I.4.3 Vermittlung von Verhaltensalternativen in Bezug auf

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Lernziel: Der Übungsleiter kennt die Möglichkeiten von Bewegungsangeboten, das individuelle Gesundheitsverhalten bewusst zu machen, zu hinterfragen und dadurch Prozesse der Verhaltensänderung
bei den Teilnehmenden auszulösen.
I.4.3
Vermittlung von Verhaltensalternativen
in Bezug auf gesundheitsbeeinträchtigendes Verhalten
-
Stress
-
Ernährung
-
Bewegungsmangel
-
Transfer auf Alltagssituationen
Grundlagen – Info
Stress
Ein Großteil der Teilnehmer sieht die eigene Herzerkrankung durch Stress
verursacht. Das Phänomen „Stress“ hat offenbar inzwischen jeden Bereich unseres Lebens erreicht. Es gehört gewissermaßen zum guten Ton,
Stress zu haben. Die individuellen Verhaltensweisen bei dem Versuch,
Stress zu vermeiden oder erlebten Stress zu verarbeiten, können interpersonell sehr unterschiedlich sein. Bewegungsaufgaben und Spielformen
können das persönliche Stressverhalten deutlich machen und Verhaltensalternativen aufzeigen. Die Wahrnehmung psychischer und in der Folge
häufig auch körperlicher Spannungszustände kann durch Körperwahrnehmungsübungen geschult werden (siehe „Materialien Herzsport“ I.2.3,
Praxis I.4.3 P 01, II.4.2). Die Möglichkeiten von Sport und Bewegung können sich auf die Entwicklung einer größeren Gelassenheit und Stressresistenz beziehen, sie bieten aber auch Möglichkeiten bei der Stressverarbeitung und Regeneration (siehe Praxis I.4.3 P 02). Ein ausführliches
Konzept für die Aufarbeitung des Themas „Stress“ im Rahmen einer Bewegungspraxis findet sich bei BECKERS (1992).
Ernährung
Betrachtet man das Thema Ernährung unter dem Gesichtspunkt der Bewusstmachung von gesundheitsrelevantem Verhalten, geht es nicht (nur)
um ernährungswissenschaftliche Fragestellungen, sondern um das Erleben von Verhaltensgewohnheiten im Zusammenhang der Ernährung.
Fehlernährung ist häufig eine Folge einer Störung des inneren Gleichge-
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wichts oder einer Störung der Balance von Energiebedarf und Energieaufnahme, notwendig ist ein Ausbalancieren dieser Störungen. BECKERS
formuliert es wie folgt:
Ernährung und die damit verbundenen psycho-physischen Faktoren weisen ein mehr oder weniger ausbalanciertes Spannungsfeld zwischen
Energieaufnahme und -Bedarf einerseits sowie physiologisch lebensnotwendigen Stoffen und psychologisch bedeutsamen Faktoren andererseits
auf. Das Auspendeln ist dabei nicht ausschließlich von der Waage oder
vom Hineinpassen in bestimmte Kleidergrößen abhängig. Vielmehr spielt
die psychophysische Befindlichkeit eine bedeutende Rolle. Das heißt,
dass ein eventuell aus der Balance geratendes Körpergewicht nicht allein
auf physischen Bedingungen gründet wie etwa erhöhte oder erniedrigte
Kalorienzufuhr oder Bewegungsmangel, sondern ebenso auch in psychischen Umständen seine Wurzeln hat. Dies kann beispielsweise bedeuten,
dass in Zeiten enormer psychischer Anspannung (z.B. vor Prüfungen, bei
tiefgreifenden Auseinandersetzungen in einer Beziehung oder in einem
sehr anstrengenden Beruf) das Ernährungsverhalten sich derart verändert, dass ein Ungleichgewicht zwischen Energiezufuhr und Verbrauch
entsteht. Es lassen sich hieraus allerdings keine allgemeingültigen Verhaltensweisen ableiten: Zum einen kann es dazu kommen, dass man in den
genannten Lebenssituationen selten die Gelegenheit hat, regelmäßig und
mit Genuss zu essen; zum anderen versucht man die schwierige Situation
teilweise über die Ernährung zu kompensieren, indem man sich mit ausgiebigem Essen und Trinken belohnt bzw. verwöhnt. Hier deutet sich die
enge Verwobenheit zwischen psychischen und physischen Faktoren im
Ernährungsverhalten und ihrer individuellen Ausgestaltung an.
Handlungen können sich in den Gleichgewichtsaufgaben (z.B. „Drücken
und Nachgeben“, „Hahnenkampf“, „Pendelball im Viereck“, „FlamingoPositionen“) nicht mehr auf eine Absicht oder ein Ziel konzentrieren, sondern teilen sich u.a. auf in im Gleichgewicht bleiben zu wollen und die Balance des anderen brechen zu wollen. Situativ kann nur das eine oder
andere verfolgt werden: Konzentriere ich mich auf mein Gleichgewicht,
werde ich kaum den anderen stören; bedränge ich den Partner, gebe ich
die Kontrolle über meine Balance kurzfristig auf. Der Sachverhalt der Störung und Ablenkung während des Gleichgewicht-Haltens kann einen weiteren Bezugspunkt zum Thema »Ernährung« liefern. Eine Esssituation
wird häufig durch andere Tätigkeiten gestört bzw. überlagert: z.B. Zeitung
lesen oder fernsehen, telefonieren oder sich mit anderen unterhalten, unter Zeitdruck oder zwischendurch etwas essen. Die Konzentration wird
von dem Ereignis „Mahlzeit“ abgelenkt. Den Teilnehmern kann über solche Bewegungsaufgaben ein solcher Sachverhalt bewusst gemacht werden. So können die Teilnehmer beispielsweise entdecken, dass man
durch das Lesen einer Frühstücks-Zeitung so sehr vom Essen abgelenkt
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wird, dass man anschließend nicht mehr nachvollziehen kann, wie viel
und wie man gegessen hat. Andererseits kann das Fehlen der Zeitung
aber auch eine qualitative Minderung der Atmosphäre des Frühstücks
bedeuten.
In Gesprächsphasen weisen Teilnehmer häufig darauf hin, dass die Mahlzeit als soziales Ereignis (mit einem Partner, in der Familie oder im
Freundeskreis) eine Bereicherung alltäglichen Lebens darstellt, die man
nicht missen möchte. Dabei ergeben sich zwangsläufig Ablenkungen beim
Essen. Die Situation des Gemeinsamen Essens kann sowohl als Bereicherung und als eine Form von Lebensqualität ("es schmeckt besser")
bewertet sowie zugleich als "Verführung" zum „Mehr-Essen“ erlebt werden.
Ein ausführliches Konzept für die Aufarbeitung des Themas „Ernährung“
im Rahmen einer Bewegungspraxis findet sich bei BECKERS (1992) (siehe
Praxis I.4.3 P 03).
Bewegungsmangel
Bewegungsangebote im Rahmen der Herzgruppenstunde sollen als Erlebnis wahrgenommen werden (siehe „Materialien Herzsport“ II.1, II.4).
Nur wenn Bewegung lustvoll erlebt und als Zugewinn an Lebensqualität
verstanden wird, ist eine Verhaltensveränderung in Richtung eines im besten Sinne bewegteren Lebens wahrscheinlich. Dazu ist es notwendig, den
Teilnehmern immer wieder die positiven Wirkungen von Bewegung zu
verdeutlichen (siehe Praxis II.4 P 03). Ziel ist es, die TN dadurch auf Bewegung „heiß“ zu machen und dies über die Herzgruppenstunde hinaus.
Es sollte sich den Teilnehmern die Frage Rolltreppe / Fahrstuhl oder
Treppe gar nicht mehr stellen. Grundsätzlich sollten sie jede Bewegungsmöglichkeit nutzen wollen, es stellt sich lediglich die Frage, wann es gute
Gründe gibt, darauf zu verzichten (etwa zu schwere Taschen, Unwohlsein).
Um eine positive Bewegungsüberzeugung zu erreichen, sollen die Teilnehmer immer wieder angeregt werden, sich zu Beginn und nach der
Herzgruppenstunde ihr Befinden bewusst zu machen. Dazu ist es möglich, sie die Befindlichkeitsskalen nach ABELE/BREHM (siehe Materialien
I.4.3 M 01) ausfüllen zu lassen, um die Veränderungen durch das Bewegungsangebot zu dokumentieren. Auch wenn keine wissenschaftliche
Auswertung stattfindet, werden hier Veränderungen auch für den TN
nachprüfbar.
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Transfer auf Alltagsituationen
(siehe „Materialien Herzsport“ II.1)
Die Inhalte der Sportstunden haben immer auch einen Bezug zur konkreten Lebenssituation der TN. Sport und Bewegung stellen keinen Selbstzweck dar, sie haben einen Bezug zum Alltag der TN, berücksichtigen ihn
und ermöglichen den TN ihren individuellen Alltag erfolgreich zu bewältigen. Die Stundeninhalte sind also immer auch auf die Aspekte menschlichen Lebens gerichtet, die gesundheitliche Gefährdungen beinhalten oder
die die Ausbildung gesundheitsstabilisierender Ressourcen fördern können (etwa Überforderung vs. positive Beanspruchung, Stress und Entspannung, Ernährung). Durch die durchgeführten Spiel- und Bewegungsformen sollen den TN individuelle Verhaltensmuster spür- und erlebbar
gemacht werden. In Gesprächs- und Reflexionsphasen (siehe „Materialien
Herzsport“ I.4.1) können diese Erfahrungen auf die persönliche Lebenswelt bezogen und aus ihnen entsprechende, auch dort gültige Verhaltensalternativen entwickelt werden.
Didaktisch-methodische Überlegungen zur Erarbeitung
Die Praxiseinheit I.4.3 P 01 beschäftigt sich mit dem Wahrnehmen der
eigenen Körperfunktionen in physischen und psychischen Belastungssituationen, dem Umgang mit Belastungen und der eigenen Persönlichkeitsstruktur. In dieser Praxiseinheit werden die inneren Zustände des eigenen
Körpers bewusst wahrgenommen. Die Wahrnehmung des inneren Verhaltens, das Sich-Selbst-Erspüren in Ruhe und Bewegung, Hektik, Druck und
in psychisch angespannten Situationen stellt einen Bereich dar, der in der
Herzsportgruppe einen festen Bestandteil darstellen sollte. Der Schwerpunkt dieser Praxiseinheit liegt deshalb beim Hören des eigenen Herzschlages, dem Spüren des eigenen Pulses und beim Erspüren des eigenen Atems.
Die Praxiseinheit I.4.3 P 02 beschäftigt sich explizit mit dem Atmen. In
der Art, wie wir atmen, äußern sich physiologische und psychologische
Befindlichkeiten. Den Atem bewusst wahrzunehmen hilft, sich das aktuelle
Befinden zu verdeutlichen. Ferner stellt eine bewusste Atemregulation
eine einfache, aber sehr effiziente Möglichkeit dar, das allgemeine Erregungsniveau zu senken. Unruhe und Hektik schlagen sich in einem
schnellen und flachen Atmen nieder. Atmung vollzieht sich unbewusst, wir
nehmen unsere Atmung in der Regel nicht wahr. Kaum ein Teilnehmer
wird seine durchschnittliche Atemfrequenz im Alltag, in Ruhe und bei Belastung kennen. Man kann von einer durchschnittlichen Atemfrequenz von
12 – 16 Atemzügen/Minute ausgehen. Ist man aufgeregt, steigt die Atemfrequenz, ebenso bei körperlichen Aktivitäten. In Entspannungsphasen
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kann die Frequenz sich deutlich reduzieren. Allein die Aufmerksamkeitslenkung auf den Atemvorgang, das Erspüren der Atemtiefe - ohne willkürliche Beeinflussung – führt in den meisten Fällen zu einer Beruhigung der
Atmung im Sinne einer Vertiefung und Verlangsamung. In der vorliegenden Praxiseinheit soll die Aufmerksamkeit in diesem Sinne auf die Atmung
gelenkt, Atembewusstsein geschaffen und die Bedeutung einer vollständigen Atmung für das Wohlbefinden erkannt werden.
Auch für den Themenbereich Ernährung / Fehlernährung lassen sich mit
Hilfe von Bewegungsübungen Erfahrungen vermitteln (siehe „Materialien
Herzsport“ Praxis I.5.3 P 01 – Spielformen zum Ernährungsverhalten und die Informationen für Lehrkräfte in diesem Kapitel). Die Übung „Flamingo-Positionen“, die in Praxis I.4.2 P 01 beschrieben wurde, eignet sich
auch, um den Themenbereich Ernährung zu thematisieren.
Gruppenarbeit (siehe Gruppenarbeit I.4.1 M 01)
Da die Erfahrung gezeigt hat, dass es den ÜL häufig schwer fällt, selber
Möglichkeiten ihnen bekannter Übungen auf der Ebene der Bewusstmachung individuellen Gesundheitsverhaltens zu erkennen, sollte die praktische Bearbeitung des Themas durch eine anschließende Kleingruppenarbeit ergänzt werden. Die ÜL sollen in der Kleingruppe einige ihnen bekannte Bewegungsaufgaben und Spielformen auf ihre Möglichkeiten
überprüfen, den späteren Gruppenteilnehmenden ihr individuelles Gesundheitsverhalten bewusst zu machen, dies zu hinterfragen und Prozesse der Verhaltensänderung einzuleiten.
Lehrmaterialien:
Praxis I.4.3 P 01:
Wahrnehmen von Belastung
Praxis I.4.3 P 02:
Atmung
Praxis I.4.3 P 03:
Ernährung
Praxis I.4.2 P 01:
Sozialverhalten, Kommunikation, Vertrauen
Praxis I.5.3 P 01:
Spielformen zum Ernährungsverhalten
Praxis II.4 P 03:
Walking - ganzheitlicher Ansatz
Arbeitsblatt I.4.3 M 01:
Befinden
Gruppenarbeit I.4.1 M 01: Bewusstmachen
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Teilnehmermaterialien
Textauszug
Literatur
- Beckers, E. et al.: Gesundheitsorientierte Angebote in Sportvereinen.
Materialien zum Sport in Nordrhein-Westfalen Bd. 34. Frechen 1992
- Brehm, W. et al.: Psychosoziale Ressourcen. Arbeitshilfen für Übungsleiter/innen. Hrsg.: Deutscher Turner-Bund, Frankfurt 2002
- Brusis, O.A. et al. (Hrsg.): Handbuch der Herzgruppenbetreuung. Balingen 2002
- Middendorf, I.: Der erfahrbare Atem. Paderborn 1984
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