B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 1 VON DER VIELFALT DER ZEIT Tutzing, Evangelische Akademie, 28. April – 1. Mai, 2000 VORTRAG TIMESCAPES BARBARA ADAM School Of Social Science Cardiff University Zeitvielfalt ist etwas das sich nicht im Vordergrund unseres alltäglichen Bewusstseins abspielt. Zeitvielfalt zeigt sich deshalb explizit hauptsächlich in jenen Momenten wo es zum Bruch mit dem Alltäglichen kommt: Wenn im Wintersturm der Strom ausfällt und die ungewohnte Kälte und Dunkelheit uns mit der Künstlichkeit unserer Winterwelt konfrontieren. Wenn bei plötzlicher Krankheit / Routinen und unhinterfragte Prioritäten irrelevant werden, Wenn das Baby sich nicht zum richtigen Zeitpunkt zur Geburt anmeldet und die Zeit der Klinik die des natürlichen Prozesses überschattet. Zeitvielfalt ist für uns unsichtbar geworden weil unsere Industriegesellschaft hauptsächlich von der Monokulturzeit der Uhr angetrieben wird. Diese Maschinenzeit der Uhr liegt dem weltweiten Erfolg und den Problemen unserer Gesellschaft zugrunde. Es ist deshalb wichtig dass wir die Uhrenzeit in ihrer Eigenart kennenlenrnen, dass wir erkennen in welcher Weise sie sich von der unterbauenden Vielfältigkeit abhebt und welche Auswirkungen sich ergeben von der Imposition der Einfalt auf die Vielfalt. Um diese Zusammenwirkung von Vielfalt und Einfalt in ihrer Tiefenwirkung zu verstehen werde ich kurz die Zeitvielfalt der Natur vor dem Hintergrund der Zeiteinfalt der Uhr umreissen. Am Beispiel genmanipulierter Nahrung werde ich dann zeigen wie wir Zusammenhänge anders sehen wenn wir Zeitvielfältigkeit mit in die Analyse einfliessen lassen. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 2 OH - TREE Zeitvielfalt in der Natur Von der heutigen Perspektive wird Natur hauptsächlich as Materie im Raum gedacht. Als Erde, Gestein Pflanzen und Tiere die in bestimmten Räumlichkeiten leben und wirken: Im Norden oder Süden In Höhen- oder Tiefenlage In nassen oder trockenen, fruchtbaren oder unfruchtbaren Gebieten. Natur aber verbindet Materie, Raum und Zeiten in einer untrennbaren Einheit und diese gilt es erst festzulegen bevor wir uns mit der Vielfältigkeit der beinhalteten Zeit beschäftigen können. Boden Berge und Bäume haben eine Geschichte als Spezie und als individuelle Formen. Sie sind fortwährender Veränderung unterworfen die neue Formen hervorbringt auch wenn diese Vorgänge sich in extrem unterschiedlichen Zeitrahmen abspielen, was bedeutet, dass starke Veränderung im einen / sich als Unveränderlichkeit im Anderen zeigt. Ein Baum, zum Beispiel existiert nicht nur im Raum. Er ist geschaffen und stetig erneuert in seinem ununterbrochenen Bestehen von Wachstum und Zerfall Erneuerung und Regeneration. Seine Form ersteht mit und in der Zeit. Was wir sehen ist das Resultat der formenden Wirkkraft der Zeit. Einen Baum nicht nur in seiner Zeitlichkeit sondern Zeitvielfalt zu verstehen erhebt einige Ansprüche an unsere unhinterfragten Denkschemen. Die erste und tiefgreifenste Veränderung in unserer Ansehensweise bezieht sich auf die unsichtbaren Prozesse der Natur, d.h. Auf Zeit als Zeitlichkeit Der Unterschied zwischen Natur als gewordenes Product und Werdendes wurde im frühen Mittelalter als Unterschied zwischen natura naturata und natura naturans erfasst. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 3 OH – ZEITLICHKEIT N.N. Zeitlichkeit Natura naturata ist die gewordene Natur wie z. B. Die Zugzpitze Der Starnberger See Die Buche, die Wiesenblumen und die Vögel im Park Natura naturata ist das was sichtbar ist, das was wir mit den Sinnen erfassen können. V. Üxküll setzte natura naturata der Merkwelt gleich. Natura naturans, im Gegensatz spielt sich ausserhalb der Reichweite unserer Sinne ab. Natura naturans bezieht sich auf die Prozesse die Natur die sichunsichtbar unter der Oberfläche entfalten. Natura naturans ist die gestaltende Wirkkraft aus der die Produkte der Natur hervorgehen. Natura naturans ist zeitlich konstituiert v. Üxküll bezeichnete natura naturans als Wirkwelt. Wenn wir also die Zeitlichkeit der Natur anerkennen wollen bedeutet das dass wir Zeitrahmen und Zeitlichkeit in Zusammenhang bringen dass wir das Resultat nicht von seiner formenden Wirkkraft trennen dass wir Produkt, Produktion and Reproduktion in Enklang bringen dass wir Natur als werdend und geworden verstehen. Dieses Werden wiederum findet in einer Vielzahl von Phänomen-specifischen Zeitrahmen statt. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 4 OH – ZEITRAHMEN Zeitrahmen Diese Zeitrahmen erstrecken sich von Intervallen die so kurz sind dass unsere Sinne sie nicht wahrnehmen können über welche die sich in unserem Sinnesbereich erstrecken zu solchen die weit über unsere Lebenszeit hinausreichen. Ob wir Veränderungen wahrnehmen hängt deshalb von dem Zeitrahmen ab in dem sich die Wandlungen vollziehen. Wenn wir uns einen Baum zum Beispiel nehmen so können wir seine jahreszeitlichen Wechsel sehen und mitvollziehen Auch die Veränderungen von Eichel zu Eiche spielt sich in Zeiträumen ab die unsere Sinne erfassen können. Die Wandlungen und Übergänge die sich auf der Ebene der Zellen abspielen, aber, entziehnen sich unserer Beobachtung. Auch bei Bäumen wie dem Ölbaum der über 1000 – sogar 2000 – Jahre alt werden kann wird es uns unmöglich die lebenslänglichen Veränderungen zu verfolgen oder das Lebensalter des Baumes zu erkennen Ob solch ein Ölbaum 500 oder 600 Jahre alt ist, z. B., ist erst im Nachhinein festzustellen wenn der Baum abgestorben ist, d. H., dann wenn seine Jahresringe gezählt werden können. Ebenso ist es praktisch unmöglich stündliche oder auch tägliche Änderungen zu erkennen da sich der Wandel des Baumes im jahreszeitlichen Wechsel als nahtloses Kontinuum vollzieht. Um wider beim Beispiel Baum zu bleiben, wir stellen Veränderungen der grösseren Phasen fest, Jung In voller Reife Im Frühjahr, Herbst oder Winter aber die Vorgänge selbst gehen übergangslos ineinander über. Das bedeutet dass Anfang und Ende Übergänge und Intervalle nicht im Leben des Baumes sondern in unserer Betrachtungsweise zu finden sind. Auch der Zeitpunkt natürlicher Veränderungen ist schwer festzulegen. Zeitpunkt Der Zeitpunkt ist erst dann erfahrbar, wenn ein plötzliches Ereignis die kontinuierlichen Veränderungen durchbricht. Wenn ein Blatt sich löst und lansam zu Boden schwebt oder taumelt Wenn ein Ast abbricht Wenn der Blitz einschlägt. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 5 OH – BLITZ Aber auch hier ist der genaue Zeitpunkt, der genaue Moment schwer zu erstellen: Welcher Blitz ist gemeint? Und ist es der Moment wo wir ihn sehen wenn er am Himmel erscheint oder wenn er einschlägt? Wann ist sein Anfang, wann sein Ende? Auch hier hängt die Definition von dem Zeitrahmen und der Zeitskala ab, die unserer Definition des Zeitpunktes zugrundeliegt. Wenn wir bestimen wollen wann der Blitz eingeschlagen hat dann kann der Moment auf verschiedene Weise definiert werden: Am späten Abend zum vierten Vollmond Zwischen 22:30 und 22:35 am 21. April 2000 Oder um 22:33:05. Um den Zeitpunkt eines Geschehens zu erstellen bedarf es immer eines zeitlichen Beziehungsrahmens der sich aus natürlichen oder kulturbedingten Zeitgebern ergibt: Den Jahreszeiten Den Mondzyklen Den Kalendertagen Den Uhrenzeitstunden und Sekunden Aber auch längere und kürzere zeitliche Beziehungsrahmen können bedeutungsvoll sein um Zeitpunkte festzustellen: Zeitpunkte im Zeitrahmen der Geschichte unserer Erde können geologische Epochen sein Während Reaktionen in einem Atomakzellorator in Caesiumschwingung gemessen werden. Ähnlich ist es mit dem Tempo. Tempo Wie schnell eine Veränderung von statten geht hängt von den bestimmten Vorgängen oder Organismen und ihren Bezugsrähmen ab. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 6 OH – BAUM 4X IM JAHRESWECHSEL Im Frühjahr und Herbst vollziehen sich die Veränderung in einem Baum sichtbar schneller als im Sommer und im Winter. Wahrend wir im Frühjahr förmlich zusehen können wenn die Blüten und Knospen aufbrechen Bleibt der Baum im Sommer für uns unverändert über mehrere Monate hinweg bis sich Im Herbst seine Farben zusehens verändern bis er ohne seine Blätter ist und dann wieder scheinbar unverändert die Wintermonate in kahlem Zustand verbringt. Auch das Alter spielt eine Rolle in Bezug auf das Tempo von Wandlungen. Wachstum und Formveränderungen sind deutlicher erkennbar je jünger der Organismus und dann wieder zum Ende eines Lebens. Dies gilt, ob wir es mit Pflanzen, Tieren, oder Menschen zu tun haben. MaW., das Tempo der Veränderung von Sämlingen und Babies ist unvergleichlich schneller als das von ausgereiften Pflanzen und Erwachsenen. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 7 OH – RHYTHMUS Rhythmizität Alle Veränderungen sind obendrein rhythmisch organisiert was bedeutet, dass alle Prozesse aufeinander bezogen sind und jeweils mit den rhythmischen Vorgänge der Mit und Umwelt vernetzt sind. Das gilt auch für die Menschheit die in die Rhythmen des Kosmos, des Sonne – Erde – Mond Verhältnisses in die Rhythmen der Jahreszeiten und in die Tag-und-Nacht Zyklen eingebettet sind. Rhythmisch ist nicht nur unser Puls sondern auch der Puls des Lebens and des Universums. Abhängig voneinander and in Bezug aufeinender oscilliert unsere Körperchemie vibrieren unsere Neuronen schlägt unser Herz verdauen wir unsere Nahrung. Wir atmen verbrauchen Energie schaffen und ruhen in Synchronie mit dem Kosmos und eingebettet in die gesamte Symphonie der Rhythmen unserer Umwelt. Jeder einzelne Rhythmus ist ungenau in seiner Wiederholung aber ungeheuer präzise in seinem timing und seiner Synchronisation mit der Umund Mitwelt. Nur auf der Basis von circa Rhythmen ist die Präzision des Ganzen erreichbar. Das heisst, dass jeder einzelne Zyclus genug Felxibilität aufweisen muss um sich an Variantionen und Abweichungen anpassen zu können. Dies ist ein besonders wichtiger Punkt um den Unterschied zur Uhrzeit zu verstehen und zu erfassen was passiert wenn jene standardisierte, invariable, präzise Taktzeit der rhythmisch organisierten Naturzeit vor- und aufgesetzt wird. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 8 Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft Als Letztes möchte ich mich noch mit der Zeit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft befassen. Alles Organische und Inorganische das einst lebend war, trägt seine Erdgeschichte in sich: Millionen von Jahren von evolutionärer Geschichte sind Teil unserer heutigen Gegenwart. Und / als Form und Potential ist auch die Zukunft Teil unserer Gegenwart. Wenn Gentechnologie, z. B., Gene von einer Spezies in eine Andere einbaut, ist das nur möglich weil alle Spezies eine gemeinsame Urgeschichte haben, weil wir mit Fischen und Algen verwandt sind und weil unser aller Urgeschichte immer präsent ist. Davon mehr etwas später. Zusammenfassend können wir sagen dass eine Timescape Perspektive immer Raum, Materie und Zeitvielfalt miteinbezieht. Und dass die Zeitvielfalt die ich anhand von Natur- und Urzeiten aufgezeichnet habe folgende Elemente beinhaltet: B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 9 0H - URZEITVIELFALT STRUKTURELEMENTE DER URZEITVIELFALT Zeitlichkeit Zeitrahmen Zeitpunkt Tempo Timing Vergangenheit Gegenwart Zukunft Dauer Folge Instant/sofort Wiederholung Rhythmus Gleichzeitig Parallel Asynchron Zeitverschoben ZEITELEMENTE DER BEOBACHTUNG Zeitskalen Anfang/Ende Pausen Übergänge Diese Vielfalt nun müssen wir vor dem Hintergrund der Zeiteinfalt der Uhrenzeit verstehen. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 10 OH – UHRENZEITEINFALT STRUKTURELEMENTE DER UHRENZEITEINFALT Zeitrahmen = abstrahiert von Kosmischer Zeit, die Stunden sind deshalb dekontextualisiert Zeitpunkt = Uhrzeiger- und Zahlbedingt Tempo - die Sekunden, Minuten, Stunden - sind standardisiert, uniform und invariable Folge = Zahlenabhängig Wiederholungen sind W.des Gleichen - invariabler, präziser Takt Die Uhrenzeit als rationale menschliche Schöpfung ist räumlich, mathematisch constituiert und beruht auf dem quantitativen Prinzip der Teilung. Als solche ist sie deutlich entfremdet von der Zeitvielfalt unserer Natur in der letztlich alles mit allem materiell und rhythmisch vernetzt und verbunden ist. Die Uhrenzeit verkörpert Zeiteinfalt weil sie ohne Zeitlichkeit ohne Vergangenheit und Zukunft ohne timing und ohne vielfältige Gleichzeitigkeit ist. Die Machine gibt den entrhythmisierten Takt vor. Die Zahlenreihe bestimmt die lineare Folge. Als abstrakte Quantität kann diese Zeit überall und jederzeit kalkuliert, eingesetzt und ausgetauscht werden. Uhrenzeit ist unbeinflusst von Sinngehalten und Emotionen von Situationen und Regionen Eine Stunde bleibt gleich egal ob Sommer oder Winter, am Nordpol oder in Südafrika auf einem 8000er in den Himalayas oder am Toten Meer. Das hat seine gesellschaftlichen Vorteile. Diese dekontextualisierte Zeit kann weltweit als abstrakte Ware gehandelt werden. Sie kann weltweit als Zins und Kredit im wirtschftlichen Kalkül berechnet werden. Mit ihrer Hilfe kann usevalue in exchangevalue verwandelt werden. Weiterhin kann sie als weltweiter Co-ordinationsrahmen dienen. Die Uhrenzeit ist kontrollierbar und planbar. Sie fügt sich unserem zweckratinalen, wirtschaftlichen Handeln. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 11 Die wirtschaftliche Verbinding von Uhrenzeit und Geld bringt weitere Vorteile füer jene die sich dem System anpassen und der Zeiteinfalt unterwerfen. Das enge Verhältnis von Zeit und Geld kommt vor allem dort zur Geltung wo Kontrolle der Zeit und Geschwindigkeit mit Effizienz und Leistungsfähigkeit gleichgesetzt werden. Die Devise Zeit ist Geld ist ein imperialistisches Prinzip dessen Ziel und Zweck es ist alles auszuschalten was den zeitökonomischen Effizienzkriterien nicht entspricht und alles diesen Kriterien zu underwerfen was sich nur irgendwie dieser Logik entsprechend abwandeln lässt Das bedeutet, dass die Zeitvielfalt der Natur im Namen der Effizienz auf die eindimensionale Logik der Uhrenzeit reduziert wird: o Vernetzungen, Zusammenhänge und rhythmische Variation werden negiert o Die Zeitlichkeit, das Zusammenwirken von verschiedenen Tempi und das Timing von eingebetteten Rhythmen werden ignoriert. o Vergangenheit und Zukunft in der Gegenwart geschaffen, verplant, discounted und (ver)kalkuliert. 2045 Was haben nun diese Unterschiede mit unserem Project Ökologie der Zeit und mehr speziell mit dieser Tagung zu tun? Warum sollten wir der Zeitvielfalt gewahr werden? Warum sollten wir sie im Verhältnis zur Zeiteinfalt der Uhrenzeit sehen und verstehen? Anhand der Debatte um genmanipulierte Nahrung will ich nun versuchen diese Fragen zu beantworten. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 12 OH – MOEDERMELK Ich benuzte diesen beunruhigenden Poster weil wir die tiefgreifenden Veränderungen die dieser Technologie zugrunde liegen erst zu erfassen scheinen wenn der Mensch impliziert ist. Hier gehts um eine Kampagne gegen das Einspleissen von menschlichen Genen in Kühe damit Kuhmilch mehr verdaulich wird für Menschenbabies was bedeutet dass weltweit mehr Pulvermilch für Babies produziert werden kann. Ich hab schon angedeutet dass das Einschleusen von Genen einer Spezie in eine andere nur möglich ist weil alle Spezien auf der Ebene der Zellen, des DNA’s und der Gene eine gemeinsame Urgeschichte besitzen, die heute noch präsent ist. Wenn also Gentechniker mit Genen von verschiedenen Spezies arbeiten dann greifen sie in der Gegenwart auf diese gemeinsame Urgeschichte zurück und umgehen damit mehrere Millionen Jahre von evolutärer Entwicklung. Auch der Grund warum Gentechnologie so ungeheuer attraktiv und profitabel ist, hat zeitbedingte Gründe: Mit Gentechnologie kann man enorm Zeit sparen. Im Vergleich zur traditionellen Zucht kann GM Generationen von Zuchtversuchen einsparen wenn die Veränderung auf der Ebene des Gens erzielt wird. In unserer Welt wo Zeit im Zusammenhang mit Geld gedacht ist, bedeutet das eindeutig gewaltige Zeiteinsparungen und dementssprechend enorme Profite. Gentechnik is zweifellos eine einzigartige Leistung. Mit GM haben Wissenschaftler 1. etwas erreicht was in der Natur nicht möglich ist: Natur wird verbessert. Und, 2. mit GM haben Wissenschaftler zum ersten Mal die Möglichkeit nicht am Produkt der Natur sondern am Prozess des Lebens zu arbeiten. Mit ihrer Tätigkeit am Genotyp statt am Phänotyp, wirken sie nicht mehr in der Sphäre von natura naturata sondern der von natura naturans. Hier geht es letztlich um die wissenschaftliche Schöpfung neuen Lebens. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 13 Der Stolz auf diese Leistung bricht immer wieder durch, obwohl das Hauptargument um die Sicherheit von GM in der Nahrung darauf besteht dass GM nur eine minimale Variation von traditononeller Zucht ist, und deshalb keiner weiteren oder gar tiefgreifenderen Sicherheitsmassnahmen bedarf. Wenn wir nun die Argumente FÜR GM mit unserer Zeitbrille etwas genauer ansehen, dann wird offenbar dass das Zeit=Geld Motto, welches wie schon erklärt auf der Uhrenzeit basiert, vordergründig ist und gleichzeitig wird sichtbar dass unter dem Deckmantel der (nichthinterfragten Dominanz der) Uhrenzeiteinfalt die weitergreifenderen, vielschichtigeren zeitbedingten Sachverhalte verschleiert und verdeckt werden. Uhrenzeit und damit die Devise Zeit=Geld sind vordergründig nicht nur für die Transnational Companies sondern auch für die Wissenschaftler die an dieser Technologie arbeiten. Die relevanten Zeitrahmen beziehen sich für Firmen auf den gnadenlosen Takt des Finanzjahres, und der Shareholder meetings wo Langzeit Forschung, mit entsprechendem Profitpotential, das sich in vorhergesagten Zeitrahmen zu verwirklichen hat, gerechtfertigt werden muss. Sicherheitstests der Firmen an eigenen Produkten bewegen sich in Zeitrahmen von maximal 2-3 Jahren. Für Forscher sind die Zeitrahmen durch Wissenschaftliche Gelder abgesteckt. * In der UK, z.B. sind die £ 40 M Governmental research grants für GM Forschung hautsächlich für 5- und 3-jährige Projekte angelegt. Nur wenige top-up Projekte haben kürzere Zeitrahmen von 1-2 Jahren. * Auch die wesentlich kleinere Summe von £ 5.7 M Forschungsgelder die von der Regierung für das Erstellen von Umwelteffekten sichergestellt wurden / sind hauptsächlich für Projekte von 3 Jahren und weniger vorgesehen. In Bezug auf das Tempo ist kein Zweifel dass Höchstgeschindigkeit von Forschung Sicherheitstests und Produktion angesagt ist: Denn, nur wer das Produkt als erster auf den Markt bringt gewinnt / nach dem Motto: winner takes all, und das auf extrem lange Zeit, nachdem ja die meisten der Produkte patentiert sind. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 14 Auch das Timing spielt sich deshalb im Rahmen der Geldzeit ab, wenn jede Frage nach dem wann in Bezug auf Profitkalkulation und Wettbeweb beantwortet werden muss. Es darf uns deshalb nicht verwundern wenn Fragen nach Naturzeiten aus dem Referenzrahmen fallen. Sie passen nicht in das Zeitschema der Uhrenzeit in dem die ZeitGeld Gleichung angesiedelt ist. Fragen, die die Zeitvielfalt der Natur miteinbeziehen / sprengen den engen Zeitrahmen von maximal 5 Jahren. Wenn wir aber nun die Zeitvielfalt ins Spiel bringen dann sieht die genetische Manipulation von Nahrung grundlegend anders aus und was aus Zeitökonomischer Sicht enorm attraktiv ist, wird o komplex, o zweischneidig o zum Gewinnpotential gesellen sich das Verlust- und Gefahrenpotential o und die Skepsis der Bevölkerung verwandelt sich von angeblicher irrationaler Ignoranz in berechtigte Bedenken. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 15 OH – TIMESCAPE OF GMO’S Einige dieser Unterschiede habe ich auf dieser Folie festgehalten. Der Zeitrahmen von GM erstreckt sich vom Anfang bis zum Ende der Zeit. Über den gentechnischen Bogen zum Anfang der Zeit habe ich schon gesprochen. Ebenso weitreichend aber ist auch die Ausdehnung in die Zukunft: d.h. die Wirkung von GMOs die freigesetzt wurden, reicht potentiell bis zum Ende der Zeit. Als freie Agenten mutieren, multiplizieren, und wirken GMO’s aufeinender ein, wandern sie durch die Nahrungskette, beinflussen sie sich gegenseiting und ihre Um- und Mitwelt, in einem Prozess der potentiell offen ist bis zum Ende der Zeit. Was im Labor in einem Moment verändert ist, maW die Puntkzeitveränderung der Gentechnologie, hat kein Ende, ist deshalb zukunftsoffene Veränderung in der Umwelt. Was im Labor zurückgeholt werden kann, ist in der Umwelt irreversible. Jenseits der Laborverhältnisse ist das Experiment unwiderruflich, ist es faktisch real. Im Licht derartiger Zeitmasse sind die heutigen Sicherheitstestrahmen für genmanipulierte Nahrung geradezu lachhaft. In der zeitlichen Prozesssphäre von natura naturans ist die Gesamheit der Zusammenhänge nicht vorhersagbar und die Kontrolle der Zeit ein unerfüllbarer Traum der illusorisch Uhrenzeit mit der Zeitlichkeit der Naturzeit verwechselt. Die Prozesse im Bereich von natura naturans, wie ich schon erklärt habe, sind unsichtbar. Sie wirken ausserhalb der Reichweite unserer Sinne, und sogar ausserhalb der Reichweite wissenschaftlicher Messgeräte. Wenn nun Symptome * in anderen Körpern, * in anderen Gegenden * und zu anderen Zeiten auftauchen, dann können Wissenschaftler nicht mehr mit Sicherheit sagen ob und welche Gentechnologie dafür verantwortlich war und ist. Diese Zeitverschiebungen zwischen Technologieanwendung und unvorhersagbaren, mehrfachen Symptomen, diese Zeiten der Unsichtbarkeit bedeuten Schweirigkeiten für politische Systeme wie das der US und der EU Länder deren Sicherheitsregeln auf Gewissheit und wissenschaftichem Beweis zwischen Handlung und Effekt bestehen. B Adam – Tutzing Zeitvielfalt – TUT00T – 04/2000 16 Anhand dieses kurzen Beispieles können wir sehen wie wichtig es ist Zeit in ihrer mehrdimensionalen Vielfalt zu verstehen. Von einer Timescapeperspektive, / die Materie und Raum in ihrem Verständnis von Zeitvielfalt impliziert,/ sieht unsere Zukunft und die Gegenwart unserer Nachkommen entschieden anders aus als von der einfältigen Sicht der Zeitökonomie die der Gentechnologie Zugrunde liegt und sie antreibt. Unter dem Deckmantel der Monokultur der Uhrenzeit ist Zeitvielfalt für uns zum grossen Teil unsichtbar geworden. Es gilt also nicht nur diese Vielfalt wieder aufzudecken sondern auch / sie in ihrem Verhältnis zur Einfalt zu verstehen. OH – TIMESCAPES AGAIN