Was machen wir heute? Seminar 12665: Einführung in die Psychologie des Gesundheitsverhaltens Benjamin Schü Schüz www.fuschuez www.fu-berlin.de/gesund/ berlin.de/gesund/schuez Erfassung von Stress Checklisten (Stress als Summe belastender Ereignisse) • Social Readjustment Scales (Holmes & Rahe, 1967) • Viele weitere Checklisten mit unterschiedlichen Ereignissen in unterschiedlichen Zeiträumen • Daily Hassles/ Minor Life Events Fragebogen • • • • PTSD- Skalen zu erhöhter Erregung Trierer Inventar zum chronischen Stress Perceived Stress Scale (Cohen) … • Erfassung von Stress • Auswirkung von Stress auf das Immunsystem • Stressreaktivität • Stressbewältigung: Dispositionelle und State-orientierte Ansätze • Referate verteilen Life-Event-Ansätze I • Life-Event-Ansätze gehören zu den reizorientierten Stresskonzepten. • Das Erkenntnisinteresse besteht darin, • pathogene Belastungen in der Umwelt zu identifizieren sowie • Zumutbarkeitsgrenzen für diese Belastungen festzulegen. • Jedes größere Ereignis (z.B. Heirat, Scheidung, Tod eines Angehörigen) stellt die betroffene Person vor die Aufgabe, sich an die neue Situation anzupassen. Æ Anpassungsnotwendigkeit mit potenziell pathogenetischer Wirkung 1 Life-Event-Ansätze II • Mit Holmes und Rahe (1967)/Social Readjustment Rating Scale beginnt die systematische, mit standardisierten Methoden durchgeführte Untersuchung kritischer Lebensereignisse. Æ Jedes Anpassungsproblem kann Stress auslösen • Neuere Ansätze bewerten neben der Lebensveränderung auch Kontrollierbarkeit, Valenz, Realitätsstatus, Vorhersagbarkeit, Erwünschtheit, Bedrohungsgrad, Bewältigung und Bewältigungskosten des Ereignisses als stressrelevant. • Haupteinwand gegen den Life-Event-Ansatz: Die Reaktionen auf das gleiche Ereignis sind individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt. Æ Problem: Wie sollen bestimmte Ereignisse ohne Bezug zur Reaktion als Stressor definiert werden? Chronischer Stress akut - chronisch Oft beruht die Unterscheidung zwischen akutem und chronischem Stress allein auf der Häufigkeit des Wirkens von Stressoren. Hierbei wird jedoch nicht berücksichtigt, dass – (1) Reaktionen auf episodisch wiederkehrende Stressoren habituieren können und – (2) auch kurzzeitige, aber intensive Belastungen langandauernde Auswirkungen haben können. Chronischer Stress • Identifizierung lang andauernder oder häufig wiederkehrender Alltagsbelastungen mit pathogenen Auswirkungen • Erklärung empirisch nachgewiesener Zusammenhänge zwischen soziostrukturellen Variablen und Gesundheitsbeeinträchtigungen Chronischer Stress III • Chronischer Stress ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet: (1) Der Stress hat einen unspezifischen, schleichenden Beginn (2) kann von langer oder auch kurzer Dauer sein, (3) ist sehr häufig und (4) kann eine geringe oder hohe Intensität haben. • Gerade der schleichenden Beginn von chronischem Stress scheint dafür verantwortlich, dass keine sofortige Aktivierung besonderer Maßnahmen zur Stressbewältigung erfolgt. 2 Chronischer Stress IV • Nach Lepore (1995) erhöht chronischer Stress die Stressreaktivität. Æ Stressreaktivität als Disposition, die interindividuell stabile Unterschiede hinsichtlich des Ausmaßes, in dem eine Person auf Belastungen mit Stressreaktionen antwortet, erklärt Es ist eine allgemeine Annahme, dass Stressoren die Anfälligkeit für eine infektiöse Erkrankung erhöhen. Auch in der Forschung konnten direkte Zusammenhänge zwischen Stress und den Funktionen des Immunsystems gefunden werden. Negative Life Events, Perceived Stress, Negative Affect, and Susceptibility to the Common Cold Sheldon Cohen, David A. J. Tyrell, und Andrew P. Smith (1993) Wenn ein Ereignis bei einer Person eine Stressreaktion hervorruft, so geht diese einher mit negativen kognitiven und emotionalen Zuständen. Diese Zustände wiederum verursachen eine Veränderung der Immunfunktionen … 3 • …über das autonome Nervensystem, welches das ZNS mit dem Immunsystem verbindet, • …durch die Aktivität von Hormonen, die in Zusammenhang mit negativen Affekten freigesetzt werden und • …durch stressbedingte Veränderungen in gesundheitsrelevantem Verhalten, wie etwa Rauchen oder Alkoholkonsum. Methode / Ablauf In den ersten 2 Tagen im Common Cold Unit: – Medizinische Untersuchung – Ausfüllen von Fragebögen bzgl. ihrer Selbsteinschätzung • zu Stress (UV) • ihrer Persönlichkeit und (KV) • zu ihrem Gesundheitsverhalten (KV) Bei gesunden Personen wurden • Stressskalen • Persönlichkeitsskalen und • Gesundheitsverhalten erfasst. Anschließend wurden sie einem von 5 Viren oder einem Placebomittel ausgesetzt. Wer infiziert sich? Wer zeigt Krankheitssymptome? Methode / Ablauf Anschließend: – Verabreichung einer leicht infektiösen Dosis von einem von 5 verschiedenen Viren, ÆStärke der Dosis: ähnlich einer Mensch-zuMensch-Übertragung – oder einer salzhaltige Lösung (Placebo) – stationäre Quarantäne für 9 Tage; alleine, zu zweit oder zu dritt – Täglich standardisiertes klinisches Protokoll, der Artemwegserkrankungssymptome (Niesen, Schmerzen der Stirnhöhle, Halsschmerzen, Anzahl der benutzten Taschentücher, mittlere Körpertemperatur, etc.) 4 Methode / Unabhängige Variablen Methode / Stressindex (UV) Um verschiedene Aspekte von Stress zu erfassen wurden drei Skalen verwendet: • Faktorenanalyse: – Stressverursachende Lebensereignisse – Wahrgenommenen Stress – Negativer Affekt – Alle drei Stressskalen (Life Events, Perceived Stress, Negative Affect) laden auf einen Faktor, – messen also eine ihnen gemeinsam zugrunde liegende Größe. • Aus den drei einzelnen Skalen wird für jede Person ein Stressindex errechnet. Methode / Abhängige Variablen Methode / Infektion (AV) • Die Autoren unterscheiden: Ob der Proband sich infiziert hat wird anhand von zwei Methoden festgestellt: – hat man sich infiziert (der Virus wächst im Körper und ist aktiv) oder – hat man Erkältungssymptome entwickelt • Nur wenn auf eine Infektion die Entwicklung charakteristischer Symptome folgt erachten Cohen et al. diese Person als erkrankt. – Nasensekret wird in einem Medium mit optimalen Wachstumsbedingungen kultiviert Æ Wachstum? – Anzahl der Antikörper im Organismus, eine vierfache Erhöhung gilt als signifikant Wenn mithilfe einer Methode die Aktivität des Virus festgestellt wurde gilt der Proband als infiziert. 5 Ergebnisse / Stress und Erkrankung • Das Zusammenwohnen mit einer infizierten Person könnte (anstelle des Virus) zum Ausbruch der Erkrankung geführt haben. • Wie sieht die Verteilung aus, wenn man nur solche Personen betrachtet, die nicht mit einer infizierten Person oder alleine wohnen? Ergebnisse / Stress und Infektion • Personen mit viel Stress weisen eine höhere Rate an Infektionen auf. • Signifikant ist dies für den Stressindex, den wahrgenommenen Stress und den negativen Affekt. • Nicht signifikant ist dies für Lebensereignisse. • Ein ähnlicher Zusammenhang ergibt sich, wenn man nur diejenigen ohne infizierten Mitbewohner betrachtet. 6 Ergebnisse •Die Skala der negativen Lebensereignisse misst eine, von wahrgenommenem Stress und negativem Affekt unabhängige, vorhersagekräftige Komponente von Stress. •Die Konstrukte, die mit den jeweiligen Skalen gemessen werden, haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Pathogenese einer Infektionserkrankung. Bewältigung von Stress • Bewältigung als Konstrukt soll erklären, warum Menschen unterschiedlich auf die gleiche stressreiche Situation reagieren (Mediator der Stressor-Verhaltens-Beziehung) • Dispositionelle Ansätze: Dispositionen zu bestimmten Verhaltensweisen/Reaktionsweisen erklären diese Unterschiede • State-orientierte Ansätze: Versuch, kognitive und emotionale Prozesse abzubilden, die für interindividuelle Unterschiede im Stresserleben verantwortlich sind. Stressreaktivität • Annahme einer unspezifische Stressreaktion hat eher theoretischen Wert • Reaktion in einer Stresssituation hängt auch von der Erregbarkeit des NS für Stressreize ab • Dispositionelle Unterschiede in Stressreaktivität • Stressreaktivität ist nur unter Stress zu erfassen • Stressreaktive Personen stellen eine besondere Risikogruppe für psychosomatische Erkrankungen dar Stressbewältigung: Dispositionelle Ansätze • Eigenschaftsorientierte Ansätze • Bei vielen zentrale Konstrukte: Vigilanz und Vermeidung • Vigilanz: Orientierung hin zu den stressauslösenden Aspekten • Kognitive Vermeidung: Vermeiden von stressrelevanten Informationen 7 Stressbewältigung: Dispositionelle Ansätze Stressbewältigung: Dispositionelle Ansätze • Vergleichbare Konstrukte: • Monitoring-Blunting: – Repression-Sensitization (Byrne, 1964) – Monitoring-Blunting (Miller, 1987) – Attention-Rejection (Mullen & Suls, 1982) • Repression-Sensitization: – Bipolares Kontinuum von Stressreaktionen: Repressers verleugnen Stress, Sensitizer suchen nach mehr Informationen und ruminieren – Abhängig von der Kontrollierbarkeit des Stressors. – Bei unkontrollierbare Stressoren kann es adaptiv sein, Informationen zu vermeiden – Bei kontrollierbaren Situationen ist Informationssuche adaptiv ÆTendenz zu monitoring oder blunting ist aber dispositionell Stressbewältigung: Dispositionelle Ansätze Stressbewältigung: Dispositionelle Ansätze • Model of Coping Modes (Krohne) • Coping-Modalitäten: – Individuelle Unterschiede in Aufmerksamkeit und emotionaler Verarbeitung – Stressauslösende Situationen sind aversiv und unsicher – Entsprechende Coping-Prozesse: Informationen suchen oder Vermeiden – Tendenz dazu dispositionell – Sensitizer (Personen, die Unsicherheit vermeiden, indem sie mehr Informationen über den Stressor suchen) – Represser (Vermeiden Unsicherheit, indem Informationen vermieden werden) – Nondefensives (Instrumentelles Handeln bevorzugt) – Hochängstliche (sowohl vigilant als auch vermeidend, meist sind diese Ziele aber nicht vereinbar, führt zu fluktuierendem Coping) 8 Stressbewältigung: Dispositionelle Ansätze • Typ-A-Verhalten: Permanenter Versuch, die Umwelt unter Kontrolle zu bekommen; Glauben, durch vermehrte Anstrengung bessere Ergebnisse erzielen zu können • Selbst gesetzter Zeitdruck, Arbeit näher an der Leistungsgrenze, Unterdrücken von Erschöpfungssymptomen Stressbewältigung: State-orientierte Ansätze Stressbewältigung: State-orientierte Ansätze • Lazarus-Modell: Bewältigung, wenn ein bewusster und zielgerichteter Versuch unternommen wird, die Diskrepanz zwischen Anforderungen der Situation und eigenen Bewältigungsmöglichkeiten zu überwinden • „the cognitive and behavioral efforts made to master, tolerate or reduce external and internal demands and conflicts among them“ • Folkman & Lazarus: Ways of Coping • 2 Skalen: – Problemorientiertes Coping: „Ich überlegte mir einen Handlungsplan und ging dementsprechend vor“ – Emotionsorientiertes Coping: „Ich tat so, als ob nichts geschehen sei“ 9 Bewältigung von Stress Emotionszentrierte vs. problemzentrierte bzw. akkomodative vs. assimilative Bewältigung (Lazarus & Folkman, 1984) • Emotionszentrierte Bewältigung: Regulation unangenehmer Emotionen Bewältigung von Stress Emotionszentrierte vs. problemzentrierte bzw. akkomodative vs. assimilative Bewältigung (Lazarus & Folkman, 1984) • Problemzentrierte Bewältigung: Beseitigung oder Verbesserung der belastenden Situation auf kognitiver oder Handlungsebene Emotionszentriertes Coping Strategien: Auf der Handlungsebene oder kognitiv • Konfrontation • Distanzieren • Selbstkontrolle • Suche nach sozialer Unterstützung • Annahme von Verantwortung • Flucht/Vermeidung • geplantes Problemlösen • positive Umdeutung Problemzentriertes Coping Strategien: Auf der Handlungsebene oder kognitiv • Informationssuche • direkte Handlung: Beseitigen/Verringern des Stressors • intrapsychisches Coping, z.B. Neu- oder Umbewertung des Stressors 10 Bewältigung von Stress Stressmanagementprogramme: Æ Interventionen auf psychobiologischer und psychologischen Grundlagen • Instrumentelles Stressmanagement • Kognitives Stressmanagement • Palliatives/regenerierendes Stressmanagement Æ Methoden: z.B. progressive Muskelrelaxation, kognitive Umstrukturierung, Vermittlung von Kompetenzen (Zeitmanagement), selbstbehauptendes Verhalten 11