Lernziel: Der Übungsleiter kennt die Sportpraxis ergänzende, gesundheitsfördernde Maßnahmen (z.B. Ernährungsberatung, Lebensstilberatung, Entspannungskurs) und kann sie in die Übungsstunde einbeziehen bzw. organisieren. I.5.2 Möglichkeiten der Stressbewältigung über den Sport hinaus (siehe „Handbuch der Herzgruppenbetreuung“ Kap. 10, 11, 12 und „Materialien Herzsport“, I.3, I.4.3, II.2, II.4, III.3.3) - Alltagsbewältigung - Bedeutung der Atmosphäre - Schaffung von Entspannungsinseln - Bedeutung von Gesprächen Grundlagen – Info Bekannt ist, dass eigenständige kardiovaskuläre Zentren, etwa in der Medulla oblongata Kontraktilität, Frequenz, arteriellen Druck und Blutflussverteilung steuern. Diese autonomen Funktionen wiederum werden von höher gelegenen Hirnarealen verstärkt oder abgeschwächt. So ist in Phasen besonderer Wachsamkeit, Schmerzempfindung, physischer und mentaler Anstrengung sowie emotionaler Belastung die Aktivität vasomotorischer Zentren erhöht (BRAUNWALD). Ebenso können hypothalamisch gebildete Peptide Herzfrequenz und Stoffwechsel beeinflussen; dies geschieht über die periphere, noradrenerge Aktivierung, die somit auch zentral steuerbar ist. So können im Gehirn gebildete Stoffe parallel zu ihrer Aufgabe, eine spezifische Hormonausschüttung in der Hypophyse zu veranlassen‚ eben auch den arteriellen Druck, die Herzfrequenz und den Stoffwechsel beeinflussen. Diese zufällige Parallelität von Funktionen lässt vermuten, dass die Stoffe als Koordinator zwischen endokrinen und autonomen Reaktionen des Körpers, die für die Aufrechterhaltung des Stoffwechselgleichgewichts erforderlich sind, fungieren (BROWN/FISCHER). Somit wird deutlich, dass sozio-emotionale Belastungen, die bekanntlich die cerebrale Hormonausschüttung beeinflussen, über die angedeuteten Wege dysregulierend auf das Herz-Kreislauf-System einwirken und in Verbindung mit bereits vorhandenen koronaren Risikofaktoren Komplikationen wahrscheinlicher machen (siehe „Materialien Herzsport“ I.3.2). Möglichkeiten der Stressbewältigung / 5.2 / Seite 1 von 5 Hier kann und soll in Anlehnung an den Katalog der psychosozialen Rehabilitationsziele in Verbindung mit somatischen Rehabilitationszielen (Verbesserung der Körperwahrnehmung) versucht werden, Lösungsansätze und Lösungshilfen über den Sport hinaus zu geben. Klar ist, dass im Rahmen der Herzsportgruppe nur Anstöße gegeben werden können. Alltagsbewältigung Nach dem Aufenthalt in der Akutklinik und der stationären RehaEinrichtung wird der Patient wieder mit seiner Alltagssituation konfrontiert, die nicht selten erheblich zur Genese seines kardialen Krankheitsbildes beigetragen hat. Die Möglichkeiten, dem Patienten bei der Bewältigung seiner Alltagssituation zu unterstützen sind naturgemäß begrenzt, da weder Übungsleiter noch andere Fachkräfte die belastenden Störfaktoren im Alltagsleben des Patienten zu beeinflussen vermögen; das kann nur der Patient selbst. Möglich sind jedoch unterstützende Maßnahmen wie: Erlernen des Umgangs mit Stress (Stress-Spiele wie reagieren die einzelnen Teilnehmer? Diskussion des Teilnehmerverhaltens) Nein-Sagen lernen: Teilnehmer erlernen über die Sportpraxis eigenständig Übungen abzubrechen, wenn sie genug haben (Belastung) Teilnehmer empfinden die Herzsportstunde als eine wohltuende Unterbrechung des Alltagsstresses Teilnehmer lernen in der Herzsportgruppe, wie Bewegung Stress abbaut (Blutdruckverhalten: erhöhter Blutdruck wird durch sportliche Aktivität gesenkt) Umsetzung dieser Erfahrung im Alltag Darüber hinaus bieten sich im Rahmen der Herzsportgruppe folgende unterstützende Möglichkeiten an, die dem Patienten Lösungswege und Lösungshilfen bieten können: Austausch mit und Lernen von anderen Menschen in gleicher Situation Einzelgespräch mit (Vertrauensverhältnis) Einbindung des Lebenspartners in die Herzsportgruppe wenigstens in Aktionen außerhalb des Gruppenrahmens Gesprächskreise (siehe „Materialien Herzsport“ I.5.1.3.) Vermittlung von geeigneten Therapeuten Beratungsdienst) (siehe TN-Info I.5.1 TN) Übungsleiter Möglichkeiten der Stressbewältigung / 5.2 / Seite 2 von 5 und/oder Arzt/Ärztin oder (psychologischer Bedeutung der Atmosphäre Die Herzsportgruppe kann und sollte sich atmosphärisch deutlich vom Alltäglichen unterscheiden. Stress und Hektik, Leistungsdruck und Ellenbogenmentalität haben hier nichts verloren. In wieweit Gemütlichkeit in städtischen Hallen aufkommen kann sei der Phantasie des einzelnen überlassen. Durch Spaß und positives, motivierendes Auftreten des Übungsleiters in Verbindung mit einem harmonischen Miteinander, geprägt von sozialintegrativen, gruppendynamischen Prozessen bildet sich in der Herzsportgruppe Idealerweise eine Atmosphäre, die allein eine langfristige Therapietreue gewährleistet. Der Patient kommt gerne zum wöchentlichen Trainingstermin, freut sich auf die anderen Teilnehmer und auf die Inhalte. Alleine hierdurch werden oft Veränderungen auf der physischen und psychischen Ebene erreicht, die auch über den reinen Trainingszeitrahmen hinaus anhalten und ins Alltagsleben hineinreichen. Darüber hinaus helfen der Austausch mit den anderen Teilnehmern, die Erkenntnis, dass man mit seinem (Krankheits-)Schicksal nicht alleine dasteht, sowie das Kennen Lernen von Bewältigungsstrategien anderer Teilnehmer bei der Bewältigung der eigenen Probleme. Geprägt wird die Gruppenatmosphäre wesentlich vom Übungsleiter durch: dessen psychosoziales Profil seine Fähigkeit, Menschen zu motivieren und zu führen sein Vorbild seine Fähigkeit der Problemlösung sein Engagement Schaffung von Entspannungsinseln Entspannung, auch im täglichen Leben und nicht nur, wenn überhaupt, in der Herzsportgruppe ist neben Bewegung und Ernährungsumstellung der dritte Stützpfeiler eines ganzheitlichen Therapieansatzes. Ein Ziel sollte sein, sich Entspannungsinseln, also Freiräume zu schaffen – täglich, vielleicht 15 Minuten –, in denen man keine Störungen zulässt und lernt, sich zu entspannen. Entspannen heißt: sich lösen, abschalten, den Druck des Alltags abschütteln, sich fallen lassen, in seinen Körper hineinhorchen. Hilfreich sind hierbei die verschiedensten Entspannungstechniken (siehe „Materialien Herzsport“ I.2.3, II.4.) (siehe Folie I.5.2 F 02). Im Rahmen der Herzsportgruppe sollten regelmäßig kurze Entspannungssequenzen – Idealerweise als Stundenabschluss – Möglichkeiten der Stressbewältigung / 5.2 / Seite 3 von 5 vorgestellt werden, die den Teilnehmer über die dargestellte Vielfalt und die Möglichkeit des Erlernens (Techniken wiederholen) einen Zugang bis hin zur Eigenrealisation im Alltag erschließen. Wichtig ist hierbei: Dass der Übungsleiter selbst die gewählte Entspannungsmethode akzeptiert Das Schaffen einer geeigneten Atmosphäre Die Vorbereitung der Gruppe auf die Entspannung Die Möglichkeit zur Rückmeldung nach jeder Entspannung Bedeutung des Gesprächs Gespräch, Kommunikation, Austausch von Informationen, alles das sind Synonyme für ein längst akzeptiertes therapeutisches Medium, das seit langem in Rehakliniken angewendet wird, in der ambulanten Herzsportgruppe aber häufig unter den Tisch fällt. Gespräche haben aber einen wesentlichen Anteil am Prozess des Abbaus von Risikofaktoren und bei der Förderung einer gesundheitsbewussten Lebensführung. Ein Gespräch führen heißt: informieren motivieren Einstellungs- und Verhaltensänderungen in Gang setzen Hilfe zur Selbsthilfe vermitteln den Ratsuchenden ermutigen und seine Eigeninitiative stärken Hierzu sind Grundkenntnisse der Gesprächsführung erforderlich (siehe „Materialien Herzsport“ II.2.), damit die o.a. Merkmale verwirklicht werden können (KAUDERER-HÜBEL). Neben der Fähigkeit, aufmerksam zuzuhören, sollte man im Gehörten Inhaltliches, Gefühlsanteile und Appelle unterscheiden sowie dem Gesprächspartner vermitteln können, dass man ihn versteht. Das Gespräch sollte des Weiteren darauf ausgerichtet sein, dem Patienten beim selbstverantwortlichen Erkunden und schließlich Verändern seiner Einstellungen und Verhaltensweisen behilflich zu sein. Auf keinen Fall darf man ihn im Gespräch mit kategorischen Ratschlägen zuschütten! (siehe Folie I.5.2 F 01). Möglichkeiten der Stressbewältigung / 5.2 / Seite 4 von 5 Didaktisch-methodische Überlegungen zur Erarbeitung Lehrmaterialien: Folie I.5.2 F 01: Gespräche (Comic) Folie I.5.2 F 02: Entspannungsinseln (Comic) Metaplan I.5.2 M 01: Stressbewältigung im Herzsport Praxis I.5.2 P 01: Spiele zur Stressbewältigung Teilnehmermaterialien Praxis I.5.2 P 01: Spiele zur Stressbewältigung Literatur - Braunwald, E. et al.; Heart disease; 1984, 409 ff - Brown, M.R. & Fischer, L.A.; J. Am. med. Ass.; 1984; 251; 1310 ff - Brusis, O.A.: Handbuch der Herzgruppenbetreuung, Spitta Verlag, 2002 - Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation: „Gesamtvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining“ vom 1. Januar 1994 - Empfehlungen der DGPR zur ambulanten kardiologischen Rehabilitation (AHB) veröffentlicht in „Herz-Kreislauf“ 1/1997 - Haack, A. et al.; Z. Phys. Med., Balneologie und Klimatologie; 1984; 16; 379 - Kauderer-Hübel, M. & Hübel, M.; in: Gesundheitsberatung, perimed Fachbuch: Weber-Falkensammer, H. & Geißler, K.A. (Hrsg.); Erlangen;1984 - LSB NRW e.V.; Qualitätssicherung in ambulanten Herzsportgruppen, Teil; Duisburg, August 1999 - LSB NRW Materialien SdÄ - Mannebach, H. et al.; Herz/Kreisl.; 1997; 29; 356 – 362 - - - Olschewski, A.; „Streß bewältigen“; 1995; Haug Verlag, Heidelberg; ISBN 3-7760-1357-5 Rihs-Middel, M.; „Den Alltagsstress gelassen meistern“;1985; Otto Müller Verlag, Salzburg; ISBN 3-7013-0691-3 Schumann-Schmidt; B.; Zur Qualität der Herzgruppentherapie in der BRD; 1995; DGPR Möglichkeiten der Stressbewältigung / 5.2 / Seite 5 von 5