Leitlinien PsychiatrieMigration 2006 zum

Werbung
Leitlinien Psychiatrie/Migration SH aus dem Jahr 2006/2007
online seit Montag, dem 9. September 2013 um 17:09:02 Uhr
Leitlinien zur psychiatrischen Versorgung von Migrantinnen und
Migranten in Schleswig-Holstein Zusammenfassung und
Forderungen für Schleswig-Holstein
Vorwort
1. Einleitung
2. Interkulturelle Öffnung/interkulturelle Kompetenz
2.1 Kriterien und Begriffe
2.2 Fachberatung, Supervision, Fortbildung
2.3 Fachkräfte aus Einwanderungsgruppen
2.4 Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern
3. Psychiatrische Regelversorgung
3.1 medizinische und psychotherapeutische Versorgung
3.2 psycho-soziale Integration
3.3 Sozialpsychiatrische Dienste
4. Zielgruppendifferenzierung
4.1 frauenspezifische Aspekte
4.2 gerontologische Aspekte
4.3 pädiatrische Aspekte
4.4 Differenzierung nach rechtlichem Status
5. Versorgung von Flüchtlingen
6. Regionale Netzwerke
7. Resumée: Zwischenbilanz und Forderungen für Schleswig-Holstein
Anlagen
A) Texte
B) Verwendete Literatur
Zusammenfassung und Forderungen für Schleswig-Holstein
Die Leitlinien wurden von der „Vorbereitungsgruppe“ des Landesarbeitskreises
Migration und Psychiatrie (LAK) mit Unterstützung von einer Reihe weiterer
Autorinnen und Autoren erarbeitet. Im Landesarbeitskreis erörtern
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Bereichen der medizinischen und der
psychosozialen Versorgung sowie der Migrationssozialberatung grundsätzliche
und aktuelle Probleme aus dem Arbeitsfeld.
Ausgangspunkte für den Leitlinienentwurf bilden das „Konzept der
Landesregierung zur Integration von Migrantinnen und Migranten in SchleswigHolstein“, die regionalen Fallstudien über die Gesundheitsversorgung für
Zuwanderinnen und Zuwanderer sowie der Psychiatrieplan 2000 für SchleswigHolstein.
Im März 2004 hat die Landesregierung Schleswig-Holsteins eine
Bestandsaufnahme zur Umsetzung ihres Konzepts zur Integration von
MigrantInnen und Migranten in Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2002 erstellt.
Bereits im Jahre 2002 wurde eine Regionalstudie in vier Kreisen bzw. kreisfreien
Städten (Kiel, Lübeck, Neumünster, Pinneberg) zur „Gesundheitsversorgung für
Zuwanderinnen und Zuwanderern“ veröffentlicht. Als wesentliche „integrative
Kräfte“, die den Weg zu einer effizienten und erfolgreichen
Gesundheitsversorgung ebnen, werden aufgrund der Expertenbefragungen
herausgearbeitet:





stabile persönliche Ansprechpartner, interkulturelle
Öffnung
Kooperation, kontinuierliche Moderation,
konkurrierende Angebote
Qualitätssicherung, Fachaufsicht, Supervision
Selbsthilfepotentiale: Familie, Schlüsselpersonen,
Vereine und Verbände
Zulassung fremdsprachlicher Fachärztinnen und
Fachärzte, Psychotherapeutinnen und
Psychotherapeuten, auch mit Teilzulassungen in
mehreren Regionen
Im Hinblick auf die dramatische medizinische und speziell psychiatrische
Unterversorgung von Flüchtlingen haben vor allem aus EU-Fördertöpfen
finanzierte Projekte (kofinanziert aus kommunalen und / oder / Landesmitteln
wesentliche Fortschritte ermöglicht. Der Landesarbeitskreis Psychiatrie und
Migration hält dennoch folgende Maßnahmen zur weiteren Innovation und zur
Verstetigung der Grundversorgung für Migrantinnen und Migranten in SchleswigHolstein für dringend erforderlich:






Gezielte interkulturelle Konzepte für Einrichtungen
zu entwickeln, Netzwerke zu nutzen und zu
gestalten
Einführung einer formalisierten
Dolmetscherausbildung im Gesundheitsbereich,
nebst Fortbildungsangeboten für Ärztinnen und
Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten, die auf
den Einsatz von Dolmetschenden vorbereiten
Schaffen multikultureller Teams, um interkulturelle
Arbeit in kulturellen Überschneidungssituationen
zu ermöglichen
Verbesserung der Behandlungsqualität durch
Veränderung der therapeutischen Haltung der
Behandelnden und der Niedrigschwelligkeit des
Systems
Fort- und Weiterbildung von Allgemeinmedizinern,
die in der Versorgung von Migrantinnen und
Migranten dominieren (90%)
Förderung von Forschungsvorhaben, die
epidemiologische Daten zur psychischen
Morbidität von Migrantinnen und Migranten sowie
der zu erwartenden psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungsraten in SchleswigHolstein ermitteln




Umsetzung sozialpsychiatrischer Ansätze, die bei
Menschen mit Migrationshintergrund ihre
Kompetenzen, ihre spezifischen Lebensumstände
und ihre Netzwerke einbezieht
Kooperation mit Migrationsdiensten, sowie die
aktive Einbeziehung von Expertinnen und
Experten der jeweiligen Kultur in die Hilfeplanung
Informationen über psychische Erkrankungen und
das regionale gemeindepsychiatrische klinische
und ambulante Versorgungsangebot durch
muttersprachliche Medien
Entwicklung von Interkultureller Öffnung,
interkultureller Kompetenz und eines
entsprechenden Netzwerks als Aufgabe der von
Kreisen und kreisfreien Städten einzurichtenden
Arbeitskreise für gemeindenahe Psychiatrie
Hinsichtlich der Zielgruppen älterer Migrantinnen und Migranten, Kinder,
Jugendliche und junge Erwachsenen sowie Frauen fehlen weitestgehend
quantitative Angaben zu psychischen und im engeren Sinne psychiatrischen
Erkrankungen.
Im Bereich der beraterischen, pflegerischen und ärztlichen Versorgung können
nur auf Erfahrungen aus Modellprojekten aufbauend Maßnahmen zur
Unterstützung von Migrantinnen und Migranten umgesetzt werden. Der
Arbeitskreis hält daher die Förderung von Forschungsvorhaben für notwendig,
die sich besonders auf die kulturspezifischen Ausprägungen der Krankheitsbilder
konzentriert. Eine Förderung praxisbegleitender Evaluation kann ebenfalls dem
Mangel an quantitativen Daten entgegenwirken.
Zur Versorgung von Flüchtlingen unterstützt der Arbeitskreis die
Landesregierung darin
• über einen Dialog mit Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und NGO’s die
Situation von Illegalisierten in Bezug auf notwendige medizinische Leistungen zu
verbessern und sich insbesondere dafür einzusetzen,
• dass der durch EU Richtlinien vorgeschriebene Anspruch von Menschen auf
die zur Rehabilitation erforderliche ärztliche und psychotherapeutische
Behandlung auch in Deutschland umgesetzt und
• Der Zugang zum öffentlich finanzierten Gesundheitssystem geregelt wird.
An einer Vielzahl von Einzelfällen wird deutlich, dass psychische Erkrankungen
bei Flüchtlingen aufgrund eines mangelhaften Asylverfahrens nicht erkannt und
Flüchtlinge nach abgelehnten Asylverfahren in eine dramatische Lage gebracht
werden. Der Arbeitskreis fordert die Landesregierung daher auf,


sicher zu stellen, dass bei Maßnahmen zur
Aufenthaltsbeendigung Hinweisen auf
Abschiebungshindernisse sehr sorgfältig
nachgegangen wird und insbesondere
In subjektiv relativ sicherer Umgebung Kontakt zu
einer qualifizierten Beratung aufgenommen
werden kann

Kostenerstattungen, die durch notwendigen
Dolmetschereinsatz entstehen, müssen einheitlich
zugunsten der notwendigen Behandlung geregelt
werden.
So richtig die Aussage ist, dass die Regeleinrichtungen der medizinischen und
der psychischen Versorgung sich effektiv und kompetent der Versorgung der
Migrantinnen und Migranten öffnen müssen, so wichtig ist die Entwicklung
sprachlicher und „ethno-medizinisch“ spezialisierter Kompetenz im Lande. Diese
Kompetenz soll vorrangig in den kreisfreien Städten vorgehalten und bei Bedarf
den umliegenden Landkreisen zur Verfügung gestellt werden.
Dolmetschervermittlung, Fort- und Weiterbildung, die Durchführung von Kursen
zur gesundheitlichen Information mit jeweils muttersprachlicher Kompetenz
sowie die Gewährleistung der notwendigen Standards können diesen
Einrichtungen zugeordnet werden.
Die vorhandene ethnomedizinische Kompetenz im Lande muss miteinander
verknüpft und in einem verbindlich strukturierten Netzwerk abgestimmte
Leistungen erbringen. Dabei sind Leistungen der erweiterten und spezialisierten
gesundheitlichen Prävention, der medizinischen und psychosozialen
Regelversorgung sowie der Versorgung von Flüchtlingen durch Vereinbarungen
mit der öffentlichen Hand und mit deren finanziellen Förderung dauerhaft
abzusichern.
Die Leitlinien sollen Orientierung geben für eine Weiterentwicklung der
sozialpsychiatrischen Versorgung für psychisch erkrankte Zuwanderinnen und
Zuwanderer in Schleswig-Holstein.
Sie stecken einen noch groben konzeptionellen Rahmen ab für geforderte
Schwerpunktsetzungen der zuständigen Landes- und Kommunalbehörden. sie
beinhalten Vorschläge für die Weiterentwicklung fachlicher Schwerpunkte und
Kompetenzen regional und landesweit. Nachfolgend formulieren die Leitlinien
Empfehlungen für die Zusammenarbeit und Vernetzung der beteiligten
Institutionen sowie für die interkulturelle Öffnung und Kompetenzerweiterung der
psychiatrischen Regeldienste. Perspektiven einer regionalen und
zielgruppenbezogenen Differenzierung werden aufgegriffen, können aber in
diesem Zusammenhang nicht ausgearbeitet werden.

Vorwort
Die Leitlinien sollen Orientierung geben für eine Weiterentwicklung der
sozialpsychiatrischen Versorgung für psychisch erkrankte Zuwanderinnen und
Zuwanderer in Schleswig-Holstein. Sie stecken einen noch groben
konzeptionellen Rahmen ab für geforderte Schwerpunktsetzungen der
zuständigen Landes- und Kommunalbehörden, sie beinhalten Vorschläge für die
Weiterentwicklung fachlicher Schwerpunkte und Kompetenzen regional und
landesweit. Die Leitlinien formulieren Empfehlungen für die Zusammenarbeit und
Vernetzung der beteiligten Institutionen sowie für die interkulturelle Öffnung und
Kompetenzerweiterung der psychiatrischen Regeldienste. Perspektiven einer
regionalen und zielgruppenbezogenen Differenzierung werden aufgegriffen,
können aber in diesem Zusammenhang nicht ausgearbeitet
werden. Ausgangspunkte für den Leitlinienentwurf bilden das „Konzept der
Landesregierung zur Integration von Migrantinnen und Migranten in SchleswigHolstein“, die regionalen Fallstudien über die Gesundheitsversorgung für
Zuwanderinnen und Zuwanderer sowie der Psychiatrieplan 2000 für SchleswigHolstein. Erarbeitet wurde der Leitlinienentwurf von der "Vorbereitungsgruppe"
des Landesarbeitskreises Migration und Psychiatrie (LAK) mit Unterstützung von
einer Reihe weiterer Autorinnen und Autoren.
Die Leitlinien geben den gegenwärtigen Diskussionsstand des
Landesarbeitskreises wieder. Im Landesarbeitskreis erörtern Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter aus den Bereichen der medizinischen und der psychosozialen
Versorgung sowie der Migrationssozialberatung grundsätzliche und aktuelle
Probleme aus dem Arbeitsfeld. Es ist ein lockerer Zusammenschluss zum
Informations- und Meinungsaustausch, der seit 2002 drei bis vier Mal jährlich
durchgeführt wird. Es wurde mit der "Vorbereitungsgruppe" ein koordinierendes
Gremium gebildet, in dem zur Zeit (2005) vertreten sind:
Detlef Witthinrich (Brücke Elmshorn e. V.),Ludger Fischer (Diakonieverein
Migration e.V., Pinneberg),
Sharif Rahim (shefa e.V.) Nebojsa Pekas (Zentrum für Integrative Psychiatrie
gGmbH, Kiel) Christine Balzer (Gesundheitsamt des Kreises Plön). Weitere
Beiträge haben geleistet: Andrea Bastian (Brücke Schleswig-Holstein gGmBH),
Susanne Müller (Diakonieverein Migration e. V., Pinneberg), außerdem wurden
Auszüge aus Vorträgen von Prof. Dr. Machleit (Medizinische Hochschule
Hannover) und Dr. Haasen (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) und Dr.
Yagdiran bei der Fachtagung "Psychiatrische Versorgung von Migrantinnen und
Migranten" am 07.04.2001 in Neumünster verwendet. Wir bedanken uns bei
allen, die den Arbeitsprozess mitgestaltet und unterstützt haben.
1. Einleitung
Viele Völker haben ein sehr unterschiedliches, von ihrer jeweiligen Kultur
geprägtes Verständnis von der Entstehung, dem Verlauf und der Heilung einer
Krankheit. Gerade auf dem Gebiet der psychischen Störungen sind die
Unterschiede groß. Häufig kann man sich nicht einmal darüber einig werden,
wann es sich um eine Erkrankung handelt: In einigen Kulturen wird eine
Veränderung als krank angesehen, die in anderen als normal erachtet wird.
Sogar innerhalb derselben Kultur ist eine Einigung nicht immer möglich.
So ist durchaus zweifelhaft, ob man allgemein gültige Definitionen von
bestimmten Krankheitsbildern, speziell bei psychischen Störungen, überhaupt
formulieren kann. Abhängig ist dies immer vom entsprechenden
Krankheitsverständnis, welches beispielsweise eher westlich rational geprägt
sein kann, basierend auf der Zweiteilung Körper- Seele, oder der östlichen
Mentalität entsprechend eher ganzheitlich geprägt, oder basierend auf den
magischen Vorstellungen vieler Völker, die Götter und Geister für das
Verständnis von Krankheiten heranziehen.
Es ist daher immer problematisch, wenn Behandlerinnen und Behandler und
Patientinnen und Patienten aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen, wenn
also zum Beispiel ein deutscher Arzt einen türkischen Patienten behandelt.
Türkische Patientinnen und Patienten suchen häufig parallel einen Hodscha auf,
vielleicht wegen der Tatsache, dass ausländische Nervenärztinnen und -ärzte in
Deutschland sehr selten sind oder die Erwartungen türkischer Patientinnen und
Patienten sich mit denen deutscher Ärztinnen und Ärzte sich z.T nicht decken:
Ärztinnen und Ärzte erwarten eine differenzierte Beschreibung der Beschwerden,
während türkische Patientinnen und Patienten ein aktiveres Vorgehen des/der in
ihrem Kulturkreis hoch angesehenen Ärztin oder des Arztes erwarten.
Mit dem häufig magische Anteile enthaltenden Krankheitsbegriff ("böser Blick")
vieler Migrantinnen und Migranten, die psychische Störungen als etwas
außerhalb des Menschen bestehendes begreifen, das von außen in sie eindringt,
tut sich die westliche Medizin schwer. Viele Migrantinnen und Migranten
verstehen die Krankheit auch als eine Strafe, die durchaus ihren Sinn haben
kann.
Die Leitlinien für eine psychiatrische Versorgung von
Migrantinnen und Migranten in Schleswig-Holstein
plädieren deshalb dafür, diese kulturspezifische
Unterschiede zu erkennen und zu akzeptieren, die
daraus erwachsenden Schwellen und die Gefahren
der Nicht- und Fehlversorgung jedoch durch
deutliche Verbesserung der interkulturellen Öffnung
und der Kompetenz der Regelversorgung zu
überwinden.
2. Interkulturelle Öffnung/Interkulturelle Kompetenz
2.1 Kriterien und Begriffe
Unter dem Begriff „Migrantin“ oder „Migrant" sollen hier alle Personen
zusammengefasst werden, die selbst oder deren Eltern aus dem Ausland
eingewandert sind und vorübergehend oder dauerhaft in Deutschland leben.
Dabei ist es für unsere Zusammenhänge definitorisch nicht wichtig, welchen
Hintergrund die Einwanderung hat und wie der aufenthaltsrechtliche Status
aussieht. Unsere Definition umfasst auch alle Gruppen der Spätaussiedlerinnen
und Spätaussiedler, sowie und deren Angehörige und alle Einwandererinnen und
Einwanderer, sowie deren Kinder mit deutscher Staatsbürgerschaft.
Sowohl in der Fachliteratur wie auch im öffentlichen Sprachgebrauch werden
unterschiedliche Begriffe und Definitionen gebraucht, um die kompetente
Auseinandersetzung mit kulturell bedingten oder kulturell modifizierenden
Aspekten der psychiatrischen Arbeit mit Migrantinnen und Migranten zu
beschreiben.
Die Fähigkeit, über kulturelle Grenzen hinweg auch als sozialpsychiatrische
Fachleute kommunizieren zu können, wird gelegentlich als >multikulturell<
bezeichnet, häufiger noch mit den Worten >interkulturell< oder >transkulturell<
umschrieben.
Für die Erfordernisse der "Leitlinien" ist es weder möglich noch nötig,
trennscharfe und allgemein akzeptierte Definitionen einzuführen.
Die Autoren haben sich für die Begriffe >Interkulturelle Öffnung< psychiatrischer
Einrichtungen und Dienste und Erweiterung der >interkulturellen Kompetenz<
ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entschieden. Damit sollen spezifische
Anforderungen aber auch die notwendige Begrenzung und Bescheidenheit
verbunden werden. Es ist wichtig grundsätzlich und unter professionellen
Gesichtspunkten:




die eigene Kulturgebundenheit zu reflektieren
das Wissen über andere Kulturen zu erhöhen
kulturelles Wissen nicht zu stereotypisieren
sich verbal und nonverbal für unterschiedliche
Kulturen akzeptabel ausdrücken zu können

mit Menschen unterschiedlicher Kulturen
gemeinsame Realitäten und Lösungen finden zu
können
 mit Dolmetschern arbeiten zu können
Aus ähnlichen Gründen soll nicht versucht werden Begriffe wie >kultursensibel<
/ >kultursensitiv< oder (inter-, trans-) >kulturkompetent< trennscharf
nebeneinander zu benutzen. Der Begriff der interkulturellen Kompetenz wird in
den jeweiligen thematischen Zusammenhängen als gemeinsamer Nenner
benutzt und konkretisiert.
2.2 Fachberatung, Supervision, Fortbildung
Fortbildung, Supervison und Schulung sind Bestandteile einer Prozessqualität,
die im Rahmen einer interkulturellen Öffnung zu einer schrittweisen Einführung
und Umsetzung von Standards in allen Einrichtungen der
psychiatrisch/therapeutischenen und psychosozialen Versorgung von
Migrantinnen und Migranten führt.
Im Kontext erforderlicher medizinisch, psychiatrisch/psychotherapeutischer
Behandlung von Zuwanderinnen und Zuwanderern sind neben den kulturellgesellschaftlichen Lebensumständen eine Reihe von individuellen und
strukturellen Rahmenbedingungen und Besonderheiten wirksam.
Aus unserer Sicht ist es erforderlich, dass über profunde Kenntnisse der
eigenen Profession hinausgehend, sich Behandlerinnen und Behandler in
weiteren Bereichen Kenntnisse und Erfahrungen aneignen müssen oder
in die Lage versetzt werden müssen, sich in einem multiprofessionellen
Netzwerk die erforderliche Unterstützung holen zu können.
Ziel von Fortbildung, Supervision und Schulung muss es sein im
interkulturellen Kontext (gemeint ist das „unterschiedliche, von ihrer
jeweiligen Kultur geprägte Verständnis von der Entstehung, dem Verlauf
und der Heilung einer Krankheit“) Fähigkeiten zu vermitteln, die es
einerseits ermöglichen, kulturspezifische Unterschiede zu erkennen und
zu akzeptieren und andererseits fachliches Wissen zu vermitteln, zu dem
auch gehört, dass ein reflexives Bewusstsein über die eigene Rolle
entwickelt wird.
Zum fachlichen Wissen gehören

Grundlagen der sozio-kulturellen und politischen
Sozialisation sowohl von Migrantinnen und
Migranten als auch des eigenen beruflichen
Selbstverständnisses
 Kenntnisse über rechtliche Rahmenbedingungen
ihres Aufenthaltes sowie des Spannungsfeldes
zwischen rechtlicher und
psychiatrisch/Therapeutischer Handlungsrahmen
 Kenntnisse über die besonderen Bedingungen
der Beziehungsdynamiken, dem
Beratungssetting insbesondere unter Einsatz von
Dolmetschenden
Es bieten sich vor allem erfahrungsbezogene und reflexive Methoden im
Rahmen von Fachberatungen und Intervisionen an. Fallkonferenzen können
ebenso Bestandteil einer fachlichen Fundierung sein, wie kollegiale Beratung.
2.3 Fachkräfte aus Einwandergruppen
Es wäre denkbar, in jeder psychiatrischen Einrichtung oder jedem Krankenhaus,
ein multikulturelles Team einzusetzen. Es stellt sich aber die Frage, ob dies
ausreicht, um ein interkulturelles Konzept durchzuführen.
Bekannt ist, dass in psychosozialen und psychiatrischen Institutionen
Zuwandernde nicht deutscher Herkunft als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
unterrepräsentiert sind. Die Versorgung von Migrantinnen und Migranten ist
daher weniger effizient als die Behandlung von Patientinnen und Patienten aus
deutschem Sprachraum.
Was können multikulturelle Teams besser:
Sie interpretieren relevante Einstellungen und Werte, Denk- und
Handlungsstrategien sowie Kommunikationsformen von Patientinnen und
Patienten mit Migrationshintergrund und nutzen sie als Ressourcen für die
Therapien und Stärkung sozialer Kompetenzen.
Sie fördern als Repräsentantinnen und Repräsentanten einer modernen
Gesellschaft deren interkulturelle Öffnung.
Kulturelle Orientierungssysteme unterliegen einem ständigen Wandel.
Der Erwerb interkultureller Kompetenz ist daher ein fortlaufender Lernprozess.
Interkulturelle Arbeit in kulturellen Überschneidungssituationen erfolgt mit dem
Ziel, interkulturelle Missverständnisse (Konflikte) zu verringern und
Partizipationsmöglichkeiten zu erhöhen.
Es ist jedoch erforderlich

ein gezieltes interkulturelles Konzept für
Einrichtungen zu entwickeln
 einzuschätzen, wie viele psychisch kranke
Migrantinnen und Migranten im Einzugsgebiet der
Klinik leben
 eine Häufung nach Nationalitäten festzustellen
 vertraut zu sein mit Herkunfts- und Mehrheitskultur
 relevante Sprachen fließend zu sprechen
 Kenntnisse über Migrationsprozesse zu haben,
ggf. eigene Migrationserfahrungen zu reflektieren
 rechtliche Rahmenbedingungen zu kennen
 Netzwerke zu nutzen und zu gestalten
2.4 Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern
„Kann eine medizinische Versorgung als ausreichend angesehen werden,
wenn in vielen medizinischen Institutionen innerhalb von 30 Jahren Praxis
nicht einmal die primitivsten Verständigungsmöglichkeiten für die
Behandlung ausländischer Patientinnen und Patienten aufgebaut und
strukturell (z.B. personell und finanziell) gesichert wurden?“ (Collatz
1987)
Fast 20 Jahre später hat sich die Situation in vielen Einrichtungen kaum
verändert. Treten Verständigungsprobleme auf – gemeint sind das Verstehen
und Sprechen von oder in anderer als der Muttersprache – wird bestenfalls im
persönlichen Umfeld nach sprachkundigen Menschen gesucht, die übersetzen,
was der Arzt, die Ärztin dem Patienten, der Patientin mitteilen möchte. In
Ansätzen hat eine Professionalisierung des Dolmetschereinsatzes stattgefunden,
z. B. dadurch, dass Kliniken einen Dolmetscherpool eingerichtet haben oder es
ist sprachkundiges Personal eingestellt wurde. Dennoch ist der Einsatz von
Dolmetscherinnen und Dolmetschern in der therapeutischen und medizinischen
Praxis noch immer von Improvisation gekennzeichnet und lässt Professionalität
vermissen. (Haenel 2004) Letzteres setzt voraus, dass Therapeuten und Ärzte
Grundwissen über kulturelle Aspekte des gesundheits- und
Krankheitsverständnisses, dem Verhältnis der Patienten zur Medizin,
Krankheitsdeutungen, etc. besitzen und aus diesem Verständnis heraus
geeignete Übersetzerinnen und Übersetzer, Dolmetscherinnen oder Dolmetscher
einsetzen. Noch immer arbeiten Therapeutinnen und Therapeuten ohne
Dolmetschende oder nutzen Familienmitglieder, die als Sprachmittler/-innen
fungieren. Besonders problematisch ist es, wenn Kinder für ihre psychisch
kranken oder traumatisierten Eltern übersetzen.
Der professionelle Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern hängt zum
anderen auch davon ab, ob genügend geschulte Personen vorhanden und
zeitnah eingesetzt werden können – vorausgesetzt, die finanziellen Mittel sind
vorhanden. Standards für eine Ausbildung von Dolmetscherinnen und
Dolmetschern, die im therapeutischen und medizinischen Bereich eingesetzt
werden, gibt es nicht. Ein besonderes Problem ist es auch, dass in der
Bundesrepublik Deutschland der Titel Dolmetscherin/Dolmetscher noch nicht
geschützt ist. Dadurch ist es möglich, dass viele Menschen, die lediglich
zweisprachig oder sogar nur halbwegs zweisprachig sind, diese Tätigkeit
verrichten. Vereinzelt werden von privaten Trägern Versuche in SchleswigHolstein unternommen, Fortbildungsangebote für diesen Personenkreis
anzubieten. Es scheint dringend erforderlich, dass diese Aktivitäten nicht nur
gefördert sondern auch Initiativen gestartet werden, analog dem schwedischen
Modell eine formalisierte Dolmetscherausbildung im Gesundheitsbereich zu
schaffen. Ein Recht auf Verständigungshilfe könnte möglicherweise dazu
beitragen, dass dieser Prozess beschleunigt wird.
Neben der fachlichen Grundausbildung für Dolmetschende ist auch eine
Begleitung in der Berufspraxis von entscheidender Bedeutung wenn der Einsatz
von Dolmetschenden erfolgreich sein soll. Insbesondere burnout-Symptomen
kann durch Supervision entgegengewirkt werden.
Folgende Anforderungen an den Einsatz von Dolmetschenden lassen sich
formulieren:

Eine qualitativ hochwertige Behandlung für
Migranten und Migrantinnen erfordert einen
ausgebildeten Dolmetschenden, der medizinische
oder psychosoziale Vorkenntnisse mit
ausgeprägtem psychopathologischen Wissen hat
 Eine Therapie zu dritt muss detailliert vorbereitet
werden, die Rollen der Beteiligten klar definiert
und transparent sein
 Der/die Dolmetschende muss mit geeigneter
Dolmetschertechnik ausgerüstet sein (Tonlage,
Schnelligkeit der Übersetzung, Körperhaltung,
Blickkontakt, Körperkontakt)
Folgende Rahmenbedingungen für einen Einsatz von Dolmetscherinnen und
Dolmetschern müssen gegeben sein:





3
Es muss die Möglichkeit gegeben sein, in einem
Vorgespräch die Dolmetschende Person kennen
zu lernen, ggf. ablehnen zu können.
Der/die Therapierende soll Dolmetschenden
immer ein Nachgespräch anbieten und eine
Rückmeldung geben, ggf. sollten
Fallbesprechungen stattfinden.
Dolmetschenden müssen kontinuierlich
Fortbildungen angeboten werden - Supervison
sollte dabei Bestandteil des Berufes sein.
Der Einsatz von Dolmetschenden sollte nach
einheitlichen Honorarsätzen erfolgen. Hierzu
könnten Kliniken den Einsatz aus Pflegesätzen
finanzieren, die über Krankenkassen und
Sozialämter refinanziert werden.
Die Abrechnung von Dolmetscherkosten in der
ambulanten Therapie muss einheitlich
dahingehend geregelt werden, dass
Kostenübernahmen für alle Dolmetschereinsätze
erfolgen, unabhängig vom jeweiligen Status der
Patientinnen und Patienten
Psychiatrische Regelversorgung
3.1 Psychologisch-medizinische und psychotherapeutische Versorgung
Die psychologisch-medizinische Versorgungssituation von Migrantinnen
und Migranten ist bis heute verbesserungswürdig. Einheimische mit
psychischen Erkrankungen nehmen zu über 90 % Hausärzte für
Diagnostik und Behandlung in Anspruch. Die bei Migrantinnen und
Migranten häufigeren als psychosomatisch zu interpretierenden
Schmerzsyndrome und Erschöpfungszustände wurden diagnostisch nur
unzureichend erkannt und mit ungeeigneten Mitteln behandelt. Darüber
hinaus litten die Arzt-Patient-Kontakte unter sprachlichen, aber darüber
hinaus auch inhaltlichen, Verständigungsschwierigkeiten. Es fehlte
offenbar an der Bereitschaft, sich auf die besonderen Erfordernisse der
Migrantinnen und Migranten einer kultursensiblen Wahrnehmung ihrer
Problemlagen einzulassen.
Migrantinnen und Migranten kommen etwa je zur Hälfte schnell oder gar nicht in
Langzeitbehandlung. Dies steht in Übereinstimmung mit Studien aus anderen
europäischen Ländern. Wo bleibt also die übrige Hälfte der Betroffenen, die an
einer chronischen psychischen Erkrankung leiden und eine
Langzeitnachbetreuung in einem sozialpsychiatrischen Dienst dringend
brauchen?
Die Gründe sind vielfältig. Gründe für eine Erschwerung der
Kontaktaufnahme durch Migrantinnen und Migranten könnten seine/ihre
schlechte Erfahrungen mit (deutschen) Behörden sein. Dies könnte
negativ auf eine therapeutische Einrichtung wie die Nachsorgeambulanz
zurückwirken, der von der Kommune unterhalten wird. Es gibt häufig die
Befürchtung, dass Betroffenen mit chronischen Erkrankungen die
Rückkehr in ihr Heimatland empfohlen wird bzw. diese gegen den Willen
der Patientin oder des Patienten initiiert wird. Ein anderer Grund könnte
der folgende sein: Von Migrantinnen und Migranten werden häufig
aufgrund ihres kulturell determinierten Krankheitsverständnisses mit einer
Tendenz zur Somatisierung psychischer Leiden somatische Fachärzte
aufgesucht, welche die Chroniziät und Schwere der psychischen
Erkrankungen nicht erkennen. Die Betroffenen finden den Zugang zum
psychiatrischen Versorgungssystem deshalb nicht. Auch bei richtiger
Diagnosestellung wird häufig die Inanspruchnahme abgelehnt. Solche
Migrantinnen und Migranten nehmen nur in Krisenfallsituationen
psychiatrische Notfalldienste in Anspruch und halten sich im übrigen von
psychiatrischen Institutionen fern. Die Sprachbarriere bildet bei einigen
Betroffenen zusätzlich eine hohe Schwelle für das Aufsuchen von
psychiatrischen Institutionen. Häufig ist es aber auch so, dass die Familie
und die Landsleute erkrankter Migrantinnen oder Miganten alternative
soziale Hilfssysteme in Anspruch nehmen und z.B. auch traditionelle
Heiler oder Heilerinnen durchaus nicht ohne Erfolg aufsuchen. Dies ist der
günstigere Fall.
Epidemiologische Zahlen aus Studien zur psychischen Morbidität von
Migrantinnen und Migranten in Deutschland liegen nicht vor. Solche
Studien werden dringend benötigt. Die folgende Modellrechnung ergibt ausgehend von epidemiologischen Untersuchungen zur psychischen
Morbidität in Deutschland im Rahmen einer Modellrechnung – ungefähre
Anhaltszahlen für die psychische Morbidität von Migrantinnen und
Migranten, sowie die zu erwartenden psychiatrischpsychotherapeutischen Behandlungsraten in Schleswig-Holstein.
Nach epidemiologischen Daten in Deutschland gelangen knapp 10 % der
Patientinnen und Patienten mit psychischen Störungen in
fachpsychiatrisch/psychotherapeutische Behandlung. Geht man davon
aus, dass die psychiatrische Morbidität bei Migrantinnen und Migranten
mindestens so hoch ist wie bei der einheimischen Bevölkerung, nämlich
33 % im 5-Jahres-Verlauf, dann suchen etwa 47.000 in SchleswigHolstein lebende Personen mit Migrationshintergrund wegen eines
psychischen Problems in über 90 % einen Hausarzt und in knapp 10 %
eine(n)psychiatrisch/psychotherapeutisch tätigen Facharzt oder
Fachärztin auf. Die Modellrechnung in Tabelle I zeigt die Referenzzahlen
der Modellrechnung bei einer psychischen Morbidität von 33 % bzw. 40 %
bei Migrantinnen und Migranten. Das hieße, die Personen mit ernsteren
psychischen Störungen gelangten dann in einer Zahl zwischen 4.400 und
5.300 in das psychiatrisch/psychotherapeutische Versorgungssystem
Schleswig-Holsteins bzw. sollten erwartungsgemäß in dieses System
gelangen.
Die epidemiologischen Zahlen und das Inanspruchnahmeverhalten von
Menschen mit psychischen Problemen zeigen die überaus dominierende
Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte bei der Behandlung psychisch
kranker Deutscher sowie ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Für
die Modellrechnung in Schleswig-Holstein ist weiter relevant, dass nach
den deutschen und internationalen Erfahrungen etwa die Hälfte der
schwerer chronisch kranken Migrantinnen und Migranten, die
psychiatrisch/psychotherapeutische Hilfe brauchen, sich tatsächlich in
stationäre bzw. ambulante Behandlung begeben. Unsere Studie zur
sozialpsychiatrischen Langzeitbetreuung von chronisch kranken
Migrantinnen und Migranten in der Institutsambulanz zeigt dies
eindrucksvoll.
Das heißt für die Modellrechnung, dass etwa 2.500 Migrantinnen und
Migranten mit schwereren psychiatrischen Erkrankungen tatsächlich pro
Jahr in Schleswig-Holstein in Behandlung sind.
Die Versorgung von Migrantinnen und Migranten mit psychischen Problemen
liegt zu über 90 % bei den Hausärzten und betont die Fort- und
Weiterbildungsnotwendigkeiten dieser ärztlichen Berufsgruppe für eine qualitativ
gute Versorgung.
Darüber hinaus sollten die Institutsambulanzen eine besonders wichtige Rolle
spielen, indem sie die Kriterien der interkuturellen Öffnung und der Erweiterung
interkuturellpsychiatrischer Kompetenz intensiv umsetzten.
Das psychiatrisch/psychotherapeutische Versorgungssystem, in das nur 10 %
aller Migrantinnen und Migranten – allerdings mit schwereren psychischen
Erkrankungen – gelangen, ist von seinen strukturellen Voraussetzungen her gut
geeignet für deren Versorgung. Spielräume für Verbesserungen der
Behandlungsqualität liegen in der therapeutischen Haltung der Behandelnden,
in der Niedrigschwelligkeit des Systems und der Möglichkeit, Dolmetschende
einzusetzen.
3.2 Psychosoziale Integration
Die gemeindepsychiatrische Landschaft in Schleswig-Holstein zeichnet sich aus
durch eine Vielfalt der Angebote verschiedener Träger, größerer Organisationen
und kleiner Betreuungsteams. Jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt hat
unterschiedliche Formierungen von gemeindepsychiatrischem Verbünden, in
denen die Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände und freie Träger sich
gemeinsam für die psychiatrische Versorgung der Region verantwortlich fühlen.
Die Angebote selbst reichen von ambulanten, teil stationären und vollstationären
Betreuungsangeboten im Wohnbereich, in der Tagesstrukturierung, der Pflege,
Behandlung und Rehabilitation, bis hin zu Angeboten der Fachdienste Arbeit und
der beruflichen Rehabilitation. Ein Großteil der Angebote wird über die
Eingliederungshilfe mit den Sozialämtern als Leistungsträger finanziert.
Neuere sozialpsychiatrische Ansätze gehen von einem personenzentrierten
Ansatz aus, d.h. die Hilfeplanung orientiert sich immer an den Bedürfnissen der
individuellen Personen und bezieht die Ressourcen der Person mit ein. Im
Idealfall würden also auch bei Personen mit Migrationshintergrund die jeweiligen
Umstände und Kompetenzen, das Umfeld und die weiteren Hilfemöglichkeiten,
auch der kulturellen Netzwerke, berücksichtigt werden. Dies erfordert allerdings
ein Verständnis der Situation und eine gute Kommunikation, die in der Regel
nicht vorhanden ist. Desgleichen gibt es häufig unterschiedliche Auffassungen
über psychische Erkrankung in verschiedenen Kulturkreisen und ein Nichtwissen
über die vorhandenen Möglichkeiten von Betreuung und Versorgung im
Krankheitsfall in der Region. Koopeation und Hilfeplanung in den Regionen soll
den spezifischen Zugangsschwellen und Bedürfnissen von Migranten Rechnung
tragen. Ausgehend von den "Zwölf Sonnenberger Leitlinien" für die Integration
psychisch kranker Migrantinnen und Migranten und dem Konzept der
Landesregierung zur Integration von Migrantinnen und Migranten in Schleswig-
Holstein ergeben sich folgende Erfordernisse für eine kulturell kompetente
Sozialpsychiatrie in Schleswig-Holstein:
Auf der Ebene der Gemeindepsychiatrischen
Verbünde
1. Aufbau oder Pflege regionaler Netzwerke
innerhalb der gemeindepsychiatrischen Verbünde mit
den Migrationssozialdiensten und
Migrantenorganisationen vor Ort, Miteinbeziehung in
die sich bildenden Hilfeplankonferenzen
2. Kooperation der Dienste innerhalb des Verbunds
mit den Migrations- und Spezialdiensten im Einzelfall.
3. Information über psychische Erkrankungen und
das regionale gemeindepsychiatrische klinische und
ambulante Versorgungsangebot sollen über
muttersprachliche Medien und Multiplikatoren in die
verschiedenen Migrantengruppen und -organisationen
kommuniziert werden:
 über mehrsprachige Informationsbroschüren
 über mehrsprachige Veranstaltungen, gezielt an
bestimmte Bevölkerungsgruppen gerichtet

über regelmäßige Kontakte zu
Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in den
Migrantengruppen
4. Aufbau eines Wegweisers mit Informationen zu Spezialisten
Kennern bestimmter Kulturen und Verbreitung dieser Wegweiser
in allen Einrichtungen
5. Beteiligung an einem überregionalen Pool
von qualifizierten Dolmetscherinnen und Dolmetschern (siehe auch Kap.
2.4)
-
6. Verhandlung von Finanzierungskonzepten mit den Kommunen
und dem Land für den Einsatz dieser Spezialistinnen und Spezialisten sowie Fachdolmetscherinnen und
dolmetscher (siehe auch Kap. 2.4).
Auf der Ebene der Organisationen und Einrichtungen:
7. Entwicklung eines interkulturellen Leitbildes in den Organisationen,
Überprüfung der jetzigen Leitbilder - Interkulturelle Orientierung und Kompetenz
als strategische Ziele und Handlungsanweisungen, als Querschnittsaufgabe in
der Organisation
8.


Interkulturelle Konzeptentwicklung:
Überprüfung und Weiterentwicklung der bestehenden
Konzepte in möglichst vielen Einrichtungen auf interkulturelle Kompetenz
Durchführung von Teamtagen u.ä. zum Thema.
9. Aufnahme von zusätzlichen Kriterien für interkulturelle Kompetenz in den
Leistungsvereinbarungen mit den Leistungsträgern
10. Erleichterung des Zugangs zu allen sozialpsychiatrischen Diensten und
Einrichtungen:
- Überprüfung der Zugangsbarrieren in der
Einrichtung (Erstkontakt, Telefonzeiten, Öffnungszeiten, leicht verständliches
Infomaterial)
Niedrigschwelligkeit
Die Einrichtungen bzw. Netzwerke brauchen identifizierte,
kulturell kompetente Kontaktpersonen für den ersten Kontakt.
Die Betreuungsleistungen müssen konsequent personenbezogen
durchführbar sein und dürfen sich nicht an den Bedarfen der Einrichtungen
orientieren
11. Aktive Einbeziehung von Expertinnen und Experten, /Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren der jeweiligen Kultur in jede Hilfeplanung
Verpflichtendes Bestandteil bei der Hilfeplanung: Einbeziehung des
Migrationshintergrundes und mindestens einmalige Konsultation einer/s
kulturellen Expertin oder Experten für die Hilfeplanung, kulturspezifische
Anamnese als selbstverständlicher Teil der Hilfeplanung
12. Unterstützung bei der Bildung von Selbsthilfegruppen mit professioneller
oder ohne professionelle Begleitung
13. Überprüfung der Qualitätsstandards in den Einrichtungen auf
Kulturkompetenz
-
Dokumentation
Betreuungsprozesse
Zielüberprüfung
14. Aktive Personalentwicklung - kultursensitiv und kulturkompetent. Aufbau von
interkultureller Kompetenz des bestehenden Personals in den Einrichtungen
durch:






regelmäßige Fortbildungen zur Stärkung der
Sensibilität der Mitarbeitenden
Reflexion des eigenen kulturellen
Selbstverständnisses, dessen Grenzen und
Veränderungspotentiale im Umgang mit
Mitarbeitern und Klienten fremder kultureller
Prägung
Erweiterung der Sprachkompetenzen
Fortbildung von Mitarbeitenden zu
Multiplikatorinnen und Multiplikatoren,
Spezialistinnen und Spezialisten
Bildung von interkulturellen Betreuungsteams vor
allem in Regionen mit hohem Ausländeranteil
bevorzugte Einstellung von Personal mit
Migrationshintergrund und/oder zusätzlicher
Sprachkompetenz

Unterstützung von Ausbildung junger Menschen
mit Migrationshintergrund durch Praktika und
Ausbildungsangebote
3.3.Öffentliche und öffentlich geförderte Gesundheitsberatung
Per Gesetz sind Länder und Kommunen verpflichtet, differenziert und
flächendeckend Beratung für Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen
vorzuhalten. Das Psychisch-Kranken-Gesetz regelt für Schleswig-Holstein u.a.
die entsprechenden Aufgaben der Gesundheitsämter der Landkreise und
kreisfreien Städte.
Weitergehende Aufgaben einer niedrig-schwelligen und interkulturell
kompetenten Gesundheitsberatung und-schulung, speziell auch im
psychiatrischen Bereich, können durch eine finanzielle (Regel)-Förderung
entsprechend qualifizierter Träger erfüllt werden.
Sozialpsychiatrische Dienste
Das Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) richtet sich an psychisch kranke
Menschen, d.h. auch an Migrantinnen und Migranten und ihre Angehörigen.
Ausdrücklich ist festgeschrieben, dass auf die Würde und ihr Befinden Rücksicht
zu nehmen ist. Dies bedeutet, auch den kulturellen Hintergrund bei Migrantinnen
und Migranten zu berücksichtigen und in die Beratung mit einzunehmen. Die
Hilfe durch den Sozialpsychiatrischen Dienst wird durch Beratung und
Unterstützung der betroffnen Personen sowie deren Umfeld angeboten. Dies
bedeutet, dass gerade Migrantinnen und Migranten, die oft Probleme haben,
einen Arzt aufzusuchen, zu Haus erreicht werden können. Durch Hausbesuche
kann auch die soziale Situation besser verstanden, bzw. erkannt werden.
Aufgaben des Sozialpsychiatrischen Dienstes gem. PsychKG:
Das PsychKG regelt für psychisch kranke Menschen und ggf. ihre Unterbringung
in einem Krankenhaus. Im Umgang mit psychisch kranken Menschen ist auf ihre
Rechte, ihre Würde und auf ihr Befinden besondere Rücksicht zu nehmen. Ihren
Wünschen nach Hilfen soll entsprochen werden (§ 1).
Die angebotenen Hilfen sollen psychisch kranke Menschen befähigen,
menschenwürdig und selbstverantwortlich zu leben. Sie sollen dazu beitragen
seelische Erkrankungen oder Störungen von erheblichem Ausmaß sowie
Abhängigkeiten von Rauschmitteln/Medikamenten rechtzeitig erkannt und
behandelt werden (§ 3).
Hilfen werden durch Beratung und Betreuung gewährt, auch in Form von
angebotenen Hausbesuchen. Zur Gewährung dieser Hilfen richten die Kreise
und kreisfreien Städte einen Sozialpsychiatrischen Dienst ein (§ 4).
Zur Koordination der Hilfsangebote für psychisch kranken Menschen sind
Arbeitskreise für gemeindenahe Psychiatrie durch die Kreise und kreisfreien
Städte einzurichten (§ 5).
Interkulturelle gesundheitliche Prävention und (sozialpsychiatrische)
Gesundheitsberatung:
Unter Migranten besteht ein hoher Bedarf und in Teilen zumindest auch ein
großes Interesse an gesundheitsbezogener Information. Diesen Bedarf und das
Interesse zu befriedigen, insbesondere im Hinblick auf präventive Information
und Aufklärung über Krankheitsbilder, Vorsorge und Behandlungsmöglichkeiten,
gelingt bisher nur äußerst unzureichend. Allerdings weisen (Modell-) Projekte
auch in Schleswig-Holstein nach, dass der Aufbau entsprechender Beratungsund Kursprogramme erfolgreich ist und auf eine große Nachfrage trifft. Die
spezifisch auf psychiatrische Bereiche orientierte Information und Beratung (z.B.
Sucht, Depressionen, Psychose, Angst …) kann im Zentrum stehen oder
eingebunden werden in ein übergreifendes präventives Programm der
Gesundheitsförderung(z.B. Stress, Schlafstörungen, Ernährung, Aids,
Kinderkrankheiten, Impfungen …). Regionale Gesundheitswegweiser und
Informationsangebote für MigrantInnen können eine wichtige Ergänzung zu
mehrsprachigen überregional erstellten Informationsmaterialien darstellen.
4
Zielgruppendifferenzierung
Selbstverständlich sind Individuen nicht schematisch und ausreichend
differenziert über Aspekte von Zielgruppenzugehörigkeit zu beurteilen.
Alter, Geschlecht, soziale Herkunft und aktuelle soziale Position, religiöse und
weltanschauliche Orientierungen und andere Faktoren bilden ein vielfältiges
Geflecht, das es im Hinblick auf die Einzelperson zu beachten gilt. Insbesondere
die soziale und ökonomische Lage bildet ein weiteres wichtiges
Unterscheidungsmerkmal, welches auf das Bildungsniveau und sprachliche
Fähigkeiten, die Wahrnehmung psychischer Erkrankungen und den Zugang zur
medizinischen und psychosozialen Versorgung erheblichen Einfluss hat.
Die Leitlinien legen ihren Schwerpunkt auf die Differenzierung nach den
Aspekten der Geschlechtsdifferenzierung, der Lebensalter und der rechtlichen
Situation.
4.1 Frauenspezifische Aspekte
Frauen machen einen erheblichen Anteil der in
Deutschland lebenden Menschen mit
Migrationshintergrund aus. Nach anfänglicher
Migration von vorwiegend Männern, kamen Frauen
zunächst im Rahmen der Familiezusammenführung
nach Deutschland. Die Vielzahl an
politischen/militärischen Konflikten in verschiedenen
Teilen der Welt hat die Anzahl der allein bzw. mit
Kindern und/oder Eltern migrierenden Frauen in den
vergangenen Jahren ansteigen lassen.
Frauen erleben im Rahmen ihres
Migrationsprozesses einer Vielzahl psychosozialer
Belastungen anderes, verstärkt oder im Gegensatz
zu nicht migrierten Frauen. Die Hintergründe dieser
Belastungen können sehr unterschiedlich sein. So
sind beispielsweise Schwierigkeiten in den Bereichen
Gesundheit (Schwangerschaft und Geburt,
psychische Beeinträchtigungen durch
Gewalterfahrung etc.), Bildung (deutsche Sprache,
Anerkennung von Schul- und Berufsausbildung etc.),
Arbeit, Einkommen und Wohnen sowie soziale
Stellung oder soziale Kontrolle in der Gesellschaft
und entsprechenden kulturellen Unterschieden
häufige Ursachen für psychische
Beeinträchtigungen. Eine besondere Gruppe bilden
Frauen, die Folter und Gewalt im Heimatland oder
auch in Deutschland erlebt haben. Diese Frauen
weisen oftmals weitaus schwerwiegendere
Beeinträchtigungssymptome auf und bedürfen einer
besonderen gesundheitlichen Versorgung.
Die aufgelisteten Faktoren deuten darauf hin, dass
sich Frauen mit Migrationshintergrund in Bezug auf
somatische und psychische Beschwerden deutlich
von deutschen Frauen unterscheiden. Ihre
Gesundheit ist durch ausländerpolitische und soziale
Belastungen sowie durch interkulturelle Konflikte und
Erwartungsenttäuschung anders beeinträchtigt; die
Lebensumstände machen sie anfälliger für
psychische Krankheiten.
Die psychosoziale, psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung von
Migrantinnen setzt ein hohes Maß an sprachlicher und interkultureller
Kompetenz bei Beraterinnen und Beratern, Psychotherapeutinnen und
Psychotherapeuten, Psychiaterinnen und Psychiatern sowie Ärztinnen und
Ärzten voraus. Um die Problemlage der Frauen zu verstehen, ist es nötig, sich
mit den individuellen Gründen und Umständen der Migration sowie dem Erleben
der Ankunft und den damit verbundenen Gegebenheiten vertraut zu machen.
Hinzu kommen die unterschiedlichen Motivationen und Erwartungen, die an die
Migration geknüpft sind. Bei weder geplanter noch gewünschter Migration, wie
beispielsweise im Falle einer Flucht, ist eine andere psychische Belastung als
bei (freiwilligem bzw. unfreiwilligem) Nachzug zum Ehemann bzw. der Familie zu
erwarten. Allen gemein ist der Verlust des kulturellen und familiären Kontextes
(gewohnte Umgebung, Menschen, Bräuche und Sprache etc.).
Frauen sind in diesem Zusammenhang oftmals stärker belastet, da sie in der
Regel eine stärkere familiäre Bindung, geringere Schulbildung und durch
beispielsweise Schwangerschaft ein höheres Maß an emotionaler
Empfindlichkeit haben. Frauen erleben sich im Rahmen ihrer Migration eher als
hilflos und allein gelassen. So ist es beispielsweise in vielen Kulturen
selbstverständlich, dass das gesellschaftliche Leben von den Männern geregelt
wird und die Frauen zu Hause bleiben und den Haushalt sowie die Kinder und
alten Familienmitglieder versorgen.
Viele Frauen haben wenig Kontakte mit den Menschen und Bräuchen in
Deutschland und verbleiben über die familiären Grenzen hinaus in einer oftmals
passiven und unselbstständigen Situation. In dieser Lage entwickeln sie Ängste
bis hin zu schweren Depressionen, die sehr individuelle Ursachen haben
können. Die Angst vor der neuen Sprache und Kultur, Ängste und Sorgen um
Familienmitglieder die im Heimatland verblieben sind, die Angst keine
(Asyl)rechtliche Anerkennung zu erhalten und wieder in die Heimat, in der sie
eventuell erneut mit Repressalien bzw. einer Retraumatisierung konfrontiert sind,
zurück zu kehren, sind nur einige Beispiele für die vielfältigen Ursachen für die
Entstehung psychischer Beeinträchtigungen.
Für die psychotherapeutische Versorgung von Migrantinnen bedeutet dies, dass
das Verständnis zu Fragen von Gesundheit und Krankheit, sozialen Rollen und
familiären Lebenszyklen sowie zu kulturellen Traditionen in jede Behandlung mit
einbezogen werden sollte. Dies setzt, neben dem Verständnis für die kulturelle
Bedingtheit des menschlichen Handelns, die Wahrnehmung und Einbindung der
individuellen Situation der Frau voraus, und dies, ohne kulturelle Stereotype
festzulegen.
Die Bedeutung der (Mutter-)Sprache innerhalb der psychotherapeutischen
Versorgung von Migrantinnen ist sehr hoch. Die Sprache wird in der Behandlung
zum gemeinsamen Medium. Worte und Sätze haben oft vielschichtige
Bedeutungen und diese können oftmals nur in der Muttersprache
wahrgenommen und verstanden werden.
Die Anzahl der Beraterinnen und Berater, Psychotherapeutinnen und
Psychotherapeuten, Psychiaterinnen und Psychiatern sowie Ärztinnen und
Ärzten mit Migrationshintergrund ist noch verhältnismäßig gering. Die Mehrzahl
der Migrantinnen wird von deutschen Kolleginnen und Kollegen behandelt und
das gegenseitige Verständnis gestaltet sich oftmals als sehr schwierig, da die
einzelnen Bedeutungen und Hintergründe nur oberflächlich wahrgenommen und
eingeordnet werden (können). Der Einsatz von Dolmetscherinnen und
Dolmetschern beinhaltet eine Möglichkeit diese Schwierigkeiten und Barrieren zu
verringern, dennoch bleibt die Gefahr des Miss- und Falschverstehens.
Eine weitere Schwierigkeit beinhaltet das oftmals nicht vorhandene Vertrauen in
einerseits die eigenen Landsleute und andererseits in die kulturell oftmals extrem
unterschiedlich geprägten Deutschen und ihre Fähigkeit sich in die individuelle
Lebenssituation hineinzuversetzen. Einerseits ist das Vertrauen in deutsche
Hilfssysteme sehr groß, andererseits existiert Misstrauen gegenüber einem
anderen Krankheits- und Heilungsverständnis. Die eigenen Landsleute werden
oftmals als Spitzel bzw. verlängerter Arm der als repressiv erlebten Heimat
wahrgenommen und Vertrauen und ein Prozess des sich Öffnens kann gar nicht
erst entstehen. Dies gilt ebenfalls für die eingesetzten Dolmetscherinnen und
Dolmetscher. Der individuelle Bedarf, auch in Hinblick auf das ambivalente
Verhalten, jeder Frau mit Migrationshintergrund muss somit erst ermittelt werden,
um dann kompetent und vertrauensvoll zu behandeln.
Der Zugang zu psychotherapeutischer
Versorgung
wird Frauen mit Migrationshintergrund zusätzlich
durch ein langes und aufwendige Prozedere bei der
Klärung der Kostenübernahme durch Krankenkassen
und Sozialämter erschwert. Die Praxis zeigt, dass die
langen Wartezeiten, in denen von den
Gesundheitsdiensten die Berechtigung zu psychotherapeutischer Versorgung geprüft wird, den
gesundheitlichen Zustand der Frauen erheblich
verschlechtern. Auf Grund der fehlenden
interkulturellen Sensibilität der Gesundheitsdienste
muss der besondere Bedarf der Frauen sehr
ausführlich erläutert werden. Bei der Wahl der
Psychotherapeutin / des Psychotherapeuten sind oft
sowohl das Geschlecht, die Volkszugehörigkeit
sowie Erfahrungen im Bereich Traumatherapie mit
Flüchtlingen entscheidend. Die oftmals fehlende
Kassenzulassung der wenigen in diesem Arbeitsfeld
tätigen Psychotherapeuten, führt in der Regel zu der
Ablehnung der Kostenübernahme.
Besonders wichtig ist außerdem der interkulturell
kompetente und niedrigschwellige Zugang zu Hilfen
für psychisch erkrankte Mütter mit Kindern. Der
möglicherweise vorhandene Rückhalt im
Familiensystem ist in der Regel nicht ausreichend.
Der Zugang zu Maßnahmen der Jugendhilfe ist
besonders schwierig. Die Zusammenarbeit von
medizinisch-psychiatrischer Behandlung der Mutter,
der begleitenden integrierten Versorgung der Kinder
und der qualifizierten und integrierten psychosozialen
Nachsorge muss dringend gewährleistet werden.
4.2 gerontologische Aspekte
Ende 2000 lebten mehr als 620 Tausend über
60jährige Ausländerinnen und Ausländer in
Deutschland. Damit erreicht diese Altersgruppe
einen Anteil von 8,6 % an der ausländischen
Bevölkerung (der entsprechende deutsche Anteil
beträgt deutlich mehr als 15 %). Die absolute Zahl
wird sich voraussichtlich bis 2010 verdoppeln und bis
2030 vervierfachen. In diese Angaben sind natürlich
die deutschstämmigen Aussiedlerinnen und
Aussiedler, sowie Eingebürgerte nicht einbezogen.
Angaben zu psychischen und im engeren Sinne psychiatrische Erkrankungen
älterer Migranten und Migrantinnen liegen uns nicht vor. Zu erwarten ist, dass die
Erkrankungsraten, insbesondere im Hinblick auf psychotische und dementielle
Störungen keine wesentliche Unterschiede aufweisen werden. Dabei ist
allerdings zu berücksichtigen, dass kulturunabhängig die Häufigkeit depressiver
Störungen (außer der schweren Störungen) im Alter insgesamt zunimmt und die
Häufigkeit dementieller Syndrome von 2 – 3 % bei den 65jährigen auf 20 % der
über 80jährigen sprunghaft ansteigt.
Als spezifisch gesundheitsbelastend könnte sich durch die Migration ausgelöster
Stress auswirken, der sich als Spätfolge im Alter in psychosomatischen
Krankheiten oder depressiven Störungen manifestieren kann. Eine im Übergang
zum Alter sich zuspitzende Ambivalenz in der Entscheidung, ins Geburtsland
zurück zukehren oder zu bleiben, kann als starke zusätzliche „aktualisierte“
Belastung wirken. Bei der diagnostischen Einschätzung, ob eine Demenz
vorliegt, sind vor allem im Frühstadium falsche Zuordnungen zu vermeiden.
Mangelnde Motivation oder emotionale Faktoren, insbesondere Depressionen
können in neuropsychologischen Testungen ähnliche Ergebnisse hervorbringen
wie bei Demenzen. Da vor allem depressive Symptome sehr stark von
kulturellen Faktoren beeinflusst werden, muss bei der Diagnose bei betroffenen
Personen besonders darauf geachtet werden.
Doppelt so viele Migrantinnen und Migranten als deutsche der älteren
Generation leben in Zweigenerationenhaushalten. Dreimal so häufig leben
ausländische Seniorinnen und Senioren in Drei- und Mehr –
Generationenhaushalten.
Das Zusammenleben mehrerer Generationen erleichtert verwandtschaftliche
Hilfeleistungen für ältere Familienmitglieder. So helfen die zweite und dritte
Generation der Eltern- und Großelterngeneration vor allem bei
Behördenangelegenheiten und häuslichen Arbeiten. Im Gegenzug erbringen
ältere Migranten und Migrantinnen innerhalb ihrer Familien oft wichtige
Unterstützungsleistungen, insbesondere für Kinder und Enkel.
Die soziale Orientierung der älteren Migrantinnen und Migranten auf die
unmittelbare Familie und die eigene ethnische Gruppe verstärkt sich deutlich.
Die über Kindererziehung und Erwerbsarbeit vermittelten Bezüge nach „außen“
gehen oft schnell verloren. Besonders schwierig entwickelt sich die
Lebenssituation für die sozial eher isoliert lebenden Migrantinnen und Migranten
dieser Altersgruppe.
Der normativ und real hohe verwandtschaftliche Zusammenhalt kann erheblich
zur sozialen Absicherung im Alter beitragen. Andererseits besteht eine große
Gefahr, dass fachliche Beratung und medizinisch– pflegerischen Hilfen nicht
oder erst in zugespitzten Krisensituationen in Anspruch genommen werden. Das
familiäre System könnte überfordert werden. Überbelastung betreuender und
pflegender Familienmitglieder und innerfamiliäre Konflikte können daraus
erwachsen.
Unkenntnis oder Vorbehalte gegenüber einem Hilfesystem, von dem vermutet
wird, dass alte Menschen dorthin abgeschoben werden, können auch verspätete
therapeutische Interventionen zur Folge haben.
In Berlin werden mit muttersprachlichen Fachkräften sowohl Projekte zur
allgemeinen Patientenberatung für MigrantInnen durchgeführt, wie auch ein
spezialisiertes „Informationszentrum für dementiell erkrankte MigrantInnen
aufgebaut. Schon den Begriff der „Demenz“ ins Türkische zu übersetzen ist ein
Problem. Hinzu kommt, dass z.B. Methoden und Inhalte der
Gedächtnissprechstunden nicht „kulturneutral“ sind: kulturell angemessene
Arbeitsformen werden aus der Türkei adaptiert. Da im Erwachsenenalter
eingewanderte MigrantInnen infolge der Demenzerkrankung mehr und mehr die
in Deutschland erworbenen Kenntnisse verlieren, muss biografisch orientierte
Begleitung zunehmend monokulturell ausgerichtet sein: die Gegenwart der
dementen Menschen ist ausschließlich durch die Erfahrungen der Kindheit im
Herkunftsland geprägt.
Die interkulturelle Ausrichtung kommunaler Seniorenarbeit und professioneller
Pflege steckt noch in den „Kinderschuhen“ oder fehlt in der Fläche völlig.
Zur Unterstützung der interkulturellen Öffnung der Altenhilfe ist auf Bundesebene
eine Informationsreihe „Älter werden in Deutschland“ (seit April 2001)
herausgegeben worden. Außerdem hat eine bundesweite Arbeitsgruppe ein
„Memorandum für kultursensible Altenhilfe“ (Mai 2002) erarbeitet. Modellprojekte
wie das Projekt „BACI – Ältere Migrantinnen und Migranten in der
Gesundheitsvorsorge“ im Landkreis Alzey – Worms (Rheinland – Pfalz 2000 –
2002) haben Möglichkeiten der gezielten Gesundheitsberatung für ältere
Migranten und Migrantinnen erfolgreich erprobt.
Aufbauend auf diesen und noch zu erarbeitenden Grundlagen können im
Bereich der beraterischen, der pflegerischen und ärztlichen Versorgung
schrittweise Maßnahme zur Unterstützung ausländischer Seniorinnen und
Senioren umgesetzt werden.
Pflegerische Hilfs- und Fachkräfte aus Migrantengruppen können bereits heute –
und zukünftig verstärkt – in Pflegeheimen und Ambulanten Diensten ein
wichtiges Bindeglied zu pflegebedürftigen „Landsleuten“ bilden. Dabei sollen die
Potentiale eines funktionierenden sozialen Netzwerks in der eigenen Ethnie
unterstützt und ausgebaut werden. Soweit diese Netzwerke selbst nur
unzureichend wirksam sind oder sogar weitgehend fehlen, müssen auch hier
ergänzende und individuell stabilisierende Maßnahmen entwickelt werden.
Nicht zuletzt wird die gerontopsychiatrische Forschung ein nachdrückliches
Augenmerk auf die kulturspezifischen Ausprägungen der Krankheitsbilder legen
müssen. Interkulturelle Altenhilfen und gerontopsychiatrische Versorgung
bedürfen auch der fundierten praxisbegleitenden Evaluation.
4.3 Pädiatrische Aspekte
Kindliche und jugendliche Personen mit Migrationshintergrund sind in ihrer
jeweiligen spezifischen Situation und mit ihren psychosozialen
Verarbeitungsmöglichkeiten zu betrachten.
Ihre Sozialisierung und Integration unterscheidet sich z.B. danach,
- ob sie in Deutschland geboren und aufgewachsen sind oder
- ob sie als Kinder/Jugendliche mit der Familie eingewandert sind bzw. nachgezogen sind
- oder sich als Flüchtlinge begleitet oder unbegleitet im Lande aufhalten,
- ob die Integration der Familie in die jeweilige ethnische Bezugsgruppe und/oder
in die deutschsprachige Umgebung gelingt,
- nach der kulturellen und religiösen Orientierung der Familie und der jeweilig
erfahrenen Geschlechtsdifferenzierung.
Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass entwicklungstypische
Probleme und Störungen durch migrationsspezifische Konflikte erweitert oder
verschärft werden können.
Wenn auch Jugendliche durchaus die Fähigkeit entwickeln, sich sowohl in den
kulturellen Bezügen der elterlichen Herkunftskultur wie auch der Kultur des
Einwanderungslandes angepasst und kompetent zu verhalten, können tief
greifende Normen- und Wertekonflikte gerade in der Phase des Jugendalters
und des Übergangs zum Erwachsenenalter auftreten. Für abweichendes
Verhalten und psychische Erkrankungen können verstärkt durch Eltern oder
auch die Betroffenen selbst tradierte Erklärungsmuster und Lösungsansätze
gewählt werden. Dazu kann auch die (vorübergehende) Rückführung in das
Herkunftsland gehören.
Erfahrungen von Diskriminierungen und von Verfolgung sind ein eigenständiger
Risikofaktor für Verhaltensauffälligkeiten bei Jugendlichen mit
Migrationshintergrund.
Besonders betroffen durch die Umstände der Flucht und möglicherweise direkt
oder mittelbar traumatisiert durch Gewalterfahrungen (der Familie) sind
Flüchtlingskinder. Zusätzlich wird ein ungesicherter Aufenthaltsstatus oder gar
die unbegleitete Einreise von massiven existenziellen Verunsicherungen geprägt
sein müssen. Die alltägliche Reaktion mit Angst bzw. Angstabwehr ist
möglicherweise ein zentraler Indikator für migrationsbezogene Belastungen bei
Jugendlichen. Auch im Hinblick auf Depressionssymptome und Suizidalität
werden – insbesondere im Vergleich von jungen Migrantinnen und Migranten mit
altersgleichen deutschen Mädchen – in Studien deutlich erhöhte Belastungen
berichtet.
In Deutschland geborene und aufgewachsene Jugendliche gleichen sich
tendenziell in ihrem Risikoverhalten bezüglich des Konsums psychoaktiver und
suchtgefährdender Substanzen dem Verhalten der Deutschen an. Migrantinnen
und Migranten der zweiten und dritten Generation sind deutlich gefährdeter als
jene der ersten Generation.
Im Hinblick auf Opiatsabhängigkeit sind besonders junge Aussiedler aus
der Sowjetunion und junge türkische Männer betroffen. Dabei zeigen
türkische Drogenabhängige einen weit geringeren Verelendungsgrad als
deutsche Drogenabhängige. Bei den Aussiedlern fällt auf, dass sie
seltener mit so genannten Einstiegsdrogen beginnen, sondern gleich
Heroin konsumieren. Bei ihnen liegt eine weit überproportionale hohe
Sterblichkeitsrate vor.
Besonders berücksichtigt werden müssen Traumatisierungen.
Das als vitales Diskrepanzerleben zwischen äußeren Belastungsfaktoren und
individuellen Bewältigungsmöglichkeiten „definierte Trauma“ wird für Kinder
altersbedingt besonders dramatisch ausfallen. Dabei steht beim Kind die
Bewältigung traumatischer Erfahrungen immer auch in Verbindung zur Qualität
seiner Beziehung zu den primären Bindungspersonen. Sie entwickeln unter
Umständen oft nicht als solche erkennbare Symptome einer posttraumatischen
Belastungsstörung. Diese Symptome werden möglicherweise „nur“ als
„Verhaltensauffälligkeit“ wahrgenommen und sanktioniert.
Schulpsychologische Dienste, Erziehungsberatungsstellen, niedergelassene
Therapeutinnen und Therapeuten, Psychiaterinnen und Psychiater oder
stationäre psychiatrische Hilfen werden jedoch vergleichsweise selten
aufgesucht. Eine Deutung des abweichenden Verhaltens auf dem Hintergrund
des traumatischen Erlebens und die (systematische) Erarbeitung von
Bewältigungsstrategien bleibt die Ausnahme.
4.4 Differenzierung nach rechtlichem Status
Notwendige medizinische Leistungen werden unter Berücksichtigung der
rechtlichen Rahmenbedingungen gewährt. Während es bei der
Versorgung von Zuwanderinnen und Zuwanderern mit dauerhaftem
Aufenthaltsrecht im Bereich der medizinischen Leistungen gegenüber
autochthoner Bevölkerung keine rechtlich begründeten Einschränkungen
gibt, erhalten Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Ausländerinnen
und Ausländer, deren Aufenthalt nur geduldet wird, nur bei „akuten
Erkrankungen und Schmerzzuständen“ (§ 4 AsylbLG) ärztliche Hilfe und
Leistungen.
Dramatisch ist die Versorgung von illegalisierten
Menschen. Eine medizinische Versorgung ist de
facto nicht möglich, eine therapeutische Behandlung
psychischer Erkrankungen praktisch
ausgeschlossen. Der Arbeitskreis empfiehlt zur
Versorgung von Patientinnen und Patienten aus
diesem Personenkreis die Bildung eines
psychosozialen Helfersystems, damit zumindest die
Voraussetzungen für eine Notversorgung geschaffen
werden können. Eine Zusammenarbeit mit dem
Netzwerk „Nische“ verbessert den
Austausch von Informationen zur Gruppe
illegalisierter Menschen in Schleswig-Holstein.
Die Landesregierung wird unterstützt, über einen Dialog mit Verbänden der
freien Wohlfahrtspflege und NGO’s die Situation von Illegalisierten in Bezug auf
notwendige medizinische Leistungen zu verbessern (vgl. auch Kap. 5)
5
Versorgung von Flüchtlingen
Beim Zugang zu gesundheitlicher Versorgung (Behandlung, Rehabilitation,
Pflege einschließlich Gesundheitsförderung/Prävention) muß Chancengleichheit
gewährleistet sein. Neben den strukturellen Barrieren, die durch mangelhafte
interkulturelle Ausrichtung bestehen, sind Diskriminierungen rechtlicher Art zu
überwinden, die ein entscheidendes Hindernis darstellen, um zu einer
angemessenen Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen zu kommen.
Besondere Aufmerksamkeit gilt Personen, die Störungsbilder aufgrund
traumatischer Ereignisse wie Vergewaltigung oder anderen Gewaltverbrechen,
Kriegserlebnissen, politische Haft oder Gefangenschaft in einem
Konzentrationslager, Folter oder andere gewalttätige Angriffe auf die eigene oder
andere Personen aufweisen. Häufig werden Symptome erst nach mehrjähriger
Verzögerung oder bei Konfrontation (Ausreiseaufforderung) mit belastenden
Gedanken und Erinnerungen an das Trauma erkannt.
Es ist davon auszugehen, dass 20 bis 70 Prozent der Flüchtlinge die vor
Verfolgung und Krieg geflohen sind unter psychisch reaktiven Störungen leiden.
In der Fachliteratur wird von mindestens 10 % extrem traumatisierter Flüchtlinge
gesprochen. Erkennbare Merkmale sind vor allem
 das Wiedererleben und Durchleiden von
traumatischen Erlebnissen
 sozialer Rückzug und Misstrauen, Schuldgefühle
 Schlaf- und Konzentrationsstörungen,
Übererregtheit und Wachsamkeit
 die Schwierigkeit der chronologischen
Einordnungen von belastenden Ereignissen und
Vermeidungshaltungen
Der oft jahrelange unsichere Aufenthaltsstatus und die unzureichende
Behandlung führen in vielen Fällen zu gravierender Verschlimmerung einer
traumatisierungsbedingten Erkrankung bis hin zu stationären Einweisungen und
Suizidversuchen der Betroffenen.
Der durch EU Richtlinien vorgeschriebene Anspruch von Menschen, die
aufgrund von Folter und Gewalt unter psychischen Beeinträchtigungen leiden,
auf die zur Rehabilitation erforderliche ärztliche und psychotherapeutische
Behandlung, wurde bisher nicht in deutsches Recht umgesetzt. Entsprechende
Änderungen im Zuwanderungsgesetz wurden vom Bundesrat zurück gewiesen.
Im Bereich der Beratung und Betreuung von Flüchtlingen ist die Bereitschaft zur
Zusammenarbeit mit psychosozialen Beratungsstellen insbesondere den
Migrationssozialberatungsstellen notwendig, mit denen gemeinsam ein
psychosoziales Helfersystem hergestellt werden muss. Sind Symptome
psychischer Belastung/Erkrankung offensichtlich, muss für die Therapie
zunächst eine Sicherung von Lebensgrundlage und Aufenthalt erfolgen.
Diagnostische Verfahren/Gutachten sollten sich an „best practice Empfehlungen,
Standards für ärztliche / psychotherapeutische Stellungnahmen bei
traumatisierten Flüchtlingen“ orientieren, die im Rahmen des Refugio Projekts
„Empfehlungen für eine gute Praxis im Umgang mit Opfern von Folter und
Gewalt in Schleswig-Holstein“ erarbeitet wurden.
Eine besondere Schwierigkeit stellt die Finanzierung von psychotherapeutischen Behandlungen dar: Nur von der „Kasse“ anerkannte
Psychotherapeuten können Leistungen abrechnen. Fahrt- und
Dolmetscherkosten können nur übernommen werden, wenn sie zur Behandlung
einer akuten Krankheit (§ 4 AsylbLG) erforderlich oder zur Sicherung der
Gesundheit unerlässlich (§ 6 AsylbLG) sind. Soweit ein Sozialhilfeträger
zuständig ist, hängt eine Kostenübernahme von Ermessensentscheidungen ab.
Das Grundrecht auf körperliche und seelische Unversehrtheit ist für schwer
traumatisierte Flüchtlinge nur dann realisierbar, wenn ein Recht auf Behandlung
und Therapie in sicherer Umgebung gewährleistet ist. Eine weitere objektive
Schwierigkeit der gesundheitlichen Versorgung besteht darin, dass in der Regel
zur Absicherung des Aufenthaltes parallel zur Stabilisierung von traumatisierten
Menschen Retraumatisierungen durch erforderliche ausländerrechtliche
Verfahren erfolgen. Flüchtlinge können dadurch in eine subjektiv empfundene
ausweglose Lage gebracht werden. Eine psychosoziale Begleitung parallel zum
rechtlichen und therapeutischen Prozess ist zwingend erforderlich. Hieraus ergibt
sich die Notwendigkeit der Kooperation der Helfersysteme.
Für Illegalisierte Menschen ist eine adäquate Gesundheitsversorgung de facto
nicht vorhanden:
 Ein Krankenversicherungsschutz existiert nicht
 Krankheiten und Verletzungen werden aus Angst
vor Entdeckung und Abschiebung verschleppt
 Bei einer medizinischen Behandlung illegalisierter
Menschen werden meist zu Unrecht strafrechtliche
oder dienstrechtliche Konsequenzen gefürchtet.
Eine Lösung des Problems ist in Schleswig-Holstein nicht in Sicht. Erste
Überlegungen zu einer Einführung eines anonymen Krankenscheins auf örtlicher
Ebene sind der bisher weitestgehende Ansatz, der vom Netzwerk „Nische“
angeregt wurde. In Berlin betreibt der Malteser Hilfsdienst eine Arztpraxis für
Menschen ohne Krankenschein. Ca. 85% der dort behandelten Patienten sind
ohne gesicherten Aufenthalt. Praxen dieser Art sind eine Ausnahme können
auch nur eine ambulante Versorgung anbieten. Sie sichern keine
flächendeckende Versorgung.
Eine Lösung ist nur vorstellbar, wenn ein Zugang zum öffentlich finanzierten
Gesundheitssystem geregelt wird, wie dies in anderen europäischen Ländern
wie Frankreich, Spanien, Großbritannien oder Italien bereits der Fall ist.
6
Regionale Netzwerke
Die Zuwanderung von Menschen fremder Herkunft,
Sprache und Kultur ist ein Jahrzehnte währender und
auch weiterhin stattfindender Prozess. Alle
beteiligten Personen und Institutionen versuchten
bisher mit einer angemessenen Anpassung sozialer
Dienste diesen Prozess zu gestalten, während sich
die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen
nur unwesentlich verändert haben. Es ist bis Heute
nur in Ansätzen erkennbar, dass Empfehlungen für
eine „interkulturelle Öffnung von Regeldiensten“
umgesetzt wurden, stattdessen haben sich als
pragmatische Lösungen „Spezialdienste“
(Migrationssozialberatung, integrationsfördernde
Projekte) und „Selbstorganisationen“ entwickelt, die
im wesentlichen Lobbyarbeit betrieben haben.
Migrationsfachdienste und Migrantenorganisationen sind gekennzeichnet durch
niedrigschwellige Angebote sowie deren Nähe zu den Lebenswelten von
Migrantinnen und Migranten. Sie verfügen über vielfältige Kontakte und das
Vertrauen von Migrantinnen und Migranten, welches für die Prozesse der
interkulturellen Öffnung hilfreich sein können. Für ihre Nachhaltigkeit spielt ihre
Vernetzung mit anderen Regeldiensten im Einzugsbereich und Wohnumfeld eine
zentrale Rolle.
Für den Öffnungsprozess ist eine Beteiligung und Anwesenheit von Migrantinnen
und Migranten bei allen Formen von Sozialplanung auf lokaler und regionaler
Ebene notwendig. Die bestehenden Netze der Migrationssozialberatung können
die sozial- und integrationspolitische Aufgabe der Städte befördern, indem sie an
allen Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung und –sicherung beratend beteiligt
werden. So können auch die Voraussetzungen für eine Partizipation von
Migrantengruppen geschaffen werden. Ein weiterer Schritt ist die
Institutionalisierung der Zusammenarbeit behördlicher Dienste (Wohnungsamt,
Arbeitsamt, ...) insbesondere der Gesundheitsämter.
Wenn an Netzwerke für Flüchtlinge gedacht wird, sind aufgrund des
eingeschränkten Bewegungsradius eher auf Landkreise und Städte bezogene
Kooperationen zu denken, die den fachlichen Austausch ermöglichen. Sie
müssen ergänzt werden durch überregionale auf bestimmte Fragestellungen
spezialisierte Dienste (Refugio) und Arbeitskreise, die eine Verbesserung der
psychosozialen Versorgung anstreben. In folgenden Bereichen können
Vernetzungen ohne größeren Aufwand erreicht werden:



Am Einzelfall orientierte Helferkonferenzen
verdeutlichen und ergänzen individuelle
Arbeitsansätze, verschaffen Sicherheit und
Vertrauen insbesondere im Bereich der
informellen Kontakte
Verbindliche Absprachen zwischen Akteuren aus
Institutionen und Einrichtungen können über
Konsultationen der „Helfervertreter“ erfolgen, die
Netzwerkbildung als institutionelle Aufgabe
begreifen.
Überregionale Konferenzen ermöglichen den
landesweiten Informationsaustausch und können
landesweit Fortbildungsmöglichkeiten und
Supervision koordinieren
7. Resumée: Zwischenbilanz und Forderungen für Schleswig-Holstein
Im März 2004 hat die Landesregierung Schleswig-Holsteins eine Bestandsaufnahme zur Umsetzung ihres Konzepts zur Integration von Migrantinnen und
Migranten in Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2002 erstellt. „Ziel des
Integrationsprojektes im Gesundheitsbereich ist, nur in Ausnahmefällen
Spezialangebote für die sehr heterogene Gruppe der Migrantinnen und
Migranten zu schaffen. Deshalb wird ein Schwerpunkt auf den Erwerb von
interkultureller Kompetenz bei Ärzteschaft und medizinischem
Fachpersonal gelegt.“ Die Landesregierung verweist auf die Verankerung
interkultureller Inhalte in der Ausbildung für die Berufe in der Kranken- und der
Altenpflege sowie auf die Richtlinien für Gesundheitsfachberufe und
akademische Heilberufe, in denen das Verfahren zur Feststellung der
Gleichwertigkeit von Ausbildungen in den Herkunftsländern geregelt wird.
Genannt werden außerdem mehrsprachige Informationsmaterialien, die zu
unterschiedlichen Themen der Gesundheitsförderung erstellt worden sind. Der
www.Ärztefindex.de der Ärztekammer Schleswig-Hosteins informiert über
Fremdsprachen- und Kulturkompetenzen der niedergelassenen Ärzte und
Psychotherapeuten. Die Arbeitsgruppe „Gesundheit“ des migrations- und
flüchtlingspolitischen Runden Tisches hat seit 2002 eine Reihe von Fortbildungsund Informationsveranstaltungen für die Fachöffentlichkeit und für
MultiplikatiorInnen aus den Organisationen der MigrantInnen durchgeführt.
Thematisch war auch der psychiatrische und psychotherapeutische Bereich stark
vertreten. Bereits im Jahre 2002 wurde eine Regionalstudie in vier Kreisen bzw.
kreisfreien Städten (Kiel, Lübeck, Neumünster, Pinneberg) zur
„Gesundheitsversorgung für Zuwanderinnen und Zuwanderern“ veröffentlicht. Als
wesentliche „integrative Kräfte“, die den Weg zu einer effizienten und
erfolgreichen Gesundheitsversorgung ebnen werden aufgrund der
Expertenbefragungen herausgearbeitet:
 stabile persönliche Ansprechpartner, interkulturelle Öffnung
 Kooperation, kontinuierliche Moderation, konkurrierende Angebote
 Qualitätssicherung, Fachaufsicht, Supervision
 Selbsthilfepotentiale: Familie, Schlüsselpersonen, Vereine und Verbände
 Zulassung fremdsprachlicher Fachärztinnen und Fachärzte,
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, auch mit Teilzulassungen in
mehreren Regionen Im Hinblick auf die dramatische medizinische und speziell
psychiatrische Unterversorgung von Flüchtlingen haben vor allem aus EUFördertöpfen finanzierte Projekte (kofinanziert aus kommunalen und / oder
Landesmitteln) wesentliche Fortschritte ermöglicht. Der Landesarbeitskreis
Psychiatrie und Migration hält folgende Maßnahmen zur weiteren Innovation und
zur Verstetigung der Grundversorgung für Migrantinnen und Migranten in
Schleswig-Holstein für dringend erforderlich:
 Gezielte interkulturelle Konzepte für Einrichtungen zu entwickeln, Netzwerke
zu nutzen und zu gestalten
 Einführung einer formalisierten Dolmetscherausbildung im
Gesundheitsbereich, nebst Fortbildungsangeboten für Ärztinnen und Ärzte,
Therapeutinnen und Therapeuten, die auf den Einsatz von Dolmetschenden
vorbereiten
 Schaffen multikultureller Teams, um interkulturelle Arbeit in kulturellen
Überschneidungssituationen zu ermöglichen
 Verbesserung der Behandlungsqualität durch Veränderung der
therapeutischen Haltung der Behandelnden und der Niedrigschwelligkeit des
Systems
 Fort- und Weiterbildung von Allgemeinmedizinern, die in der Versorgung von
Migrantinnen und Migranten dominieren (90 %).
 Förderung von Forschungsvorhaben, die epidemiologische Daten zur
psychischen Morbidität von Migrantinnen und Migranten sowie der zu
erwartenden psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungsraten in
Schleswig-Holstein ermitteln
 Umsetzung sozialpsychiatrischer Ansätze, die bei Menschen mit
Migrationshintergrund ihre Kompetenzen, ihre spezifischen Lebensumstände
und ihre Netzwerke einbezieht
 Kooperation mit Migrationsdiensten, sowie die aktive Einbeziehung von
Expertinnen und Experten der jeweiligen Kultur in die Hilfeplanung
 Informationen über psychische Erkrankungen und das regionale
gemeindepsychiatrische klinische und ambulante Versorgungsangebot durch
muttersprachliche Medien
 Aktive Einbeziehung der Koordinationsfunktion der von Kreisen und kreisfreien
Städten einzurichtenden Arbeitskreise für gemeindenahe Psychiatrie.
Hinsichtlich der Zielgruppen älterer Migranten und
Migranten, Kinder, Jugendliche und junge
Erwachsene sowie Frauen fehlen weitestgehend
quantitative Angaben zu psychischen und im
engeren Sinne psychiatrischen Erkrankungen.
Im Bereich der beraterischen, pflegerischen und
ärztlichen Versorgung können nur auf Erfahrungen
aus Modellprojekten aufbauend Maßnahmen zur
Unterstützung von Migrantinnen und Migranten
umgesetzt werden. Der Arbeitskreis hält daher die
Förderung von Forschungsvorhaben für notwendig,
die sich besonders auf die kulturspezifischen
Ausprägungen der Krankheitsbilder konzentriert.
Eine Förderung praxisbegleitender Evaluation kann
ebenfalls dem Mangel an quantitativen Daten
entgegenwirken.
Zur Versorgung von Flüchtlingen unterstützt der
Arbeitskreis die Landesregierung darin
 über einen Dialog mit Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und NGO’s die
Situation von Illegalisierten in Bezug auf notwendige medizinische Leistungen zu
verbessern und sich insbesondere dafür einzusetzen,
 dass der durch EU Richtlinien vorgeschriebene Anspruch von Menschen auf
die zur Rehabilitation erforderliche ärztliche und psychotherapeutische
Behandlung auch in Deutschland umgesetzt und
 der Zugang zum öffentlich finanzierten Gesundheitssystem geregelt wird. An
einer Vielzahl von Einzelfällen wird deutlich, dass psychische Erkrankungen bei
Flüchtlingen aufgrund eines mangelhaften Asylverfahrens nicht erkannt und
Flüchtlinge nach abgelehnten Asylverfahren in eine dramatische Lage gebracht
werden. Der Arbeitskreis fordert die Landesregierung daher auf,
 sicher zu stellen, dass bei Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung Hinweisen
auf Abschiebungshindernisse sehr sorgfältig nachgegangen wird und
insbesondere
 in subjektiv relativ sicherer Umgebung Kontakt zu einer qualifizierten Beratung
aufgenommen werden kann
 Kostenerstattungen, die durch notwendigen Dolmetschereinsatz entstehen,
müssen einheitlich zugunsten der notwendigen Behandlung geregelt werden. So
richtig die Aussage ist, dass die Regeleinrichtungen der medizinischen und der
psychosozialen Versorgung sich effektiv und kompetent der Versorgung der
Migrantinnen und Migranten öffnen müssen, so wichtig ist die Entwicklung
sprachlicher und „ethnomedizinisch“ spezialisierten Kompetenz im Lande. Diese
Kompetenz soll vorrangig in den kreisfreien Städten vorgehalten und bei Bedarf
den umliegenden Landkreisen zur Verfügung gestellt werden.
Dolmetschervermittlung, Fort- und
Weiterbildung, die Durchführung von
Kursen zur gesundheitlichen Information
mit jeweils muttersprachlicher
Kompetenz sowie die Gewährleistung
der notwendigen Standards können
diesen Einrichtungen zugeordnet
werden.
Die vorhandene ethnomedizinische Kompetenz im Lande sollte miteinander
verknüpft und in einem verbindlich strukturierten Netzwerk abgestimmte
Leistungen erbringen. Dabei sind Leistungen der erweiterten und spezialisierten
gesundheitlichen Prävention, der medizinischen und psychosozialen
Regelversorgung sowie der Versorgung von Flüchtlingen durch Vereinbarungen
mit der öffentlichen Hand und mit deren finanziellen Förderung dauerhaft
abzusichern.
Anhang
A) Texte
Anhang 1
Kulturelle Aspekte der Psychopathologie und Diagnostik
Dr. Haasen (UKE)
Kulturelle Aspekte der Psychopathologie
Das klinische Bild eines Patienten – seine Psychopathologie – wird durch
verschiedene soziobiographische –Faktoren beeinflusst, so z.B. durch das Alter,
Geschlecht, Ausbildung und Beruf. Kulturelle Aspekte – wie z.B. kulturelle Werte,
Normen, Verhalten als auch die Sprache – gehören auch zu diesen
soziobiographische Faktoren, die einen Einfluss auf die Psychopathologie
haben. Die Beurteilung des klinischen Bildes ist nicht nur abhängig von der
objektiv präsentierten Psychopathologie, sondern auch von der subjektiven
Wahrnehmung des beurteilenden Arztes oder Psychologen: Diese
Wahrnehmung des Beurteilers wird geprägt durch eigenen sozialen und
kulturellen Hintergrund und ist somit abhängig von den soziobiographischen
Faktoren des Arztes oder Psychologen.
Bei der Beurteilung kultureller Einflüsse auf die Psychopathologie muss definiert
werden, wo die Grenze zwischen Normalität und Pathologie gesetzt werden
soll. Hier gibt es vier verschiedene Ansätze (Offer & Sabshin 1974). Bei der
Beurteilung einer psychischen Störung muss dem Beurteiler klar sein, auf
welcher dieser vier Ebenen beurteilt wird und welche die entsprechenden
Grenzen dieses Ansatzes sind:
1. Konsensus zwischen Experten: Es wird davon ausgegangen, dass eine
klare Abgrenzung zwischen Normalität und Pathologie anhand der
Problematik durch Experten zu beurteilen ist. Dieser in der Medizin
übliche Ansatz geht davon aus, dass bestimmte Zustände, die anhand
von Symptomen oder Kriterien beurteilt werde, als definitiv pathologisch
bewertet werden müssen und entsprechend einer Diagnose bekommen.
Die Diagnose ist universell – also auch über Kulturen hinweg – gültig.
2. Abweichungen von der Norm: Anhand von Messungen und einer
möglichen Abweichungsspanne von der Norm wird zwischen normal und
auffällig unterschieden. Dieser in der Psychologie, aber auch in der
Medizin (Bluthochdruck) übliche Ansatz kann universell betrachtet
werden, mit möglichen Anpassungen für (z.B. kulturelle) Untergruppen.
3. Beurteilung der Funktion: Hier wird die Auswirkung der Gedanken, Gefühle
oder Verhalten beurteilt, inwieweit der Zustand funktional (gesund) oder
dysfunktional (ungesund) ist. Aggressionen, die eine Störung für andere
Menschen bedeutet, werden als dysfunktional und pathologisch bewertet,
dagegen müssen Aggressionen, ohne Auswirkungen auf die Umwelt, nicht
zwangsläufig als dysfunktional bewertet werden. Hier ist also im Vordergrund der
Beurteilung die Auswirkung auf andere Personen und die Umwelt.
4. Soziale Beurteilung: Verhalten wird als normal oder pathologisch anhand von
sozialen Normen und Werten beurteilt, die eine Gesellschaft definiert hat. Die
Beurteilung ist daher subjektiv und kollektiv. Wenn z.B. eine Person nackt am
Strand liegt, kann dieses Verhalten in der Gesellschaft als normal, in einer
anderen als merkwürdig und in einer dritten Gesellschaft als obszön bis
pathologisch angesehen werden.
Außerdem kann Kultur die Psychopathologie auf verschiedenen Ebenen
beeinflussen:
1. Phänomenologische Ebene: Kulturelle Aspekte können die Darstellung
des Symptoms beeinflussen- der so genannte pathoplatische Effekt der
Kultur. Ein Beispiel hierfür ist der Inhalt von Wahnvorstellungen: Ob bei
einem Größenwahn der Patient sich als Jesus, Budda, Kaiser oder
Präsident eines Landes bezeichnet, wird durch die kulturelle Bewertung
dieser Gestalt beeinflusst.
2. Variation in der syndromalen Psychopathologie: Ein bestimmtes Syndrom
in der einen Kultur kann andere Symptome charakteristischerweise
beinhalten, die in anderen Kulturen für das Syndrom untypisch sind.
Dieses kann dazu führen, dass Subtypen eines Syndroms bei der
Beschreibung berücksichtigt werden müssen. Dieses betrifft z.B. den
Bereich der sozialen Phobien, wo in anderen Kulturen spezifische
Subtypen benutzt werden:
Tanjinkuofusho in Japan – eine interpersonelle Beziehungsphobie
(Kimura 1982).
1. Einzigartige Psychopathologie (als ein spezifischer psychiatrischer
Zustand): Diese klinischen Bilder werden nur in einer spezifischen
kulturellen Umgebung gefunden und werden in den psychiatrischen
diagnostischen Klassifikationssystemen als kulturspezifische Syndrome
(engl. culture-bound syndrome, CBS) beschrieben. Ein Beispiel hierfür ist
das nur in Südasien auftretende Syndrom namens Koro – eine panische
Angst verbunden mit dem Glauben, der Penis würde schrumpfen (Tseng
et al. 1988).
2. Unterschiedliche Prävalenz der Psychopathologie: Da die
Psychopathologie von soziokulturellen und psychologischen Faktoren
beeinflusst wird, ist es nachvollziehbar dass wenn diese Faktoren in
unterschiedliche Stärke auftreten, es dann auch Unterschiede in der
Prävalenz geben wird. Die Schizophrenie, wo eher biologische Faktoren
in der Ätiologie prädominant sein sollen, hat nur eine geringe Varianz in
der Prävalenz zwischen Kulturen. Dagegen zeigen Störungen wie
Alkoholabhängigkeit, Anorexia nervosa, pathologisches Spielverhalten
und andere neurotische Störungen viel größere Unterschiede in der
Prävalenz zwischen Kulturen, da bei diesen Störungen der soziokulturelle
Kontext eine viel größere Rolle spielt.
Leitlinien für kulturelle Faktoren bei der Diagnostik psychischer
Syndrome
Es ist wichtig, dass praktisch tätige Mitarbeiter in psychiatrischen und
anderen sozialen Einrichtungen konkrete Leitlinien bekommen, auf was
bei der Beurteilung psychischer Störungen bei Menschen anderer
Herkunft geachtet werden könnte. Es wäre zu hoffen, dass eine
Diskussion hierüber dazu führen könnte, dass die Weiterentwicklung des
im deutschsprachigem Raum gängigem Klassifikationssystem ICD-10
solche kulturellen Aspekte berücksichtigen würde, wie dies schon im USamerikanischen Klassifikationssystem DSM-IV der Fall ist
Bei der Beurteilung von depressiven Zuständen bei Migranten ist es sinnvoll,
folgende Leitlinien zu beachten:
1. Bei Migranten kann die Beurteilung einer depressiven Störung dadurch
erschwert werden, dass zunächst keine affektiven Symptome bei dem
Betroffenen eruierbar sind. Andere Symptome können symbolisch für
depressive Symptome dargestellt werden. Fehldiagnosen in Richtung
Somatisierungs- oder dissoziativer Störung können die Folge sein.
2. Weiterhin kann die Beurteilung einer depressiven Störung dadurch
erschwert sein, dass somatische oder andere nicht –affektive Symptome
im Vordergrund der Störung stehen, da aus kulturellen Gründen die
Traurigkeit nicht als Symptom wahrgenommen wird. Auch wenn dennoch
eine depressive Störung vermutet wird, ist es für den Betroffenen als
auch für die zukünftige Behandlung nicht hilfreich, wenn ein
Bewusstwerden der affektiven Anteile angestrebt wird. Die kulturell
bedingte Abwehr kann für den psychodynamischen Prozess hilfreich
sein.
3. Eine genaue Anamnese des Migrationsprozesses und die
Schwierigkeiten bei der Anpassung an die neue Gesellschaft, als auch
ursprüngliche Hoffnungen in Verbindung mit der Migration, sind für die
Beurteilung der psychosozialen Stessoren der Depression
außerordentlich wichtig. Die migrationsspezifischen Stressoren werden
meistens unterschätzt.
4. Eine Überbetonung kultureller Aspekte sollte vermieden werden, vor
allem wenn pathologisch erscheinende Verhaltensweisen als im
kulturellen Kontext normal beurteilt werden. Dieses darf nur geschehen,
wenn der Beurteiler sehr gute Kenntnisse der anderen Kultur besitzt.
Letztendlich unterscheiden sich intrapsychische Vorgänge in den
Kulturen nicht wesentlich. Gemeinsamkeiten zu betonen senkt die Angst,
nicht verstanden zu werden.
5. Eine übermäßige Rücksichtnahme auf kulturelle Unterschiede bei der
Anamneseerhebung darf nicht dazu führen, das wichtige Bereiche wie Sexualität
oder Suizidalität nicht angesprochen werden. Die Gefahr, wichtige Informationen
zu übersehen, sollte nicht eingegangen werden. Vielmehr kann eine
empathische und auch kulturell interessierte Anamnese die Grundlage schaffen,
auch eine adäquate Anamnese heikler oder intimer Themen durchführen zu
können.
Bei der Beurteilung von Angstzuständen bei Migranten ist es sinnvoll, folgende
Leitlinien zu beachten:
1. Bei der Angststörung können alle vier Bereiche - Kognition, Emotion,
Somatik und Verhalten - betroffen sein. Kulturelle Unterschiede können in
der Gewichtung und in der Phänomenologie auftreten.
2. Die mit Angst verbundenen Kognitionen können bis hin zu
psychotischen Symptomen führen. Vorsicht ist daher geboten, damit nicht
fehlerhaft psychotische Störungen (wie z.B. eine Schizophrenie)
diagnostiziert werden.
3. Die Abgrenzung zu somatoformen Störungen einerseits und
affektiven Störungen andererseits kann aufgrund einer Übergewichtung
von z.B. Somatisierung oder depressiven Affekten bei der Angststörung
aufgrund von kulturellen Faktoren erschwert sein.
4. Vor allem bei phobischen Störungen sind kulturelle Effekte
signifikant. Hier sind Kenntnisse über kulturelle Normen und Werte aus
der Kultur des Migranten notwendig, um die Angstproblematik
entsprechend evaluieren zu können.
5. Bestimmte Ängste bei Migranten – z.B. vor Behörden oder aufgrund
von Fremdenfeindlichkeit – entsprechen häufig realen Erfahrungen und
dürfen daher nicht psychopathologisiert werden.
Bei der Beurteilung von Somatisierungsstörungen bei Migranten ist es
sinnvoll, folgende Leitlinien zu beachten:
2. Die Somatisierung ist ein allgegenwärtiges Phänomen, das sich durch
jede Kultur hindurchzieht. Somatisierung wurde überall da gefunden, wo
nach ihr gesucht wurde. Da die Somatisierung in allen Kulturen vorkommt
und auch kein eindeutiger Beweis dafür vorliegt, dass einige Kulturen
mehr Somatisierung vorweisen, sollte von stereotypen Vorstellungen
abgerückt werden, dass Migranten aus bestimmten Kulturen häufiger
somatisieren. Eine individuelle Betrachtung ist dagegen notwendig.
3. Eine gründliche Anamnese vor allem der psychosozialen Situation ist
essentiell. Diese elementare Leitlinie ist bei Migranten um so wichtiger,
da gerade bei Migranten eine Tendenz besteht, diesen Teil der
Anamnese wegzulassen, da er zu kompliziert und daher nicht
verständlich erscheint. Der behandelnde Arzt kann die Anwesenheit von
Somatisierung möglicherweise erst dann feststellen, wenn er sich mit den
Eigenheiten von Krisen einer bestimmten Kultur vertraut macht. Die
Anamnese wird möglicherweise länger brauchen, jedoch um so wichtiger
sein.
4. Evident erscheint eine Vertrautheit mit den psychosozialen Konstrulten,
die der Patient versteht. Nicht nur ein kultureller Unterschied zwischen
Arzt und Patient erschwert die Interpretation von Symptomen, dieses
enge Verhältnis beeinflusst zugleich die Darstellung von Symptomen. Der
Patient kann Symptome auf die Art und Weise präsentieren, wie er
glaubt, dass die Kultur des Arztes er erwartet. Indem man Vertrautheit mit
den psychosomatischen Konstrukten, die der Patient versteht,
demonstriert, kann der Arzt das Vertrauen des Patienten gewinnen, um
die psychologischen Komponenten der Symptome herauszuarbeiten.
Hierfür muss möglicherweise auch eine genaue Anamnese des
Krankheitsmodells des Patienten erfolgen.
5. Wichtig ist die Erhebung von Fremdanamnesen. Falls es die Frage gibt,
ob somatische Symptome Zeichen einer versteckten Depression sind
oder nicht, könnte z.B. von der Familien oder Freunden exploriert
werden, welche Verhaltensweisen der Patient "normalerweise" zeigt. Bei
dem somatisierenden Patienten, von dem seine Familie berichtet, dass
der seine alltäglichen Aktivitäten genießt, kann keine Depression
zugrunde gelegt werden. Ebenso kann es hilfreich sein, herauszufinden,
inwieweit die Symptome die Rolle des Patienten in der Familie
beeinträchtigen. Die Familie ist ein Mikrokosmos der Kultur und erlaubt
es uns, nähere Betrachtungen über die Effekte der Symptome des
Patienten anzustellen.
6. Vermieden werden sollten kulturelle Stereotypien, welche
hervorspringendere Faktoren in der Präsentation von somatischen
Symptomen verbergen können. Persönlichkeitsfaktoren und
demographische Daten können eine bestimmte Somatisierung eines
Patienten besser erklären als ethnische Zugehörigkeit. Eine zu große
Konzentration auf die kulturellen Unterschiede bei den Patienten kann
dazu führen, dass andere diagnostisch wichtige Zeichen nicht erkannt
werden. Kulturelle Sensitivität bedeutet nicht eine Fixierung auf die
Kultur.
Um kulturelle Faktoren ausreichend bei der psychopathologischen
Beurteilung psychotischer Störungen zu berücksichtigen, werden
folgende Leitlinien vorgeschlagen:
1. Bei Menschen anderer Herkunft darf nicht davon ausgegangen
werden, dass psychotische Störungen am ehesten schizophrene
Störungen sind. In vielen Kulturen werden psychotische Störungen auch
häufig bei Angststörungen, Depressionen, posttraumatischen Störungen
und anderen beobachtet. Eine genaue psychopathologische Beurteilung
unter Berücksichtigung des Verlaufs und der Fremdenammese ist
wichtig, um Fehldiagnosen zu vermeiden.
2. Trotz kultureller Einflüsse gibt es gemeinsame Charakteristika in der
Darstellung der Schizophrenie. Hier können z.B. die Schneider'schen
Erstrangsymptome (Schneider 1957) sehr hilfreich sein. Die Diagnose
einer Schizophrenie darf bei Menschen anderer Herkunft nicht nur
aufgrund eines Symptoms gestellt werden, vor allem wenn nur
Wahngedanken und/oder Halluzinationen vorhanden sind. Die
Beurteilung z.B. negativer Symptome und des psychosozialen
Funktionsniveau können sehr hilfreich sein.
3. Die Beurteilung, ob ein Symptom überhaupt psychotisch ist, kann
durch kulturelle Faktoren erschwert werden. Vor allem die
Unterscheidung zwischen Wahn und Glaube und zwischen Halluzination
und Trance bedarf einer genaueren Bewertung im kulturellen Kontext.
Hier kann die Fremdanamnese hilfreich sein.
4. Wahngedanken unterliegen einer starken kulturellen Prägung, so
dass deren Beurteilung sehr schwierig sein kann. Wahngedanken mit
kulturell definierten Inhalten dürfen jedoch nicht als kulturspezifischer
Glaube fehleingeschätzt werden – hier kann der Vergleich mit dem
Glauben anderer Familienangehöriger wichtig sein. Gedanken können in
dem Kulturkreis des Betroffenen kulturspezifischer Glaube sein und
dennoch im individuellem Fall wahnhaft sein – der individuelle Fall muss
ohne Pauschalisierung beurteilt werden, da die wenigsten Kulturen
(noch) homogen sind und alle Mitglieder den gleichen Glauben haben.
5. Paranoide Gedanken müssen auf einen realen Hintergrund hin
untersucht werden, bevor sie als Wahngedanken beurteilt werden. Vor
allem Flüchtlinge haben manchmal unter erschwerten Bedingungen ihr
Land verlassen müssen und erleben zusätzlich im deutschen Alltag allzu
häufig einen Rassismus, der paronide Gedanken legitimiert.
6. Bei der Anamnese und psychopathologischen Beurteilung ist eine
muttersprachliche Erhebung in den meisten Fällen vorzuziehen, wenn
auch nur damit der Betroffene sich besser verstanden fühlt. Falls dies
nicht möglich ist und der Betroffene schlecht oder kein Deutsch spricht,
kann ein Dolmetscher hilfreich sein. Hierbei muss jedoch berücksichtigt
werden, dass es zu Verzerrungen des psychopathischen Bildes bei der
Übersetzung kommen kann. Es hat sich gezeigt, dass der klinische
Eindruck ohne Dolmetscher nicht signifikant zu Fehldiagnosen führt.
(Auszug aus: Christian Haasen, Kulturelle Aspekte bei der Diagnostik
und ihre Bedeutung für die Behandlung,
in: Psychiatrische Versorgung von MigrantInnen, eine
Standortbestimmung für Schleswig-Holstein. Dokumentation der
Fachtagung am 07. April 2001,
S. 25-31)
Anhang 2
Modellrechnung* psychiatrisch/psychotherapeutischer Behandlungsraten
für Migrant/innen in Schleswig-Holstein
Aus den epidemiologischen Zahlen für die deutsche Bevölkerung
psychiatrischer Morbidität im 5-Jahresverlauf (33%) lassen sich bei
angenommener gleich hoher psychischer Morbidität der
Migrantenpopulation und erhöhter psychischer Morbidität Anhaltszahlen
errechnen. Diese zeigen die überaus große Bedeutung der Hausärzte bei
der Behandlung von Migranten mit psychischen Störungen (91%) und die
zu erwartende Inanspruchnahme der psychiatrischpsychotherapeutischen Fachdienste von etwa 10% entsprechend 44005300 psychisch kranken Migranten entsprechen der vorangenommenen
psychischen Morbidität von 33 bzw. 40%. Die tatsächliche
Inanspruchnahme liegt jedoch erfahrungsgemäß nur bei der Hälfte der
erwarteten Inanspruchnahme, also etwa 5-6% entsprechend ca. 2500
Migranten mit schwereren psychischen Erkrankungen pro Jahr.
Parameter
Deutsche
Bevölkerungpsych.
Morbidität 33 % 5Jahres-Verlauf
90,7 %
Migranten
in SchleswigHolsteinpsych.
Morbidität ca. 33
% N = 47 Tausend
42.629
Migrantenin
SchleswigHolsteinpsych.
Morbidität 40 % N
= 57 Tausend
51.699
Hausärzte
Ambulant
Niedergelassene Psychiater
Niedergelassene
Psychotherapeuten/Psychologen
Psychosoziale Beratungsstellen
Selbsthilfegruppen
Stationär
Psychiatrische Klinik
8,3 %
0,8 %
3901
376
4731
456
0,4 %
0,3 %
188
141
228
171
1,2 %
564
684
Psychotherapeutische Klinik
Sonstiges
eine der obengenannten Institutionen
0,3 %
0,7 %
9,3 %
141
329
4371
171
399
5301
* Anhaltszahlen für die deutsche Bevölkerung (Fichter, 1990); Zahlen für die ausländische
Bevölkerung in Deutschland, Stichtag 31.12.1998, Bericht der Ausländerbeauftragten BRD 2000
aus. Machleit, Wieland, Migration und seelische Gesundheit
in: Psychiatrische Versorgung von MigrantInnen – eine Standortbestimmung für SchleswigHolstein. Dokumentation der Fachtagung am 07. April 2001, S. 19
B) Verwendete Literatur und Literaturempfehlung[2]
Interkulturelle Öffnung/interkulturelle Kompetenz:
Barwig Klaus; Hinz-Rommel, Wolfgang: Interkulturelle Öffnung
sozialer Dienste
Lambertus, 1995
Forum Migration Gesundheit Integration Band 2: Interkulturelle
Beratung
Grundlagen, Anwendungsbereiche und Kontexte in
der
psychosozialen und gesundheitlichen Versorgung
VWB-Verlag, 2002
Hegemann, Thomas: Interkulturelles Lernen. Ein multimensionaler Ansatz
zum Erwerb interkultureller Kompetenz,
in: Hegemann, Th./Salman, R., Transkulturelle Psychiatrie. Konzepte für die
Arbeit mit Menschen aus anderen Kulturen,Bonn, 2001, S. 191 – 205
Hegemann, Thomas: Transkulturelle Kommunikation und Beratung. Die
Kompetenz, über kulturelle Grenzen hiinweg zu kommunizieren, in:
Hegemann, Th./Salman, R. Transkulturelle Psychiatrie, a.a.O., S. 116 - 129
Hinz-Rommel, Wolfgang: Interkulturelle Kompetenz
Ein neues Anforderungsprofil für die soziale Arbeit
REFUGIO Kiel: Dokumentation der Fortbildung für
Dolmetscherinnen und Dolmetscher, „Dolmetschen im
ärztlichen und psychotherapeutischen Kontext“
September 2003; REFUGIO, Königsweg 20, 24103 [email protected]
Schweitzer, Helmuth: Der Mythos vom interkulturellen Lernen
Zur Kritik der sozialwissenschaftlichen
Grundlagen
interkultureller Erziehung und subkultureller
Selbstorganisation ethnischer MinderheitenHrsg.: Dietrich ThränhardtLIT Verlag
1994
Simon-Hohm, Hildegard: Interkulturelle Kompetenz in der
sozialen Arbeit
In: iza, Zeitschrift für Migration und Soziale Arbeit 2-2002Waxmann Verlag 1994
Sozialministerium Niedersachsen: Gesundheit im Abseits?
Aspekte der Gesundheitsversorgung ausländischer Kinder und Frauen
Diskussionsforum am 2. Dezember 1987 in Hannover, Dokumentation
Zielgruppendifferenzierung:
Frauenspezifische Aspekte:
Eppendorfer 11/2005: Wo Frauen unter sich bleiben; Hamburg: Neue
Behandlungseinheit bietet spezialisierte und akute Hilfe für schwer
Traumatisierte
Oerder, Siegrid: Fatma: „Was meine Augen sehen ist schwarz“ – Anstelle
eines Nachworts
Aus: Beratung und Krisenintervention, Hrsg.: Straumann, Ursula, GWG Verlag
Köln
Pädiatrische Aspekte:
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Elfter Kinder- und Jugendbericht.
Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der
Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland (Abschnitt B. VIII Migration und
Mobilität), Berlin 2002, S. 203 – 217
Colijn, Sjoerd; Jugendliche Migranten in der Psychiatrie
in: Heyemann, Th./Salman, R. Transkulturelle Psychiatrie, a.a.O., S. 264 277
Finger-Trescher, Urte: Trauma und Traumaverarbeitung bei Eltern und
Kindern mit Migrationshintergrund,
in: Borde, Th./David M. (Hg.), Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund,
a.a.O., S. 121-138
Krahl, Wolfgang: Suchtverhalten macht auch Migranten zunehmend zu
schaffen,
in: Kerbe Nr. 1/2004 Siefen, Rainer Georg: Psychische Entwicklungsrisiken
bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
in: Borde, Th./David M. (Hg.), Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund
– Lebenswelten, Gesundheit und Krankheit, Frankfurt/M., ...S. 107 - 138
Sperlich, Christel: Zu Hause – wo ist das?
Kinder auf der Flucht
in: Migrantenkinder in der Jugendhilfe, Sozialpädagogisches Institut im SOSKinderdorf e.V., München 2002, S 75 - 134
Stüwe, Gerd: Migranten in der Jugendhilfe, in: Freichler, A./Cyrus, N. (Hg.),
Handbuch Soziale Arbeit in der Einwanderungsgesellschaft, Frankfurt/Main
2004, S. 253 - 268
Uslucan, Haci-Halil / Fuhrer, Urs/Mayer, Simone: Erziehung in Zeiten der
Verunsicherung. Elterliches Erziehungsverhalten und die Gewaltbelastung
von Migrantenjugendlichen
in: Borde, Th./David,M. (Hg.), Kinder und Jugendliche mit
Migrationshintergrund – Lebenswelten, Gesundheit und Krankheit, Frankfurt /M.,
..., S.65-85
Walter, Joachim / Hubertus, Adam: Entwicklungspsychopathologie
familiärer Prozesse im transkulturellen Kontext,
in: Haasen, Chr., Yagdiran, O., Beurteilung psychischer Störungen in einer
multikulturellen Gesellschaft, Freibug / Br. 2000, S. 183 – 208
Gerontologische Aspekte:
Die Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen:
Bericht über die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland,
Berlin, 2002 (hier: Seniorinnen und Senioren, S. 278 – 284)
Ertl. Angelika: Altwerden in der Fremde,in: Hegemann, Th./Salman, R.,
Transkulturelle Psychiatrie, a. a. O.,
S. 277 - 288
Habermann, Monika: Interkulturelle Pflege und Therapie. Qualitätssicherung
auch für Migranten?
in: Dr. med. Mabuse 136, 2002, S. 22 - 26
Kuching de Polanco, Monika: Die Gesellschaft altert, die MigrantInnen auch
in: Balza, U.F./Gag, M (Hg.), Mitstreiten, mitentscheiden, mitgestalten.Der
Arbeitskreis Frauen in der Immigrantenarbeit,
Neumünster, S. 195 – 201
Müller-Thomsen, Tomas: Gerontopsychiatrische Aspekte
in: Haasen, Chr./Yagdiran, O., Beurteilung psychischer Störungen in einer
multikulturellen Gesellschaft,Freibug / Br. 2000, S. 165 – 181
Differenzierung nach rechtlichem Status:
Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des
Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern
(Zuwanderungsgesetz)
Classen, Georg: Sozialleistungen für MigrantInnen und Flüchtlinge,
Grundlagen für die Praxis; Hrsg.: Förderverein niedersächsischer Flüchtlingsrat
e. V., Langer Garten 23 B, 31137 Hildesheim, www.nds-fluerat.org
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration:
6. Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland
August [email protected]
Versorgung von Flüchtlingen:
amnesty international u.a.: Memorandum zur derzeitigen Situation des
deutschen Asylverfahrens, Hrsg.: veröffentlicht Juni
2005Bestelladresse: PRO ASYL, Postfach 16 06 24, 60069 Frankfurt
Birck, Angelika: Traumatisierte Flüchtlinge
Wie glaubhaft sind ihre Aussagen?Asanger Verlag, 2002
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Working Papers 2/2005
Illegalität von Migranten in Deutschland,
Zusammenfassung des Forschungsstandes,
Diakonisches Werk Schleswig-Holstein:
Qualitätssicherung in der Beratung von Flüchtlingen, Diskussionspapier;
DW-SH, Kanalufer 48, 24768 Rendsburg
G. Flatten u.s.: Posttraumatische Belastungsstörung
Leitlinien Psychosomatische Medizin und PsychotherapieSchattauer Verlag,
2001
Haenel, Wenk-Ansohn: Begutachtung psychisch reaktiver Traumafolgen
in aufenthaltsrechtlichen Verfahren
Beltz/PVU, 2004
Universität Konstanz: Epidemiologie und Diagnostizierbarkeit der
postraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bei Asylbewerbern in
Deutschland, eine Kooperationsstudie mit dem Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge, 2004
sonstige Literaturempfehlung:
Haasen Christian, Yagdiran Oktay: Beurteilung psychischer Störungen
in einer multikulturellen Gesellschaft, Lambertus, 2000
Dilling u.a.: Internationale Klassifikation psychischer Störungen
Klinisch-diagnostische Leitlinien, Verlag Hans Huber, 4. Auflage, 2000
Ilkilic, Illhan: Begegnung und Umgang mit muslimischen Patienten
Eine Handreichung für Gesundheitsberufe, Zentrum für Medizinische Ethik,
Institut für Philosophie GA 3/53Ruhruniversität Bochum, 2005
[email protected]
von Wogau, Radice u.a.: Therapie und Beratung von Migranten
Systemisch-interkulturell denken und handeln, Praxishandbuch, Beltz/PVU,
2004
„Leitlinien Psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik“,
veröffentlicht unter: www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF
[1] So wird innerhalb eines Abschnitts des Sammelbandes "Transkulturelle Psychiatrie",
Hg. von Th,.Hegemann und R. Salman von "multikultureller psychiatrischer Arbeit",
"transkultureller Kommunikation" und "Interkultureller Psychotherapie" gesprochen
[2] Soweit möglich, wurde Literatur einzelnen Kapiteln der Leitlinien zugeordnet.
Herunterladen