Manfred Pittioni 070236 VO Mittelalter 2 SS 2012 26.4.2012 Das Mongolenreich, die Seldschuken und das Erstarken des Osmanenreiches Einleitung Durch die großen Migrationsbewegungen der verschiedenen Turkstämme und der mongolischen Expansion zwischen 1200 und 1500 geraten zwei Systeme in Konflikt - das agrarische bzw. die Stadtkulturen und die Nomadenideologie. Kennzeichen der Wirtschaft: Viehhandel und Warenhandel. Ost-West und NordSüd Achsen. Rolle der Fernkaufleute und Bedeutung des Luxushandels. Die Italiener und erste Ansätze von Welthandel. Im östlichen Mittelmeerraum entstehen zwischen 1200 und 1500 neben den Großreichen der Mongolen einige wichtige Herrschaftsgebiete, die Mameluken, die Seldschuken und die Osmanen Mameluken In Ägypten und Syrien herrschten von 1171 – 1250 die Ayyubiden ( Salah ud- din als prominentester Vertreter). Dann von 1250 – 1517 die Mameluken. Mameluken ermorden den letzten Ayyubiden, Turanschah, und ergreifen die Macht. Erster Sultan Aybek. 1250 – 1390 Bahrī – Mameluken – Kasernen auf der Insel ar – Rawda im Nil. Erster Sultan Aybak 1382 – 1517 Burği – Mameluken – Kasernen in Türmen (burğ), der Zitatelle – Zirakssier. Aufbau eines einmaligen Militärsystems mit gekauften Sklaven, die in jungen Jahren von Agas, ihren Lehrmeistern, im Kriegshandwerk, aber auch in der Verwaltung ausgebildet wurden. Dann wurden sie nominell freigelassen und konnten im Staatsdient Karriere machen. Sie bildeten aber auf Grund ihrer militärischen Stärke und ihrer Vernetzung in Großfamilien die Oberschicht in Ägypten und Syrien, welche das Land beherrschten (in Ägypten bis Napoleon!) Mamluk = arab. „eigen, zugehörig, im Besitz befindlich“. Ursprünglich Militärsklaven der Kalifen in Bagdad. Eine in der Geschichte einmalig Sklavenoligarchie, deren Oberschicht ursprünglich aus gekauften Sklaven bestand. Ihre historische Leistung bestand darin, ein Machtvakuum nach dem Niedergang des Abbasidenreiches auszufüllen, nach der Eroberung durch die Osmanen 1517 bestimmten die Mameluken immer noch die Politik im Nordosten Afrikas. Sie beendeten die Präsenz der Kreuzfahrerstaaten in der Levante. Ägypten wurde das machtpolitische Zentrum für die Islamisierung weiter Teile des östlichen und zentralen Afrikas. Es wurden in dieser Kulturepoche viele geistige Werte der Antike, der islamischen Kunst erhalten und in der Baukunst Werte geschaffen, die Kairo neben Damaskus und Konstantinopel zu den schönsten Städten der damaligen Welt werden ließ. Dieses halbe Jahrhundert der Fremdherrschaft und der Unterdrückung ist einer der Gründe, warum das gesteigerte Nationalbewusstsein der Araber entstanden ist, die Uneinigkeit der arabischen Welt und der teilweise Verlust der arabischen Identität Ägypten. Gleichzeitig war es eine Epoche der Staatskunst, einer perfekten Verwaltung, in der ehemalige Sklaven eine Militärstruktur schufen, die sich in Europa erst später entwickeln sollte. (Stehendes Heer, Disziplin, taktisches Zusammenwirken zwischen Reitern und Infanterie) 1250 Sieg der Mamelucken über die Kreuzritter bei Damiette (Ludwig der Heilige) 1260 Sieg über Mongolen bei Ain Dschalut ab 1517 Osmanenherrschaft in Ägypten. (Sultan Selim II). Gründe für die militärische Niederlage: Mameluken haben die Modernisierung mit Feuerwaffen verpasst. B. Seldschuken Seldschuken (Salğuqen) - Name vom Stammesführer Seldschuk. Oghusische Türken aus Zentralasien. Ursprünglich Schamanenenreligion. Erste türkische Staatsgründer in Asia Minor. Hinterließen ein großartiges Kulturerbe (Architektur, Dichtung und Kunsthandwerk). Nehmen Islam (Sunna in Hanefitischer Richtung) und persische Kultur an, Arabisch für Religion Recht und Wissenschaft, Persisch für Hofsprache und Dichtung, Türkisch für Alltagssprache und Kommandosprache. Tugrul Beg, 1038 – 1063 unterwirft Khalifen in Bagdad, wird 1055 erster Sultan. Sultan Alp Arslan schlägt byzantinischen Kaiser Romanos IV bei Mantzikert 1071. Frühes 12. Jahrhundert Seldschukenherrschaft von Afghanistan bis Libanon und Anatolien, nicht aber Ägypten. Sog. Großseldschuken (Iran mit Hauptstadt Isfahan, Irak, Syrien) und Rumseldschuken mit Hauptstadt Konya. 1064 -1092 Wesir Nizāmalmulk („Ordnung des Reichs“) in Bagdad. Eigentlich Abu Ali al Hassan, geboren 1018 in Rādkān in Khorassan. Hauptwerk Siyāsatnāma Buch der Staatskunst. Zur Zeit Nizams gab es drei Khalifate – Abbasiden – Fatimiden und Cordoba Abdurrahman III. Ermordet von Assassinen 1092 auf dem Weg von Isfahan nach Bagdad. 1242 Schlacht bei Köşe Dağ – Mongolen unterwerfen Seldschuken. Die seldschukische Kultur, Baukunst, höfisches Zeremoniell, Bürokratie werden dann von den Osmanen übernommen. C. Mongolen Nomadische Lebensweise hat in Asien eine Tradition, die bis in die Urgeschichte zurückreicht. Diese wurde durch die geographischen, ökologischen und klimatischen Bedingungen determiniert. Der Mangel an fruchtbaren Böden in Mittelasien, an Wasservorkommen und die verkürzten Wachstumsperioden der Pflanzen verhinderte Ackerbau in großem Stil und zwang sie zu nomadischer Viehzucht, der Teilerschließung von Wüsten und forderte eine weit gefächerte Kommunikation. Die nomadische Viehzucht ermöglichte eine einfache Bedürfnisbefriedigung der Menschen, Agrar- und Gewerbe Produkte mussten durch Tausch, Raum und Krieg erworben werden. Die Hauptform der sozialen Organisation war der kören, der Kreis, der ein kollektiver Schutzverband der Familie und der Stämme war. Die Religion war schamanisch, also sehr naturverbunden. Vor ihren Zelten stellten die Mongolen eine sulde auf, einen Speer, der ein Pferdehaarbüschel an der Spitze trug. Dies war ein Symbol ihrer Identität, das immer im Freien blieb und mit seiner Spitze zum Ewigen Blauen Himmel zeigte, den die Mongolen verehrten. Die pferdehaar fingen den Wind, die Sonne und den Himmel ein und übertrugen so ihre Kräfte auf den Krieger. Nach dessen Tod lebte seine Seele in der Geisterfahne. Dschingis Khan hatte ein weißes Pferdehaarbanner für den Frieden und ein schwarzes für den Krieg. Temudschin (1162 – 1227), später Dschingis Khan unterwirft Nachbarstämme, bildet ein starkes Heer. Er baut es auf einer numerischen Struktur auf : 10 Krieger (arbatu), 100 (zagutu), 1000 (mingat), 10.000 (tumen) und löst die Stammesbindungen auf. Es umfasste ca. 100.000 Mann. Seine Stärke lag in der eisernen Disziplin, der taktischen Koordination, der Schnelligkeit und den Überraschungsangriffen und in der guten Belagerungstechnik. Ca. 1220: Dschingis Khan zerschlägt die Herrschaft des Choresm Schah Ala du - Din Mohammad im Iran, der von 1200 – 1220 regierte. 1220 erobert er Transoxanien (Mawarannahr), das heutige China, Zentralasien, Iran, Irak usw. Nach seinem Tod 1227 zerfällt das Reich durch Aufteilung in vier uluse, die von seinen Söhnen regiert wurden. Es waren dies die Reiche Tschagatai, das der Goldenen Horde, Yüan und das Reich der Il-Khane (Il-Khan = Khan des ganzen Landes, Friedens-Khan). Diese Herrschaft dauerte von 1256 – 1355. 1259 erobert Hülagü Khan Bagdad. Ende des letzten Abbasidenkhalifs. Mongolische Il – Khane in Iran, Irak etc. Schlagwort Pax Mongolica – fördert den Handel, unterdrückt Städte und Landwirtschaft. Interessen der mongolischen Steppenbewohner gegen Bauern und Städter. Mongolische Verwaltung mit yasa = Gesetz und yarlıq = Erlässe, beschlossen am kuriltai = große Ratsversammlung. 1260 Mamelucken besiegen Mongolen bei Ayn Ğalūt (Gazza). 1246 reiste der Italiener Giovanni da Pian del Carpine in die Mongolei und schrieb das Buch „Historia Mongolorum quos nos Tartaros appellamus.“ Das europäische Mongolenbild wurde nachhaltig von diesen Reiseberichten, u.a. auch von Marco Polos Beschreibungen geprägt. Ebenso schilderte der Franziskaner Wilhelm von Rubruck seine Reiseindrücke zwischen 1253 – 1255, die ein detailliertes Bild von der mongolischen Lebensweise vermittelten. Die zweite Welle der Mongolischen Eroberungen fand unter Timur (Tamerlan, Timur Lenk) statt. Timur ist Angehöriger eines turkisierten Mongolenstammes in Transoxanien. Er interpretiert seine Herrschaft als Nachfolge Dschingis Khans. Seine Eroberungen umfassen das heutige China, Zentralasien, den Mittleren Osten, Indien, der dringt bis Anatolien vor und schlägt den Osmanensultan Bayezit I. bei Ankara, stirbt 1405. Seine Nachfolger (Babur, Akbar) erobern Indien und gründen das Reich der Groß-Mogule. Zu den Mongolen und ihren Auswirkungen auf Europa Siehe John Darwin, After 1405 – The Rise and Fall of Global Empires. Nach dem Tod Tamerlans 1405 gab es einen historischen Wendepunkt. Timur war der letzte Welteroberer Eurasiens. Nach ihm begannen die Portugiesen und anderer europäische Mächte mit Expansionsbestrebungen. In Darwins Buch wurde Europa und der Westen in einen großen Kontext zu den asiatischen Reichsideen gesetzt – Europa ist dort der „Far West“! 1401 traf Ibn Khaldoun Timur in Damaskus und für ihn war dieser der Retter der arabisch-muslimischen Zivilisation. Timur startete den letzten Versuch, die Teilung Eurasiens in einen Fernen Westen, dem islamischen Mittelasien und den konfuzianischen Osten zu verhindern. Es trat nach den Mongolen ein Machtwechsel vom Nomadenimperium zum besiedelten Staat ein. Timurs Zerstörungen brachten die Machtverschiebung weg vom Zentrum (Zentralasien – Samarkand, Buchara, Shahresabs) zum Far East and Far West = China und Europa. In 25 Jahren hatten die Mongolen mehr Land erobert als die Römer in 400 Jahren. Dschingis eroberte die dichtest besiedelten Teile der damaligen Welt im 13. Jahrhundert, insgesamt 15 Mio. km2. Durch die Mongolenstürme entstand in Europa das Bewusstsein einer von Osten drohenden Gefahr und es entstanden zahlreiche Geschichten und Legenden über die „Tartaren“ aus dem Osten. Es gibt Autoren, (Jack Weatherford, Genghis Khan and the Making oft he Modern World, New York 2003), welche die Mongolen als Wegbereiter der Moderne ansehen. Durch sie wurden: - Die slawischen Stämme Russlands vereint - Chinas Sung Dynastie mit den mandschurischen Jurchen, den Tibetern und den Uighuren vereint - Korea und Indien geschaffen Die Mongolen kannten kein Feudalsystem, in dem nur das aristokratische Geburtsrecht zählte und schätzten das auf Loyalität beruhende Erfolgsprinzip des Einzelnen. Sie eröffneten Fernhandelsrouten, schufen ein funktionierenden Postsystem, machten Volkszählungen. Die Schätze der eroberten Städte verblieben nicht beim Herrscher, sondern wurden unter die Krieger verteilt. Ferner schufen sie ein internationales Rechtssystem und betonten ihre universelle Religionsfreiheit. Die Mongolen waren keine Handwerker, Gelehrte oder Erfinder, wirkten aber als Katalysator, da sie aus den eroberten Regionen die Handwerkskunst, das Wissen und Kulturgüter weiträumig übertrugen. So findet man persische Baukunst in Timurs Reich, später in Indien. Deutsche Bergleute wurden nach China gebracht, chinesische Ärzte in den Iran. Aus China gelangten Nudeln, Tee, Spielkarten, Seidenraupen und Papiergeld nach Europa. Eine entscheidende Erfindung mit globalen Auswirkungen entstand durch die Mongolen – die Kanone! (Europäische Gusstechnik, chinesisches Pulver und muslimisch-byzantinische Flammenwerfertechnik). Für die Europäer gesellt sich schließlich durch die Kenntnis des Landfernhandels die Entdeckung des Seewegs als Mittel zum Güteraustausch zwischen fernen Märkten, was wiederum den Horizont nachhaltig veränderte. Langfristige Mythen der Mongoleneinfälle: - Iraner beklagen heute noch die Zerstörung des Bewässerungssystems - Irakis beklagen 1258, die Zerstörung Bagdads - Taliban und Saddam Hussein vergleichen USA mit Mongolen Ab ca. 1340 wird die Mongolenherrschaft schwach, es entstehen die großen Stammesföderationen in Anatolien, Iran und Irak. Eine davon sind die Ğalāyriden ( 1338 – 1432), ihr bekanntester Sultan ist Führer Hasan Buzurg in Bagdad. Die anderen großen Stammesföderationen: - 1468 Qarā Qoyonlu (Schwarze Schafe) – Schiiten in Anatolien und dem Iran Im Iran entstanden im 15. Jhdt. Die so genannten KizilbaşBruderschaften, die sich auf die Lehren des Safi al Din Ardabili (1252134) stützten. Ab 1500 herrschen im Iran die Safawiden, deren Führer Ismail sich zum Schah krönte. Ferner gab es noch die Föderation der- Aq Qoyunlu (Weiße Schafe), 1508 gegründet – Sunniten bei Diyabekir und Iran D. Osmanen Ursprünglich Nomadenstamm aus Zentralasien (Oghusen), benannt nach Gründer Osman. Im 15.Jahrhundert verschwindet das Reich der Seldschuken in Anatolien allmählich, es entstehen eine Anzahl von „Beyliks“ = Kleinfürstentümer. Isfendiar, Tekke, Menteşe, Saruhan, Osmanen etc. Bekannteste: Qarāmāniden mit Hauptstadt Konya. „Reichsgründer“ Osman um 1300. Wird Sultan und besiegt nach und nach Kleinfürsten in Anatolien. Erstarken der Herrschaft der Osmanen durch Kontakt zu Byzanz und den Italienern. Übergang von Stammesstrukturen zu zentralstaatlichen – Sultan und seine Verwaltung bestimmen Politik, die Stammesclans verschwinden. 1326 Sultan Orhan, Sohn von Osman in Bursa (erste Hauptstadt). „Reichsgründer“ Osman um 1300. Wird Sultan und besiegt nach und nach Kleinfürsten in Anatolien. Übergreifen auf das europäische Ufer 1353 bei Cympe. 1360 – 1398 Murad I. Adrianopel (Edirne) wird 1366 zur zweiten Hauptstadt. 1370 – 1405 Timur in Anatolien. 1398 – 1405 Osmanensultan Bayezit I. Siege über Serben 1389, Byzantiner und Bulgaren 1393. 1444 ungarische Niederlage bei Varna. („Kreuzzug“). 1453 Mehmet der Eroberer – Fall von Konstantinopel. Landet 1481 bei Otranto. Osmanen erobern Balkan und griechische Inselwelt und werden Großmacht. Die Sultane erreichen es, dass aus einem nomadischen Verband ein zentraler Staat wird, der einerseits strenge Regeln einhält, jedoch andererseits flexibel genug ist, sich veränderten Verhältnissen immer wieder neu anzupassen. Die Stützen des Staates sind: Der Sultan als autokratischer Alleinherrscher Der Islam sunnitischer Prägung, Sultan trägt den Khalifentitel Das Heer, das zentral organisiert ist und fix besoldet wird Die Beamtenschaft, ins besondere eine ausgefeilte Finanzbürokratie Die relative Autonomie der vielen ethnischen Volksgruppen und Religionsgemeinschaften (Millets) Die Schaffung einer Identiät „Osmanen“, welche sich anderen Völkern überlegen fühlen. „Türke“ wird in der osmanischen Terminologie für die anatolischen Nomaden verwendet! Allerdings verwendet Europa immer den Begriff „Türken.“ Es entsteht im Osmanischen Reich ein ausgeprägtes Überlegenheitsgefühl gegenüber dem Westen (Siehe Mustafa Ali`s Counsel for Sultans). Auch das hellenistische Erbe wird für den Islam reklamiert. Sultane bezeichnen sich als Nachfolger der byzantinischen Kaiser. Der Literat Taşköprüzadeh (gest. 1554 in Istanbul) schrieb eine Enzyklopädie der Wissenschaften und für ihn waren u.a. nur vier Sprachen von Bedeutung, nämlich arabisch, persisch, hebräisch und aramäisch. Griechisch und Latein betrachtete er als tote Sprachen. Jedoch machte sich auch im Islam ein Puritanismus breit, der alles über die Glaubenspraxis definierte. Etwas Literatur (Überblicksdarstellungen): Brandes Jörg – Dieter, Die Mameluken, Aufstieg und Fall einer Sklavendespotie, Wiesbaden 2007. Fischer Weltgeschichte – Zentralasien, Frankfurt 1966. Faroqhi Suraiya, Geschichte des Osmanischen Reiches, München 2000. Hösch, Geschichte der Balkanländer, München 1988. Matuz Joseph, Das Osmanische Reich, Grundlinien seiner Geschichte, Darmstadt 1994. Haarman Ulrich, Geschichte der arabischen Welt, München 1987. Heisig Walter/Müller Claudius, Die Mongolen, München 1989. Lewis Bernard Hsg., Der Islam von den Anfängen bis zur Eroberung von Konstantinopel, 2 Bde. Zürich–München 1981 – 1982. Serauky Eberhard, Geschichte des Islam, Tübingen 2007.