Die Abwesenheit des Werks. Nach Foucault. Tagung vom 17. bis 19.5.2004 Abstracts Prof. Dr. Renate Schlesier (Berlin): Archäologie und Philologie Foucaults Begriff der Archäologie wird zu Beginn mit dem im 19. Jahrhundert entwickelten Konzept einer „philologischen Archäologie bzw. monumentalen Philologie“ konfrontiert, der es darum ging, die Wörter (die schriftlichen Quellen) und die Dinge (die bildlichen Denkmäler) miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Die Anwendung dieses Konzepts noch am Ende des 20. Jahrhunderts wird im Detail an einem Beispiel demonstriert. Daraus ergibt sich, dass eine solche Archäologie das Gegenteil derjenigen Archäologie ist, für deren Durchsetzung auf dem Gebiet der Denksysteme Foucault gekämpft hat. Foucaults programmatische Auffassung von Archäologie im Sinne einer Beschreibung von Monumenten, so zeigt sich, steht im Dienst einer „réécriture“, die sich zu einer interpretatorischen Archäologie verhält wie ein Palimpsest zu einem philologischen Kommentar. Gefragt werden muss jedoch nach den identifikatorischen Elementen, die auch in Foucaults Projekt zum Vorschein kommen, und nach der Auflösung der Differenz zwischen Wörtern und Dingen im Zeichen von Faktizität. Von 1993 bis 2002 Professorin für Kulturwissenschaftliche Anthropologie an der Universität Paderborn. Seit Wintersemester 2002/3 Professorin für Religionswissenschaft am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin. Gastprofessuren in Paris, Jerusalem und Tokyo, sowie in den USA, der Schweiz und Italien. Arbeitsschwerpunkte: Religions-, Wirkungs- und Wissenschaftsgeschichte der Antike, kulturwissenschaftliche Anthropologie, Psychoanalyse und Judentum, Ritualforschung, Kunst- und Kulturtheorien. Buchpublikationen (Auswahl): Kulte, Mythen und Gelehrte. Anthropologie der Antike seit 1800 (1994); (Mit-Hg.) Reisen über Grenzen. Kontakt und Konfrontation, Maskerade und Mimikry (2003); (Mit-Hg.) Mobility and Travel in the Mediterranean from Antiquity to the Middle Ages (2004). Zahlreiche Aufsatzpublikationen Prof. Dr. Wolfgang Detel (Frankfurt): Foucault und die Suche nach großen Strukturen Ziel des Vortrages ist eine Skizze des von Foucault entwickelten wissenschaftshistorischen Programms, die die Stärke, Komplexität und Reichhaltigkeit dieses Programmes deutlich werden lässt. Dazu skizziere ich zunächst die archäologische Ebene des Programms und erläutere, wie die These vom Tod des Subjekts auf harmlose Weise in die Archäologie des Wissens integriert werden kann. Die Kernthese ist, dass es sich um den explanatorischen Tod des Subjekts handelt. Auf dieser Grundlage interpretiere ich den Status und das Verhältnis von Diskursanalyse, Diskursen und Diskursformationen. Es soll deutlich werden, dass erst die Diskursanalyse als methodisches Instrument konkrete historische Formen praktizierter Rede als Diskurse und Diskursformationen erscheinen lässt. Foucault hat sein archäologisches Programm der Wissenschaftsgeschichte allerdings um Machtanalysen und ethische Analysen ergänzt. Einer der wichtigsten Aspekte dieser Erweiterung ist die These, dass Macht und Wissen intim verschränkt sind. Diese These erläutere ich unter Rückgriff auf den Begriff der produktiven regulativen Macht. Damit sollen zugleich die theoretischen Fehleinschätzungen erkennbar werden, die der dekonstruktivistischen Bewegung aus der Perspektive Foucaults zugrunde liegen. Abschließend demonstriere ich an einem konkreten historischen Beispiel, wie fruchtbar das Zusammenspiel von archäologischer, genealogischer und ethischer Analyse für unser historisches Verständnis sein kann. Studium der Klassischen Philologie, Mathematik und Philosophie in Tübingen, Hamburg und Mannheim; Staatsexamen in Klassischer Philologie und Mathematik; Promotion in Philosophie über Platon bei C.F. von Weizsäcker und Rainer Specht; Habilitation in Philosophie mit einer Arbeit über Pierre Gassendi (Physiker und Philosoph des 17. Jh.); Assistent für Philosophie 1973-1978 in Mannheim; 1980 C3-Professur für Philosophie in Hamburg; 1991 Lehrstuhl für Antike Philosophie und Wissenschaftstheorie in Frankfurt/M.; zahlreiche Gastprofessuren in den USA (zweimal Pittsburgh, Princeton, Rutgers, Columbia); 1998-1999 Dekan des FB Philosophie und Geschichtswissenschaften Veröffentlichungen u.a.: Detel, W.: Platons Beschreibung des falschen Satzes im Theätet und Sophistes (Hypom-nemata 36), Göttingen, 1972 Detel, W.: Scientia Rerum Natura Occultarum. Methodologische Studien zur Physik Pierre Gassendis, Quellen und Studien zur Philosophie 14, Berlin, 1978 Detel, W.: Aristoteles: Analytica Posteriora. Einleitung, Übersetzung und Kommentar, von W. Detel. Aristoteles, Werke (hrsg. v. H. Flashar) 3, II; 2 Bd., Berlin, 1993 Detel, W.: Macht, Moral, Wissen. Foucault und die klassische Antike, Frankfurt, 1998 Detel, W.: Davidson und die klassische Semantik, Berlin, 2003 Detel, W./Becker, A. (Hg.): Wissensideal und Wissenskultur bei Platon, Stuttgart, 2002 (mit Beiträgen von C. Rowe, C. Gill, M.-L. Gill, C. Osborne, P. Crivelli, J. Szaif, M. Bordt, P. Stekeler-Weithofer, A. Becker, W. Detel, K. Bringmann, P. Scholz, E. Schütrumpf) Detel, W./Zittel, C. (Hg.): Wissensideale und Wissenskulturen in der frühen Neuzeit, Berlin, 2002 (mit Beiträgen von P. Machamer, W. Detel, D. Garber, B. Bauer, L. Brockliss, M. Biagioli, K. Reichert, E. Reeves, C. Wilson, M. Vogel, A. Becker, C. Zittel, B. Stumpfhaus, W. Neuber, F. Steinle) Zahlreiche Aufsatzpublikationen. Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal (Bielefeld): Das Geheimnis des Nichtdiskursiven Mit dem Diskursbegriff taucht bei Foucault Mitte der sechziger Jahre auch der Begriff des Nichtdiskursiven auf, der – als Umschreibung des Anderen jenseits der Grenzen des Diskurses – bis hin zu den späten Schriften immer wieder zum Einsatz kommt. Sein Gebrauch wechselt allerdings, und er bleibt vage und dunkel: eines der vielen intellektuellen Geheimnisse von Paris. Verfolgt man seine Verwendung systematisch, zeichnet er sich als ein Element der Wahrheitspolitik Foucaults ab, vor allem im Blick auf die marxistische Theorie. Darüber hinaus erweist er sich im Kontext der denkerischen Innovationen und Grenzüberschreitungen Foucaults als Metapher ungelöster theoretischer und methodischer Probleme vor dem Hintergrund der Hauptströmungen der Philosophie der Moderne. Die Klärung des Verhältnisses von Diskursivem und Nichtdiskursivem, so die These des Vortrags, böte einen Schlüssel zur Erklärung sozio-kultureller Ordnungen und somit die Grundlage einer erklärenden Kulturgeschichtsschreibung. Studium der Germanistik, Philosophie u. Slawistik in Bochum; Professuren in Freiburg/Brsg. und Duisburg; Gastprofessur in Graz; seit 2001 Professur für Germanistische Literaturwissenschaft an der Universität Bielefeld. Mithg. der Zeitschrift ‚Der Deutschunterricht’, der Reihen ‚Oldenbourg Interpretationen’ ‚Literaturwissenschaft/Kulturwissenschaft’, ‚Diskursivitäten. Literatur-Kultur-Medien’ und ‚Einführungen Germanistik’ in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft; Hg. der Reihe ‚Historische Diskursanalyse der Literatur’. Veröffentlichungen u.a.: Arbeitsfeld: Materialistische Literaturtheorie, Mithg. (1975); „Schaurige Bilder“ (1978); Kleist: Michael Kohlhaas (1981/1991); Erzählung in der Geschichte (1986); Neue Literaturtheorien. Eine Einführung, Hg. (1990), koreanische Übers. 1994; Zwischen Alltag und Utopie (1991); Neue Literaturtheorien in der Praxis, Hg. (1993); Männerbilder, Hg. (1995); Fremdheiten – Eigenheiten, Hg. (1995), Lektüre-Praxis, Lektüre-Vielfalt, Hg. (1996); Literaturtheorie und Geschichte, Mithg. (1996); Weimarer Republik, Mithg. (1997); Umbrüche, Mithg. (1998), Historische Diskursanalyse der Literatur (1999), (K)ein Kanon, Mithg. (2000), Generationskonflikte in der Literatur, Hg. (2001), Jugend. Psychologie-LiteraturGeschichte, Mithg. (2000). Zahlreiche Aufsätze zu den Forschungsschwerpunkten Literaturtheorie und Fachgeschichte, Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, Gegenwartsliteratur und Literaturdidaktik. HD Dr. Ingo Warnke (Bielefeld): Diskurs und Nichtdiskurs als Kategorien einer Sprachfunktion. Zum Referenzkonzept in der linguistischen Diskursanalyse In der funktionalen Linguistik geht man davon aus, dass sprachliche Einheiten im Hinblick auf kommunikative Effekte konstruiert sind. Als Hintergrund dieser Effekte gelten kognitive, pragmatische, syntaktische und semantische Bedingungen. Die sprachwissenschaftliche Aneignung der Kategorie Diskurs/Diskursivität in der Bedeutung der Foucault’schen Diskursanalyse erweitert die Beschreibung funktionaler Bedingungen der Kommunikation um die Dimension historisch variabler Wissensformationen, also Episteme. Der Bezug kommunikativer Einheiten auf und die Determination durch Episteme weist sprachlichen Äußerungen eine diskursive Signatur zu. So sind die Funktionen sprachlicher Formen etwa im juridischen Diskurs nicht konstant, sondern verweisen auf je unterschiedliche epistemische Voraussetzungen. Dies gilt nicht nur für zentrale Begriffe im Sinne der Begriffsgeschichte, sondern auch für Wortarten mit weniger expliziter Bedeutung, wie Modalverben (z.B. dürfen, sollen) und Quantoren (z.B. jeder, alle), die von der historischen Semantik bisher bei weitem nicht hinreichend berücksichtigt wurden. In der Diskurslinguistik steht im Zentrum der funktionalen Analyse die Identifikation sprachlicher Referenzen auf einen epistemischen Rahmen, mit der die Bedeutung unterschiedlichster Äußerungsformen erst diskurstypisch fixiert wird. Im juridischen Diskurs kommt den Kategorien Diskurs und Nichtdiskurs besondere Bedeutung bei der Kodifizierung von Grundrechten zu. Am Beispiel von Texten des Menschenrechtsdiskurses kann gezeigt werden, wie der Bezug auf ontologische Konstanten des Nicht-Diskursiven (Naturrechtslehre) einerseits mit diskursiven Geltungsansprüchen auf Inkraftsetzung von Menschenrechten (Menschenrechtsbewegung) andererseits vermittelt wird. - *1963 Studium der Germanistik, Musik und Erziehungswissenschaft in Bonn, Hamburg und Kassel 1993 Promotion 1999 Habilitation seit 2000 Hochschuldozent für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Kassel Vertretungen in Saarbrücken und Bielefeld Forschungsaufenthalte GHI Washington, DC/USA und Harvard Law School Cambridge, MA/USA DAAD-Gastprofessur Szeged/Ungarn Ausgewählte Publikationen zur Linguistischen Diskurstheorie Wege zur Kultursprache. Die Polyfunktionalisierung des Deutschen im juridischen Diskurs (1200-1800). Berlin/New York: de Gruyter 1999. Schnittstelle Text: Diskurs. Frankfurt/M. et al.: Lang 2000. Diskursivität und Intertextualität als Parameter sprachlichen Wandels. In: I. Warnke (Hg.), Schnittstelle Text – Diskurs. Frankfurt/M. et al.: Lang 2000, 215-222. Text adieu – Diskurs bienvenue? Über Sinn und Zweck einer poststrukturalistischen Entgrenzung des Textbegriffs. In: U. Fix/K. Adamzik/G. Antos/M. Klemm (Hgg.), Brauchen wir einen neuen Textbegriff? Antworten auf eine Preisfrage. Frankfurt/M. et al.: Lang 2002, 125-141. Texte in Texten – Poststrukturalistischer Diskursbegriff und Textlinguistik. In: K. Adamzik (Hg.), Texte, Diskurse, Interaktionsrollen. Analysen zur Kommunikation im öffentlichen Raum. Tübingen: Stauffenburg 2002, 1-17. Diskurslinguistik als Kulturwissenschaft. In: W. Erhart et al. (Hgg.), Grenzen der Germanistik. Rephilologisierung oder Erweiterung? Stuttgart (DFG-Berichtsband) (i.Dr.). Universales Konzept und partikulärer Geltungsanspruch. Das sprachliche Prinzip der Zweit-EbenenKommunikation in Menschenrechtsdeklarationen. In: W. Klein et al. (Hgg.), Sprache des Rechts. Studien der interdisziplinären Arbeitsgruppe der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Berlin/New York: de Guyter (i.Dr.). Grammatische Formen und ihre kommunikativen Funktionen im Menschenrechtsdiskurs. In: A. Busch und O. Stentschke (Hgg.), Wissenstransfer und gesellschaftliche Kommunikation. Frankfurt/M.: Lang (i.Dr.). Prof. Dr. Ursula Link-Heer (Wuppertal): «La vie des hommes infâmes» «La vie des hommes infâmes», das nicht zur gesellschaftlichen Repräsentierbarkeit gelangende Leben der Niederträchtigen und Gemeinen, stellt Foucault nicht einfach als einen empirischen Gegenstand für das Studium von Exclusionsbedingungen dar, durch das der Forscher die Lücken des Ungesagten und Unbeachteten füllt. Vielmehr hat Foucault das Leben der „Niederträchtigen“ als einen Faszinationstyp eigener Art konstituiert und in eine beunruhigende Nähe zur Literatur, gar der Hochliteratur, gerückt. Dieser andere Umgang mit Mördern, Verbrechern, Gefangenen, hat ihm und seinen Mitarbeitern im Fall «Moi, Pierre Rivière» schärfste Kritik eingebracht: Foucault ästhetisiere das «infâme» bzw. sympathisiere er mit ihm. Dem gegenüber soll in diesem Beitrag der Faszinationstyp «la vie des hommes infâmes» genauer konturiert und auf seine Konstitutionsbedingungen befragt werden. Studium der Romanistik, Germanistik und Philosophie in Bochum, München und Salamanca. Seit 2003 Professorin für Romanistik und Komparatistik (Literaturwissenschaft) an der Bergischen Universität Wuppertal; davor lehrte sie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Bayreuth. Publikationen über Proust und Rousseau, Literatursoziologie, Foucault und die Diskursanalyse (besonders Wechselbeziehungen zwischen psychiatrischen Diskursen und der Literatur), zum Manierismusbegriff, sowie zu spanischen und italienischen Autoren. Derzeitige Arbeitsschwerpunkte Benjamin/Proust/Bergson und der Spanische Bürgerkrieg. Prof. Dr. Stefano Poggi (Florenz): L’hypocrisie spiritualiste de la psychiatrie du Romantisme allemand In den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts scheint die Neurologie eine bedeutende Rolle in der Entwicklung der Biologie der Romantik zu spielen: in der Erforschung des Gehirns und des gesamten Nervensystems kommt die typische romantische Verknüpfung von Empirie und Spekulation am deutlichsten zum Ausdruck. Mit dem Beginn der 30er Jahre wird das Interesse der deutschen Biologen und Physiologen für die Neurologie schwächer. Die Untersuchungen über das Nervensystem im allgemeinen und insbesondere jene über das Gehirn werden zunehmend vernachlässigt. Der Zeitraum von 1830 bis 1870 in Deutschland wird von einem fast allgemeinen Stillstand der Forschung auf diesen Gebieten charakterisiert. Der Kontrast gegenüber der Lage im ersten Viertel des Jahrhunderts ist auffallend. In einer allgemeineren Hinsicht hatte die These eines inneren Zusammenhanges zwischen den Funktionen des Nervensystems einerseits und jenen des gesamten Organismus andererseits breite Anerkennung gefunden. Der Fortschritt der Neurologie schien mit jenem einer allgemeinen Wissenschaft des Lebens (einer „Biologie“) eng verbunden zu sein. Aber, wie bekannt, wird die Entwicklung der „Wissenschaft vom Leben“ in Deutschland seit den 40er Jahren zunehmend von einem entschieden mechanistischen Ansatz geprägt. Die daran anschließende Entwicklung einer elaborierten Sinnesphysiologie gilt als die Hauptbedingung der Entstehung der sogenannten „wissenschaftlichen Psychologie“. Die Erforschung der Sinnestätigkeit wird einer gründlichen Reform untergezogen und ein bedeutender Teil unserer Seelentätigkeit scheint so einer genaueren Kenntnis zugänglich geworden zu sein. Gleichzeitig wird – und zwar im Namen der Exaktheit der Forschungsmethode – auf die Erforschung der Beziehungen der Sinnestätigkeit zur Gehirntätigkeit verzichtet. Erst in den 70er Jahren tritt die neurologische Forschung wieder in den Vordergrund. Einige Ideen der alten romantischen Neurologie scheinen bestätigt zu werden. Es wäre keineswegs eine Übertreibung, wenn man die Erneuerung der neurologischen Forschung in Deutschland mit den 70er Jahren als eine Wiederbelebung vieler Ideen der romantischen Medizin ansähe. Aber das bedeutet auch das Fortleben (oder die Wiedergeburt) jenes typisch romantischen Widerspruchs zwischen Leib und Seele. 1947 in Florenz geboren 1970 Promotion Universität Florenz 1981-1983 Ordinarius f. Geschichte der Philosophie Universität Rom –La Sapienza 1983- Ordinarius f. Geschichte der Philosophie Universität Florenz 1987-1989 Stipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung (Heidelberg und Konstanz) 1994-1995 Stipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung (Konstanz) 1995-2001 Dekan des philosophischen Fachbereichs, Universität Florenz 1996 Gastprofessor f. Geschichte der Wissenschaften, Universität Genf 2001-2002 Stipendiat der Alexander von Humboldt Stiftung (Heidelberg und Konstanz) Veröffentlichungen: - I sistemi dell’esperienza. Psicologia, logica e teoria della scienza da Kant a Wundt, Bologna, Il Mulino, 1977. - Antonio Labriola. Herbartismo e scienze dello spirito alle origini del marxismo italiano, Milano, Longanesi, 1978. - Introduzione al positivismo, Roma-Bari, Laterza, 1987. - Positivistische Philosophie und naturwissenschaftliches Denken, in: S. Poggi/W. Röd, Die Philosophie der Neuzeit, 4: Positivismus, Sozialismus und Spiritualismus im 19. Jahrhundert, München, Beck, 1989, pp. 11-151. - Gli istanti del ricordo. Memoria e afasia in Proust e Bergson, Bologna, Il Mulino, 1991. - S. Poggi/M. Bossi (a cura di), Romanticism Science. Science in Europe 1790-1840, “Boston Studies in the Philosophie of Science”, vol. 152, Dordrecht – Boston – London, Kluwer, 1994, pp. 143-160. - S. Poggi (a cura di), Gestalt Psychology: Its Origins, Foundations, and Influence, Firenze, Olschki, 1994, pp. 3-19. - Il genio e l’unità della natura. La scienza della Germania romantica 1790-1830, Bologna, Società editrice il Mulino, 2000. PD Dr. Achim Geisenhanslüke (Duisburg): Tragödie und Infamie. Literatur und Recht bei Foucault In der Literaturwissenschaft hat das Werk von Michel Foucault ein breites Echo gefunden. Ein Konsens der Forschung besteht darin, dass die Auseinandersetzung mit literarischen Werken in Foucaults Arbeiten der sechziger Jahre eine zentrale Rolle spielt, die Literatur danach aber zunehmend marginalisiert wird. Vor dem Hintergrund verbindet der Beitrag die systematische Frage nach dem Verhältnis Diskurs-Nichtdiskurs mit einem werkgeschichtlichen Interesse. Im Vergleich von Foucaults frühen Überlegungen zum Tragischen aus der Histoire de la folie und späteren Überlegungen zur modernen Justiz im Umkreis von Surveiller et punir gilt das kritische Augenmerk zum einen der Frage, inwiefern der Begriff des Infamen bei Foucault die frühe Auseinandersetzung mit dem Tragischen weiter schreibt. Über das werkgeschichtliche Problem der Kontinuität oder Diskontinuität der Foucaultschen Beschäftigung mit der Literatur hinaus bezieht der Beitrag die Begriffe des Tragischen und des Infamen auf die Frage nach dem Verhältnis des Diskursiven zum Nichtdiskursiven: Inwiefern thematisiert Foucault in der Verknüpfung von ästhetischen und politischen Zusammenhängen das Tragische und das Infame auf eine Form der Erfahrung, die als sprachliche Diskursivform zugleich einen Zugang zur geheimnisvollen Ordnung des Nichtdiskurses bietet; so lautet die Leitfrage des Beitrages, der sich thematisch dem Schwerpunkt 2 zuordnen lässt. Geboren 1965, Privatdozent an der Universität Duisburg-Essen. Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, Germanistik, Romanistik und der Philosophie in Berlin und Paris. Publikation zur Literaturtheorie und zur europäischen Literatur des 17.-20. Jahrhunderts, zuletzt: Der Buchstabe des Geistes. Postfigurationen der Allegorie von Bunyan zu Nietzsche (München 2003) und Einführung in die Literaturtheorie (Darmstadt 2003). Prof. Dr. Philipp Sarasin (Zürich): Sexualität nach Foucault. Ein Forschungsprojekt Michel Foucault bestimmte die Sexualität als eine der zentralen Nahtstellen biopolitischer Regulation. Gegen die Illusion der sexuellen „Befreiung“ gewendet, konzipierte er vor allem in „Der Wille zum Wissen“ (1976) nicht nur das Subjekt, sondern auch den Sex selbst als Effekt von Machtbeziehungen, als, anders formuliert, konstitutive Fiktion moderner Subjektivität. Der „Ankerpunkt des Widerstandes“ gegen das Sexualitätsdispositiv sollten dabei – in bewusstem Plural – „die Körper und die Lüste“ sein, gleichsam unterhalb der Ebene von Subjektivität, wie sie durch das christliche Gesetz oder dann in der Moderne durch das Gesetz des Begehrens konstituiert wird. Ich möchte in meinem Beitrag ein Forschungsprojekt vorstellen, dass auf diese theoretische Ausgangslage reagiert. Das Projekt basiert auf einem Korpus von ca. 5000 Original-Briefen, die in den Jahren 1980-1995 in der Schweiz an die Sex-Ratgeberin Marta Emmenegger in der Boulevard-Zeitung „Blick“ gerichtet wurden, ihre Antwortbriefe sowie ggf. die in der täglichen Kolumne in der Zeitung abgedruckten veränderten Briefe und – vom persönlichen Antwortbrief oft abweichenden – Ratschläge der „Lieben Marta“ in Sachen Sexualität. Grob gesagt, ermöglicht das Korpus drei Analyseachsen: (1.) Die mediale Konstruktion von Sexualität: hier fällt vor allem auf, wie sehr der Sex zum Zentrum und „König“ (MF) der Subjekte gemacht wird, und dass diese unter den Bedingungen der Postmoderne bedeutete, Abweichungen zu inkludieren und jede Rede von Normalität als veraltet zu ironisieren. (2.) Die Antworten Martas und ihre Kolumne sind eine Form medialisierter Therapeutik, die darauf zielt, (post-)moderne Selbstverhältnisse zu erzeugen. Hier kann im Detail nachvollzogen werden, welches die neuen Normen sind, die in der Postmoderne die (Selbst-)Regierung der Individuen ermöglichen soll. (3.) Ein wenig „gegen“ Foucault lassen hingegen die Originalbriefe noch eine andere Lektüre zu: In ihnen spricht ein Subjekt – angerufen von der „Lieben Marta“ – über „sich“ und über „seinen“ Sex. Neben dem Klappern der Diskursmühle, die in diesen Briefen immer hörbar bleibt und die zeigt, wie sehr selbst der Sex als das angeblich „Intimste“ von medialisierten Diskursen strukturiert wird, lassen sie aber noch etwas anderes hören: Ein brüchiges eigenes Leben, das durchaus Züge der Biographien jener haben kann, die Foucault die „infamen Menschen“ nannte, eine Subjektivität also, die nicht ganz darin aufgeht, Effekt zu sein, sondern die als Scheitern, als Grenzerfahrung in den Texten aufscheint, nicht zuletzt, weil sie durch das Subjekt des Unbewussten konstituiert wird. Das ist – erkennbar – in mehrfacher Hinsicht gegen Foucault und mit Lacan gelesen. Ich werde die Frage diskutieren, was mit einem solchen theoriestrategischen Zug „über Foucault hinaus“ für ein empirisches Forschungsprojekt gewonnen werden könnte. Geb. 1956 in Basel, Studium der Geschichte, Nationalökonomie und Philosophie in Basel und Heidelberg. 1990 Promotion, 1990-1992 Postdoc an der Ecoles des Hautes Etudes en Sciences Sociales (Paris); 1992 Special Price des Premio Europeo Amalfi; 1993-2000 Assistent und Lehrbeauftragter am Historischen Seminar an der Universität Basel; 1999 Habilitation in Neuerer Allgemeiner und Schweizer Geschichte an der Universität Basel; seit Oktober 2000 Extraordinarius für Neuere Allgemeine und Schweizer Geschichte am Historischen Seminar der Universität Zürich (Forschungsstelle für Schweizerische Sozial- und Wirtschaftsgeschichte). Wichtigste Buch-Publikationen - „Anthrax“. Bioterror als Phantasma, Frankfurt: Suhrkamp 2004 - Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse, Frankfurt: Suhrkamp 2003 - Reizbare Maschinen. Eine Geschichte des Körpers 1750-1914, Frankfurt/M.: Suhrkamp 2001 - Zusammen mit Jakob Tanner (Hg.): Physiologie und industrielle Gesellschaft. Studien zur Verwissenschaftlichung des Körpers im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1998 - Stadt der Bürger. Bürgerliche Macht und städtische Gesellschaft, Basel 1846-1914, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1997 (2., überarbeitete u. erw. Aufl.; französische Übersetzung: Paris: L’Harmattan 1998) Prof. Dr. Pierre Lantz (Paris): L’expérience, la rationalité, la matérialité A travers la variété de ses recherches et ses changements d’objets, Foucault n’a cessé de travailler à s’affranchir des postulats qui, en France, soutiennent l’enseignement de la philosophie; ces postulats, logocentriques, amènent à récuser qu’on puisse écrire sur «l’expérience de la déraison». Pour Derrida, par exemple, on ne peut faire l’expérience de la folie. Dans la préface de l’Archéologie du savoir, Foucault semble lui concéder qu’il ne peut y avoir d’expérience de la folie: il met «expérience» entre guillemets; mais c’est pour aussitôt rebondir en proposant une théorie de l’énoncé qui élargit la conception derridienne du discours, strictment langagière (avant la phrase qui est le moment le plus élémentaire de l’œuvre, pas de sens et, partant, pas d’expérience, y compris de la folie). Chez Foucault au contraire, la notion d’énoncé, mode d’être singulier, «ni tout à fait linguistique, ni exclusivement matériel», ouvre la voie à l’analyse de pratiques et de dispositifs qui peuvent être aussi bien discursifs que non discursifs. Le rejet du logocentrisme permet de ne plus disqualifier comme impossible l’expérience de la folie, que cette expérience soit singulière ou collective. Ainsi, une unité institutionnelle, le Parti, ou une entité, la société civile ou le marché, qui couvrent de leur rationalité la part d’ombre des activités humaines, lot immanquable de toutes les luttes. Mais comment préciser ce qui est seulement abordé comme nondiscursif sans sortir plus explicitement d’une approche en termes de discours? un recours à l’approche matérialiste était rendu difficile par la confusion, toujours possible, avec la Diamat Pourtant les vocables matérialité et microphysique du pouvoir sont présents chez Foucault pour exprimer comment la raison invente des techniques qui, en multipliant considérablement l’efficacité des pouvoirs, tendent à accroître leur emprise, sans qu’il y ait de sens à se demander s’ils sont raisonnables ou déraisonnables: les techniques de production, les formes de pénalité, le redressement des corps, l’entraînement militaire, tout cela, «c’est un problème de corps et de matérialité». (Dits et écrits I, 1336). Encore faut-il distinguer les divers types de matérialité. D’abord on retrouve chez Foucault l’utilisation d’une conception abstraite de l’espace comme simple situation des énoncés: «Le domaine énonciatif est tout entier à sa propre surface. Chaque énoncé y occupe une place qui n’appartient qu’ à lui.» (Archéologie du savoir, 157). C’est un espace intelligible à la Malebranche. Mais c’est à partir de là que l’on peut expliquer comment les pouvoirs peuvent distribuer les corps, les observer, les surveiller, les discipliner; c’est à partir de l’espace géométrique que l’on peut non seulement concevoir des corps-machines, mais aussi inventer des dipositifs de surveillance qui contrôlent les corps alors que la matérialité de ceux-ci est au contraire vivante. C’est à partir du corps vivant que l’on peut penser trouver entremêlés la part d’ombre des activités humaines et l’usage des plaisirs. Contre le dispositif de sexualité, le point d’appui de la contre-attaque ne doit pas être le sexe-désir mais le corps et ses plaisirs. Ainsi est possible, à travers des textes qui cognent sur ce qu’ils «veulent pas dire» (Archéologie, 27), une analyse des différentes manières d’approcher la matérialité. Agrégé de philosophie, est Professeur émérite de sociologie à l’Université de Paris VIII (Vincennes à SaintDenis). Auparavant il avait été Professeur à l’Université de Franche-Comté. Il a été codirecteur de la revue, L’Homme et la Société. Ses recherches portent sur le symbolisme économique et politique. Principales publications: 1977 Valeur et richesse, Paris, Anthropos.; 1988 L’argent, la mort, Paris, L’Harmattan; 1996 L’investissement symbolique. Prof. Dr. Udo Friedrich (Greifswald): Ordnungsdiskurse der Frühen Neuzeit Die Arbeiten Michel Foucaults haben das Augenmerk auf die Entstehung historischer Ordnungsdispositive gelenkt. Das Aufkommen des modernen Staates etwa geht einher mit der Ausbildung einer immer differenzierter werdenden Disziplinierung auf vielen Feldern des frühneuzeitlichen Fürstenhofes: z.B. in Verwaltung, Recht, Zeremoniell und Militär. Der Prozess ist Resultat eines grundlegenden Wandels politischer Herrschaftspraxis: der Umstellung von Herrschaft auf Regiment. Mehr denn je wird angesichts zunehmend komplexerer Aufgaben eine vorausschauende Planung und Organisation sozialer Kommunikation und Wissensbestände notwendig. Ordnung wird zu einem Leitbegriff der Epoche. Während mittelalterliches Disziplinarschrifttum auf kleine Eliten beschränkt war (z.B. Herrschaft, Monastik), entstehen in der Frühen Neuzeit, auf der Schwelle zum Buchdruck, eine Fülle von Ordnungsschriften, die fast alle sozialen Felder ergreifen und allererst so etwas wie einen Ordnungsdiskurs etablieren. Der Vortrag untersucht am Beispiel des Ordnungsschrifttums diese Frühphase bzw. Gründungsgeschichte diskursiver Formationen im Umfeld des frühneuzeitlichen Medienwechsels (Buchdruck). Geb. 1956; Studium der Germanistik, Philosophie und Publizistik in Münster, Hamburg und München. Promotion. Naturgeschichte zwischen artes liberales und frühneuzeitlicher Wissenschaft. Conrad Gessners „Historia animalium“ und ihre volkssprachliche Rezeption, Tübingen 1995; Habilitation 2000: Menschentier und Tiermensch. Grenzziehungsdiskurse und Überschreitungsphantasmen im 12. und 13. Jahrhundert. Seit 2003 Professor für Deutsche Philologie am Institut für Deutsche Philologie der Universität Greifswald. Forschungsschwerpunkte: Wissensorganisation im Mittelalter; Historische Anthropologie; Kulturtheorie im Mittelalter; Narratologie der mittelalterlichen Kurzerzählung; Literatur und Mythos; Publikationen: [...]das wir selbst künste erdencken [...] Magiediskussion und paracelsisches Wissen im Wagnerbuch, in: Neue Beiträge zur Paracelsus-Forschung, hg. V. Peter Dilg u. Hartmut Rudolph, RottenburgStuttgart 1995, S. 169-193. Metaphorik des Spiels und Reflexion des Erzählens bei Heinrich Kaufringer, in: IASL 21 (1996) S. 1-30. Ordnungen des Wissens (Mittelalter), in: Germanistik als Kulturwissenschaft. Eine Einführung in neue Theoriekonzepte, hg. V. Claudia Benthien u. Hans Rudolf Velten, Reinbek 2002, S. 83-102. Zwischen Utopie und Mythos. Der Brief des Priester Johannes, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 122 (2003), S. 73-92. Udo Friedrich/Bruno Quast (Hgg.): Präsenz des Mythos. Konfigurationen einer Denkform im Mittelalter und Früher Neuzeit. Kolloquium Irsee 2002, Berlin 2004. Prof. Dr. Peter v. Zima (Klagenfurt): Die Anwesenheit des Werkes: Diskurs und Subjekt bei Foucault Foucaults Werk, dessen Anwesenheit stets vorausgesetzt wird, wird häufig mit dem Tod des Autors und der Abwesenheit des Werks verknüpft. Subjektivität wird als eine Fiktion aufgefasst, die sich bei näherer Betrachtung in den sich wandelnden Diskursformationen auflöst. Der Vortrag soll zeigen, dass Subjektivität (als Werk und Autor) stets eine sprachliche Konstruktion ist, die sowohl konstruktivistisch-semiotisch als auch dekonstruktivistisch aufgefasst werden kann. Eine Konfrontation von Derridas Begriff der „Iterabilität“ mit Greimas’ semiotischem Begriff der „Iterativität“ lässt erkennen, dass Subjektivität sowohl als anwesend als auch als abwesend gedacht, konstruiert werden kann. Dies gilt auch für die Autorschaft und ihre Text- oder Werkproduktion. Geboren in Prag. Nach dem Soziologie- und Ästhetik-Studium lehrte er an den Universitäten von Edinburg und Paris Literatursoziologie und Literaturwissenschaft an den Universitäten Bielefeld und Groningen (Niederlande). Seit 1983 ist er ordentlicher Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft in Klagenfurt (Österreich); seit 1998 korr. Mitglied der Österr. Akademie der Wissenschaften. Seine neuesten Publikationen sind: The Philosophy of Modern Literary Theory, London, Athlone, 1999; Theorie des Subjekts, Tübingen, Francke, 2000; Das literarische Subjekt, Tübingen, Francke 2001; Moderne/Postmoderne, Tübingen, Francke, 2001 (2. Aufl.), und La Négation esthétique. Le sujet le beau et le sublime de Mallarmé et Valéry à Adorno et Lyotard, Paris, L’Harmattan, 2002. Prof. Dr. Jürgen Fohrmann (Bonn): Die Möglichkeit (mit Foucault gelesen) von Kritik Der Vortrag will die Frage diskutieren, welche Möglichkeiten der Foucaultsche Ansatz für Konzepte gesellschaftlicher Kritik bietet. Er geht dabei einerseits auf Foucaults Lektüre der Kantischen Aufklärungsschrift und auf die These, Kritik sei, ‚sich nicht derart regieren zu lassen’, zurück; andererseits versucht er die Foucaultsche Emphatisierung des Marginalen mit der Analyse diskursiver Formationen in Beziehung zu setzen. Geb. 1953, Dr. phil., Prof. für Neuere deutsche Literatur und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Bonn. Z. Zt. Auch am Kulturwissenschaftlichen Forschungskolleg „Medien und kulturelle Kommunikation“ (Forschungsverbund Aachen-Bonn-Köln). Arbeitsschwerpunkte: Literaturund Medientheorie, Wissenschaftsgeschichte, Literatur- und Kulturgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts. Letzte Buchveröffentlichungen: Schiffbruch mit Strandrecht. Der ästhetische Imperativ in der ‚Kunstperiode’ , München 1998. Jürgen Fohrmann/Andrea Schütte/Wilhelm Voßkamp (Hg.), Medien der Präsenz. Museum, Bildung und Wissenschaft im 19. Jahrhundert, Köln 2001. Klaus L. Berghahn/Jürgen Fohrmann/Helmut J. Schneider (Hg.), Kulturelle Repräsentationen des Holocaust in Deutschland und den Vereinigten Staaten, New York u.a. 2002. Jürgen Fohrmann/Arno Orzessek (Hg.), Zerstreute Öffentlichkeiten. Zur Programmierung des Gemeinsinns, München 2002. Jürgen Brokoff/Jürgen Fohrmann (Hg.), Politische Theologie. Formen und Funktionen im 20. Jahrhundert, Paderborn 2003. Jürgen Fohrmann/ Helmut J. Schneider (Hg.), 1848 und das Versprechen der Moderne, Würzburg 2003. Jürgen Fohrmann/Erhard Schüttpelz (Hg.), Die Kommunikation der Medien, Tübingen 2004. Prof. Dr. G. Raulet (Paris): Was bringt die Archäologie des Wissens für die Ideengeschichte Es geht mir in diesem Vortrag darum zu zeigen, wie der „diskursive“ Ansatz in der Ideengeschichte Gegenstände des Wissens konstituiert. Ich möchte dies u.a. am Beispiel von Dissertationen dokumentieren, die ich in den letzten Jahren betreut habe. Dabei geht es natürlich auch um die Geschichtlichkeit des Wissens – aber nicht eigentlich um eine Theorie der Moderne und um die Aktualitätsbezogenheit von Foucaults Arbeiten. Agrégation 1973. Professor an der Universität Paris Sorbonne. Publikationen: Chronique de l’espace public. L’Harmattan, Paris 1994; Aufklärung. Les Lumière allemandes. Flammarion, Paris 1995; Kant. Histoire et citoyenneté. PUF, Paris 1996; La caractère destructeur. Esthétique, théologie et politique chez Walter Benjamin. Flammarion, Paris 1997; Marx. Ellipses, Paris 1997; Apologie de la citoyenneté. Ed. du cerf, Paris 1999; Communauté et modernité. L’Harmattan, Paris 1995 (dir. en collab. avec J.M. Vaysse); Die Historismusdebatte in der Weimarer Rpublik. P. Lang, Berlin 1996 (dir. en collab. avec W. Bialas); Jenseits instrumenteller Vernunft. Kritische Studien zur „Dialektik der Aufklärung“. P. Lang, Berlin 1998 (dir. en collab. avec M. Gangl); Walter Benjamin. Ästhetik und Geschichtsphilosophie. P. Lang, Bern 1998 (dir. en collab. avec U. Steiner) Forschungsschwerpunkt: Histoire des idées allemandes (18e-20e siècles): philosophie morale et politique, esthétique Prof. Dr. Michael Winkler (Jena): Disziplin und Selbstsorge – Grenzen der Pädagogik Man könnte Pädagogik als ein Dispositiv begreifen, in welchem Gesellschaften sich im Blick auf den Nachwuchs organisieren, im Feld von Eltern-Kind-Verhältnissen und in institutionalisierten Zusammenhängen. Dabei geht es – nicht nur, aber entscheidend auch – um den Erhalt der Kontrolle, um Durchsetzung der Disziplin an einer Gruppe, die in seltsamer Ambivalenz gegenüber Gesellschaft existiert. Sie ist als ausgeschlossene erzeugt, um eingeschlossen zu werden. Diese Ambivalenz wird in dem pädagogischen Dispositiv produziert und gleichsam positiv gemacht. Wie dies geschieht, muss konkret verfolgt werden. Der Vortrag will dem nachgehen anhand des jüngeren Diskurses um – so in deutscher Sprache – Bildung (in den englischsprachigen Ländern wird hier von education gesprochen). Dieser Diskurs ist in fast allen modernen Gesellschaften zu beobachten und wird empirisch auch international organisiert, beispielsweise durch die OECD und ihr Programme for International Student Assessment. Es geht in diesem Diskurs, so die These, nicht um die Leistungsfähigkeit von Bildungssystemen, sondern um die Etablierung neuer subtiler und sublimer Disziplinarstrukturen. Diese lassen sich in dem Kontext der Veränderungen fassen, denen sich Foucault mit dem Begriff der gouvernementalité angenähert hat. Denn es geht um Techniken der Normalisierung, welche aber mit kulturellen Brüchen und Pluralitäten rechnen und auf diese reagieren. Dazu wird ein neuer Korpus an Wissen erzeugt (oder genauer: arrangiert), wie zugleich auch veränderte Praktiken entstehen. Sie greifen in einer Weise auf Subjekte aus, in welcher deren Selbstsorge so instrumentalisiert wird, dass sie – traditionell gesprochen – Autonomie der Heteronomie preisgeben. Es lässt sich nicht ausschließen, dass darin eine Entwicklung zu erkennen ist, die man als eine Dialektik der Selbstsorge bezeichnen kann; sie geht vielleicht über das hinaus, was Foucault zur Selbstsorge gesagt hat. Insofern stehen die Überlegungen in der Tat unter der Bedingung einer „Abwesenheit des Werks“. Geb. 1953 in Wien, Studium der Pädagogik, Germanistik, Geschichte und Philosophie in Erlangen. 1979 Promotion, 1986 Habilitation; 1989 Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 1987-1988: Prof. f. Allgemeine Pädagogik an der Hochschule der Künste in Berlin und 1989 an der Universität Kiel. Seit 1992 Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik und Theorie der Sozialpädagogik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena; 1996 Ruf an die Universität Göttingen (Nachfolge Klaus Mollenhauer) abgelehnt. Gastprofessuren an den Universitäten Graz und Wien. Lehraufträge an Hochschulen in Deutschland und in der Schweiz. Wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkte - Pädagogische Grundlagenforschung. Theorie und Geschichte der Erziehung. Forschungs- und Editionsprojekt zu Friedrich Schleiermacher - Pädagogische Zeitdiagnose (Arbeiten u.a. zu Problemen der Postmoderne), Kritik aktueller Entwicklungen der Pädagogik - Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen - Theorie der Sozialpädagogik - Jugendhilfe, insbesondere stationäre Hilfen (Heimerziehung) Bildungsforschung: Ausbildungsfähigkeit von Schülern, Leseforschung Buchveröffentlichungen: Geschichte und Identität. Versuch über den Zusammenhang von Gesellschaft, Erziehung und Individualität in der „Theorie der Erziehung“ Friedrich Daniel Ernst Schleiermachers. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 1979 Stichworte zur Antipädagogik. Elemente einer historisch-systematischen Kritik. Stuttgart: Klett-Cotta 1982; Eine Theorie der Sozialpädagogik. Stuttgart: Klett-Cotta 1988 mit R. Treptow, L. Pluto: Bericht zur Situation der Kinder und den Leistungen der Kinderhilfen in Thüringen. Jena/Greiz 2000 Klaus Mollenhauer – ein pädagogisches Porträt. Weinheim 2002 Herausgeber mit Christian Lüders: Themenheft „Sozialpädagogik“ der Zeitschrift für Pädagogik. 1992 Hrsg. Mit Klaus Vieweg: Fichtes Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten von 1794. FaksimileAusgabe. Jena 1994 Hrsg. Mit E. Liebau, H.W. Leonhard: Pädagogische Erkenntnis. Grundlagen pädagogischer Theoriebildung. Weinheim und München 1995 Hrsg. Mit F. Peters, W. Trede: Integrierte Erziehungshilfen. Qualifizierung der Jugendhilfe. Frankfurt am Main 1998 Hrsg. Mit R. Coriand: Der Herbartianismus. Die vergessene Wissenschaftsgeschichte. Weinheim 1998 Hrsg. Mit H.E. Colla, S. Milham u.a.: Handbuch Heimerziehung und Pflegekinderwesen in Europa. Neuwied und Kriftel 1999 Hrsg. Mit R. Fatke, W. Hornstein, C. Lüders (Hrsg.): Erziehung und sozialer Wandel. Brennpunkte sozialpädagogischer Forschung, Theoriebildung und Praxis. Weinheim und Basel 1999 Hrsg. Mit Jens Brachmann: Friedrich Schleiermacher. Texte zur Pädagogik. Kommentierte Studienausgabe. Zwei Bände. Frankfurt am Main 2000 Hrsg. Mit T. Gabriel (Hrsg.): Heimerziehung. Kontexte und Perspektiven. München 2003 Hrsg. Mit J. Hopfner (Hrsg.): Die aufgegeben Aufklärung. Experimente der pädagogischen Vernunft. Weinheim und München 2003 Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Sammelwerken Weitere wichtige Arbeiten und Veröffentlichungen u.a.: - Expertise für den 10. Jugendbericht der Bundesregierung über ‚Kinder im Heim’ - Expertise zu den Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Sozialisationsverhältnisse in der BRD für die Enquete-Kommission „Demographischer Wandel“ beim Deutschen Bundestag - Wissenschaftliche Begleitforschung zum Ganztagsschulversuch Milda (bei Jena), wissenschaftliche Mitarbeit am 3. Österreichischen Jugendbericht Wissenschaftliche Begleitforschung zur Strukturveränderung der Landesheime Steiermark Prof. Dr. Clemens Kammler (Duisburg - Essen): Die Abwesenheit der Theorie. Zur Frage der Anwendbarkeit des Foucaultschen Diskursbegriffs auf die Literatur Der Stellenwert der Literatur bei Foucault ist widersprüchlich. Auf der einen Seite findet sich ein ontologisierender, emphatischer Begriff von Literatur als „Gegendiskurs“, auf der anderen Seite das historisierende Konzept von der Literatur als Teil jener „diskursiven Praxis“ einer Epoche, die Gegenstand der archäologischen Untersuchung ist. Die Rekonstruktion eines auf den Gegenstand Literatur anwendbaren „Theoriekerns“ wird außerdem erschwert durch die ständige Weiterentwicklung des theoretischen Instrumentariums und durch die „Absenz einer im engeren Sinne literaturwissenschaftlichen Beschreibung“ (S. Wunderlich) im Œuvre Foucaults. In diesem Vortrag geht es darum, am Beispiel der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und vor dem Hintergrund bisheriger prominenter Versuche, die Diskursanalyse für die Literaturwissenschaft fruchtbar zu machen, die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen diskursanalytischer Literaturwissenschaft noch einmal zu stellen. Geb.1952; Professor für Germanistische Literaturwissenschaft und -didaktik. Studium der Germanistik, Philosophie und Sozialwissenschaften in Bochum. Dort Promotion 1984. 1980-1996 Arbeit als Gymnasiallehrer. 1997-2001 Professur an der Universität Bielefeld, seit Ende 2001 an der Universität Duisburg-Essen. Veröffentlichungen, u.a. zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, zur Literaturtheorie und -didaktik. Zu Foucault erschien u.a.: Michel Foucault. Eine kritische Analyse seines Werks. Bonn 1986.