Folie 7 Bindungsstörungen Im Kleinkindalter: Undifferenziertes Bindungsverhalten (Soziale Promiskuität, Unfall-Risiko-Verhalten) Übersteigertes Bindungsverhalten (Exzessives Klammern, übermäßige Anpassung, aggressive Symptomatik, Rollenumkehr) Psychosomatische Symptomatik (Wachstumsretardierung, Essstörung) Im Schulalter Schulangst Leistungsverweigerung Aggressivität 7 Lechler/Weber/Weis 2013 10.07.2013 Im Kleinkindalter: Undifferenziertes Bindungsverhalten (Soziale Promiskuität: z.B. 8-jähriges Mädchen spricht wahllos, aber durchaus geschickt fremde Menschen an und verstrickt sich mit diesen in „Pseudo-Beziehungen“ Bringt sich selbst in Gefahr des sexuellen Mißbrauchs. Unfall-Risiko-Verhalten: z.B. 4-jähriger Junge, der bei Ärzten und Schwestern bereits wie ein „Stammkunde“ bekannt ist. Unfälle und Verletzungen, die über Bagatellverletzungen hinausgehen, z.B. Schädelhirntraumata mit Gehirnerschütterung, … Übersteigertes Bindungsverhalten (Exzessives Klammern: Weigerung des Kindes in den Kindergarten zu gehen, Trennungsproblematik. aggressive Symptomatik: 9-jährige Schülerin, die auf Drängen des JA vorgestellt wird, hat mehrfach die Mutter handgreiflich attackiert und verletzt. Ständige aggressive Verhaltensweisen führen zu Schulausschluss Rollenumkehr: Kind sorgt sich um das Wohl der Mutter, geht nicht in Kindergarten, weil es der Mutter schlecht geht. Psychosomatische Symptomatik (Wachstumsretardierung: 14 Monate alter Säugling, mehrmaliger Wachstumsstillstand, Verlangsamung des Wachstums. Kind ist in Obhut einer Tagesmutter – dahinter vermeidende Bindung. Essstörung: 8 Monate alter Junge, Mutter verbringt täglich Stunden damit, ihn zu füttern, die Mutter kann sich auf Kind nicht einlassen, weil sie mit eigenen Gedanken und Berichten „voll ist“. (eher ambivalente Bindung) Im Schulalter: Schulangst: 11 jähriger Junge, Schulverweigerung, Leistungsverweigerung: 14 jähriger Junge, aus Schule ausgeschlossen nach mehreren Schulwechsel. Kind macht einfach nicht mehr mit. Ambivalente Bindung steht im Hintergrund, … Aggressivität: aggressives Verhalten dient dazu, Bindung herzustellen und aufrechtzuerhalten. Jedoch bewirkt dieses Verhalten meist Ausgrenzung, restriktive Maßnahmen und Strafen. Dazu noch: • In der Adoleszenz: Suchtsymptomatik, Dissozialität und Delinquenz, Neurodermitis • Im Erwachsenenalter: Angst-, Panik und Agoraphobie-Symptomatik, depressive Symptomatik, narzisstische Symptomatik, Borderline-Symptomatik, psychotische Symptomatik oder Altersdepression. Folie 8 Bindungsstörungen Nach WHO zwei direkt auf Bindung bezogene Diagnosen des ICD 10: > Reaktive Bindungsstörung im Kindesalter (F94.1) >Bindungsstörung im Kindesalter mit Enthemmung (F94.2) Außerdem noch drei Diagnosen, basierend auf bindungstheoretischen Konzepten >Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen (F91.1) >Störungen mit Trennungsangst des Kindesalters (F93.0) >Störungen mit sozialer Ängstlichkeit des 8 Kindesalters F91.2) Lechler/Weber/Weis 2013 10.07.2013 Einige Diagnosemanuale wie die ICD-10 und das DSM-IV beziehen das Konzept der Bindung in einige Diagnosen ein. Bindungsstörung, wie sie in der Bindungstheorie beschrieben werden bilden die Diagnosesysteme allerdings nicht. So besteht im ICD-10, dem Diagnoseklassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation zwei direkt auf die Bindung bezogene Diagnosen: Reaktive Bindungsstörung im Kindesalter (F94.1) Bindungsstörung des Kindesalter mit Enthemmung (F94.2) Die Reaktive Bindungsstörung beschreibt eine gehemmte Bindungsbereitschaft gegenüber Erwachsenen die von Ambivalenz und Furchtsamkeit geprägt ist. Die Bindungsstörung mit Enthemmung beschreibt ein klinisches Bild mit enthemmter, distanzloser Kontaktfreudigkeit gegenüber verschiedensten Bezugspersonen. Beide Störungen werden auf extreme emotionale und/oder körperliche Vernachlässigung und Misshandlung zurückgeführt. Dabei entsprechen die aufgeführten ICD-10 Diagnosen nicht dem übergeordneten Erklärungsmodell der Bindungstheorie.[7] Sie stellen lediglich Adaptionen dar, welche kaum für eine angemessene Bindungsdiagnostik im Sinne der Bindungstheorie anwendbar sind. In folgenden Diagnosen des ICD-10 können bindungstheoretische Konzepte zugrundegelegt werden: Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen (F91.1) Störungen mit Trennungsangst des Kindesalters (F93.0) Störungen mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters (F91.2).[24] Die Bindungsforschung hat sich u. a. mit der Gruppe misshandelter und vernachlässigter Kinder genau auseinandergesetzt. Hieraus resultierte, dass „es mittlerweile als einer der empirisch am besten gesicherten Befunde der Entwicklungspsychologie gelten [kann], dass misshandelte Kinder ein gestörteres, insbesondere aggressiveres Verhalten im Umgang mit Gleichaltrigen zeigen als nicht misshandelte“.[11] Diese Befunde sind für die gesamte Kindheit gesichert. Auch resultierte aus der Forschung, dass die Folgen schlimmer sind, je früher die Misshandlung beginnt und je länger sie dauert. Fortwährend misshandelte oder vernachlässigte Kinder zeigen neben der unsicheren Bindung mehr Probleme mit Gleichaltrigen und dem Lehrpersonal. Jedoch sind vernachlässigte Kinder insgesamt weniger aggressiv. Sie sind oft eher passiv und zurückgezogen. Mit zwei bis sechs Jahren zeigen beide Gruppen u. a. weniger Einfühlsamkeit, reagieren auf den Kummer anderer mit Aggression, sind hypermotorisch, können sich nicht konzentrieren, sind unaufmerksam und geben schnell auf, sind distanzlos oder misstrauisch und zeigen weniger Neugier- und Explorationsverhalten und zeigen sich darum weniger intelligent. Am stärksten hierbei sind die vernachlässigten Kinder betroffen. Sie zeigen die wenigsten positiven Affekte und die geringste Impulskontrolle sowie die niedrigsten IQWerte. Folie 9 Die pädagogische Fachkraft • Feinfühligkeit wahrnehmen richtig interpretieren Angemessen und zeitlich passend reagieren • Emotionale Verfügbarkeit Resonanz • Eigene „Triggerpunkte“ kennen und bewusst damit umgehen • Ressourcen 9 Lechler/Weber/Weis 2013 10.07.2013 4.) Was steckt dahinter, Vater Mutter Verhalten, was wird auf Erzieherin übertragen? Wie Mütter auf die Bindungs- und Explorationsbedürfnisse ihres Kindes reagieren, ist sehr unterschiedlich und hängt weitgehend mit ihren eigenen Kindheitserfahrungen zusammen. Dieses mütterliche Antwortverhalten wurde von M. Ainsworth ( 2003b)als Feinfühligkeit beschrieben. Feinfühligkeit von Bindungspersonen gegenüber den Signalen des Kindes bedeutet, sich in die Lage des Kindes versetzen zu können und es als eigenständige Person mit eigenen Bedürfnissen und Absichten zu erkennen. Feinfühliges Verhalten gegenüber einem Kleinkind ist die Voraussetzung für den Aufbau einer vertrauensvollen und tragfähigen Beziehung und beinhaltet, die Signale des Kindes wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und prompt, sowie angemessen darauf zu reagieren. Neuere Untersuchungen zur Rolle des Vaters und zu dessen Feinfühligkeit legen nahe, dass diese für das Kind im Hinblick auf eine sichere Exploration eine ebenso wichtige Rolle spielt, wie die mütterliche Feinfühligkeit auf sichere Bindungsorganisation. Emotionale Verfügbarkeit: Die markierte Spiegelung des Affektausdruckes des Kindes durch die Bezugsperson führt dazu, dass das Kind Affekte repräsentieren kann, also bewusst wahrnehmen, zuordnen und reflektieren kann. Ist die Bezugsperson durch eigene Schwierigkeiten und Konflikte belastet, kann sie sich durch negative Affektäußerungen des Säuglings überwältigt fühlen. Sie spiegelt dem Kind somit ihr eigenes Gefühl (unmarkiert) oder kann überhaupt nicht angemessen reagieren. Unter diesen Umständen kann das Spiegeln oder die Markierung des Affektausdruckes als Merkmal der wechselseitigen Bezogenheit (Interaktion) fehlen. Verarbeitung eigener Traumata – Reflektion eigener Bindungsmuster: Auch sollte die Erzieherin sich über ihre eigenen ( „Triggerpunkte“ ) bewusst sein, was bedeutet, sie kennt die Verhaltensweisen der Kinder, die sie immer an den „Rand“ bringen. Hier beginnt der Übergang zu professionellem Handeln. Resourcen: Die Erzieherin sollte auch die Aspekte von einer Feinfühligkeit der Bezugsperson beinhalten. Dies bedeutet, dass die Erzieherin verlässlich, stabil und auf die Bedürfnisse des Kindes zugeschnitten agieren sollte, damit sie zu einer sekundären Bindungsperson werden kann. Das bedeutet, dass die Arbeitsbedingungen in einer Krippe/Kiga dies ermöglichen. Dies sind: - Eine vertrauensvolle Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und päd. Personal - Eine elternbegleitete, bezugspersonenorientierte und abschiedsbewusste Eingewöhnung - Kontinuierliche, feinfühlige Interaktionserfahrungen mit der Bezugserzieherin - Kleine, stabile Gruppen - Geringe Personalfluktuation, Ersatzkräfte - Eine hervorragende Aus- und Fortbildung des päd. Personals Folie 10 Mentalisierung Peter Fonagy (geb. 1952 in Budapest) englischer Psychologe und Psychoanalytiker sowie Professor für Psychologie am University College London. „Mentalisierung ist die Fähigkeit, das eigene Verhalten oder das Verhalten anderer Menschen durch Zuschreibung mentaler Zustände zu interpretieren.“ Mentalisieren ist die … meist vorbewusste imaginative Fähigkeit, „terms of mental states“ (Gedanken, Gefühle, Überzeugungen, Wünsche) intentional auszutauschen, wodurch ein Individuum implizit und explizit die Handlungen von sich selbst und anderen als sinnhaft versteht. (Fonagy et. al. 2002) Erlaubt es den Kindern, die Gedanken anderer zu „lesen“. Die Fähigkeit, sich der eigenen Gedanken und Gefühle und denen anderer Menschen bewusst zu machen. Ermöglicht den Kindern, nicht nur auf das Verhalten anderer zu reagieren, sondern es macht sich eine Vorstellungen darüber, was der andere denkt, welche Einstellungen, Absichten oder Pläne er hat Folie 11 Affektspiegelung Markierung Affektregulierung beim Säugling 11 Lechler/Weber/Weis 2013 10.07.2013 Eltern spiegeln die Emotionsausdrücke ihres Säuglings (wie Freude, Ärger, Traurigkeit) in übertriebener Weise (Markierung, wie typische Ammensprache). Der Säugling gewinnt so ein Bild von seiner eigenen Verfassung. Zentrales Element ist der spielerisch markierende Umgang mit den Affekten des Säuglings. Das Kind ist so mit der Zeit in der Lage, seine Affekte selbst zu regulieren. Wenn die Spiegelung nicht gelingt: •Unmarkierte Affektantworten erlebt der Säugling als die elterlichen Zustände, den eigenen aufgepflanzt •Fremdes Erleben tritt nun an die Stelle des eigenen. •Kind erlebt sich selbst als jemand, der z.B. Schmerzen oder Ärger in anderen hervorruft •In nicht kongruente Affektantworten, z.B. Ärger oder Nicht-Beachtung als Reaktion eines Lächelns, erkennt sich der Säugling nicht wieder Folie 13 Der Modus der psychischen Äquivalenz Lechler/Weber/Weis 2013 Der Als-ob-Modus 10.07.2013 Übergang zum symbolischen Spiel Reflexive Entkopplung 13 Fonagy und Target weisen auf zwei unterschiedliche Modalitäten, in den Gefühle und Gedanken erfahren werden und die nebeneinander existieren: •Unter dem Modus psychischer Äquivalenz wird ein Zustand des Kindes verstanden, in dem es seine Gedanken als tatsächliche Realität erlebt. So wird der Gedanke, ein Krokodil sie unter dem Bett, genauso beängstigend auf das Kind, als wäre tatsächlich eines dort. Das Kind sieht seine Gedanken im Äquivalenzmodus nicht von der Realität getrennt. •Unter dem Als-ob-Modus wird ein Zustand verstanden, in dem die Realität suspendiert, gewissermaßen aufgehoben wird. In diesem Modus kann das Kind also spielen, ohne zu befürchten, dass das Spiel real wird (etwa andere erschießen. Das Kind kann auf diese Weise seine inneren Zustände extern (im spielerischen Als-ob-Modus) darstellen. • Referentielle Entkopplung: Die Ablösung der Bedeutung von einem Gegenstand und ihre Übertragung auf einen anderen. Folie 14 Spielen – Handeln im Übergangsraum Das Übergangs- objekt nach D. W. Winnicott (†1971) Spielen als schöpferisches Handeln auf der Suche nach dem Selbst 14 Lechler/Weber/Weis 2013 10.07.2013 Das Übergangsobjekt ist ein vom Säugling selbst gewähltes Objekt, das den intermediären Raum (Übergangsraum) zwischen Kleinkind und Mutter einnehmen kann. Es ist meist ein materielles Objekt (Kuscheltiere, Schmusedecke o.ä.), welches nach Winnicott dem Kind erlaubt, den Übergang von der frühkindlichen Beziehung zur Mutter zur reiferen Beziehungen zu vollziehen. Häufig tritt dieses Phänomen im Alter von 4-12 Monaten auf. Der Säugling gibt dem Übergangsobjekts die Bedeutung der Mutter und fühlt sich so in seiner Nähe nicht allein. Es wird erschaffen als vorübergehender Ersatz für die abwesende Mutter, um sie zu vertreten: In Zuständen des Alleinseins zieht sich der Säugling mithilfe des Übergangsobjektes auf denen" virtuellen anderen" zurück. Aus der Beschäftigung mit dem Übertragungsobjekt entwickelt sich das Spielen und das spätere kreative und schöpferische Handeln während des Prozesses der Reifung auf dem Weg zum Selbst. Folie 15 10.07.2013 Die reflexiven Kompetenz Fähigkeit zum Denken über das Denken Gedanken und Gefühle und deren anderer Menschen bewusst zu sein. Lechler/Weber/Weis 2013 Mentalisierung: sich der eigenen 15 -Kind bekommt Smartiesschachtel gezeigt und wird gefragt, was darin sei „Smarties“ -Die Schachtel wird geöffnet und es kommen Bleistifte heraus.Schachtel wird wieder verschlossen. -Gefragt, was ein Freund, welcher draußen gerade wartet, sagen würde. Viejährige antworten normalerweise „Smarties“, Dreijährige „Bleistifte“. Dreijährige können schon recht kompetent auf die subjektive Verfassung („emotional state“) eines anderen Bezug nehmen. Sie können aber ihre eigenen Denkinhalte noch nicht als subjektiv erkennen Mentalisierung erlaubt es den Kindern, die Gedanken anderer zu „lesen“. Die Fähigkeit, sich der eigenen Gedanken und Gefühle und denen anderer Menschen bewusst zu machen. Ermöglicht den Kindern, nicht nur auf das Verhalten anderer zu reagieren, sondern es macht sich eine Vorstellungen darüber, was der andere denkt, welche Einstellungen, Absichten oder Pläne er hat Mentalisieren ist die … meist vorbewusste imaginative Fähigkeit, „terms of mental states“ (Gedanken, Gefühle, Überzeugungen, Wünsche) intentional auszutauschen, wodurch ein Individuum implizit und explizit die Handlungen von sich selbst und anderen als sinnhaft versteht. (Fonagy et. al. 2002)