Georg – August – Universität Göttingen Pädagogisches Seminar Proseminar: „Kinder der Welt“ Dozent: Prof. Dr. Hans – Dieter Haller SS 2005 „verschult und verschaukelt“ Gordian Troeller berichtet über Kindheit und Erziehung in Westafrika Larissa Musche 1.Fachsemester Sportwissenschaft / Pädagogik [email protected] Sarah Reichmann 1.Fachsemester Sportwissenschaft / Pädagogik [email protected] Britta Hirschbrich 1.Fachsemester Sportwissenschaft / Pädagogik [email protected] Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung .................................................................................................... 3 2. Allgemeine Darstellung von Westafrika ...................................................... 3 2.1. Geografie .............................................................................................. 3 2.2. Geschichte ........................................................................................... 4 2.3. Politik .................................................................................................... 6 2.4. Wirtschaft ............................................................................................. 8 2.5. Kultur .................................................................................................... 9 2.6. Familienstruktur .................................................................................. 12 2.7. Soziales System in Westafrika ........................................................... 15 2.8. Schulsystem ....................................................................................... 16 3. Inhaltliche Zusammenfassung des Films .................................................. 18 4. Literaturverzeichnis ................................................................................... 20 2 1. Einleitung „Verschult und verschaukelt“, lautet der Titel eines Films von Gordian Troeller über die Kindheit und Erziehung in Westafrika aus dem Jahr 1985. Ein Teil von Afrika in denen politische, wirtschaftliche und kulturelle Krisenherde vorherrschen. Mit dieser Arbeit wird der Teil Westafrika und die Inhaltlichen Aspekte des Filmes vorgestellt. 2. Allgemeine Darstellung von Westafrika In den folgenden Abschnitten werden auf die Punkte Geographie, Geschichte, Politik, Wirtschaft, Kultur, Familienstruktur, Schulsystem und das soziale System in Westafrika eingegangen. 2.1. Geografie Unter Westafrika versteht man im Allgemeinen den westlichen Teil des Afrikanischen Kontinents, nordwärts bis etwa zur Zentralsahara, im Süden durch den Atlantischen Ozean begrenzt. Die 15 Staaten (Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kap Verde, Liberia, Mali, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Togo) erstrecken sich also vom nördlichen Wendekreis bis 5° nördlicher Breite und von 20° westlicher Länge bis 15° östlicher Länge. Die Temperaturen sind aufgrund der Nähe zum Äquator ganzjährig relativ hoch – zwischen 20°C im Süden an der Küste und 35°C im Norden, da dort die Sahara angrenzt. Während der einfachen Regenzeit im Sommer fallen im Norden Westafrikas nur ungefähr 250mm/Jahr, sodass die 3 Dürrewahrscheinlichkeit in dieser Region sehr hoch ist. 10-12 aride Monate sind keine Seltenheit. Je weiter südlich man sich begibt, desto mehr Niederschlag fällt. An der Küste Liberias fallen beispielsweise über 3000mm Regen im Jahr, sodass es dort durchschnittlich nur vier aride Monate gibt. Das Vegetationsbild ändert sich von Norden nach Süden deutlich. Im Norden liegt die Wüste Sahara, an die die Dornstrauchsavanne anschließt. Noch weiter südlich findet man die ersten Trockensavannen und tropischen Trockenwald und an den Küsten im Süden wächst tropischer Regenwald und feuchter Monsunwald. Entsprechend der Feuchtigkeit wird mehr oder weniger Ackerbau betrieben, der zum Beispiel im Süden das Landschaftsbild ganz entscheidend prägt. Insgesamt gibt es in den Staaten Westafrikas nur wenige natürliche Ressourcen. Der Holzbestand an den Küsten stellt das wichtigste Gut dar, das meistens in den Papierfabriken weiterverarbeitet wird. In Ghana gibt es kleine Diamanten- und Goldvorkommen. Nur Nigeria und die Elfenbeinküste können mit ihren Erdölquellen so viele Devisen einnehmen, dass sie einen Industrialisierungsansatz aufzeigen. Fast alle anderen Staaten sind noch immer agrarisch geprägt. 2.2. Geschichte Vor 200 Jahren war Afrika für die Europäer eine unerforschte Wildnis. Der deutsche Historiker und Geograph Heinrich Barth machte um 1856 auf die reiche Geschichte und Kultur der schwarzafrikanischen Bevölkerung aufmerksam. In Timbuktu fand er seine Quellen, die aus Aufzeichnungen arabischer Geschichtsschreiber bestand. Zu der Zeit unterhielten die Araber bereits seit mehr als 1.000 Jahren enge Handelsbeziehungen zu dem souveränen Schwarzafrika. 4 Handels- und Königreiche hatten sich in Westafrika bereits früh ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. Entwickelt. Dazu zählen Gana, Mali, Songhay, die Bambara-Reiche, die Foulbé-Staaten, die Königreiche Mossi, Ashanti, Dahomey und Yorouba. Diese Staaten zerschlugen später die Kolonialmächte. Sie versklavten und deportierten deren Völker und beuteten das Land aus. Jede Eigenständigkeit wurde unterdrückt. Trotz 40 Jahre politischer Freiheit gab es seither nie mehr eine wirtschaftliche Unabhängigkeit.1 Es entstanden in Westafrika eine Reihe von Königreichen, deren wirtschaftliche Grundlage die Kontrolle der Handelsrouten durch die Sahara war. Der älteste dieser Staaten war Gana, der im 5. Jahrhundert n. Chr. Im heutigen südöstlichen Mauretanien entstand. Die ganaischen Armeen machten im 11. Jahrhundert Gana zum Beherrscher der Handelswege über das heutige Marokko bis in die Küstenwälder Westafrikas. Bald darauf erlangten die Araber die Herrschaft über die Küsten im Nordwesten. Am Hofe Ganas lebten muslimische Berater, die sehr viel Handel betrieben. Ende des 11. Jahrhunderts wurde Gana von den Almoraviden – eine kriegerische Glaubensbewegung besiegt. Im selben Jahrhundert entfesselten die Almoraviden einen Heiligen Krieg. Diese teilten sich dann in zwei Gruppen die jeweils nach Norden und Süden marschierten und 1076 die Hauptstadt Ganas völlig zerstörten. 1240 wurde die Macht vom Volk Mali in diesem Gebiet wieder erlangt. Seinen Höhepunkt erreichte Mali unter dem König Mansa Musa. Nach 1400 verfiel das Reich und Songhai wurde zum führenden Staat im westlichen Sudan. 1591 brach auch Songhai zusammen und es kam mehr und mehr zum wirtschaftlichen Niedergang und zu ständigen Konflikten. 1 Geschichte Westafrikas. Zugriff am 01.07.05 unter http://www.westafrika.de/wa-geschichte.htm 5 Ausbreitung des Islam Die islamischen Einflüsse konzentrierten sich auf städtische Zentren. Religion wurde hier von einem Teil der herrschenden Klasse und der ausländischen Einwohner ausgeübt. Die nomadischen Kunta – Araber begannen Ende des 15. Jahrhunderts die Lehre des Islams zu predigen. In der Mitte des 16. Jahrhunderts begann die Qadiriyya – Bruderschaft den Islam im gesamten westlichen Sudan zu verbreiten. Während dieser Zeit wandelte sich der Islam von der bloßen Staatsreligion zur Religion des Einzelnen. Dann begann Reform des Islam in der alte Herrschershäuser gestürzt und theokratische Staaten gegründet wurden, wodurch der Islam auch in neue Gebiete eingeführt wurde. 1817 besaßen schließlich nur noch Muhammed und seine Nachfolger die Macht.2 2.3. Politik Zur allgemeinen Politik in Westafrika lässt sich sagen, dass rasche Änderungen politischer, wirtschaftlicher und sozialer Rahmenbedingungen in Staat und Gesellschaft vorherrschen. Des Weiteren besteht eine sehr heterogene Ausprägung von Regierung und Regierungslegitimität. Zeichnend ist auch eine große politische Instabilität, die ein hohes latentes Krisenpotential nach sich trägt. Beispielsweise massive politisch – militärische Krisen und Konflikte, sowie Bürgerkriege, die teilweise durch die Flüchtlingsproblematik entstehen. Eine entscheidende Rolle für die politische Instabilität spielt auch die Zunehmende Verbreitung des Islam und sicherheitspolitisch vor allem im Rahmen der ECOWAS, die Dominanz Nigerias. Entwicklungspolitisch gesehen, stellt die Massenarmut und die zyklischen Ernährungskrisen in den Sahelländern ein großes Problem dar. Ebenso das 2 Microsoft Encarta, 2003. Geschichte Afrikas. 6 Problem des niedrigen Entwicklungsstandes und der daraus bestehenden Gefahr der Abkoppelung von der internationalen Kommunikations- und Informationsentwicklung. In der westafrikanischen Hegemonialmacht Nigeria beispielsweise, gibt es nach vorausgegangener Militärdiktatur wieder eine Demokratie unter dem Präsidenten Obasanjo. Jedoch besteht schon erneut die Gefahr des Auseinanderbrechens oder eines neuen Militärputsches. Das Hauptproblem dieses Landes ist die gewachsene Massenarmut, die unzureichende Klärung der Verteilung der Öleinnahme auf Bund und Herkunftsregionen und ein hoher Sittenverfall. Dadurch nehmen die ethnischen – religiösen Konflikte immer mehr zu. Nigeria stellt einen wichtigen Herkunfts- und Umschlagsplatz der organisierten Kriminalität (Drogen, Prostitution, Erpressung) dar. Ghana und Benin sind seit Anfang der 1990er Jahre auf demokratischen Kurs. Nach den turbulenten Umsturzjahren 1999/2001 und nach einer Versöhnungskonferenz unter den Hauptprotagonisten ist die Cote d´Ivoire (Westafrikanische Vormacht der Frankophonen) wieder auf einen Stabilitätskurs zurückgekehrt. Die wirtschaftliche und politische Lage in Togo befindet sich wegen der Unnachgiebigkeit des Diktators Eyadema zwischen Stillstand und Katastrophe. Die Konfliktländer der Mano River Union – Sierra Leone sind nach einem Jahrzehnt Bürgerkrieg seit kurzem befriedet. Guinea hingegen schreitet wegen des starrsinnigen Präsidenten Lansana Conte politisch instabil zurück. Liberia, welches 1989 der Auslöser für die Mano River – Krise war, ist seit 2000 erneut in einen verheerenden Bürgerkrieg zurückgefallen. Die Sahel – Staaten Senegal, Mali, Burkina Faso und Niger sind teilweise erst seit wenigen Jahren in verhältnismäßig stabilen politischen Verhältnissen. Guinea – Bissau leidet heute noch unter den Folgen der jahrzehntelangen Unruhen. Kap – Verden, dem anderen Teil des früheren Portugiesisch – Westafrika wiederum, ist es gelungen geordnete Staats- und Wirtschaftsstrukturen aufzubauen. Gambia stellt wegen des ungelösten Casamance – Konflikts einen „Dorn im Fleische des Senegal“ dar.3 3 Auswärtiges Amt, 2002. Außenpolitische Strategie für Westafrika. Zugriff am 01.06.05 unter http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/infoservice/download/pdf/afrika/westafrika.pdf 7 2.4. Wirtschaft In Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung weisen die afrikanischen Staaten große Unterschiede auf. Es gibt fortgeschrittene Entwicklungsländer neben Ländern fast ohne Industrie in denen die Landwirtschaft den eigenen Bedarf an Nahrungsmitteln nicht decken kann. Insgesamt jedoch leben die meisten Menschen in Afrika von der Landwirtschaft. Zudem entstehen immer wieder große Verluste bei der in den Savannen- und Steppengebieten betriebenen Viehhaltung, durch Dürrekatastrophen. Afrika und damit auch Westafrika ist reich an Bodenschätzen. Die Industrialisierung ist noch relativ gering. Die industrielle Produktion beschränkt sich vielfach auf die Verarbeitung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erdölraffinerie. Außer Nigeria und Cote D´ivoire spielen die westafrikanischen Länder eine äußert geringe Rolle in der Weltwirtschaft und der handelspolitischen Bedeutung. Zu erkennen ist ein niedriges Bruttosozialprodukt und eine oftmals negative Handelsbillanz, die zu hoher Staatsverschuldung führt. Außerdem besteht eine sehr hohe Abhängigkeit von einzelnen Exportprodukten: Erdöl ist das wichtigste Exportprodukt Afrikas (42% aller Exporte). Gold, Diamanten und Metallerze machen 14,5% des Exports aus Afrika aus. Man findet in Afrika etwa 20 - 40% der weltweiten Uranvorkommen, über 80% der Platin-, etwa 40% der Vanadium-, über 80% der Mangan, ca. 50% der Kobalt-, über 80% der Chromit- und etwa 18% der Titanvorkommen. Europa besitzt sehr viel weniger Bodenschätze besitzt als Afrika. Die Verarbeitung oder Weiterverarbeitung von Rohstoffen ist aber in Europa weiter verbreitet. Aus finanziellen Gründen ist dies in Afrika bisher nur eingeschränkt möglich.4 4 Auswärtiges Amt, 2002. Außenpolitische Strategie für Westafrika. Zugriff am 01.06.05 unter http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/infoservice/download/pdf/afrika/westafrika.pdf 8 2.5. Kultur Musik, Tanz und Körperbemalung sind wesentliche Bestandteil der afrikanischen Kultur. Sie haben sich aus der Mythologie und Magie der jeweiligen Völker heraus entwickelt. Der Glaube an die allgegenwärtige geistige Existenz der Vorfahren und an deren aktiver Beteiligung am Dasein der lebenden Generationen führte zur Überzeugung, dass der Lauf der Geschehnisse durch Zauberpraktiken beeinflusst werden kann, zu denen auch Musik, Tanz und Körperbemalung zählen. Diese Kulturelemente dienten jedoch nicht nur dem Ahnenkult, sondern auch einer allumfassenden, intensiven Lebensfreude. Zur traditionellen Musik Trommelrhythmen haben schon immer die Musik und das Leben der Afrikaner bestimmt. Es wird gesagt, dass Rhythmus Vibrationen erzeugt und den Geist erleuchtet. Trommeln dienten zur Übermittlung von Nachrichten und sind das Sprachrohr der Ahnen. Außerdem dient Musik der Belehrung, da die Stammesgeschichten in Liedform überliefert werden. Die Trommel ist das Instrument, das man am stärksten mit afrikanischer Musik verbindet. Es gibt unterschiedliche Formen afrikanischer Trommeln. Neben den reinen Musikinstrumenten sind die berühmten "sprechenden Trommeln" Westafrikas zu erwähnen, deren Formen an Sanduhren erinnern. Mit ihrem erstaunlichen Klangreichtum bieten sie die Möglichkeit, die Laute der lokalen Sprache zu imitieren. Neben den verschiedensten Trommelarten sind Saiteninstrumente weit verbreitet, wie z.B. die 21saitige Kora. Das Ballaphon ist eine Art Xylophon mit bis zu 22 Schlaghölzern und ebenfalls von großer Bedeutung in der Musik Westafrikas. Die Verwandtschaft und starke Verbundenheit von Sprache und Musik wird dadurch deutlich, dass in einigen afrikanischen Sprachen das Wort für "ein Instrument spielen" gleich mit dem Verb "sprechen" ist. 9 Der traditionelle Tanz Der traditionelle Tanz wird bis heute praktiziert. Oftmals erscheinen die traditionellen afrikanischen Tänze als wilde, unkoordinierte Improvisationen der Tänzer. Aber dieses scheinbare Durcheinander folgt vielmehr einem durch Mythologie und Religion festgelegten und verbindlichen Zeremoniell. Die meisten Tänze sind zweckgebunden und werden nur zu bestimmten Anlässen und Zeiten aufgeführt, wie z.B. vor der Aussaat oder nach der Ernte. Darüber hinaus begleiten Tänze die wichtigsten Stationen im Leben der Menschen (Geburt, Initiation, Trauer, Tod) und öffnen den Weg, um mit Göttern und Geistern in Verbindung zu treten. Tanz ist somit auch eine tief religiöse Ausdrucksform. Es gibt unzählige Anlässe, bei denen Rhythmus und Tanz spontan ausbrechen, zum Beispiel auch bei politischen Manifestationen und Protesten! Eines der berühmtesten Tanzfeste ist das prächtige und mitreißende Dama (Fest des Lebens und des Todes) des Dogon-Stammes. Bei diesem mehrstündigen Tanz tragen die Tänzer kunstvolle Masken, die die Gestalt und die Werke des Schöpfers symbolisieren. Diese Zeremonie soll die Vereinigung der Seelen der Toten mit denen ihrer Ahnen bewirken und die Verbindung zwischen Gott und den Menschen bekräftigen. Obwohl es gelungen ist, althergebrachte Traditionen zu bewahren, stellt der Kontakt mit der Moderne eine Bedrohung für die afrikanische Identität dar. Im Film von Gordian Troller wurde besonders der Kontrast zwischen den traditionellen Tänzen in den Dörfern auf der einen Seite und den modernen, westlichen Tänzen in den Städten auf der anderen Seite hervorgehoben. 5 Es wurde deutlich, dass durch die kulturfremde Musik, die in den Diskotheken der Städte gespielt wird, die innere Verbindung zum Tanz fehlt – die Jugendlichen wirkten auf der Tanzfläche in einer gewissen Weise „fehl am Platz“ und irgendwie „verloren“. Der Ausdruck von Gefühlen wie beim traditionellen Tanz fehlte völlig. 5 Anke Christine Lerch (Konrad-Adenauer-Stiftung) http://www.kas.de/publikationen/2001/2663_dokument.html 10 Körperbemalung Körperbemalungen können zur Verzierung des Körpers oder aus religiöskultischen Anlässen heraus erfolgen. Rot, weiß und schwarz besitzen kultische Bedeutungen. Rot symbolisiert Kraft und Leben. Daher wird rot auch als Kraftspender auf kranke Körper aufgetragen. Weiß ist die Farbe des Todes und der Geister, die aufgetragen wird, um mit ihnen in Verbindung zu treten. Schwarz ist die Farbe der Dämonen. Die Farben werden aus verschiedenen Erden, Ton, Pflanzenteilen, Asche und Blut hergestellt. Traditionelle Kunst aus Westafrika Traditionelle afrikanische Kunst ist untrennbar mit Kulthandlungen, Mythologien, Festen und Ritualen verknüpft. Sie verwebt das menschliche Dasein mit der Welt der Ahnen, der Götter und Dämonen. 6 Religionen in Westafrika Die Bevölkerung mehrerer Staaten Westafrikas ist in ihrer Mehrheit muslimischen Glaubens. In Senegal, Mali und Gambia beträgt der Anteil der Muslime über 90%, in Guinea Conakry sind es rund 85%. Grob gesagt, lässt sich beobachten, dass je weiter man nach Süden kommt, der Anteil der Muslime an der Bevölkerung abnimmt. Dort, wo der Muslimanteil geringer ist, ist der Anteil derjenigen, die sich zu traditionellen afrikanischen Glaubensrichtungen bekennen, entsprechend höher. Christen stellen in keinem Land Westafrikas die Mehrheit. Diese Verteilung ist unter anderem Folge der verschiedenen Missionierungsbewegungen. Die islamische Missionierung erfolgte von Norden, von den nordafrikanischen arabischen Ländern her, während die christliche Missionierung mit der Kolonialisierung "auf dem Seeweg" über die Küsten erfolgte. Dementsprechend fanden sich christliche Gemeinden 6 Alle Länder dieser Erde. Band 2, Sonderausgabe in 2 Bänden, Reader´s Digest (Hg), Bertelsmann, Gütersloh/München, 2001, S.908 f. Gute Unterhaltung @ www.derclub.de 11 ursprünglich überwiegend in Küstennähe. Im Laufe der Jahrhunderte hat hier jedoch auch eine Vermischung stattgefunden. Elemente traditioneller afrikanische Glaubensvorstellungen haben sich sowohl im Islam als auch im Christentum erhalten. So wird oft gesagt, dass in Senegal die Bevölkerung aus 95% Muslimen, 5% Christen und 100% Animisten bestehe. Traditionelle afrikanische Mythen und muslimische oder christliche Religion werden miteinander verwoben, ohne dass hierin ein Widerspruch gesehen wird, sodass sich der Islam in Westafrika etwas anders entwickelt hat, als in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens. Friedliches Zusammenleben und religiöse Toleranz prägen den Umgang zwischen den Religionen in den Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung wie Senegal, Mali und Gambia. Dies bedeutet aber nicht, dass in diesen Ländern der Islam von den Gläubigen weniger ernst genommen würde, er wird nur anders praktiziert.7 2.6. Familienstruktur Der Begriff Familie bezog sich in alten Zeiten in Afrika auf ein ganzes Dorf, heutzutage jedoch auf einen Familienclan. Afrikas besonders in den ländlichen Gebieten Afrikas sind Großfamilien üblich. Die Machtstrukturen richten sich nach Alter, Geschlecht und Status innerhalb des Clans. Auch zu heutigen Zeiten noch wird in Afrika an vielen Traditionen festgehalten. Viele Hochzeiten werden von den Eltern arrangiert. In Verhandlungen wird der Preis festgelegt, den die Familie des Bräutigams zu zahlen hat, um die Braut auszulösen. Mit der Hochzeitszeremonie und dem dreitägigen üppigen Fest, wird die Ehefrau in den Clan des Mannes 7 Quelle: Anke Christine Lerch (Konrad-Adenauer-Stiftung) http:// www.kas.de/ publikationen/ 2001/ 2663_dokument.html 12 aufgenommen. Ist der Brautpreis zu hoch, was nicht selten vorkommt, einigen sich viele auf eine eheähnliche Gemeinschaft. Alle Kinder die so vor einer Hochzeit geboren werden, gehören nach altem Recht dem Vater der Braut an. Nach der Zahlung des Brautpreises und der Hochzeit werden aber auch alle unehelichen Kinder dem Bräutigam zugeschrieben. In seltenen Fällen kann es zu einer Scheidung kommen. Dann muss die Familie der Frau den Brautpreis zurückzahlen und die Frau verliert ihre Kinder, die immer beim Vater bleiben. Es ist durchaus üblich, dass ein Mann mehrere Frauen heiratet. Er bewohnt ein separates Haus, während sich die Frauen eines teilen. Frauen wird traditionell nur ein sehr geringes Maß an Autorität zugeschrieben. Sie sind verantwortlich für die Beschaffung oder den Anbau von Nahrungsmitteln und ihre Zubereitung. Die alleinige Führungsgewalt besitzt die Frau nur in ihrer Küche. Die Ehefrauen kümmern sich gemeinsam um die Kinder und teilen die Haushaltspflichten unter sich auf. Die Geburtenziffer liegt in Afrika bei 46 Geburten je 1000 Einwohner jährlich (in Europa dagegen kommen auf 1 000 Personen nur 14 Geburten). Die hohe Geburtenrate entsteht dadurch, dass in Afrika Kinderreichtum immer noch als Garantie für eine Altersvorsorge gilt. In der Familie zu leben bedeutet für viele Afrikaner gerade in den ländlichen Gegenden heute noch, in einer großen Gemeinschaft zu leben in der der Einzelne Halt findet und ohne die er nichts wäre. Diese Grundgedanken werden auch an die Kinder weitergegeben. Sie stehen also im Dienste der Gemeinschaft. Das Familiensystem zeigt eine sehr feste Struktur, in der jeder seine Rechte und Pflichten besitzt die genau definiert sind und über die keiner im Unklaren gelassen wird. Jeder hat seine bestimmte Aufgabe. Das gilt für das Verhalten zwischen Jungen und Alten und auch für den Umgang zwischen den Geschlechtern. Die Kinder erfahren in ihren Familien eine große Zuwendung. Traditionen und wichtige Lektionen werden ihnen von den Älteren weitervermittelt. Die Mutter ist in der ersten Lebensphase 13 die wichtigste Bezugsperson. Die Bedürfnisse der Kleinen Kinder werden befriedigt und inniger Körperkontakt und Zärtlichkeit werden gepflegt. In den vertrauten Netzwerken ist die Aufgabe der Erziehung erleichtert, da die Verantwortung bald auf andere Verwandte und nichtverwandte Personen übergeben werden kann. Die Kinder werden in den Alltag eingeführt und lernen ihre Regeln und Rollen und das Verständnis des öffentlichen Geschehens. Sie wachsen mit vielen Gleichaltrigen und Geschwisterkindern heran und treten früh mit anderen in Kontakt. Gehorsam, Höflichkeit, Ehrfurcht gegen Ältere, Anerkennung von Autoritäten, Unterordnung unter die Gemeinschaft, Teilen von Eigentum und gerechter Umgang mit Anderen wird vermittelt und verlangt. Die Solidarität des afrikanischen Familienlebens, die die Gemeinschaft über das Individuum stellt, ist eine wesentlicher Faktor, warum das Leben der Menschen unter extremen äußeren Armutsbedingungen gelingt, aber auch, warum Menschen mit Ressourcen oft arm bleiben. Es ist z.B. nicht ungewöhnlich, dass ein Verdiener drei weitere Erwachsene versorgen muss. In den Städten und ihrer Gesellschaft liegen hingegen bestimmte Wohn- und Arbeitsverhältnisse vor, die Flexibilität erfordern. Diese greift in das Familiensystem und das gesamte soziale Netzwerk ein und zwar in einer Weise, dass Traditionen und traditionelle Überlieferungen in Frage gestellt werden, bzw. nicht mehr in vollem Maße berücksichtigt werden können. Im städtischen Kontext werden auch in armen und traditionellen Vierteln besonders die Rollen der Geschlechter besonders verändert: Hier zeigt sich, dass Frauen eine immer größere Bedeutung erlangen. Immer öfter werden sie in den Städten zu den ersten Brotverdienern. Das männliche Familienoberhaupt verliert damit seinen Einfluß, übernimmt oft keine Verantwortung mehr in der Familie, ist oft sogar gar nicht mehr präsent. Das wiederum führt zu immer mehr Trennungen in den Städten, und Frauen oder Großmütter ziehen ihre Enkel allein auf. Das Schicksal der Kinder ist hier also stark an das der Frauen gebunden. 14 2.7. Soziales System in Westafrika Moderne soziale Institutionen wie Arbeits-, Kranken-, oder Altersversicherung finden sich zwar in einigen Staaten Westafrikas, sie kommen jedoch nur zu einem kleinen Bruchteil zum Tragen. Bedeutung haben diese Versicherungen und andere Absicherungen wie z.B. die Invaliden- und Hinterbliebenenrente auch meist nur für die im öffentlichen Dienst, oder in Betrieben tätigen. Für die große Masse derjenigen, die überwiegend in informellen Strukturen leben, können Versicherungen meist nicht bezahlt werden, oder aber das Versicherungssystem stößt auf Unverständnis. Hier wirken dann das Familiensystem und das informelle Netzwerk als Instanz der sozialen Absicherung. Medizinische Versorgung und medizinische Probleme Die medizinische Versorgung in Afrika wurde seit dem 2. Weltkrieg stark verbessert, so dass auch die Sterberate zurückging. Sie liegt bei ca. 17 Sterbefällen auf 1000 Personen. Die Geburtenziffer liegt bei 46 je 1000 Einwohner. Durch den Anstieg der Geburtenrate und die niedrige Sterbeziffer wächst die Bevölkerung jährlich um etwa 2,9%. Der Anteil der Bevölkerung unter 15 Jahren liegt bei ca. 43%. Der Anteil der Bevölkerung über 65 Jahren liegt bei ca. 3%. Die Durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen liegt bei 54 Jahren, die der Männer bei 52 Jahren. In Afrika kommt auf 18.500 Menschen nur ein Arzt. Es fehlen ausgebildete Schwestern und Pfleger, und auch hygienische Basiseinrichtungen. Dies schlägt sich immer noch in der Kinder- und Müttersterblichkeit nieder: Säuglingssterblichkeit pro 1.000 Geburten 86 Müttersterblichkeit pro 100.000 Geburten: 1000 Geburten pro 1.000 Frauen im Alter von 15-19 Jahren: 108 Betreute Geburten: 47 Prozent 15 Ein zentraler Punkt ist hierbei natürlich die Unter- und Mangelernährung. In Afrika ist die Trinkwasserversorgung oft katastrophal. Infektionskrankheiten wie Durchfallerkrankungen und Tuberkulose sind häufige Todesursachen. Ein weiterer besorgniserregender Punkt ist die mangelhafte Aufklärung und die daraus resultierenden Aidserkrankungen: Die Anzahl der nach modernen Methoden verhütenden Frauen liegt nur bei etwa 20%. Der Anteil der HIVinfizierten Erwachsnen liegt bei ca. 7%. Das bedeutet, dass über die Hälfte aller weltweit Infizierten in Afrika lebt. Es wird angenommen, dass sich in einigen Staaten Afrikas die Bevölkerung bis 2050 durch Aids deutlich reduzieren wird. 2.8. Schulsystem Durch die französische Kollonialherrschaft haben auch in Westafrika viele westlich geprägte Modernisierungen Einzug gehalten. Das zeigt sich insbesondere auch am Schulsystem. Mit der Gründung von Schulen wurde vielerorts die Schulpflicht eingeführt. Der tatsächliche Anteil der Schulanfänger liegt in vielen Westafrikanischen Staaten aber deutlich unter 50%. In der Altersklasse zwischen 12 und 18 Jahren sinkt dieser Prozentsatz sogar unter die 20% Marke. Den Schülern wird hier eine an westlichen Vorbildern geschulte Bildung übermittelt. Die Frage nach Leistung und die Hervorhebung des Einzelnen stehen dabei im Vordergrund. Für den geringen Prozentsatz (2-3%) derjenigen, die sich in der Schule durchzusetzen vermögen und als die Besten anerkannt werden, stehen in einigen Städten Universitäten zur Verfügung. Deren Ausstattung ist jedoch äußerst dürftig und die Lebensumstände der Studenten liegen meilenweit unter westlichen Standards. 16 Es zeigt sich folgendes Problem Die nach westlichen Standards übermittelte Bildung und damit die Erweckung von Lebensvorstellungen bei Kindern und Jugendlichen ist mit ihrer alltäglichen Lebenswirklichkeit genauso wenig in Einklang zu bringen wie mit den traditionellen Erziehungsidealen der westafrikanischen Völker. Die Autorität der Eltern sinkt mit einer besseren Schulbildung und eines statushöheren Berufes der Kinder im Vergleich zu den Älteren. Auch können oft nicht alle Kinder einer Familie die Schule besuchen, da sie gerade in den ländlichen Gegenden für das Verdienen des Lebensunterhaltes bzw. die Ernährung der Familie dringend benötigt werden. Die Rangfolge in den Familien droht ins Wanken zu geraten, der Respekt vor den Älteren, Weiseren, weicht dem Respekt vor dem „Gebildeten“. 17 3. Inhaltliche Zusammenfassung des Films „Verschult und verschaukelt“, so lautet der Titel von Gordian Troeller über die Kindheit und Erziehung in Westafrika von 1985. Der Film besteht aus drei Sequenzen. Der erste Teil beschreibt das Leben der Konkomba in Ghana / Togo. Der zweite Teil befasst sich mit dem städtischen Leben und der dritte Teil beinhaltet das Erziehungssystem der französischen Kolonialmächte. Die Konkomba sind Bauern, die in Familienverbänden leben. Das dörfliche Leben der Konkomba ist von einer strengen Altershierarchie geprägt, indem jeder Ältere für den Jüngeren verantwortlich ist. Die strenge Altershierarchie wird auch bei der Feldarbeit und beim Dorfrat sichtbar. Bei der Feldarbeit hackt der Älteste rechts und der Jüngste links. Ein kleinerer Junge ist immer anwesend, um kleinere Dienste auszuführen. Beim Familienrat darf sich nur der älteste Sohn an den Dorfältesten wenden und wenn dieser entschieden hat, dass jemand nicht im Sinne der Gemeinschaft gehandelt hat wird das bestraft. Es gibt keine staatlichen Schulen in den Dörfern. Wann immer ein Erwachsener Zeit und Lust hat, wird mit Hilfe von Sagen, Fabeln und Erzählungen unterrichtet. Die Erziehung der Kinder beginnt schon im Mutterleib. Die Schwangere darf im Schlaf von ihrem Mann nicht gestört werden und auch nicht in Diskussionen verwickelt werden. Dies soll dazu beitragen, dass sich das Gefühl von Harmonie und Entspannung auf das Kind überträgt. In den ersten 7 Jahren liegt die Erziehung der Kinder allein bei der Frau. Die Konkomba glauben, dass In Kindern die Ahnen wieder kehren, deren Wesen selbstverständlich respektiert werden müssen. In der Stadt hat sich an den Familienstrukturen trotz dem Islam und den Christen nichts geändert. Auch hier hat jeder seinen festgelegten Platz und Rang. Wie auf dem Dorf ist man hier sehr herzlich und fremdenfreundlich. Autorität wird nicht mit Macht gleichgesetzt und die Kinder werden nicht auf Besitz und individuellen Erfolg getrimmt. Die Lernziele dieser Menschen stimmen mit der Tradition der Gesellschaft überein. 18 Das Erziehungssystem der französischen Kolonialmacht hat das Ziel aus allen Stämmen ein Volk zu machen. Der Erziehungsstil wurde aus den Kolonialzeiten übernommen. Hier müssen die Kinder eine fremde Sprache und Kultur erlernen und werden wie Rekruten gedrillt. Die Schuluniform ist Zwang und wer sich diese nicht leisten kann, kann seine Kinder nicht zur Schule schicken. Diesen Teil machen etwa 50% der Kinder aus. Etwa 15% der Schulanfänger erreichen einen Schulabschluss. Das Ziel der Schule ist es, dass eine Elite gebildet wird. Wer versagt bezieht Prügel, wodurch die Klassengesellschaft gelehrt wird, in der in gut und schlecht unterteilt wird. Der ursprüngliche Zusammenhalt der Gemeinschaft wird damit gestört und Neid sowie Eifersucht entsteht. Die Jugendlichen können auch nicht ins Dorf zurückkehren, da sie die Feldarbeit verlernt haben und die Regeln der Gemeinschaft nicht akzeptieren. Die versprochene Zukunft durch einen Abschluss erfüllt sich nicht und somit können gerade einmal 1/10 der Absolventen Arbeit bekommen. Somit werden durch die Schule die Landflucht und die Arbeitslosigkeit gefördert. Der Verfall der Kultur und einstigen gesellschaftlichen Werte ist folglich vorprogrammiert. Es gibt keine Spontanität und Herzlichkeit mehr. Troeller beendet diesen Film mit dem Zitat:“ schwarze Seelen hinter weißen Masken - wohl eher entseelte Schwarze. Verschult und verschaukelt.“ 19 4. Literaturverzeichnis Alle Länder dieser Erde. Band 2, Sonderausgabe in 2 Bänden, Reader´s Digest (Hg), Bertelsmann, Gütersloh/München, 2001, S.908 f. Zugriff am 05.06.05 unter Gute Unterhaltung @ www.derclub.de Anke Christine Lerch (Konrad-Adenauer-Stiftung) http:// www. kas.de /publikationen/ 2001/2663_dokument.html Auswärtiges Amt, 2002. Außenpolitische Strategie für Westafrika. Zugriff am 01.06.05 unter http:// www. auswaertigesamt. de/ www /de/ infoservice/ download /pdf/afrika/westafrika.pdf Das Länderlexikon, 1999. Bertelsmann-Verlag München. Geschichte Westafrikas. Zugriff am 01.07.05 unter http://www.westafrika.de/wageschichte.htm Lerch, Anke Christine (Konrad-Adenauer-Stiftung) http:// www.kas.de/ publikationen/ 2001/ 2663_dokument.html Microsoft Encarta, 2003. Geschichte Afrikas. Zugriff am 01.06.05 20