Weser Kurier, 16.11.2014 Symposium zur Psychosozialen Notfallversorgung informiert rund 250 Teilnehmer über Hilfsangebote für Helfer Auch Lebensretter brauchen Unterstützung Myriam Apke 16.11.2014 Ihre Aufgabe ist zu helfen, zu trösten und stets ruhig zu bleiben, wenn andere längst verzweifelt und überfordert sind. Doch wer hilft den Helfern? Darum ging es auf dem Symposium zur Psychosozialen Notfallversorgung, das zum 8. Mal vom Bremer Deutschen Roten Kreuz organisiert worden ist. Katastrophenmanager Wolf Dombrowsky hielt einen Vortrag darüber, wie Menschen besser mit Krisen umgehen können. (Karsten Klama) Ein Verkehrsunfall im Oktober: Ein 17-jähriger Radfahrer wird im Dunkeln auf der B75 von einem Auto erfasst und stirbt. Ein Unglück, tragisch für die Angehörigen, die jetzt jede Unterstützung brauchen, um den Verlust zu verkraften. Was aber ist mit denjenigen, die retten sollten und nicht konnten? Was fühlen die Helfer, wenn sie das Unfallopfer bergen müssen? Wie gehen sie mit Erinnerungen an Blut und toten Körpern um? Um Fragen wie diese ging es am Sonnabend beim 8. Symposium zur Psychosozialen Notfallversorgung des Bremer Kreisverbandes des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Vier Experten der Bereiche Krisenmanagement und Psychologie informierten in Vorträgen über neue Forschungsergebnisse und einen möglichen Umgang mit belastenden Rettungseinsätzen. Rund 250 Mitarbeiter verschiedener Hilfsorganisationen und Institutionen aus ganz Deutschland nahmen an der Veranstaltung in der Bremer Bürgerschaft teil. „Lange Zeit wurden Einsatzkräfte bei der Bewältigung traumatischer Erlebnisse allein gelassen“, sagte Jochen Thaens, Bereichsleiter Hilfsorganisationen des DRK Bremen. „Dagegen wollen wir vorgehen, denn wenn den Helfern nicht auch geholfen wird, kann das ihre Seele kaputt machen.“ Dementsprechend lautete auch das Motto des Symposiums: „Wir brauchen keine Helden! Welche Hilfen brauchen Helfer?“ Jochen Thaens, DRK Bremen. (Karsten Klama) Die Erkenntnis, dass auch Hilfskräfte Unterstützung brauchen, um mit belastenden Erfahrungen im Dienst zurechtzukommen, ist nicht neu, aber noch nicht selbstverständlich. Oft gilt im Rettungsdienst das Prinzip „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ oder „Nur die Harten kommen in den Garten“. Bereichsleiter Thaens: „Es wird vergessen, dass es sich bei den Helfern um Menschen handelt.“ Beim Bremer DRK gibt es deswegen Gesprächsangebote, Zusicherung auf fachliche Hilfe und die Möglichkeit, kurzfristig zu pausieren. „Leider ist es oft so, dass Helfer nicht gezielt Unterstützung suchen, sondern Gespräche sich eher zufällig ergeben“, sagte Thaens. Das berichtete auch Verena Sommer, die seit sieben Jahren ehrenamtlich beim Technischen Hilfswerk arbeitet: Mit 16 Jahren wurde sie als Ersthelferin zu einem Einsatz gerufen, bei dem eine Person starb. „Ich habe damals mit meinem Kollegen gesprochen, professionelle Nachsorge gab es nicht. Wir saßen im Auto, haben geredet und uns so geholfen.“ Sommer nahm bereits das dritte Mal am Symposium teil, für sie eine wichtige Veranstaltung: „Menschen müssen sich dem Thema Nachsorge öffnen, denn man weiß nie, was einem beim Einsatz passiert.“ Da viele Hilfsorganisationen regional gesteuert werden, gibt es keine einheitliche Regelung, wie Psychosoziale Notfallversorgung für Helfer aussehen muss. „Es fehlt an Struktur in der Bundesrepublik“, meinte Michael Steil vom Institut für Human Resources in seinem Vortrag. „Wenn eine Organisation aus Liebe zum Menschen arbeitet, muss das auch innerhalb des Betriebes umgesetzt werden.“ Es sei wichtig, nicht nur Nachsorge, sondern auch Vorsorge zu betreiben. „Die Sensibilisierung und Aufklärung der Mitarbeiter ist eine wesentliche Aufgabe der Betriebe“, sagte Steil. Häufig hilft es zu sprechen, ob mit Kollegen oder Experten. Auch auf dem Symposium tauschten sich die Teilnehmer über Erfahrungen aus. „Ich habe zum Glück noch kein traumatisches Erlebnis gehabt, aber Kollegen ist es schon anders ergangen“, erzählte Peter Breitkopf, seit 40 Jahren ehrenamtlicher Mitarbeiter der Deutschen Lebens-RettungsGesellschaft. Schlimm sei beispielsweise das Elbe-Hochwasser im vergangenen Jahr gewesen, von dem viele Menschen betroffen waren. Breitkopf: „Ich wünsche mir Nachsorge und Hilfe, wenn ich sie brauche, deswegen bilde ich mich fort.“ Hilfskräfte können in Schulungen erlernen, wie sie in einer Krisensituation professionell bleiben. „Helfer müssen die Fähigkeit gewinnen, keinen persönlichen Bezug zum Geschehen aufzubauen“, erklärte Katastrophenmanager Wolf Dombrowsky. „Viele Rettungshelfer haben Angst abzustumpfen, wenn sie keine Emotionen zulassen. Aber gerade das ist dringend notwendig.“ Die Seele brauche eine Hornhaut. Dombrowsky: „Wir wollen keine Eisklötze, aber es braucht Menschen, die sagen können: Das betrifft mich jetzt nicht.“