochenenden in der City anwesend waren. Doch die Finanzierung des Projekts durch die Baden-Württemberg Stiftung läuft Ende des Jahres aus. Ob es weitergeführt werden kann, ist noch ungewiss: Zwar haben die Projekt-Partner das Folgeprojekt „City Streetwork Stuttgart“ entwickelt. Um dieses zu finanzieren, hat die eva zusammen mit dem Caritasverband für Stuttgart einen Antrag für den Doppelhaushalt der Stadt Stuttgart 2014/15 gestellt: 197.000 Euro wären für Januar 2014 bis Dezember 2015 nötig. Weitere 50.000 Euro hat das Sozialministerium Baden-Württemberg aus dem Landesförderprogramm „ Jugend im öffentlichen Raum – Prävention von riskantem Alkoholkonsum“ schon zugesagt. Das Folgeprojekt wurde den Gemeinderatsfraktionen und dem Jugendhilfeausschuss vorgestellt. Die Stadt hat bisher kein Geld für das Projekt eingeplant; das müsste in den anstehenden HaushaltsplanBeratungen passieren. Allerdings hat bisher noch keine Gemeinderats-Fraktion den Antrag der eva und des Caritasverbandes unterstützt. „Die eva, der Caritasverband und Release werden die Landesprojektgelder nur abrufen, wenn der Gemeinderat der Stadt Stuttgart eine zweijährige Laufzeit bewilligt und finanziert“, sagte Klausjürgen Mauch, Leiter der Mobilen Jugendarbeit, bei einem Pressegespräch. Wie wichtig das neue Projekt wäre, zeigt das Zitat einer 16-Jährigen, die bei dem Projekt befragt worden ist: „Streetwork ist das Sinnvollste und Beste, was man machen kann. Alkoholverbot an öffentlichen Plätzen macht keinen Sinn, dann trinken die Jugendlichen woanders.“