„Teilhaben und Teil sein – politische Partizipation von Einwanderern in Deutschland“ von Zoran Arbutina Erstveröffentlichung: HR Info, Sendeplatz: Kulturen, 09.03.08 Anmoderation: Die Integration von Einwanderern in die deutsche Gesellschaft ist eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunft – darüber besteht in Deutschland inzwischen ein breiter Konsens. Die politische Partizipation der Migranten könnte dazu einen entscheidenden Beitrag leisten, denn wer sich für die Allgemeinheit engagiert, ist schon ein Teil von ihr. Über die Möglichkeiten und die Hürden für eine Teilhabe der Einwanderer an dem politischen Geschehen in Deutschland berichtet Zoran Arbutina: Text-Beitrag: Politische Beobachter und Integrationsexperten sind sich weitgehend einig: Demokratien leben von der Beteiligung der Bürger am politischen Geschehen. Da ist es für Deutschland problematisch, wenn eine ganze Bevölkerungsgruppe kaum daran teilnimmt. Die Frage der Einbürgerung spiele dabei eine wichtige Rolle, meint Dietrich Thränhardt, Politikwissenschaftler von der Universität Münster, und warnt vor zu hohen Hürden: 1. O-Ton Thränhardt (deutsch): „Das trägt zu geringerem Engagement bei und zu geringerer Identifizierung. Von daher ist es eine gewisse Gefährdung der Demokratie, wenn ein großer Bestandteil der Bevölkerung eben nicht Staatsbürger ist, sich wenig beteiligt und sich ausgeschlossen fühlt.” Umstritten unter den Experten ist aber, ob die Einbürgerung ein Meilenstein oder ein Schlussstein sein soll: Während die einen in der Vergabe der Staatsangehörigkeit ein Signal der Zugehörigkeit sehen, das die Integration der Migranten fördert, glauben die anderen, dass ein deutscher Pass eher als Belohnung am Ende des Weges stehen soll. Peter Schimany ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: 2. O-Ton Schimany (deutsch): „Ich glaube, dass die Einbürgerung forciert werden sollte, aber ich glaube auch, dass man an die Einbürgerung bestimmte Voraussetzungen knüpfen sollte. Ich glaube, dass die Einbürgerung schon der Schlussstein sein sollte und dass ihr ein gewisser Grad an Integration in verschiedensten Bereichen, wie soziale oder politische Integration, vorausgehen sollte. Weil man eben nur politisch partizipieren kann, wenn man entsprechende Bildungsvoraussetzungen mitbringt.” Auf der kommunalen Ebene wird eine - allerdings begrenzte - politische Beteiligung der Migranten schon lange praktiziert. Seit den siebziger Jahren gibt es in Deutschland Ausländerbeiräte, heute vielerorts auch Integrationsräte genannt. Das sind beratende Gremien, die sich mit den migrantenspezifischen Belangen beschäftigen. Sie haben zwar keine Entscheidungsbefugnisse, können aber trotzdem die kommunale Politik beeinflussen, meint Kemal Öztürk, Vorsitzender des Integrationsrates der Stadt Bergkamen: 3. O-Ton Öztürk (deutsch): „Wir sind in der Lage, das Leben in der Kommune mit zu gestalten. Zum Beispiel, wenn vom Bauausschuss eine Entscheidung getroffen wird, dass eine Straße verlegt werden soll: Wenn das hauptsächlich ein Gebiet ist, wo viele Ausländer wohnen, da reden wir mit. Aber wenn es die Bezirke sind, wo wenig Ausländer wohnen, da halten wir uns eher zurück.” Unter den Migranten in Deutschland gibt es Unterschiede: Die EUBürger können auch an Kommunalwahlen teilnehmen und somit an der realen Aufteilung der Macht in den Gemeinden mitwirken. Den größten Einwanderergruppen – etwa aus der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien - bleiben aber nur die beratenden Ausländerbeiräte für das Engagement. Diese doch sehr begrenzte Einflussmöglichkeit führt zur Zurückhaltung vieler Migranten im politischen Leben. Die mangelnde demokratische Kultur in den Herkunftsstaaten tue ihr Übriges dazu, sagt Safet Alic, Sozialarbeiter vom Multikulturellen Forum aus Unna: 4. O-Ton Alic (bosnisch, keine deutsche Übersetzung) Falsch wäre es aber, wenn man nur die Mehrheitsgesellschaft in die Pflicht nehmen würde. Auch die Migranten selbst müssen bereit sein, ihren Horizont zu erweitern und aus ihren oft selbst gewählten Ghettos hinaus zu treten, so Jannis Goudoulakis vom Integrationsrat in Leverkusen: 5. O-Ton Goudoulakis (deutsch): „Wir müssen der Mehrheitsgesellschaft zeigen, dass wir uns nicht ausschließlich für die Belange der Migranten interessieren, sondern für die Belange der ganzen Gesellschaft. Ich verstehe mich als Teil dieser Gesellschaft und setze mich mit dem Schwerpunkt Integrationspolitik dafür ein, weil ich weiß: Wenn die Integrationspolitik scheitert, dann haben wir sozial-politische Probleme in der Gesellschaft, für die ich mich als Ganzes einsetze.”