s. auch „Materialien Herzsport“ II.2

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I.4.1
Sport und Alter
-
Belastung und Entspannung
-
Körperwahrnehmung
-
Bewusstes Erleben ungesunden Verhaltens
-
Eigenverantwortlichkeit
Bei der Durchführung von Bewegungsprogrammen können auf verschiedenen Ebenen Wirkungen erzielt werden. Auf den ersten Blick erkennbar
finden Trainingswirkungen bezüglich der motorischen Hauptbeanspruchungsformen Koordination, Kraft, Ausdauer und Flexibilität statt, wobei
die Gewichtungen je nach Angebot verschieden sein können (siehe auch
„Materialien Herzsport“ I.2). Ziel ist die Wiederherstellung oder der Erhalt
der organischen Funktionsfähigkeit.
Neben diesen funktionalen Wirkungen können durch Bewegung und Sport
auch Effekte zur Verbesserung oder Erhaltung einer psychischen, sozialen und mentalen Leistungsfähigkeit erzielt werden (siehe „Materialien
Herzsport“ II).
Auf einer weiteren, nicht auf den ersten Blick erkennbaren Ebene bieten
Bewegungsaufgaben und Spielformen aber auch die Möglichkeit, individuelles, gesundheitsbeeinflussendes Verhalten deutlich zu machen. Dies
erfordert jedoch eine spezifische Auswahl der Inhalte der Herzsportstunde. Den Kursinhalten ist gemeinsam, dass
-
immer das alltägliche Verhalten den thematischen Ansatzpunkt bietet,
-
diesem alltäglichen Verhalten Regeln, Muster und Normen zugrunde
liegen, die bewusst gemacht werden müssen,
-
sich im Umgang mit dem Körper und der Bewegung typische Verhaltensmerkmale spiegeln und andere erfahren lassen.
Die Rolle des Übungsleiters kann nicht mehr nur die des „Vorturners“ und
Anleitenden sein, vielmehr muss die Moderation von Bewusstmachungsprozessen als neue Aufgabe hinzukommen. Damit ist gemeint, dass hier
die (individuellen) körperlichen Empfindungs- und Ausdrucksweisen größere Beachtung finden müssen. In dieser Betonung von Körper- und Bewegungserfahrung sowie der Förderung entsprechender Wahrnehmungsentwicklung liegt der Unterschied zu dem im Sport so selbstverständlichen
und leider meist nur funktionalen Umgang mit dem Körper.
Bewegung und Wahrnehmung werden in diesem Zusammenhang als eine
nicht zu trennende Einheit gesehen: Sich zu bewegen wird somit unter
dem Gesundheitsaspekt nicht nur funktional gesehen, sondern zielt darauf
ab, etwas über sich selbst und seinen Körper zu erfahren. Körperbe-
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wusstsein (wieder) zu entdecken ist für viele Menschen, die ja zum Teil
ein Leben lang „unkörperlich“ in Bezug auf ihren eigenen Körper gelebt
haben oder deren Verhältnis zu ihrem Körper durch die Erkrankung gestört ist (siehe auch „Materialien Herzsport“ II.5), eine neue, bereichernde
und die Persönlichkeit stabilisierende Erfahrung. So ist etwa die bewusste
Wahrnehmung der eigenen Leistungsmöglichkeiten und die Anerkennung
der Leistungsgrenzen in den sich verändernden Dimensionen des Krankheitsverlaufs von großer Bedeutung. Die Schulung der Körperwahrnehmung und Auseinandersetzung mit eigenen Bewegungs- und Verhaltensgewohnheiten setzt Reflexion voraus. Das Sich–Bewusst–Machen eigener
Muster geformten Verhaltens kann der Übungsleiter durch gezielte Fragen
und Gesprächsangebote unterstützen. Die Einbeziehung expliziter Reflexions- und Gesprächsphasen gehört nicht immer zur gewohnten Kursplanung von Übungsleitern im Sportverein und kann deshalb zunächst irritieren.
Reflexions- und Gesprächsphasen (s. auch „Materialien Herzsport“ II.2)
Ein Ziel der Herzsportstunden sollte es sein, die Wahrnehmung auf körperliche Vorgänge und Verhaltensweisen zu lenken und diese bewusst
werden zu lassen. Deshalb ist es wichtig, dass der Übungsleiter die TN in
ihrem Bewegungs- und Spielverhalten beobachtet, um Ansatzpunkte für
ein mögliches Gespräch zu finden.
Da man nicht davon ausgehen kann, dass die Wahrnehmung körperlicher
Vorgänge und das Bewusstsein für bestimmtes Verhalten automatisch
und alleine nur durch die Durchführung der Bewegungsaufgaben sensibilisiert wird, sind einige Vorüberlegungen und Beobachtungen notwendig.
Der Übungsleiter sollte sich deshalb schon bei der Stundenplanung darüber Gedanken machen, mit welchen kurzen Fragestellungen oder Gesprächsangeboten er die TN sensibel dazu motivieren könnte, sich ihre
verschiedenen Empfindungen bei den Übungs- und Spielformen bewusst
zu machen und diese vielleicht zu verbalisieren.
Sicherlich ist zu Beginn eines Kurses, wenn die Teilnehmer noch nicht so
gut miteinander vertraut sind, die Bereitschaft zur Äußerung noch gering.
Deshalb stehen in der Anfangsphase des Kurses themenbezogene Informationsgespräche und verbale Wahrnehmungslenkung im Vordergrund.
Um Reflexion über das Erlebte anzuregen, reicht es zunächst oft, entsprechende Fragen nur in den Raum zu stellen, mit der Bitte an die TN,
diese Fragen für sich selber zu beantworten. Vielleicht entsteht die Situation von ganz allein, dass ein TN sich dazu äußert und sich ein Gespräch
entwickelt. Ein kurzer Abschlusskreis am Ende der Stunde bietet ebenfalls
die Möglichkeit, Fragen noch einmal aufzugreifen. Achten Sie einmal darauf, ob diese Gespräche nicht vielleicht beim anschließenden Umziehen
geführt werden. Beachten Sie bitte auch bei den Gesprächsphasen den
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methodischen Grundsatz, „die Teilnehmer dort abzuholen, wo sie stehen“.
Warten Sie, bis die Gruppe ausreichend miteinander vertraut ist, bevor Sie
ausführlichere Gesprächsrunden initiieren und versuchen Äußerungen
aller Teilnehmenden zu erhalten.
Ideal ist es, wenn die TN über die Übungs- und Spielformen Reaktionen
zeigen und selber Äußerungen formulieren. Diese Reaktionen oder Äußerungen könnten Sie dann aufgreifen und zum Anlass für ein Gespräch
nehmen. Sie übernehmen dabei kurzfristig die Rolle eines "Diskussionsführers", der sensibel und mit viel Einfühlungsvermögen eine Gesprächsphase so zu leiten hat, dass nicht nur eine Person redet, sondern auch
andere, besonders stillere Personen zu Wort kommen.
Achten Sie bitte darauf, dass die Gesprächsphasen zeitlich begrenzt und
damit kurz gehalten werden. Die Gefahr, dass Erlebnisse möglicherweise
zerredet werden, können damit vermieden werden. Wenn Sie merken, die
Mehrzahl der TN hat an dem einen oder anderen Gespräch wenig Interesse, dann versuchen Sie nicht krampfhaft ein Gespräch zu initiieren,
sondern gehen Sie im normalen Kursgeschehen weiter. Und wenn Sie
merken sollten, dass das Interesse der TN bei einem bestimmten Gesprächsthema sehr stark ist, können Sie ja immer noch von der Möglichkeit Gebrauch machen, dieses Gespräch nach der Kursstunde in gemütlicher, geselliger Runde im Vereinsheim oder in der Gastronomie wieder
aufzunehmen.
Belastung und Entspannung – Beanspruchung und Erholung (siehe
auch „Materialien Herzsport“ I.3.2, I.3.3, I.5.2, II.3 und II.4)
Bewegungsangebote zur Thematisierung des Themenkreises Belastung
und Entspannung müssen die individuelle Beziehung des Menschen zu
seiner Umwelt berücksichtigen. Individuelle Stressoren müssen ebenso
herausgearbeitet werden wie persönliche Vorlieben oder Abneigungen bei
Entspannungsmöglichkeiten. Umfassende Stressbewältigung im Sinne
der Stärkung der gesundheitserhaltenden Ressourcen darf sich aber nicht
mit einer der Belastung folgenden psychophysischen Beruhigung durch
Entspannung zufrieden geben. Vielmehr muss sie darauf ausgerichtet
sein, Wege zu neuen Handlungsmöglichkeiten (Verhaltensmustern) zu
eröffnen, die es zukünftig dem Individuum erlauben, individuell belastende
Situationen so zu bewältigen, dass sie nicht mehr wie bisher belastend
wirken. Möglichkeiten zur Kompensation aufgetretener Belastungen, wie
sie etwa Entspannungstechniken, Ruhe-Inseln oder moderates Ausdauertraining darstellen, ergänzen diese angemessenen Verhaltensweisen.
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Körperwahrnehmung (siehe auch „Materialien Herzsport“ I.2.3)
Der Körper wird heute vielfach sehr instrumentalisiert gesehen (der Körper
wird als eine Art Werkzeug funktionell gebraucht, um etwas Bestimmtes
zu erreichen). Ins Bewusstsein rückt er nur dann, wenn er nicht reibungslos „funktioniert“, wenn Beschwerden spürbar werden oder wir durch
Krankheiten eingeschränkt sind. Für Teilnehmer einer Herzsportgruppe ist
charakteristisch, dass sich die „instrumentelle Verfügbarkeit“ über den
eigenen Körper durch die Erkrankung reduziert hat oder zumindest in Frage gestellt ist.
Die Begrenzung motorischer Fähigkeiten ist fast immer mit Gefühlen des
Verlustes und der Beschränkung verbunden. Wird die motorische Einschränkung als Zeichen nachlassender Leistungsfähigkeit generell interpretiert, kann dies in bezug auf das Selbstwertgefühl Krisen und Konflikte
hervorrufen.
Die biologischen und physiologischen Veränderungen erfordern verstärkte
Anpassungsleistungen. In ständigen Lernprozessen muss neu gelernt
werden, wie die Handlungsanforderungen und Lebensaufgaben mit den
sich verändernden körperlichen Gegebenheiten erfüllt werden können.
Unter dem Motto, den eigenen Körper bewusst wahrzunehmen und zu
erfahren, kann ausprobiert werden, wie weit die individuellen körperlichen
Bewegungsmöglichkeiten gehen. Die Erfahrung: „Was kann ich?“ wird zu
einem persönlichkeitsstabilisierenden Moment. Die realistische Einschätzung: „Das kann ich - das kann ich nicht mehr“ ist Basis der Handlungsfähigkeit, der realen Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit und gibt
das nötige Gefühl der Sicherheit, sich auf seinen Körper und damit auf
sich selbst verlassen zu können.
Die (Warn-) Signale des Körpers rechtzeitig zu erkennen und darauf zu
reagieren, stellt ein wichtiges Präventionsinstrument dar. Sich Wohlzufühlen, ein gutes Körperempfinden zu haben und ein positives, angesichts
der Erkrankung realistisches Körperkonzept zu entwickeln bedeutet die
Ausbildung gesundheitsstabilisierender Ressourcen.
Es wurde eingangs erwähnt, dass eine Wahrnehmung des Körpers häufig
nur im Falle von Krankheit oder Verletzung stattfindet. Deshalb soll zunächst der Körper in ganz alltäglichen, unbewusst ablaufenden Situationen intensiv „beobachtet“ und erspürt werden.
Körperwahrnehmungsfähigkeit ist also eine Grundvoraussetzung, um das
eigene körperliche Tun beurteilen zu können. Damit ein Individuum frühzeitig erkennen kann, welche Wirkung eine bestimmte Verhaltensweise
hat und ob eine Situation noch einen positiven (gesundheitsförderlichen)
Leistungsanreiz darstellt oder bereits zu einer belastenden (krankmachenden) (Dis-)Stresssituation geworden ist, ist eine ausgeprägte Körper-
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wahrnehmungsfähigkeit Voraussetzung. Ebenso ist das bewusste Erleben
von physischer und psychischer Entspannung und Erholung Voraussetzung, dieses gesundheitsstützende Verhalten zur Stärkung der Gesundheitsressourcen als festen Bestandteil in den Alltag zu integrieren. Ich
muss spüren, dass ich angespannt bin, um Entspannung als zielgerichtetes Gegenmittel einsetzen zu können. Das Erleben der unterschiedlichen
körperlichen Reaktionen schult diese Fähigkeit und erlaubt es den Menschen, vorliegende Situationen realistisch einzuschätzen und adäquat auf
sie zu reagieren.
Bewusstes Erleben ungesunden Verhaltens
Sind die Voraussetzungen durch die Schulung der Körperwahrnehmungsfähigkeit gegeben, muss das Wissen um die gesundheitsförderlichen oder
gesundheitsbeeinträchtigenden Wirkungen bestimmter Verhaltensweisen
hinzukommen, besser noch, sie müssen bewusst erlebt und als solche
erkannt worden sein. Dazu sollen zunächst individuelle Verhaltensmuster
verdeutlicht werden, innerhalb derer man sich normalerweise in belastenden Situationen verhält.
Allerdings ist das Erleben und Wahrnehmen der typischen Verhaltensweisen erst der erste Schritt (siehe Abbildung). Um eine Verhaltensänderung
zu ermöglichen, muss das (spielerische) Ausprobieren von alternativen
Verhaltensmöglichkeiten (zweiter Schritt) Wege zu gesundheitsbewussterem Verhalten aufzeigen. Der Bezug zur Alltagssituation der Teilnehmenden eröffnet die Chance, dieses Verhalten auf Dauer in den Lebensalltag
zu integrieren. Allerdings liegt der Vollzug des Alltagstransfers (dritter
Schritt) außerhalb der Einflussmöglichkeiten des ÜL ganz in der Eigenverantwortlichkeit der Teilnehmenden.
Wahrnehmen und Erkennen typischer individueller
(gesundheitsgefährdender) Verhaltensweisen
Suchen und Erproben von Verhaltensweisen
Integrieren gesundheitsfördernder Verhaltensweisen in
die individuelle Lebenssituation
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Spiel- und Übungsformen der Herzsportstunde sind vielfältig geeignet,
diesen Prozess der Bewusstmachung und der Modifizierung zu ermöglichen. Ergänzt werden sie durch die Gesprächs- und Reflexionsphasen
sowie Theorie-Inputs, gegebenenfalls auch durch externe Fachleute
(siehe auch „Materialien Herzsport“ I.5).
Eigenverantwortlichkeit
Sollen die Teilnehmer dazu angeregt werden, ein möglicherweise gesundheitsgefährdendes Verhalten zu verändern, spielt auch die Überzeugung eine wichtige Rolle, selbst Kontrolle über die eigene Gesundheit zu
haben oder diese positiv beeinflussen zu können (Selbstwirksamkeit).
Voraussetzung ist das Wissen darum, mit welchen Mittel des Sports und
der Bewegung welche Effekte zu erzielen sind. Die Teilnehmer sollen die
Überzeugung erlangen, dass sie selber aufgrund ihrer eigenen Fähigkeiten und ihres eigenen Könnens in der Lage sind, ihre Gesundheit positiv
zu beeinflussen. Das bedeutet, Überforderungen und Misserfolgserlebnisse sind auch aus psychologischer Sicht zu vermeiden, Erfolgserlebnisse
und positive Verstärkungen auch in subjektiv als schwierig erlebten Situationen sind zu fördern.
BREHM und PAHMEIER haben in einer Studie mit Herzpatienten nachgewiesen, dass Patienten, die in der Reha an einem gezielten Training in
den Bereichen Gehen, Treppensteigen und Heben teilgenommen haben,
24 Wochen nach der Reha-Maßnahme eine deutlich höhere Selbstwirksamkeitsüberzeugung und Aktivität bezüglich des Gehens und Hebens
aufwiesen als die Kontrollgruppe, die nicht an dem Training teilgenommen
hatte.
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