KHM CMPR CMB CPCM KOLLEGIUM FÜR HAUSARZTMEDIZIN COLLEGE DE MEDECINE DE PREMIER RECOURS COLLEGIO DI MEDICINA DI BASE COLLEGE OF PRIMARY CARE MEDICINE PRESSEMITTEILUNG KHM-Forschungspreis für Hausarztmedizin 2012 Dialog zwischen Arzt und Patient vereinfacht die Diagnose oftmals verdeckter Depressionen Luzern, 20. Juni 2012 – Der KHM-Forschungspreis 2012 geht an zwei Studien mit Fokus auf den Dialog zwischen Arzt und Patient. Der mit 25 000 CHF dotierte Hauptpreis wird einer Lausanner Forschungsgruppe verliehen, die untersucht hat, inwiefern der Hausarzt mittels einfachen Fragen eine eventuell verdeckte Depression rasch erkennen kann. Ein Anerkennungspreis von CHF 5000 wird einem Basler Arzt vergeben für seine originelle Studie zur Betreuung von Patienten, welche die vom Arzt vorgeschlagene Therapie ablehnen. Die KHM-Jury hat die zwei besten Arbeiten aus dreizehn eingereichten Forschungsprojekten für Hausarztmedizin ausgewählt. Die Preisverleihung findet am 21. Juni 2012 um 16:15 Uhr im KKL Luzern im Rahmen der 14. Fortbildungstagung des KHM (www.congress-info.ch/khm2012) statt. Hauptpreis Der Hauptpreis des KHM geht an Patrick Lombardo und die von Dr. med. Lilli Herzig geleitete Forschungsgruppe des Instituts für Hausarztmedizin der Universität Lausanne (IUMG) für ihre Studiei zur Früherkennung von Depressionen mittels Fragen, die vom Hausarzt gestellt werden. «Wir haben diese hervorragende Studie, die von Hausärzten in Zusammenarbeit mit einem universitären Zentrum konzipiert und realisiert wurde, ausgezeichnet, weil sie für alle Ärzte einen direkten Praxisbezug hat. Depressionen sind beim Hausarzt häufig anzutreffen, aber schwierig zu diagnostizieren. Meist sind sie durch unerklärliche andere somatische Symptome verdeckt, welche in der Regel der einzige Grund für die Konsultation sind» erklärt der Jury-Präsident Hans Stalder, Honorarprofessor der Universität Genf. «Im Jahr 2004 verursachten Depressionen in Europa Kosten von schätzungsweise 118 Milliarden Euro. Angesichts der Herausforderung, welche die Depression für das Gesundheitsweisen darstellt, ist es unumgänglich, ein einfaches Tool für Hausärzte zu entwickeln, das ihnen eine rasche und patientenfreundliche Erkennung der Depression erlaubt», erläutert Patrick Lombardo, Hauptpreisträger des KHMForschungspreises 2012. Der Hausarzt im Angesicht der Depression Der Hausarzt spielt eine zentrale Rolle bei der Erkennung und Betreuung von schweren Depressionen. Tatsächlich wenden sich 90% der Patienten mit psychischen Beschwerden zuerst an einen Allgemeinmediziner. Diese Tatsache hat Wissenschaftliche Leitung: Kollegium für Hausarztmedizin Präsident: Dr. med. Pierre Klauser Direktor: Dr. med. Ueli Grüninger Landhausweg 26 3007 Bern Tel. 031 370 06 70 Fax 031 370 06 79 E-mail: [email protected] Kongressorganisation: Healthworld (Schweiz) AG Heidi Fuchs / Andrea Studer Sennweidstrasse 46 6312 Steinhausen Tel. 041 748 76 00 Fax 041 748 76 11 E-mail: [email protected] 1/5 KHM CMPR CMB CPCM KOLLEGIUM FÜR HAUSARZTMEDIZIN COLLEGE DE MEDECINE DE PREMIER RECOURS COLLEGIO DI MEDICINA DI BASE COLLEGE OF PRIMARY CARE MEDICINE die Lausanner Forschungsgruppe dazu bewogen, die Relevanz der Früherkennung von Depressionen mittels Fragen zu untersuchen. Die umfassende SODA-Studie (SOmatisation, Depression, Anxiety), die vom IUMG in Zusammenarbeit mit 24 Hausärzten realisiert wurde, begleitet Patienten über mehrere Jahre hinweg. Im Rahmen dieser zwischen November 2004 und Juli 2005 in der Westschweiz durchgeführten Studie, stellten die Ärzte den teilnehmenden Patienten zwei einfache Fragen (ursprünglich von Whooley et al.ii vorgeschlagen) zur Erkennung von Depressionen (1 «Waren Sie im letzten Monat häufig traurig, deprimiert, verzweifelt?»; 2 «Hatten Sie letzten Monat weniger Interesse und Lust an den meisten Aktivitäten, die Sie sonst gerne ausüben?»). Das Studienprotokoll wurde durch eine dritte Frage, die sogenannte «help»-Frage ergänzt («Wünschen Sie diesbezüglich Hilfe?»), welche in etwa zur selben Zeit von Arroll et al.iii zur Erkennung von Depressionen vorgeschlagen wurde. 9 von 10 Patienten mittels 2 Fragen ausfindig gemacht Die Auswertung der Antworten der 724 Patienten, die eingewilligt hatten zu Beginn und Schluss der Studie alle drei Fragen zu beantworten, zeigt, dass die ersten zwei Fragen ausreichen, um in neun von zehn Fällen eine schwere Depression zu erkennen. Wird mindestens eine der beiden Fragen bejaht, wird der Test positiv gewertet. Die zwei Fragen zur Früherkennung sind einfach und rasch zu beantworten und können leicht in eine Arzt-Konsultation integriert werden. Die «help»-Frage hingegen reduziert die Sensibilität der Früherkennung: vier von zehn schwer depressiven Patienten geben an, keine Hilfe zu benötigen. Deshalb sollte die «help»-Frage nicht ins Früherkennungs-Tool aufgenommen werden. Sie kann aber im weiteren Verlauf von Bedeutung sein, wenn die Diagnose gestellt ist und es darum geht, jene Patienten ausfindig zu machen, die an einer Behandlung ihrer Depression interessiert sind. Einer von zehn Patienten leidet an einer Depression Die Studie hat bei 9,5% der Patienten, die ihren Hausarzt wegen somatischen Beschwerden aufsuchten, eine schwere Depression festgestellt. Im Vergleich dazu leiden, gemäss Statistik des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (OBSAN) aus dem Jahre 2002, 3% der Schweizer Bevölkerung an Depressionssymptomen, die einer Behandlung bedürfen. «Angesichts der grossen Häufigkeit schwerer Depressionen in der Hausarztpraxis, empfiehlt sich die Anwendung dieser Früherkennung. Sie kann bei allen Patienten eingesetzt werden», präzisiert Dr. med. Patrick Lombardo. Sinnvollerweise muss ein positives Testergebnis durch eine weiterführende hausärztliche Betreuung oder, falls nötig, die Zuweisung an einen Spezialisten ergänzt werden. Was die Nützlichkeit der «help»-Frage angeht, sind weitere Untersuchungen nötig. Dasselbe gilt auch bezüglich der Entwicklung und Langzeitkosten der Patienten, die anhand der ersten zwei Fragen erkannt wurden. Anerkennungspreis Die Jury hat Dr. med. Louis Litschgi einen Anerkennungspreis verliehen für seine originelle Studieiv,v zur Behandlung von Patienten, welche die von ihrem Arzt 2/5 KHM CMPR CMB CPCM KOLLEGIUM FÜR HAUSARZTMEDIZIN COLLEGE DE MEDECINE DE PREMIER RECOURS COLLEGIO DI MEDICINA DI BASE COLLEGE OF PRIMARY CARE MEDICINE vorgeschlagene Therapie ablehnen. Er ging dabei folgender Frage nach: «Was geschieht, wenn sich der Patient bewusst für eine Behandlung entscheidet, die nicht den aktuellen medizinischen Erkenntnissen entspricht?». Zur Beantwortung dieser Fragen verfolgte Dr. Litschgi, Allgemeinmediziner in Basel, mit einigen seiner Kollegen, 80 Fälle während sechs Jahren. Im Rahmen einer «partizipativen» Medizin überliessen die Ärzte dem Patienten die Richtungswahl, unterstützten ihn aber bei seinen Therapie-Entscheidungen, auch wenn diese aus medizinischer Sicht riskant schienen. Dieser Ansatz erfordert vom Arzt gutes Zuhören, Mut und Vertrauen in die Entscheidung des Patienten. Die Resultate sprechen für sich: Bei 27% der Patienten verlief die Genesung besser als sie mit einer konventionellen Behandlung zu erwarten gewesen wäre. Nur bei 14% der Patienten war sie weniger zufriedenstellend. Ausserdem fielen die Gesundheitskosten in zwei Dritteln der Fälle weniger hoch aus und sowohl die Ärzte, als auch die an der Studie teilnehmenden Patienten waren insgesamt sehr zufrieden. «Wir sollten uns der Einsicht nicht verschliessen, dass die Patienten ihrer Erkrankung viel näher stehen als wir, als Arzt, es je sein können. Das wiederum sollte uns hellhörig machen für Lösungen welche die Patienten anvisieren. Das zukunftsträchtige Modell der partizipativen Entscheidungsfindung (shared decision making) verdient seinen Namen aber erst, wenn sich der Arzt mindestens so interessiert vom Patienten überzeugen lässt, wie umgekehrt», stellt Dr. Louis Litschgi fest. Preisverleihung Die beiden Preise werden im Rahmen der 14. Fortbildungstagung des Kollegiums für Hausarztmedizin KHM während des Präsidialen Forschungspreis-Symposiums verliehen, das am 21. Juni 2012 um 16:15 Uhr im KKL Luzern stattfinden wird. Prof. Wolfgang Langewitz wird dabei in einem Gastreferat «Depressions-Screening in der Allgemeinarzt-Praxis – wie es geht und warum uns das interessieren sollte» das Thema in seinem grösseren Zusammenhang darstellen. Besuchen Sie für Informationen zum detaillierten Programm des Präsidialen KHMForschungspreis-Symposiums die Website: www.congress-info.ch/khm2012/p22.html?l=1 Die Forschungsgruppe am IUMG Die Forschungsarbeit wurde vom Assistenzarzt Patrick Lombardo im Rahmen seiner Doktorarbeit am Institut für Hausarztmedizin der Universität Lausanne (IUMG) durchgeführt, unter der Leitung von Dr. med. Lilli Herzig, Fortbildungs- und Forschungsverantwortliche am IUMG sowie Prof. Dr. med. Bernard Burnandvi vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin (IUMSP). Die weiteren Gruppenmitglieder sind: Paul Vaucher, Doktorand der Neurowissenschaften, Dr. med. Nader Haftgoli, Assistenzärztin, Dr. med. Bernard Favrat, Chefarzt der universitären Poliklinik (PMU) und Dr. med. François Verdon, Allgemeinmediziner sowie Prof. Dr. med. Thomas Bischoff, Direktor des IUMG und Hausarzt. Über das KHM Das Kollegium für Hausarztmedizin (KHM) wurde als gemeinnützige Stiftung zur Förderung der medizinischen Grundversorgung in der Schweiz 1994 gegründet. Das KHM wird von den Schweizerischen Gesellschaften für Allgemeinmedizin (SGAM), Innere Medizin (SGIM) und Pädiatrie (SGP) sowie von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) und 3/5 KHM CMPR CMB CPCM KOLLEGIUM FÜR HAUSARZTMEDIZIN COLLEGE DE MEDECINE DE PREMIER RECOURS COLLEGIO DI MEDICINA DI BASE COLLEGE OF PRIMARY CARE MEDICINE den fünf medizinischen Fakultäten der Schweiz getragen. Im Zentrum des Engagements des KHM und seiner Mitgliedsorganisationen steht die Sicherung und Förderung einer qualitativ hochstehenden und quantitativ ausreichenden medizinischen Grundversorgung in der Schweiz. Zentrales Element der Forschungsförderung des KHM ist der «KHM-Forschungspreis Hausarztmedizin», der 2012 zum sechsten Mal verliehen wird, gestiftet von der Mepha Pharma AG (Schweiz). Praktische Informationen Am 21. und 22. Juni 2012 findet im KKL Luzern die 14. Fortbildungstagung des Kollegiums für Hausarztmedizin (KHM) statt. Diesjähriges Motto lautet «Gegensätze: IN – OUT» (www.congressinfo.ch/khm2012). Ausführliche Unterlagen zu den preisgekrönten Arbeiten und – ab 25. Juni 2012 – auch Fotos der Preisvergabe in Luzern können unter folgendem Link: http://www.congress-info.ch/khm2012/p341.html (Rubrik «Presse») heruntergeladen werden. Das Westschweizer Pendant des Luzerner KHM-Kongresses, die 14ème Journee de formation du Collège de Médecine de Premier Recours (CMPR) in Lausanne, findet dieses Jahr zusammen mit der SwissFamilyDocs Conference 2012 vom 30. und 31. August 2012 im Beaulieu Lausanne statt (www.swissfamilydocs.ch). Im Rahmen dieses Doppelkongresses wird am Nachmittag des 30. August nochmals eine feierliche Übergabe des KHM/CMPR-Forschungspreises vollzogen. Eingabefrist für den KHM-Forschungspreis für Hausarztmedizin 2013 ist der 1. Dezember 2012 (weitere Informationen unter www.kollegium.ch/rd/d.html). Kontakt und weiterführende Informationen Hauptpreis Dr. med. Lilli Herzig Fachärztin für Allgemeinmedizin FMH Forschungsbeauftragte Institut für Hausarztmedizin (IUMG) Chemin des Croisettes 8 1066 Epalinges Switzerland Tel. 021 653 50 30 [email protected] Spezialpreis Dr. med. Louis Litschgi Lehenmattstrasse 248 4052 Basel 061 311 17 66 061 311 17 97 [email protected] Pressestelle KHM-Forschungspreis – gestiftet von Mepha Dr. Winfried Suske Healthworld (Schweiz) AG 6132 Steinhausen 041 748 76 29 [email protected] 4/5 KHM CMPR CMB CPCM KOLLEGIUM FÜR HAUSARZTMEDIZIN COLLEGE DE MEDECINE DE PREMIER RECOURS COLLEGIO DI MEDICINA DI BASE COLLEGE OF PRIMARY CARE MEDICINE Referenzen Lombardo P, Vaucher P, Haftgoli N, Burnand B, Favrat B, Verdon F, Bischoff T, Herzig L: The ‘help’ question doesn’t help when screening for major depression: external validation of the three question screening test for primary care patients managed for physical complaints. BMC Medicine 2011 9:114. ii Whooley MA, Avins AL, Miranda J, Browner WS: Case-finding instruments for depression. Two questions are as good as many. J Gen Intern Med 1997, 12:439-445. iii Arroll B, Goodyear-Smith F, Kerse N, Fishman T, Gunn J: Effect of the addition of a “help” question to two screening questions on specificity for diagnosis of depression in general practice: diagnostic validity study. BMJ 2005, 331:884. iv Litschgi L: Der Arzt auf dem Sozius – tolerieren statt dirigieren. PrimaryCare 2012; 12: 7-10. v Dieses Projekt wurde auch im Rahmen des IHAMB Forschungspreises 2011 mit dem Silberpreis in der Höhe von CHF 2500 ausgezeichnet. vi Dr.med. Lilli Herzig und Prof. Dr. med. Burnand sind ebenfalls am Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV) und an der Universität Lausanne (UNIL) zugelassen. i 5/5